Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2007
8. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die Juli-Ausgabe der HRRS publiziert neben einer Entscheidung des EuGH zur Anwendung der EU-Geldwäscherichtlinie auf Anwälte insbesondere höchst bedeutsame Entscheidungen des BVerfG. So hat das BVerfG u.a. in einer grundlegenden Entscheidung zu § 354 Ia StPO einschränkend Stellung genommen und in einer weiteren Entscheidung den staatlichen Zugriff auf Kontostammdaten erörtert. Darüber hinaus sind fünf BGHSt-Entscheidungen und viele weitere wichtige Entscheidungen von BVerfG und BGH aufgenommen.
Zwei Anmerkungen zur BGH-Rechtsprechung – u.a. von Gerhard Fezer – und ein Beitrag aus der Reihe strafprozessuale Leitentscheidungen des EGMR von Daniela Demko machen im Wesentlichen den Beitragsteil der Ausgabe aus.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Dr. Karsten Gaede
1. Die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche - in der Fassung der Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 - vorgesehenen Pflichten zur Information und zur Zusammenarbeit mit den für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständigen Behörden, die den Rechtsanwälten in Art. 2a Nr. 5 dieser Richtlinie auferlegt worden sind, verstoßen angesichts von Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren, wie es durch Art. 6 EMRK und Art. 6 Abs. 2 EU gewährleistet wird. (EuGH)
2. Sobald ein Rechtsanwalt, der im Rahmen einer in Art. 2a Nr. 5 der Richtlinie 91/308 genannten Transaktion tätig geworden ist, um Beistand im Zusammenhang mit der Verteidigung, der Vertretung vor Gericht oder einer Beratung über das Betreiben oder Vermeiden eines Verfahrens ersucht wird, ist er gemäß Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 der genannten Richtlinie von den in Art. 6 Abs. 1 aufgeführten Pflichten befreit, ganz gleich, ob er die Informationen vor, während oder nach dem Verfahren erlangt hat. Eine solche Befreiung wahrt das Recht des Mandanten auf ein faires Verfahren. (Bearbeiter)
3. Nach dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/97 ist es nicht angebracht, selbständige Angehörige von Berufen der Rechtsberatung, die gesetzlich anerkannt sind und überwacht werden, wie beispielsweise Rechtsanwälte, in Fällen, in denen sie die Rechtslage für einen Mandanten beurteilen oder ihn in einem Gerichtsverfah-
ren vertreten, nach der Richtlinie 91/308 zur Meldung eines etwaigen Verdachts auf Geldwäsche zu verpflichten. (Bearbeiter)
4. Nach ständiger Rechtsprechung ist, wenn eine Vorschrift des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts mehr als eine Auslegung zulässt, die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem EG-Vertrag vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Vertrag führt. Die Mitgliedstaaten haben nicht nur ihr nationales Recht gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts kollidiert. (Bearbeiter)
1. § 93 Abs. 8 AO verstößt gegen das Gebot der Normenklarheit, da er den Kreis der Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt festlegt. (BVerfG) 2. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO sind mit dem Grundgesetz vereinbar. (BVerfG) 3. Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung gibt es kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum (vgl. BVerfGE 65, 1, 45; 115, 320, 350). (Bearbeiter)
4. Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so muss diese eine hinreichend präzise Umgrenzung des Verwendungszwecks der betroffenen Informationen sicherzustellen und festlegen, welche staatliche Stelle zur Erfüllung welcher Aufgaben zu der geregelten Informationserhebung berechtigt sind. (Bearbeiter)
5. Eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 65, 1, 46; 115, 320, 350). (Bearbeiter)
6. Die Behörde muss bei der Entscheidung über die Stammdatenabruf berücksichtigen, ob im Einzelfall ohne vorherige Information des Betroffenen heimlich auf seine Kontostammdaten zugegriffen werden darf. Hierbei sind Erwägungen der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dazu gehört auch der grundsätzliche Vorrang eines Auskunftsersuchens an den Steuerpflichtigen § 93 Abs. 7 AO. Gleichfalls verlangt der Begriff der Erforderlichkeit in § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG, dass eine einzelfallbezogene Prüfung stattfinden muss, ob eine die Grundrechte des Betroffenen schonendere Ermittlungsmaßnahme, wie etwa eine offene Datenerhebung, in Betracht kommt. Im gleichen Sinne ist auch § 93 Abs. 8 AO auszulegen. (Bearbeiter)
7. § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG, § 93 Abs. 7 und Ab. 8 AO ermächtigen nicht zu anlasslosen Routineabrufen. (Bearbeiter)
8. Eine grundrechtlich erhebliche Gefährdungslage besteht nicht stets bereits deshalb, weil eine staatliche Stelle Kenntnisse erlangt, die einen Bezug zu einer bestimmten juristischen Person und ihrer Tätigkeit aufweisen. Die informationelle Maßnahme muss vielmehr die betroffene juristische Person einer Gefährdung hinsichtlich ihrer spezifischen Freiheitsausübung aussetzen. Maßgeblich kommt es insoweit insbesondere auf die Bedeutung der betroffenen Informationen für den grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis der juristischen Person sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an. Für ein Kreditinstitut besteht beim Stammdatenabruf keine solche grundrechtlich erhebliche Gefährdungslage. (Bearbeiter)
9. Zwar ist im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine besondere Benachrichtigung des Betroffenen von einem Abruf nach § 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG nicht vorgesehen, jedoch genügen die Informationsmöglichkeiten im Strafverfahren (§ 147 StPO, § 475 Abs. 1 und 4 StPO; § 491 StPO i.V.m. § 19 BDSG) den Anforderungen von Art. 19 Abs. 4 GG. (Bearbeiter)
10. Bleibt der Kontenabruf für den Betroffenen ohne nachteilige Folgen, wiegt dessen Feststellungs- und Unterlassungsinteresse nicht so schwer, dass ihm stets aktiv die für eine gerichtliche Geltendmachung erforderlichen Kenntnisse verschafft werden müssten. (Bearbeiter)
11. Die Regelung des § 24 c Abs. 4 Satz 1 KWG, die eine Protokollierung zum Zwecke der Datenschutzkontrolle vorsieht, ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG so auszulegen, dass das Protokoll auch für die gerichtliche Kontrolle nutzbar ist. (Bearbeiter)
12. In einem Rechtsstaat ist Heimlichkeit staatlicher
Eingriffsmaßnahmen die Ausnahme und bedarf besonderer Rechtfertigung. Erfährt der Betroffene von einer ihn belastenden staatlichen Maßnahme vor ihrer Durchführung, kann er von vornherein seine Interessen wahrnehmen, insbesondere durch gerichtlichen Rechtsschutz. (Bearbeiter)
1. Dem Revisionsgericht muss für seine Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung stehen. (BVerfG)
2. Verfährt das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO, so muss es seine Entscheidung jedenfalls dann begründen, wenn die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht dem Angeklagten sonst nicht nachvollziehbar wären. (BVerfG)
3. Eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts ist ausgeschlossen, wenn zugleich eine neue Entscheidung über einen - fehlerhaften - Schuldspruch erfolgen muss. (BVerfG)
4. Eine notwendige Ausformung des Prozessgrundrechts des fairen Verfahrens ist im Strafverfahren die Gewährleistung einer tragfähigen Grundlage der Strafzumessung. Zu diesem Zweck sind die Strafgerichte zur bestmöglichen Klärung des Sachverhalts - und damit der strafzumessungsrelevanten Faktoren - verpflichtet. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den das materielle Schuldprinzip sich nicht verwirklichen lässt (BVerfGE 57, 250, 275). (Bearbeiter)
5. Das Revisionsgericht hat die Pflicht, den Angeklagten auf die aus seiner Sicht für eine Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sprechenden Gründe hinzuweisen. Eines derartigen Hinweises bedarf es nur dann nicht, wenn - etwa wegen eines mit Gründen versehenen Antrags der Staatsanwaltschaft, auf den das Revisionsgericht seine Entscheidung stützen will - angenommen werden kann, dass der Angeklagte Kenntnis von einer im Raum stehenden Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts erlangt hat. (Bearbeiter)
6. Das Informations- und Anhörungsverfahren muss kein mündliches sein. Allerdings muss aus dem Hinweis für den Angeklagten deutlich werden, warum das Revisionsgericht der Auffassung ist, nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verfahren zu können. (Bearbeiter)
1. Die geänderten gesetzlichen Bestimmungen zur akustischen Wohnraumüberwachung werden den sich unmittelbar aus Art. 13 Abs. 3 GG ergebenden materiellen und formellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in die räumliche Privatsphäre gerecht. Der Gesetzgeber hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 3. März 2004 entwickelt hat, beachtet.
2. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, den Kernbereich privater Lebensgestaltung positiv gesetzlich zu definieren.
3. Um eine Kernbereichsverletzung von vorneherein zu vermeiden, sind vor Beginn der Maßnahme im Rahmen der von den Strafverfolgungsbehörden vorzunehmenden Prognose mögliche Indikatoren für kernbereichsrelevante Handlungen in der zu überwachenden Wohnung zu beachten. Solche können die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der anwesenden Personen zueinander sein. Es besteht eine Vermutung für Gespräche aus dem unantastbaren Kernbereich, wenn sich jemand allein oder ausschließlich mit Personen in der Wohnung aufhält, zu denen er in einem besonderen, den Kernbereich betreffenden Vertrauensverhältnis steht, etwa mit dem Ehepartner, Geschwistern und Verwandten in gerade Linie, insbesondere wenn sie im selben Haushalt leben, oder sonstigen engsten Vertrauten (vgl. BVerfGE 109, 279, 320 ff.). Bei Gesprächen in Betriebs- und Geschäftsräumen ist hingegen typischerweise von einem Sozialbezug auszugehen. Ebenfalls nicht zum unantastbaren Kernbereich gehören Gespräche, die Angaben über begangene Straftaten enthalten (BVerfGE 109, 279, 319).
4. § 100 c Abs. 6 Satz 1 StPO stellt ein generelles Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten nach § 53 StPO auf. Die Nennung der Zeugnisverweigerungsberechtigten in § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO ermöglicht nicht generell
die Überwachung von Gesprächen des Verdächtigen mit diesen Personen. Vielmehr regelt diese Vorschrift ein Beweisverwertungsverbot. Dieses Beweisverwertungsverbot lässt das offen formulierte Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO unberührt.
5. Es bedurfte es keiner gesonderten gesetzlichen Regelung, in der das Verbot einer Rundumüberwachung ausgesprochen wird. Der Gesetzgeber hat durch vielfältige Regelungen deutlich gemacht, dass eine von Verfassungs wegen stets unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Beteiligten erstellt werden könnte, durch allgemeine verfahrensrechtliche Sicherungen auch ohne spezifische gesetzliche Regelung grundsätzlich ausgeschlossen sein soll (BVerfGE 112, 304, 319).
6. Der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 lässt nicht entnehmen, dass eine automatische Aufzeichnung in jedem Fall von Verfassungs wegen zwingend unzulässig ist.
7. Von Verfassungs wegen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Staatsanwaltschaft ein Beurteilungsspielraum dahingehend eingeräumt wird, ob ein Verwertungsverbot in Betracht kommt.
1. Die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus aus Gründen der Gefährlichkeit des Straftäters verletzt weder die Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance des Verurteilten auf Wiedererlangung der Freiheit ist durch strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe sicherzustellen. (BVerfG)
2. Es ist der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt, sich gegen einen gemeingefährlichen Straftäter auch durch einen lang andauernden Freiheitsentzug zu sichern (vgl. BVerfGE 45, 187, 242). (Bearbeiter)
3. Zu den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, den Haftvollzug und die Begründungstiefe richterlicher Entscheidungen bei der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus. (Bearbeiter)
4. Auch beim Verfahren über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist das Beschleunigungsgebot zu beachten. (Bearbeiter)
1. Angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) fehlt für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) ein wichtiger Grund regelmäßig dann, wenn die zu einer Verzögerung des Verfahrens führende Einholung eines Sachverständigengutachtens dadurch hätte vermieden werden können, dass unmittelbar nach Bekanntwerden des Begutachtungserfordernisses ein entsprechender Gutachtensauftrag erteilt worden wäre.
2. Steht gar bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls fest, dass ein Gutachten - etwa zur Schuldfähigkeit des Betroffenen - eingeholt werden muss, so ist das Verfahren regelmäßig nicht ausreichend gefördert worden, wenn der Gutachtensauftrag erst mehrere Monate nach der Festnahme erteilt wurde.
3. Bei einer ungewöhnlichen Tatausführung oder einer zweifelhaften Motivlage ist es in der Regel geboten, einen Sachverständigen zur Würdigung des Täterverhaltens aus psychiatrischer Sicht zu veranlassen; denn die Frage, ob eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit vorgelegen hat, kann von Staatsanwaltschaft und Gericht grundsätzlich nicht aus eigener Sachkunde beantwortet werden.
4. Auf eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse des Staates und dem Freiheitsanspruch des inhaftierten Beschuldigten kommt es bei der Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Rahmen des § 121 Abs. 1 StPO nicht an. Liegt ein solcher nicht vor, so kann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt werden.
5. Eine wie auch immer geartete, gerichtlich nicht überprüfbare Einschätzungsprärogative der Ermittlungsbehörden im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf von notwendigen Ermittlungshandlungen, kommt angesichts der
wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht in Frage. Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) kann nicht davon abhängen, wie ein Beamter der Kriminalpolizei die Sachlage beurteilt und seine Vorgehensweise danach ausrichtet.
1. Das Oberlandesgericht hat im Haftfortdauerbeschluss hinreichend das Vorliegen der in § 121 Abs. 1 StPO genannten wichtigen Gründe darzulegen, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus überhaupt erst eröffnen. Ist die Begründung nicht hinreichend und kann daher eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit des Beschuldigten (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht ausgeschlossen werden, so gebietet das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) die Aufhebung des im Verfassungsbeschwerdeverfahren angegriffenen Beschlusses.
2. Das Recht eines Angeklagten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens vertreten zu lassen, gilt nicht uneingeschränkt, sondern kann entsprechend den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 142, § 145 StPO durch wichtige Gründe begrenzt sein (vgl. BVerfGE 9, 36 38; 39, 238, 243). Es ist deshalb von vornherein verfehlt, bei der Terminierung jede Verhinderung eines Verteidigers zu berücksichtigen. Vielmehr muss zwischen dem Recht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, und seinem Recht, dass der Vollzug von Untersuchungshaft nicht länger als unbedingt nötig andauert, sorgsam abgewogen werden.
3. Regelmäßig ist dem Beschleunigungsgebot - sofern nicht besondere Umstände vorliegen - nur dann Genüge getan, wenn innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Hauptverhandlung begonnen wird.
4. Die Fortdauer der Untersuchungshaft kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, sie dauere erst gut sechs Monate an und der Betroffene habe ohnehin mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu rechnen. Im Rahmen des § 121 Abs. 1 StPO findet eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse des Staates und dem Freiheitsanspruch des inhaftierten Beschuldigten nicht statt.
1. In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung.
2. Die Ermittlungsbehörden haben im Einzelfall auch zu berücksichtigen, ob lediglich der Formalakt der Eintragung in die Handwerksrolle fehlt oder ob der Betroffene über die materiellen Voraussetzungen einer Eintragung verfügt. Sofern lediglich der Formalakt der Eintragung unterblieben ist, eine Eintragung in die Handwerksrolle aber voraussichtlich möglich wäre, ist der schwere Eingriff der Wohnungsdurchsuchung nicht gerechtfertigt.
3. Wenn auch zwischen § 117 Abs. 1 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz in Form eines Qualifikationstatbestandes besteht, so reicht es nicht aus, beide Normen zugleich oder alternativ zu nennen. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 HwO in Betracht.
4. Soll eine Durchsuchung wegen einer Ordnungswidrigkeit erfolgen, ist dieser Umstand in der Verhältnismäßigkeitsprüfung besonders zu berücksichtigen.
1. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet zwar nicht, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten stets von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen abzusehen. Allerdings sind die Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts umso höher, je weniger schwer die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat wiegt.
2. Zur Begründung des Tatverdachts gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen "in erheblichem Umfange". Um diesen Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestands gegenüber dem Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO nachvollziehbar machen. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 HwO in Betracht.
3. Zwar sind umfangreiche Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit weder im Durchsuchungsbeschluss, noch in der Beschwerdeentscheidung grundsätzlich und stets von Verfassungs wegen geboten. Beruht jedoch der Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG lediglich auf einer einzigen Überprüfung, sind Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit erforderlich.
1. Die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG kann auch von der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren abhängig gemacht werden.
2. In Strafsachen, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, gewinnt die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebietet das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstellt, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlangt (vgl. BVerfGE 68, 237, 255).
3. Zu einem Einzelfall, in dem schon mangels einer besonderen Schwierigkeit kein verfassungsrechtlich zu vermeidendes Sonderopfer vorlag.