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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2007
8. Jahrgang
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1. Der Täter handelt bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als nur möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt und einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.
2. Der Tatsache, dass der Angeklagte nicht freiwillig von seinem Opfer abließ, sondern durch Begleiter weggezogen werden musste, kann ein hoher Indizwert für die innere Einstellung des Angeklagten gegenüber der Tötung seines Opfers zukommen.
3. Sind dem Angeklagten die Folgen seiner Tat - der mögliche Tod des Opfers - zumindest gleichgültig, genügt dies für die Annahme von bedingtem Vorsatz (BGHSt 40, 304, 306; BGH, Urt. vom 30. August 2006 - 2 StR 198/06).
1. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es zwar nahe, dass der Täter auch mit der Möglichkeit, dass das Opfer dabei zu Tode kommen könne, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.
2. Ist eine Handlung generell geeignet, tödliche Verletzungen herbeizuführen, so macht dies eine sorgfältige Prüfung des bedingten Vorsatzes nicht entbehrlich. Der Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz ist daher nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einbezogen hat, die ein solches Ergebnis in Frage stellen.
1. Der Senat hat Zweifel, ob er mit Blick auf möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 30, 105, 114 [GS]; 33, 363, 364 f.; BGH GA 1967, 244, 245) der in BGHSt 48, 207, 209, 211 vom 1. Strafsenat geäußerten Rechtsauffassung folgen könnte, das Mordmerkmal der Heimtücke sei einer "normativ orientierten einschränkenden Auslegung zugänglich" mit der Folge, dass der Annahme heimtückischen Handelns entgegensteht, dass der später Getötete mit Gegenwehr hätte rechnen müssen (kritisch auch BGH NStZ 2005, 688, 689).
2. In der Regel handelt "heimtückisch", wer einen Schlafenden tötet; denn der Schlafende ist regelmäßig arg- und wehrlos. Er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, dass ihm nichts geschehen werde, und in diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit (BGHSt 23, 119, 120; 32, 382, 386; BGH NStZ 2006, 338, 339). Allerdings macht die Rechtsprechung seit jeher von diesem Grundsatz Ausnahmen: So wird es etwa als zweifelhaft angesehen, ob Heimtücke vorliegt, wenn das Opfer gegen seinen Willen vom Schlaf übermannt wurde (vgl. BGHSt 23, 119, 121) oder wenn es auf Grund sonstiger Umstände - und nicht wegen seiner Arglosigkeit - nicht in der Lage war, die (Angriffs-) Absicht des Täters zu erkennen und dessen Angriff wirksam entgegenzutreten (vgl. BGH NStZ 1997, 490, 491). Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (BGHSt 48, 207, 210).
3. Zum subjektiven Tatbestand einer "heimtückisch" begangenen Tötung gehört, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt (vgl. BGHSt 50, 16, 28; BGH NStZ 2005, 688, 689). Dass der Angeklagte lediglich die durch den Schlaf bewirkte Wehrlosigkeit des Tatopfers ausnutzen wollte, genügt zur Verurteilung wegen Heimtücke-Mordes nicht aus (vgl. BGHSt 19, 321; 32, 382, 388).
1. Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen ist ein eigenhändiges Delikt, das nur derjenige als Täter verwirklichen kann, der mit dem Tatopfer körperlich in Berührung kommt (BGHSt 41, 242); täterschaftliches Handeln durch Unterlassen ist deshalb nicht möglich.
2. Entscheidet der Tatrichter nicht über alle angeklagten Taten im prozessualen Sinne, etwa weil er irrtümlich über einen Antrag der Staatsanwaltschaft gem. § 154 Abs. 2 StPO nicht befindet, die betroffenen Taten aber auch nicht aburteilt, so bleiben diese Taten auch dann bei dem Tatgericht anhängig, wenn gegen das wegen der übrigen Taten ergangene Urteil Revision eingelegt wird. Die unterlassene Einstellung des Verfahrens kann daher nicht vom Revisionsgericht nachgeholt werden.