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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1094

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 502/23, Beschluss v. 14.05.2024, HRRS 2024 Nr. 1094


BGH 6 StR 502/23 - Beschluss vom 14. Mai 2024 (LG Nürnberg-Fürth)

BGHSt; sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung (besonders schwerer Fall: Vergewaltigung; Qualifikation [Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs]: minder schwerer Fall; umfassende Sperrwirkung).

§ 177 Abs. 6 Satz 1 StGB; § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB; § 177 Abs. 9 Var. 3 StGB

Leitsatz

Der Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB entfaltet umfassende Sperrwirkung gegenüber demjenigen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. Mai 2023 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

A.

Dem Urteil liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde:

I.

Am Nachmittag des Tattages verwickelte der Angeklagte die im Wald spazierengehende 61-jährige Nebenklägerin in ein Gespräch. Plötzlich „packte“ er die ihm körperlich weit unterlegene Nebenklägerin von hinten, hielt sie mit beiden Armen fest und zog sie vom Hauptweg in einen Waldpfad. Dabei richtete er ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca. 20 cm auf sie, um dadurch einen etwaigen Widerstand der Nebenklägerin gegen die von ihm beabsichtigten sexuellen Handlungen zu unterbinden. Die Nebenklägerin sagte, dass sie „das“ nicht wolle, was den Angeklagten aber nicht dazu veranlasste, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen. Er sagte, dass er ihr nichts tun werde und sie nur „anfassen“ wolle. Die Nebenklägerin redete weiter auf ihn ein und fragte ihn mehrmals, „warum er ihr nichts tun wolle, wenn er doch ein Messer habe“. Daraufhin warf der Angeklagte das Messer nicht weit vom Hauptweg entfernt ins Gebüsch. Dann drängte er sie weiter in den Wald hinein bis zu einer Lichtung an einem See. Dort zog er seine Hose aus und forderte die Nebenklägerin auf, sich ebenfalls zu entkleiden. Sie sagte mehrfach, dass sie das nicht wolle, erkannte jedoch, dass sie gegen den ihr körperlich überlegenen Angeklagten keine Chance hatte, und folgte aus Angst vor ihm seinen Anweisungen, ihre Bluse hochzuziehen, ihre Hose auszuziehen, ihre Unterhose herunterzuziehen und ihre Beine auseinanderzunehmen.

Der Angeklagte, dem der entgegenstehende Wille der Nebenklägerin bewusst war, berührte zunächst mit seinen Händen ihre nackten Brüste. Dann führte er „zwei oder drei Finger“ in ihre Scheide ein, bewegte diese etwa ein bis zwei Minuten lang hin und her und onanierte dabei vor ihr, ohne eine Erektion zu bekommen und zum Samenerguss zu gelangen.

Nach wenigen Minuten hörte er auf und ließ von der Nebenklägerin ab. Sie zogen sich wieder an, gingen gemeinsam zum Hauptweg zurück und weiter bis zu dem Parkplatz, auf dem die Nebenklägerin ihr Fahrzeug abgestellt hatte. Dabei unterhielten sie sich, und der Angeklagte erzählte ihr viel von sich. Unter anderem sagte er ihr, dass sein Leben „nicht so schön“ sei und er „sich am liebsten die Pistole an den Kopf halten“ würde. Aus Mitleid mit dem Angeklagten vereinbarte die Nebenklägerin ein Treffen mit ihm in einem Biergarten. Sie hatte zunächst nicht vor, zur Polizei zu gehen. Auf dem Heimweg entschied sie sich jedoch um und erstattete Strafanzeige.

Die Nebenklägerin erlitt durch das Verhalten des Angeklagten keine Schmerzen und keine körperlichen Verletzungen. Eine psychologische Behandlung war nicht notwendig. Aufgrund der Tat traut sie sich jedoch nicht mehr, allein wandern zu gehen.

II.

Das Landgericht hat das Verhalten des vielfach - auch einschlägig - vorbestraften Angeklagten als besonders schwere Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB) angesehen und das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB bejaht. Der Strafzumessung hat es den Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB zugrundegelegt, weil es keinen Anlass dafür gesehen hat, von der Regelwirkung abzusehen, und davon ausgegangen ist, dass der Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB gegenüber dem milderen Strafrahmen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB sowohl im Hinblick auf die Strafuntergrenze als auch hinsichtlich der Strafobergrenze eine Sperrwirkung entfalte.

B.

Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

I.

Der Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung erweist sich als rechtsfehlerfrei. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte das Messer „bei der Tat“ verwendete (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB). Dem steht nicht entgegen, dass er es auf dem Weg zu dem Ort, an dem er die sexuellen Handlungen an der Nebenklägerin vornahm, weggeworfen hatte.

Ein gefährliches Werkzeug wird bei der Tat im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verwendet, wenn es zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung der Tat eingesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2007 - 2 StR 34/07, BGHSt 51, 276 Rn. 7; Beschluss vom 8. September 2021 - 4 StR 166/21, BGHR StGB § 177 Abs. 8 Nr. 1 Verwenden 1, Rn. 8). Entscheidend ist, dass der Täter im Zeitpunkt der Drohung mit dem gefährlichen Werkzeug bereits entschlossen war, sexuelle Handlungen an dem Opfer vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2019 - 2 StR 143/19, Rn. 6).

Das war hier der Fall. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte den Vorsatz, die Nebenklägerin zu vergewaltigen, bereits gefasst, als er sie mit dem Messer bedrohte. Denn dadurch wollte er ihren etwaigen Widerstand gegen die von ihm beabsichtigten sexuellen Handlungen unterbinden.

II.

Der Strafausspruch lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

Das Landgericht hat die Tat aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtabwägung als minder schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB gewertet und dabei insbesondere berücksichtigt, dass die Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB der Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2001 - 4 StR 558/00, Rn. 8 mwN). Es stößt indes auf keine rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht der Strafzumessung gleichwohl den Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB zugrundegelegt hat, der die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei bis fünfzehn Jahren vorsieht. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Strafrahmen umfassende Sperrwirkung gegenüber demjenigen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) entfaltet.

1. Mit dem Rechtsinstitut der Sperrwirkung des im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängten Delikts werden wertungswidrige Ergebnisse korrigiert, die durch gesetzliche Inkohärenzen bzw. Unstimmigkeiten bei der Strafrahmenbestimmung entstehen können (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 52 Rn. 34; SSW-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 52 Rn. 14; Puppe, NStZ 2006, 288, 290; Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, S. 134 ff.; Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 882; Küpper in Gedächtnisschrift für Meurer, 2002, S. 123, 134; Warda, JuS 1964, 81, 93). Droht das Gesetz etwa für die Verwirklichung einer tatbestandsmäßigen Qualifikation in einem minder schweren Fall eine geringere Mindeststrafe als für den Grundtatbestand an, dann kann diese „wenig geglückte Harmonie der Strafrahmen“ (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1) bei der Strafzumessung zu einer Besserstellung desjenigen Täters führen, der neben dem milderen Gesetz noch ein schwereres Gesetz (mit niedrigerer Mindest- oder Höchststrafe) verletzt (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1951 - 1 StR 101/51, BGHSt 1, 152, 156; vom 11. Februar 1955 - 1 StR 478/54, BGHSt 7, 307, 312).

Das Rechtsinstitut der Sperrwirkung behebt diesen Wertungswiderspruch, indem bei der Strafrahmenwahl der Strafrahmen des verdrängten Tatbestandes denjenigen des spezielleren und damit nach den Regeln der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) vorrangigen Tatbestandes sperrt. Es verhindert dadurch, dass der Täter aus dem von ihm verwirklichten erhöhten Unrecht Vorteile zieht, und trägt der Bestimmung der Strafe Rechnung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1970 - 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 134; Beschluss vom 17. Oktober 2023 - 6 StR 227/23, Rn. 8; NK-StGB/ Puppe/Grosse-Wilde, 6. Aufl., Vor § 52 Rn. 4; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 68; MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 46 Rn. 386; Dietsch, StraFo 2023, 38; Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 882).

a) Praktische Bedeutung hat die Sperrwirkung des verdrängten Delikts vor allem im Betäubungsmittelstrafrecht (vgl. MüKoStGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., BtMG § 30a Rn. 231 ff.; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 30a Rn. 115, jeweils mwN), insbesondere in Fällen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge), § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Diese Vorschrift begründet eine Qualifikation zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge), der sich seinerseits als qualifiziertes Delikt gegenüber dem Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) darstellt. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG treten mithin der Qualifikationstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und der Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nach dem Grundsatz der Spezialität in Gesetzeskonkurrenz hinter § 30a Abs. 2 BtMG zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164).

§ 30a Abs. 3 BtMG regelt einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, der den Strafrahmen des § 30a Abs. 2 BtMG von fünf bis fünfzehn Jahren auf eine Strafrahmenuntergrenze von sechs Monaten und eine Strafrahmenobergrenze von zehn Jahren mildert. Der hinter § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zurücktretende § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG sieht demgegenüber einen höheren Strafrahmen vor: Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren. Diese Inkohärenz führt - soweit nicht zugleich ein minder schwerer Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG vorliegt - zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Privilegierung desjenigen Täters, der neben dem Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG außerdem den Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in einem minder schweren Fall (§ 30a Abs. 3 BtMG) erfüllt. Aus diesem Grund entfaltet § 29a Abs. 1 BtMG nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur in diesen Fällen eine Sperrwirkung, die sich allerdings auf die Strafuntergrenze beschränken soll (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1; Beschlüsse vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98; vom 14. August 2013 - 2 StR 144/13, NStZ-RR 2014, 180; vom 26. September 2019 - 4 StR 133/19, Rn. 7; vom 5. Juli 2023 - 5 StR 235/23; Urteil vom 14. Dezember 2023 - 1 StR 263/23, Rn. 9; MüKoStGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., BtMG § 30a Rn. 231; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30a Rn. 263); der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat seine zwischenzeitlich vertretene abweichende Auffassung, dass die Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG auch hinsichtlich der Strafobergrenze gelte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164, 165), wieder aufgegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2020 - 3 StR 469/19, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 5).

b) Auch die Deliktsstruktur des § 177 StGB, die in der Literatur treffend als „undurchdringliches Dickicht differenzierter, sich überschneidender Strafdrohungen“ bezeichnet wird (vgl. Renzikowski in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Band 4, § 9 Rn. 70), wirft die Frage einer Sperrwirkung und damit nach deren Reichweite auf (vgl. SSW-StGB/Wolters, 6. Aufl., § 177 Rn. 136; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 159).

Während § 177 Abs. 5 StGB, der die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren vorsieht, einen eigenständigen Qualifikationstatbestand darstellt, hat der Gesetzgeber die in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB geregelte Vergewaltigung, die sich auf sexuelle Übergriffe nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ebenso wie auf Nötigungen nach § 177 Abs. 5 StGB bezieht, als Strafzumessungsregel für besonders schwere Fälle mit einer Strafrahmenuntergrenze von zwei Jahren ausgestaltet (vgl. LK/Hörnle, StGB, 13. Aufl., § 177 Rn. 227). § 177 Abs. 7 und § 177 Abs. 8 StGB heben die Mindeststrafe auf drei bzw. fünf Jahre an und stellen weitere Qualifikationstatbestände dar. Durch ihre Erfüllung erhöht der Täter das ihm zur Last fallende Unrecht, weil neben der Verwirklichung des jeweiligen Grunddelikts eine höhere abstrakte (§ 177 Abs. 7 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 8 Nr. 1 StGB) oder konkrete (§ 177 Abs. 7 Nr. 3, Abs. 8 Nr. 2 Buchst. b StGB) Gefährdung bzw. eine schwere körperliche Misshandlung (§ 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB) des Opfers hinzutritt (vgl. LK/Hörnle, StGB, 13. Aufl., § 177 Rn. 279). § 177 Abs. 9 StGB regelt eine Strafrahmenmilderung für minder schwere Fälle der Grunddelikte oder Qualifikationstatbestände und reduziert die vorgenannten Strafandrohungen mit unterschiedlichen Abstufungen. In minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 mildert er den Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Liegen die Voraussetzungen eines (erschwerenden) Qualifikationstatbestandes gemäß § 177 Abs. 7 oder Abs. 8 StGB vor, dann tritt § 177 Abs. 5 StGB - und damit auch die Strafzumessungsregel des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB - im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück (vgl. Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 169; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 177 Rn. 138). Diese Regelungstechnik führt bei der Strafrahmenwahl zu einem Wertungswiderspruch, wenn der Täter - wie in dem hier in Rede stehenden Fall - einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs (Vergewaltigung) nach § 177 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB und darüber hinaus die Qualifikation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verwirklicht, letztere aber nur in einem minder schweren Fall im Sinne von § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB. Denn ohne Korrektur durch das Rechtsinstitut der Sperrwirkung kommt dann trotz der qualifizierenden Umstände der mildere Strafrahmen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB zur Anwendung.

Um zu vermeiden, dass derjenige günstiger gestellt wird, der neben dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB außerdem einen Qualifikationstatbestand erfüllt, hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB hinsichtlich der Strafuntergrenze eine Sperrwirkung entfaltet (vgl.

BGH, Urteile vom 21. November 2002 - 3 StR 260/02, BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 4; vom 1. Juli 2015 - 2 StR 63/15, NStZ 2016, 147; vom 18. Oktober 2018 - 3 StR 292/18; vom 6. Februar 2019 - 5 StR 598/18; vom 5. Januar 2023 - 5 StR 386/22, NStZ 2023, 340; SSW-StGB/Wolters, 6. Aufl., § 177 Rn. 136). Er hat indes bisher offengelassen, ob sich die Sperrwirkung auch auf die Strafobergrenze erstreckt (vgl. zu § 177 StGB aF BGH, Urteil vom 21. November 2002 - 3 StR 260/02, aaO).

2. Die hier bedeutsame Frage, ob § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB in solchen Fällen auch hinsichtlich der Strafobergrenze eine Sperrwirkung entfaltet, ist zu bejahen.

a) Das ergibt sich schon aus dem Rechtsinstitut der Sperrwirkung als Ausprägung des Grundsatzes eines gerechten Schuldausgleichs.

Die Strafzumessung wird von dem Grundsatz der gerechten Schuldstrafe bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1979 - 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 324; Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262, 265; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 712 ff.; SSW-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 46 Rn. 27). Danach darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2011 - 5 StR 63/11; Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262, 269).

Dementsprechend garantiert das Rechtsinstitut der Sperrwirkung, dass dem Täter aus seiner eigenen Schuld- und Unrechtssteigerung bei der Festsetzung der Strafe keine unbilligen Vorteile erwachsen. Es trägt damit dem im Schrifttum als Ausschöpfungsgebot bezeichneten Prinzip der Strafzumessung Rechnung, wonach ein Täter nicht davon profitieren darf, dass er zusätzlich ein anderes oder ein noch größeres Unrecht verwirklicht hat (vgl. El-Ghazi, Revision der Konkurrenzlehre, 2020, S. 75; NK-StGB/Puppe/Grosse-Wilde, 6. Aufl., Vor § 52 Rn. 7a; SSW-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 52 Rn. 4; MüKoStGB/ v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., Vor § 52 Rn. 27; LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 108; Puppe, JuS 2016, 961).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der Gedanke des Ausschöpfungsgebots insbesondere in der sogenannten Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs Niederschlag gefunden (vgl. El-Ghazi, aaO, S. 75; LK/Rissing-van Saan, aaO), welche die erschöpfende Erfassung des verwirklichten Tatunrechts zum Nachteil aller Geschädigten im Schuldspruch bezweckt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, NJW 2019, 1086 Rn. 26 mwN). Die Klarstellungsfunktion gebietet die Annahme von Tateinheit statt von Gesetzeseinheit, wenn anderenfalls der Schuldspruch den Unrechtsgehalt einer Handlung, die mehrere Tatbestände erfüllt, nicht umfassend zum Ausdruck bringt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 1998 - 4 StR 357/98, NJW 1999, 72; vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, NJW 2019, 1086; KG, NStZ-RR 2013, 173; NK-StGB/Puppe/Grosse-Wilde, 6. Aufl., Vor § 52 Rn. 4).

Wenn jedoch schon aus diesem Grund ein Fall der Gesetzeseinheit rechtlich wie ein Fall der Tateinheit zu behandeln ist, dann erscheint es zur Gewährleistung eines gerechten Schuldausgleichs und Vermeidung einer ungerechtfertigten Privilegierung erst recht geboten, die Strafe einem im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängten Delikt zu entnehmen.

aa) Die Bedeutung der gesetzlichen Strafrahmen für den Vorgang der Strafzumessung verdeutlicht, dass nur eine umfassende Sperrwirkung dem Ausschöpfungsgebot und damit dem Grundsatz der Schuldstrafe gerecht wird.

Die Schwere der Tat und der Grad der persönlichen Schuld des Täters bilden die Grundlagen der Strafzumessung (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 1965 - 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266; Beschluss vom 29. April 1987 - 2 StR 500/86, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 2). Die Strafzumessungsschuld erfasst das Maß der Vorwerfbarkeit bei der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Unrechts (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 575). Eine inhaltliche Bestimmung und Gewichtung von Unrecht und Schuld hat der Gesetzgeber in den Deliktsnormen mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen und in bestimmten Vorschriften des Allgemeinen und des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 1987 - 2 StR 500/86, aaO; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 3; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, 3. Aufl., Kapitel 4, Rn. 1). Wenngleich es Sache des Tatgerichts ist, in jedem Einzelfall die angemessene Strafe unter Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände zu bestimmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2000 - 3 StR 88/00; vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, NStZ 2011, 689), bindet das Gesetz das Tatgericht an den Strafrahmen als festen Wertmaßstab (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 - 3 StR 87/71, BGHSt 24, 173, 178; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1165; Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, 3. Aufl., Kapitel 4, Rn. 5; Matt/Renzikowski/Bußmann, StGB, 2. Aufl., § 46 Rn. 6; Kaltenbach, JA 2020, 385).

Inhalt und Grenzen des Gebots schuldangemessenen Strafens spiegeln sich daher in den gesetzlich bestimmten Strafrahmen wider, die einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts vermitteln, den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe gestellten Verhalten verbunden hat (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1779; Matt/Renzikowski/Bußmann, aaO; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO; Bruns/Güntge, aaO, Rn. 1). Die gesetzlichen Strafrahmen geben dem Tatgericht damit eine normative Orientierung und definieren überdies den abgegrenzten Bereich, aus dem es mit Blick auf die konkrete Tat und den in ihr zum Ausdruck gekommenen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungskriterien nach § 46 StGB die konkrete Strafe zu entnehmen hat (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1779; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 38 ff. Rn. 40; Matt/Renzikowski/Bußmann, aaO).

Kommen mehrere Strafrahmen in Betracht, dann bestimmt das Ausmaß der Strafzumessungsschuld, das durch eine die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls würdigende Ganzheitsbetrachtung von Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit festzustellen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1981 - 4 StR 358/81, NStZ 1981, 389; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 1178), welcher Strafrahmen im konkreten Fall zur Anwendung gelangt. Eine höhere Strafzumessungsschuld bedingt daher nach der Systematik von § 46 StGB, von dem höheren Strafrahmen auszugehen. Dies gilt entsprechend bei der Strafzumessung im engeren Sinne. Auch insoweit ist der bestimmende Maßstab der Straffindung die persönliche Schuld des Täters, so dass die Strafe - ebenfalls nach einer Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Umstände - umso höher ausfallen muss, je schwerer die Schuld des Täters wiegt.

bb) Im Zusammenspiel mit den gesetzlich nicht geregelten Folgen der Gesetzeskonkurrenz kann ein Konflikt entstehen, wenn aufgrund einer gesetzgeberischen Inkohärenz ein Strafgesetz mit einer höheren Strafrahmenobergrenze oder Strafrahmenuntergrenze von einem spezielleren Strafgesetz verdrängt wird. Dann kommt aufgrund des formalen Prinzips des Vorrangs des spezielleren Gesetzes das Strafgesetz mit dem milderen Strafrahmen zur Anwendung, und es gereicht dem Täter zum Vorteil, dass er nicht nur ein Strafgesetz, sondern mehrere Strafgesetze verletzt hat (vgl. RGSt 73, 148, 150; BGH, Urteil vom 24. April 1951 - 1 StR 101/51, BGHSt 1, 152, 156). Insbesondere in Fällen, in denen eine Straffestsetzung im Bereich der Höchststrafe des verdrängten Delikts schuldangemessen wäre, führt dies - in Umkehrung des Gedankens eines gerechten Schuldausgleichs - dazu, dass der Täter nur deshalb geringer bestraft wird, weil ihn eine höhere Schuld trifft.

Dem lässt sich das für eine Beschränkung der Sperrwirkung auf die Mindeststrafe angeführte Argument, dass das Tatgericht eine Höchststrafe anders als eine gesetzliche Mindeststrafe unterschreiten dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1981 - 3 StR 210/81, BGHSt 30, 166, 168; Bruns, JR 1982, 166, 167), nicht überzeugend entgegenhalten. Gerade in Fällen sehr hoher Strafzumessungsschuld, in denen sich die schuldangemessene Strafe der Strafrahmenobergrenze nähert, erscheint es vielmehr in besonderem Maße unbillig, die Strafe ohne sachlich gerechtfertigten Grund einem Strafrahmen zu entnehmen, der eine geringere Höchststrafe androht. Hinzu kommt, dass dem Tatgericht höhere Begründungsanforderungen obliegen, wenn es unter Anwendung der milderen Strafrahmenobergrenze des verdrängenden Strafgesetzes eine Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens ausspricht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 1 StR 136/21). Denn an die Begründung der Strafhöhe werden um so größere Anforderungen gestellt, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze des Strafrahmens nähert (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 1995 - 3 StR 625/94, NJW 1995, 2234, 2235; vom 20. September 2000 - 2 StR 186/00, NJW 2001, 83, 84; Beschluss vom 20. Februar 2024 - 3 StR 466/23, NStZ-RR 2024, 137).

cc) Die Verletzung des Grundsatzes der gerechten Schuldstrafe tritt noch deutlicher zum Vorschein, wenn andere an der Tat beteiligt sind, die selbst kein zusätzliches Unrecht verwirklicht haben. So würde hinsichtlich eines unbewaffneten Mittäters des Angeklagten, dem die Verwendung des Messers durch den Angeklagten nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen ist, der Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB mit einer Höchststrafe von fünfzehn Jahren zur Anwendung kommen. Dem Angeklagten drohte demgegenüber bei einer Beschränkung der Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB auf die Strafuntergrenze lediglich eine Höchststrafe von zehn Jahren (§ 177 Abs. 9 Variante 3 StGB).

Eine solche Straffestsetzung, die sich gegenüber dem Betroffenen nur damit begründen ließe, dass das Gesetz ihm deshalb eine höhere Strafe als seinem Mittäter androht, weil er im Gegensatz zu diesem bei der Tat kein Messer verwendete, entfernte sich indes so sehr davon, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie als objektiv willkürlich erschiene (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2015, 335 mwN; Beschluss vom 6. Juli 2001 - 2 BvR 15/01, Rn. 5).

dd) Nur die umfassende Sperrwirkung des verdrängten Delikts gewährleistet daher eine mit dem Grundsatz der gerechten Schuldstrafe im Einklang stehende Strafrahmenwahl. Darüber hinaus trägt sie dem Gebot Rechnung, dass gegen mehrere Tatbeteiligte verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen und es nicht vom Zufall abhängt, ob unstimmige Strafandrohungen einen Tatbeteiligten zu Unrecht privilegieren (vgl. zur vergleichenden Strafzumessung BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262; vom 23. März 2017 - 2 StR 406/16; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 712 ff.).

b) Demgegenüber liegt der im Betäubungsmittelstrafrecht herrschenden Auffassung, nach der sich die Sperrwirkung in Fällen der Gesetzeskonkurrenz „wie bei Tateinheit“ (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1; Beschluss vom 18. April 2018 - 2 StR 1/18, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 3) auf die Strafuntergrenze beschränkt, ein Verständnis des Rechtsinstituts der Sperrwirkung zugrunde, das auf einer selektiven Übertragung der gesetzlichen Wertungen der Tateinheit (Idealkonkurrenz) beruht, namentlich des § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. zu § 177 StGB auch BGH, Urteil vom 21. November 2002 - 3 StR 260/02, BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 4).

Die Annahme, die gesetzlichen Wertungen der Idealkonkurrenz (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StGB) ließen sich entsprechend auf das Rechtsinstitut der Gesetzeskonkurrenz übertragen, basiert auf einer auch als „Wende zur Idealkonkurrenz“ (vgl. MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., Vor § 52 Rn. 76 ff.) bezeichneten Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der die Rechtsfolgen von Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz zunehmend angeglichen wurden (vgl. RGSt 73, 148; BGH, Urteile vom 24. April 1951 - 1 StR 101/51, BGHSt 1, 152, 156; vom 26. Juni 1957 - 2 StR 191/57, BGHSt 10, 312, 315; Beschluss vom 9. November 2017 - 1 StR 204/17; LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor §§ 52 ff., Rn. 113; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, aaO, Vor § 52 Rn. 62; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 103; Dünnebier, GA 1954, 271; El-Ghazi, Revision der Konkurrenzlehre, 2020, S. 153 ff.; Reinbacher in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Band 3, § 62 Rn. 70; Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, 1996, S. 313; Satzger, JR 1999, 201, 205; Maatz, NStZ 1995, 209, 211; Seier, Jura 1983, 225, 234). Unter der Prämisse eines dogmatischen Gleichlaufs der Rechtsfolgen von Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz erscheint freilich die Annahme schlüssig, auch in Fällen der Gesetzeskonkurrenz dürften „wie bei Tateinheit“ entsprechend § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB wertungswidrige Ergebnisse lediglich in Bezug auf die Strafrahmenuntergrenze korrigiert werden.

aa) Dies erweist sich nach einer Gesamtbetrachtung der sachlich-rechtlichen Regelungen des § 52 StGB, die als Voraussetzung für ein funktionierendes Rechtsfolgensystem dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 5), aber als ein Trugschluss. Dieser beruht auf einer isolierten Übertragung des in § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB enthaltenen Rechtssatzes unter Verkennung der gesetzlichen Wertung des § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB. Denn innerhalb des Rechtsfolgensystems der Idealkonkurrenz sind wertungswidrige Strafrahmenbestimmungen insgesamt - das heißt sowohl „nach unten“ als auch „nach oben“ - ausgeschlossen. Das ergibt sich aus Folgendem:

Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB wird, wenn mehrere Strafgesetze verletzt sind, die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Nach dem sogenannten Absorptionsprinzip wird hiervon die Strafe aus den ebenfalls verwirklichten Delikten aufgezehrt (vgl. LPK-StGB/Kindhäuser/ Hilgendorf, 9. Aufl., § 52 Rn. 2; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl., § 27 Rn. 37). Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB ist sodann nach dem sogenannten Kombinationsprinzip ein Strafrahmen zu bilden, der „nach oben“ der Vorschrift zu entnehmen ist, die im Höchstmaß die nach Art und Höhe „schwerste Strafe“ androht, wobei gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB „nach unten“ die Sperrwirkung des milderen Gesetzes zu beachten ist (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 52 Rn. 36; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 52 Rn. 8; Matt/Renzikowski/Bußmann, StGB, 2. Aufl., § 52 Rn. 1). Der in Fällen der Idealkonkurrenz zu bildende Kombinationsstrafrahmen wird folglich nach oben durch die höchste Höchststrafe und nach unten durch die höchste Mindeststrafe begrenzt (vgl. MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., § 52 Rn. 118).

bb) Die Entstehungsgeschichte des Rechtsinstituts der Sperrwirkung untermauert, dass eine kohärente Übertragung der gesetzlichen Wertungen des § 52 StGB auf Fälle der Gesetzeskonkurrenz einen kombinierten Strafrahmen zwischen dem Minimum des milderen und dem Maximum des schwereren Strafrahmens und damit eine umfassende Sperrwirkung erfordern würde (vgl. Laue in Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, 8. Aufl., § 55 Rn. 34). Denn das Rechtsinstitut der Sperrwirkung rührt aus der Idealkonkurrenz her und war seit jeher in ein normatives Rechtsfolgensystem eingebettet, welches wertungswidrige Bestimmungen der Strafrahmenobergrenze bei mehreren Gesetzesverletzungen des Täters kategorisch ausschloss.

(1) Die Idealkonkurrenz war ursprünglich in § 73 StGB geregelt, der durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (1. StrRG) reformiert wurde und seitdem mit kleineren Abweichungen dem heutigen § 52 StGB entsprach. § 73 StGB in der Fassung vom 1. Januar 1872 enthielt indes keine mit § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB vergleichbare Regelung (vgl. El-Ghazi, Revision der Konkurrenzlehre, 2020, S. 151 ff.). Die Vorschrift war streng dem Absorptionsprinzip verpflichtet und kannte das nunmehr in § 52 Abs. 2 und Abs. 4 StGB kodifizierte Kombinationsprinzip nicht (vgl. Jescheck, ZStW 1955, 529, 530 ff.). Bei Idealkonkurrenz kam deshalb seit jeher „nur“ das schwerste Gesetz zur Anwendung. Bei welchem Gesetz es sich um das schwerste handelte, richtete sich dabei stets nach der Höchst- und nicht nach der Mindeststrafe. Dieses Konzept schloss zwar Wertungswidersprüche auf der Ebene der Höchststrafe kategorisch aus, führte aber naturgemäß zu einer wertungswidrig milderen Strafrahmenuntergrenze, wenn das verdrängte „mildere Gesetz“ eine höhere Mindeststrafe als das verdrängende „strengere Gesetz“ vorsah (vgl. RGSt 6, 180, 183 f.).

Das „Prinzip der absoluten Exklusivität des härtesten Strafgesetzes“ (vgl. RGSt 6, 180, 183), welches einen Rückgriff auf das verdrängte Delikt absolut ausschloss, entsprach vor der Reform des § 73 StGB aF nicht nur dem geltenden Recht, sondern stimmte mehrheitlich auch mit der dogmatischen Grundüberzeugung des Schrifttums überein. Nach der „Lehre von der absoluten Deliktsexklusion“ (vgl. Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, 1996, S. 308 ff.; Seier, Jura 1983, 225, 233; Jescheck, aaO, 531; Laue in Maurach/Gössel/Zipf, aaO, § 55 Rn. 24; Bockelmann, JZ 1953, 233, 234 f.; Dünnebier, GA 1954, 271, 273 f.; Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 18. Aufl., § 56, S. 247) durften wegen einer erschöpfenden Deliktsabsorption des verdrängten Gesetzes aus diesem keinerlei Rechtsfolgen und Wirkungen hergeleitet werden, weil diese exklusiv der spezielleren (vorrangigen) Norm vorbehalten waren (vgl. RGSt 59, 321, 325 f.), was in Bezug auf die Rechtsfolgen eine Gleichstellung von Gesetzes- und Idealkonkurrenz zur Folge hatte (vgl. Laue in Maurach/Gössel/Zipf, aaO, § 55 Rn. 24; Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, S. 141 ff.).

Mit einer Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen distanzierte sich das Reichsgericht jedoch von dieser Lehre und entwickelte trotz des unmissverständlichen Gesetzeswortlauts des § 73 StGB aF für die Idealkonkurrenz die Rechtsfigur der „Sperrwirkung der milderen Gesetze“ (vgl. RGSt 73, 148; Dünnebier, aaO, 273; Reinbacher in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Band 3, § 62 Rn. 70; Bockelmann, aaO), die primär dem Zweck diente, den ausschließlich auf der Ebene der Mindeststrafe denkbaren Wertungsfehler bei der Strafrahmenwahl zu beseitigen. Damit begründete das Reichsgericht das später mit der Reform des § 73 StGB aF kodifizierte und de lege lata in § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB gesetzlich verankerte Rechtsprinzip, dass das „Mindeststrafmaß und die Strafart des milderen Gesetzes eingehalten werden“ müssten, „wenn nach dem strengeren Gesetz eine geringere Strafe oder eine leichtere Strafart zulässig“ sei, und legte gleichsam die Weichen für den Übergang vom reinen Absorptions- zum Kombinationsprinzip (vgl. RGSt 73, 148; 75, 19, 20; Jescheck, aaO, 532).

Dass es in der Rechtsprechung des Reichsgerichts nie zur Diskussion stand, die Sperrwirkung auf die Strafrahmenobergrenze zu erstrecken, war somit keineswegs dem Umstand geschuldet, dass dies mit dem Rechtsfolgensystem der Idealkonkurrenz unvereinbar gewesen wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Das tradierte Absorptionsprinzip, das bereits in § 73 StGB aF verankert war, gewährleistet seit jeher, dass ein Täter im Rechtsfolgensystem der Idealkonkurrenz nicht davon profitiert, mehrere Strafgesetze verletzt zu haben, indem - wie heute gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB - ausnahmslos das Strafgesetz mit der höheren Höchststrafe zur Anwendung gelangt.

Demgegenüber wurden Strafrahmenuntergrenzen unterhalb derjenigen der verdrängten Delikte von der Lehre von der absoluten Deliktsexklusion und lange auch vom Reichsgericht bis zur Einführung des Kombinationsprinzips ausdrücklich akzeptiert. Dieses Defizit der damaligen Gesetzeslage, nämlich das Fehlen einer § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB entsprechenden Regelung, war der Grund für die Entwicklung des Rechtsinstituts der Sperrwirkung durch das Reichsgericht. Im Lichte ihrer Entstehungsgeschichte wird deutlich, dass der Begrenzung der Sperrwirkung auf die Mindeststrafe keine spezifische Wertung innewohnt, sondern dass sie schlichtweg eine Konsequenz der damals defizitären Gesetzeslage ist.

Durch die Einführung des Kombinationsprinzips gelang es, das Rechtsfolgensystem der Idealkonkurrenz insgesamt gegen wertungswidrige Strafrahmenbestimmungen zu immunisieren und so dem Ausschöpfungsgebot, dessen Beachtung einer der Zwecke der Annahme von Idealkonkurrenz ist (vgl. SSW-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 52 Rn. 4), Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund drängt es sich unter Berücksichtigung der Gesamtsystematik der Idealkonkurrenz auf, die Sperrwirkung um das Absorptionsprinzip zu erweitern und so die Wertungen von § 52 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 StGB in Fällen der Gesetzeskonkurrenz vollständig zu berücksichtigen. Stattdessen wurde § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB isoliert auf die Fälle der Gesetzeskonkurrenz übertragen. Dies führte ersichtlich dazu, dass sich die Fehlvorstellung verfestigte, die Sperrwirkung bei Gesetzeskonkurrenz müsse „wie bei Tateinheit“ auf die Strafrahmenuntergrenze beschränkt werden.

(2) Dies zeigt die Entwicklung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Der 1. Strafsenat übernahm in mehreren Entscheidungen den vom Reichsgericht entwickelten Rechtssatz, dass die höhere Mindeststrafandrohung nicht vom verdrängten Tatbestand absorbiert wird, und übertrug diesen auf die Fälle der Gesetzeskonkurrenz (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1951 - 1 StR 101/51, BGHSt 1, 152, 156; vom 14. Januar 1964 - 1 StR 246/63, BGHSt 19, 188, 190; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band II, § 33 Rn. 243; Jescheck, aaO, 532). Er begründete dies damit, dass auch dort der Grundsatz gelten müsse, dass es einem Täter nicht zum Vorteil gereichen dürfe, wenn er durch seine Tat nicht nur ein Strafgesetz, sondern mehrere Strafgesetze verletze. Eine Begrenzung der Sperrwirkung auf die Mindeststrafe nahm der 1. Strafsenat demgegenüber nicht vor.

Auf der Linie dieser Rechtsprechung liegt auch die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass das verdrängte Gesetz wieder vollständig auflebt, wenn eine Sanktionierung nach dem vorrangigen spezielleren Tatbestand aus materiellrechtlichen Gründen - wie etwa beim Rücktritt vom Versuch - oder aufgrund des Bestehens eines Verfahrenshindernisses nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 1964 - 1 StR 246/63, BGHSt 19, 188; vom 15. Oktober 1981 - 4 StR 461/81, BGHSt 30, 235; LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 117).

Im Jahr 1981 entschied der 3. Strafsenat in einem Fall, der das Verhältnis der vollendeten gefährlichen Körperverletzung zum minder schweren Fall des versuchten Totschlags betraf, zum ersten Mal ausdrücklich über die Reichweite der Sperrwirkung und sprach sich gegen die vorher in BGHSt 1, 152, 156 angedeutete vollständige Übertragung des Rechtsinstituts der Sperrwirkung aus dem Rechtsfolgensystem der Idealkonkurrenz auf Fälle der Gesetzeskonkurrenz aus. Er lehnte eine strenge Bindung des Tatgerichts im Hinblick auf die Höchststrafe eines verdrängten Gesetzes ab (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1981 - 3 StR 210/81, BGHSt 30, 166, 167), weil eine solche Bindung an die Höchststrafe dazu führen könne, dass der Täter mit einer Strafe belegt werde, die den Strafrahmen des nach dem Schuldspruch anzuwendenden Strafgesetzes übersteige.

Bemerkenswert ist insoweit zum einen, dass sich der 3. Strafsenat nicht mit dem Rechtsfolgensystem der Idealkonkurrenz auseinandersetzte, obwohl das Rechtsinstitut der Sperrwirkung dort seinen Ursprung hat und der 1. Strafsenat die Sperrwirkung ausdrücklich aus der Idealkonkurrenz auf die Fälle der Gesetzeskonkurrenz übertragen hatte. Zum anderen relativierte er seine Rechtsprechung bereits zwei Jahre später und bejahte - abhängig von dem jeweiligen Deliktsbereich - in einem steuerstrafrechtlichen Verfahren eine umfassende Sperrwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1983 - 3 StR 280/83, BGHSt 32, 95).

Gegenstand dieser Entscheidung war das Verhältnis zwischen Schmuggel gemäß § 373 Abs. 1 AO und Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AO. § 373 AO stellt einen Qualifikationstatbestand dar, der den Grundtatbestand des § 370 AO verdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2015 ? 1 StR 11/15, NStZ 2016, 47 mwN). In seiner bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung sah § 373 Abs. 1 AO einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor, während § 370 Abs. 3 AO aF für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren androhte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2015 ? 1 StR 11/15, aaO, mwN). Dies hätte nach den in der Entscheidung des 3. Strafsenats vom 3. Juli 1981 entwickelten Grundsätzen zur Folge haben müssen, dass der höhere Strafrahmen des besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung nur deshalb nicht zur Anwendung gelangte, weil der Täter zusätzlich zum Grundtatbestand ein Merkmal verwirklichte, das die Tat als Schmuggel qualifizierte, etwa - wie in dem der Entscheidung vom 28. September 1983 zugrundeliegenden Fall - dasjenige der Gewerbsmäßigkeit (§ 373 Abs. 1 AO).

Da ihm dies „sinnwidrig“ erschien, entschied der 3. Strafsenat, dass die Strafe in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung trotz grundsätzlicher Verdrängung des Grundtatbestandes (§ 370 Abs. 1 AO) durch den qualifizierten Tatbestand der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben (§ 373 Abs. 1 AO) dem § 370 Abs. 3 AO entnommen werden müsse. Anderenfalls würde der Täter wegen der strafschärfenden Begehungsart milder bestraft werden, als wenn diese fehlte (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1983 - 3 StR 280/83, BGHSt 32, 95; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - 1 StR 267/14, NStZ 2015, 285; Klein/Jäger, AO, 17. Aufl., § 373 Rn. 76). Der dem Beschluss vom 3. Juli 1981 (BGHSt 30, 166) zugrundeliegende Gedanke einer Nichtbindung an die Höchststrafe lasse sich aufgrund der Besonderheiten des Verhältnisses der steuerstrafrechtlichen Vorschriften zueinander auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Die Gewerbsmäßigkeit der Hinterziehung von Eingangsabgaben (§ 373 Abs. 1 AO) bilde nur einen - wenn formal auch tatbestandsmäßig ausgestalteten - Strafschärfungsgrund der nach seinem Gewicht zwischen dem Strafrahmen des Grundtatbestandes des § 370 Abs. 1 AO und der Strafzumessungsregel für besonders schwere Fälle des § 370 Abs. 3 AO einzuordnen sei.

Danach ist die Bestimmung der Reichweite der Sperrwirkung keine (besondere) Frage der Gesetzes- oder Idealkonkurrenz, sondern folgt vielmehr den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Strafnormen (so auch Jescheck, aaO, 536).

(3) Im Anschluss an die in BGHSt 30, 166 und BGHSt 32, 95 veröffentlichten Entscheidungen fand - nachdem der 3. Strafsenat seine abweichende Rechtsprechung zum Betäubungsmittelstrafrecht aufgegeben hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164; Urteil vom 7. September 2017 - 3 StR 278/17; Beschluss vom 1. September 2020 - 3 StR 469/19, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 5) - keine tiefergehende Auseinandersetzung mehr mit der Frage der Reichweite der Sperrwirkung statt. Insbesondere im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts setzte sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Rechtssatz durch, dass bei Gesetzeskonkurrenz das zurücktretende Delikt, ebenso „wie bei Tateinheit gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB“ eine Sperrwirkung nur hinsichtlich der Mindeststrafe entfalte (vgl. BGH, Urteile vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1; vom 24. November 2005 - 4 StR 243/05, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 2 Strafrahmen 2; Beschlüsse vom 25. Juli 2013 - 3 StR 143/13, NStZ 2014, 164; vom 18. April 2018 - 2 StR 1/18, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 3). Soweit sich jedoch über eine reine Beschreibung der Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz hinaus in § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB ein Argument für eine Beschränkung der Sperrwirkung auf die Mindeststrafe erblicken ließe, wäre dieser Rechtssatz unzutreffend. Denn er beruht auf einer Verkürzung der gesetzlichen Wertungen des § 52 StGB, die für eine auch die Strafrahmenobergrenze erfassende Sperrwirkung sprechen.

cc) Auch der in BGHSt 30, 166 entwickelte Einwand, der Täter könne bei Annahme einer umfassenden Sperrwirkung mit einer Strafe belegt werden, die den Strafrahmen des nach dem Schuldspruch anzuwendenden Strafgesetzes übersteige, verfängt in der hier in Rede stehenden Konstellation nicht. Zwar ist in Fällen der Gesetzeseinheit eine Inkohärenz zwischen Schuld- und Rechtsfolgenausspruch denkbar. Denn im Unterschied zur Tateinheit führt die Gesetzeseinheit dazu, dass der Tatbestand, der im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter einem anderen Tatbestand zurücktritt, im Schuldspruch keine Erwähnung findet (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 113; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., Vor § 52 Rn. 29; Reinbacher in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Band 3, § 62 Rn. 11; Walter, JA 2005, 468, 470; Jescheck, aaO, 534). Hier ist die Sorge einer überschießenden Höchststrafe, die nicht mehr mit dem Schuldspruch korrespondiert, jedoch bereits im Ansatz unbegründet. Denn der Schuldspruch folgt aus § 177 Abs. 8 StGB und nicht aus § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB, weil Strafzumessungsregeln für besonders schwere Fälle ebenso wie diejenigen für minder schwere Fälle grundsätzlich nicht in den Tenor aufgenommen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287; vom 15. April 2008 - 5 StR 68/08; vom 13. August 2008 - 2 StR 332/08; vom 26. November 2013 - 3 StR 370/13). Der für den Schuldspruch maßgebliche § 177 Abs. 8 StGB sieht indes ebenso wie § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB eine Höchststrafe von fünfzehn Jahren vor.

c) Ergibt sich nach alledem bereits aus dem Rechtsinstitut der Sperrwirkung, dass dieses nicht nur die Strafunter-, sondern auch die Strafobergrenze umfasst, so gilt dies grundsätzlich für alle Deliktsbereiche. Ausnahmen kommen nur in Fällen sogenannter privilegierender Spezialität in Betracht, in denen es gerade dem Sinn und Zweck der spezielleren Vorschrift entspricht, den Täter zu begünstigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2009 - 1 StR 518/08, BGHSt 53, 288 Rn. 13; vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 120/03, BGHSt 49, 34, 37; Mitsch, JuS 1993, 471, 475).

Daraus, dass bislang im Betäubungsmittelstrafrecht eine Beschränkung der Sperrwirkung auf die Strafuntergrenze angenommen wird, folgt für die hier in Rede stehende Konstellation nichts anderes, weil die Frage des Ausmaßes der Sperrwirkung jedenfalls für jeden Deliktsbereich gesondert zu beurteilen ist. Insoweit gilt für die Deliktsstruktur des § 177 StGB Gleiches wie für das Steuerstrafrecht (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1983 - 3 StR 280/83, BGHSt 32, 95): Die Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB umfasst im Verhältnis zu dem Strafrahmen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB auch die Strafobergrenze.

aa) Dies entspricht dem in § 177 StGB zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt. Es wäre - wie in dem der Entscheidung des 3. Strafsenats vom 28. September 1983 (3 StR 280/83, BGHSt 32, 95) zugrundeliegenden Fall - auch in der hier gegebenen Konstellation sinnwidrig, anstelle des in § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB vorgesehenen Strafrahmens den milderen Strafrahmen des § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB nur deshalb anzuwenden, weil der Täter bei einer Vergewaltigung zudem eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendete (vgl. LK/Hörnle, StGB, 13. Aufl., § 177 Rn. 335 ff.). Es ist ersichtlich nicht vom Gesetzgeber intendiert, den normimmanenten Wertungskonflikt, der sich in solchen Fällen aus den sich überschneidenden Strafandrohungen ergibt, durch Annahme einer auf die Strafuntergrenze beschränkten Sperrwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB aufzulösen.

Eine derartige Besserstellung des Täters setzt vielmehr entgegen dem vom Gesetzgeber bezweckten Opferschutz (vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 21) Fehlanreize, weil der Täter durch gezielte (dosierte) Unrechtserhöhungen versuchen könnte, sich eine „goldene Brücke“ zu einem milderen Strafrahmen zu bauen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2016 - 1 StR 293/16, NJW 2017, 1124; Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie und Praxis, 2012, S. 74 ff.). In Anbetracht dessen wäre es auch unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsgüterschutzes dysfunktional, wenn eine größere Gefährdung des Tatopfers in bestimmten Anwendungsfällen des § 177 StGB die Aussicht des Täters steigern würde, dass sich die Strafrahmenobergrenze bei der Strafrahmenwahl zu seinen Gunsten verschiebt.

bb) Die Annahme einer umfassenden Sperrwirkung ist auch mit der Gesetzessystematik und dem Wesen der Gesetzeskonkurrenz vereinbar. Denn die Regelbeispiele des § 177 Abs. 6 Satz 2 StGB indizieren eigenständiges Unrecht, das - anders als im klassischen Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation - nicht zwingend in der Verwirklichung der Qualifikationen des § 177 Abs. 7 und Abs. 8 StGB enthalten ist. Außerdem kommt § 177 Abs. 6 StGB - obwohl es sich nicht um einen eigenständigen Tatbestand handelt - nach der Rechtsprechung bei der Abfassung des Schuldspruchs besondere Bedeutung zu (vgl. zur Tenorierung in Fällen der Vergewaltigung BGH, Beschluss vom 28. November 2019 - 3 StR 482/19 mwN). Dies gilt auch dann, wenn ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 9 Variante 3 StGB bejaht wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 - 4 StR 496/13, NStZ-RR 2014, 172; LK/Hörnle, StGB, 13. Aufl., § 177 Rn. 327). Dennoch hat der Gesetzgeber unabhängig davon, ob das spezifische Unrecht einer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 StGB vorliegt, in § 177 Abs. 9 StGB jeweils einheitliche Strafrahmen für minder schwere Fälle der Qualifikationen geschaffen. Die Subsidiarität des § 177 Abs. 6 StGB ist eine Folge dieser unausgegorenen Regelungstechnik; sie beruht aber nicht wie in Fällen der Gesetzeseinheit darauf, dass das speziellere Gesetz (§ 177 Abs. 9 Variante 3 i.V.m. § 177 Abs. 8 StGB) alle Unrechts- und Schuldmerkmale des generellen Tatbestandes enthält.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1094

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede