HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 801
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 234/22, Urteil v. 30.03.2023, HRRS 2023 Nr. 801
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 13. Dezember 2021 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels, die durch den Adhäsionsantrag entstandenen besonderen Kosten sowie die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zudem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von einem Jahr und vier Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Schließlich hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt. Sie hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen fasste der Angeklagte zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt vor dem 19. Oktober 2020 den Entschluss, die Nebenklägerin, seine Ehefrau, zu töten. Denn er nahm an, sie unterhalte Kontakte zu einem anderen Mann, weshalb er eifersüchtig war. Zudem befürchtete er, sie könne ihn mit den Kindern verlassen. Auch missfiel ihm der westliche Lebens- und Kleidungsstil seiner Ehefrau. Schließlich hatte ihn verärgert, dass die Nebenklägerin am Vorabend des Tattages seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr zurückgewiesen hatte.
Am Vormittag des 19. Oktober 2020 blieb der Angeklagte seiner Arbeitsstelle fern. Er erklärte der Nebenklägerin, die die Kinder zur Schule und zum Kindergarten gebracht hatte, er wolle mit ihr nach N. fahren, um dort von seinem Arbeitgeber einen Pkw der Marke Mercedes-Benz für sie zu kaufen und abzuholen. Dabei küsste und umarmte er sie, um sie in Sicherheit zu wiegen. Bereits am Vortag hatte er ihr einen solchen Autokauf in Aussicht gestellt und ihr auf einem Internetportal Videos von Crashtests unter anderem des Herstellers Mercedes-Benz gezeigt. Tatsächlich stand in N. kein Pkw des Arbeitgebers zum Kauf. Der wahre Anlass der Fahrt lag vielmehr darin, dass der Angeklagte die Nebenklägerin töten und dabei ausnutzen wollte, dass sie sich keines Angriffs auf ihr Leben versah und deshalb in ihren Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt war.
Sodann fuhr der Angeklagte mit der Nebenklägerin in seinem Pkw Skoda vom Wohnort der Familie in C. zur nächstgelegenen Autobahnauffahrt. Der Angeklagte saß am Steuer, die Nebenklägerin auf dem Beifahrersitz. Während der Fahrt rief er einen Freund an und bat ihn, für den Fall einer späten Rückkehr der Eheleute vom Autokauf in N. die Kinder am Nachmittag von der Schule bzw. der Nachmittagsbetreuung abzuholen. In der Folge fuhr der Angeklagte auf die A 7 in Fahrtrichtung W., obgleich N. auf dieser Strecke nicht direkt zu erreichen war. Während der Fahrt gerieten der Angeklagte und die Nebenklägerin in Streit. Er hielt ihr vor, mit einem anderen Mann ein Schwimmbad besucht und in der vergangenen Nacht Telefonsex gehabt zu haben. Die Nebenklägerin wies die Vorwürfe zurück, was den Angeklagten noch wütender machte. Auf ihren Vorschlag anzuhalten, um in Ruhe alles zu besprechen, ging er nicht ein und forderte sie laut schreiend auf, den Namen des anderen Mannes zu nennen. Andernfalls würde er sie beide umbringen. Die Nebenklägerin erklärte, es gebe keinen anderen Mann. Darauf entgegnete der Angeklagte, dass er wisse, dass es einer seiner Arbeitskollegen sei. Dabei erhöhte er die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs auf 155 km/h. Die Nebenklägerin hatte inzwischen begonnen zu weinen und verstummte; sie wandte sich nach vorn und schloss ihre Augen.
Der Angeklagte, der bis dahin die linke Fahrspur befahren hatte, steuerte den Pkw nun auf die rechte Fahrspur. Auf dieser befand sich vor ihm ein Sattelzug, der mit einer Geschwindigkeit von höchstens 85 km/h fuhr. In der Absicht, die Nebenklägerin zu töten, und im Wissen um die Lebensgefährlichkeit seines Tuns fuhr der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 155 km/h so auf den Lkw auf, dass der Pkw mit der Front der Beifahrerseite auf das linke Heck des Sattelaufliegers prallte. Hierdurch wurde das Fahrzeug des Angeklagten erheblich beschädigt. Der Motorblock wurde herausgeschleudert und geriet in Brand. Der Wagen kam schließlich rechts neben dem Standstreifen zum Stehen. Als der Angeklagte erkannte, dass die Nebenklägerin den Aufprall überlebt hatte und sein Vorhaben nicht mehr durchführbar war, schlug er ihr aus Verärgerung zweimal mit der Faust gegen den Brustkorb.
Die Nebenklägerin erlitt körperliche Verletzungen, aufgrund derer sie zwei Tage stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde. Außerdem entwickelte sie eine posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode, was eine längerfristige ambulante Behandlung nach sich zog. Der Angeklagte wurde leicht verletzt. Er verließ das Krankenhaus, ohne sich nach dem Gesundheitszustand seiner Ehefrau zu erkundigen.
Das Landgericht hat - hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes - allein das Mordmerkmal der Heimtücke gemäß § 211 Abs. 2 StGB angenommen. Die Verurteilung wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung hat es auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gestützt; die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auf die Tatbestandsvariante des § 315b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 a) StGB.
Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Juli 2022 genannten Gründen keinen Erfolg.
Die Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe in Tötungsabsicht gehandelt und sei bereits bei Fahrtantritt entschlossen gewesen, die Nebenklägerin durch die Herbeiführung eines Unfalls auf der Autobahn zu töten, beruht ebenso auf einer tragfähigen Beweiswürdigung wie die Annahme, er habe sie in den Pkw gelockt, um ihre eingeschränkten Abwehrmöglichkeiten während der Fahrt hierzu auszunutzen.
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2017 - 4 StR 397/16; Urteil vom 22. November 2016 - 1 StR 329/16; Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14; jeweils mwN). Dabei verpflichten §§ 261 und 267 StPO den Tatrichter, in den Urteilsgründen darzulegen, dass seine Überzeugung von den die Anwendung des materiellen Rechts tragenden Tatsachen auf einer umfassenden, von rational nachvollziehbaren Überlegungen bestimmten Beweiswürdigung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2020 - 2 StR 380/19, NStZ-RR 2020, 258 mwN). Die wesentlichen Beweiserwägungen müssen daher - über den Wortlaut des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO hinaus - in den schriftlichen Urteilsgründen so dargelegt werden, dass die tatgerichtliche Überzeugungsbildung für das Revisionsgericht nachzuvollziehen und auf Rechtsfehler hin zu überprüfen ist. Dabei sollte durch das Gliederungssystem erkennbar sein, auf welche Feststellungskomplexe sich die jeweiligen Ausführungen zur Beweiswürdigung beziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2020 - 2 StR 152/20, NStZ-RR 2021, 114, 115 mwN).
bb) Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil noch gerecht.
(1) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung zum Tatgeschehen nicht eingelassen. Lediglich in seinem letzten Wort hat er erklärt, er habe die Nebenklägerin nicht töten wollen. Im Ermittlungsverfahren hatte er bestritten, den Unfall bewusst herbeigeführt zu haben.
(2) Die Urteilsgründe enthalten zwar keine zusammenhängende Darstellung der Beweiserwägungen zur subjektiven Tatseite. Ihrem Zusammenhang lassen sich aber die - ihrerseits ordnungsgemäß beweiswürdigend festgestellten - Umstände entnehmen, aus denen das Landgericht den Schluss auf eine Tötungsabsicht des Angeklagten gezogen hat. Dabei hat das Landgericht insbesondere auf die objektiv große Gefährlichkeit der Tathandlung, die Äußerung des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin unmittelbar vor der Tat, er werde sie beide umbringen, seine Motivlage und sein gegenüber dem Opfer zunächst aggressives, später achtloses Verhalten nach der Tat abgestellt.
Auch die Feststellung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin bereits in Tötungsabsicht in den Pkw gelockt, um ihre eingeschränkten Abwehrmöglichkeiten während der Fahrt auszunutzen, ist hinreichend belegt. Der Zusammenhang der Urteilsgründe lässt erkennen, dass die Strafkammer dabei insbesondere darauf abgestellt hat, dass der gegenüber der Nebenklägerin angegebene Anlass der Fahrt nur ein Vorwand war und der Angeklagte bereits Vorkehrungen für das nachmittägliche Abholen der Kinder durch einen Freund getroffen hatte, obwohl die Eheleute im Falle eines Autokaufs rechtzeitig wieder zuhause gewesen wären.
(3) Das Landgericht hat dabei keine aus den Urteilsgründen ersichtlichen, für die Feststellung der Tötungsabsicht maßgeblichen Umstände außer Acht gelassen.
Namentlich war die Strafkammer nicht verpflichtet, näher auf den Gesichtspunkt der Eigengefährdung des Angeklagten einzugehen, die mit dem Auffahren auf den Sattelzug verbunden war. Eine Beweisregel, nach der es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht, gibt es nicht. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr kann zwar eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat. Dies gilt aber nur, wenn die Verhaltensweise nicht - wie hier - von vornherein darauf angelegt ist, eine andere Person zu verletzen oder einen Unfall herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 - 4 StR 403/20, NStZ 2023, 232 Rn. 19; Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 21 mwN).
Das Landgericht hat - entgegen der Auffassung der Revision - auch in den Blick genommen, dass der Pkw mit einem Beifahrer-Airbag ausgestattet war und die Nebenklägerin vorschriftsmäßig den Sicherheitsgurt angelegt hatte. Es hat diesen Umständen lediglich - revisionsrechtlich unbedenklich - keine entscheidende Bedeutung für die Gefährlichkeit der Tathandlung und die Tötungsabsicht des Angeklagten beigemessen. Auch hat es nachvollziehbar einen Verursachungsbeitrag der Nebenklägerin ausgeschlossen. Dabei hat es sich rechtsfehlerfrei auf die Zeugenaussage der Nebenklägerin gestützt, die es mit ausführlicher Begründung als glaubhaft bewertet hat, sowie auf das unfallanalytische Sachverständigengutachten und weitere Zeugenaussagen zum objektiven Unfallgeschehen. Auch ein Einschlafen des Angeklagten hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
b) Auf Grundlage der danach rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht im Ergebnis auch zutreffend angenommen, dass der Angeklagte mit einem auf die Begehung eines Heimtückemordes gerichteten Tatentschluss (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 ? 4 StR 324/19, NStZ 2020, 402 Rn. 17 mwN) gehandelt hat, als er sein Fahrzeug in Tötungsabsicht auf den Lkw lenkte.
aa) Heimtückisch handelt, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - 4 StR 337/20, NStZ 2021, 609, 610; Urteil vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.; Beschluss vom 2. Dezember 1957 - GSSt 3/57, BGHSt 11, 139, 143). Arglos ist ein Opfer, das sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht. Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das ist der Fall, wenn das Opfer daran gehindert ist, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder in sonstiger Weise auch durch verbale Äußerungen auf den Täter einzuwirken, um den Angriff zu beenden (st. Rspr.; vgl. nur BGH [GrS.], Beschluss vom 2. Dezember 1957 - GSSt 3/57, BGHSt 11, 139, 143; Urteil vom 21. Januar 2021 - 4 StR 337/20, NStZ 2021, 609, 610; Beschluss vom 26. März 2020 - 4 StR 134/19, NStZ 2020, 609 Rn. 13; Urteil vom 15. November 2017 - 5 StR 338/17; Beschluss vom 28. Juni 2016 - 3 StR 120/16, NJW 2016, 2899 Rn. 12; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; Beschluss vom 7. April 1989 - 3 StR 83/89; Urteil vom 21. Januar 1970 - 3 StR 182/69; Urteil vom 22. Januar 1952 - 1 StR 485/51, NJW 1952, 834, 835; Urteil vom 21. Dezember 1951 - 1 StR 675/51, BGHSt 2, 60, 61).
bb) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist grundsätzlich der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, also der Eintritt des Tötungsdelikts in das Versuchsstadium. Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat das heimtückische Vorgehen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB auch in Vorkehrungen liegen kann, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Wird das Tatopfer in einen Hinterhalt gelockt oder ihm eine raffinierte Falle gestellt, kommt es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der Tötungshandlung noch arglos war. Infolge seiner Arglosigkeit wehrlos ist dann auch derjenige, der in seinen Abwehrmöglichkeiten fortdauernd so erheblich eingeschränkt ist, dass er dem Täter nichts Wirkungsvolles mehr entgegenzusetzen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2021 - 3 StR 316/20, NStZ 2022, 161, 162; Urteil vom 21. Januar 2021 ? 4 StR 337/20, NStZ 2021, 609, 610 f.; Beschluss vom 26. März 2020 - 4 StR 134/19, NStZ 2020, 609 Rn. 13; Beschluss vom 31. Juli 2018 - 5 StR 296/18; Beschluss vom 6. November 2014 - 4 StR 416/14; Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 503/09; Urteil vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 384; Urteil vom 17. Januar 1968 ? 2 StR 523/67, BGHSt 22, 77, 79 f.; Sinn in SK-StGB, 9. Aufl., § 211 Rn. 45; ablehnend Schauf, NStZ 2019, 585, 590 ff.; Zorn, Die Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB, 2013, S. 28).
cc) Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen in Bezug auf den Tatentschluss des Angeklagten erfüllt.
Zwar findet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei bei Versuchsbeginn - dem Zeitpunkt des Fahrspurwechsels - noch von der Arglosigkeit der Nebenklägerin ausgegangen, in den Feststellungen keine Stütze. Denn er hatte ihr zuvor bereits seine Tötungsabsicht offenbart, als er sie aufforderte, ihm den Namen des „anderen Mannes“ zu nennen, andernfalls er sie beide umbringen werde. Dies spricht dafür, dass ihre Arglosigkeit zu Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs bereits aufgehoben war und der Angeklagte dies erkannte, zumal zwischen seiner Äußerung und dem Angriff eine gewisse, wenn auch nicht näher eingegrenzte Zeitspanne lag.
Die Feststellungen ergeben aber, dass der Angeklagte der arglosen Nebenklägerin tatplangemäß eine Falle stellte, indem er sie - zu diesem Zeitpunkt bereits in Tötungsabsicht - unter dem Vorwand eines Autokaufs in den Pkw lockte und mit ihr die Autofahrt antrat. Damit hatte er sie planmäßig in eine bis zur Tatbegehung fortdauernde Lage gebracht, in der ihre Möglichkeiten eingeschränkt waren, einen Angriff auf ihr Leben durch einen absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfall abzuwehren. Dies nutzte er bei der Herbeiführung der Kollision bewusst aus.
2. Auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ist rechtsfehlerfrei. Soweit das Landgericht bei der gefährlichen Körperverletzung neben dem unproblematisch erfüllten Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auch die Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bejaht hat, wird dies unter den hier gegebenen Umständen von den Feststellungen noch belegt. Zwar erfordert eine Verurteilung nach dieser Vorschrift, dass die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eingetreten ist. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, muss daher die körperliche Misshandlung unmittelbar durch den Anstoß des vom Täter verwendeten Fahrzeugs ausgelöst worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 - 4 StR 403/20, Rn. 22; Beschluss vom 23. November 2021 - 4 StR 236/21). Dies ist hier aber der Fall, denn die Verletzungen der Nebenklägerin sind ersichtlich durch einen Kontakt mit dem kollisionsbedingt abrupt zum Stehen gebrachten Tatfahrzeug entstanden.
3. Die Rechtsfolgen- und Adhäsionsentscheidungen weisen ebenfalls keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 801
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede