HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 225
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 337/20, Urteil v. 21.01.2021, HRRS 2021 Nr. 225
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. Februar 2020 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie
b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Führen halbautomatischer Kurzwaffen und Besitz von Munition sowie wegen unerlaubten Besitzes halbautomatischer Kurzwaffen, eines Schlagrings und von Munition zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer wirksam auf die Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat II.2. der Urteilsgründe und den Gesamtstrafenausspruch beschränkten Revision, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet ist, erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen Heimtückemordes. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen seine Verurteilung.
Während das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.
1. Nach den Feststellungen waren der Angeklagte und die später getötete L. B. seit 1974 verheiratet. In den Jahren 2013 bis 2017 trennte sich L. B. mehrfach vom Angeklagten, kehrte aber jeweils nach einiger Zeit zu ihm zurück. Nicht ausschließbar als Folge dieser wiederholt von seiner Ehefrau herbeigeführten Trennungen entwickelte der Angeklagte ein übersteigertes Misstrauen und eine erhebliche Eifersucht. Ohne jeden konkreten Anlass vermutete er immer wieder, L. B. könne sich einem anderen Mann zugewandt haben. Äußerlich manifestierte sich sein Argwohn in Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen, die er seiner Ehefrau auferlegte oder selbst vornahm.
Im Spätjahr 2018 bereitete L. B. mit der Anmietung einer eigenen Wohnung eine neuerliche Trennung vom Angeklagten vor, die sie für ihn völlig überraschend am 26. Dezember 2018 vollzog. Nach einigen Tagen ohne Kontakte untereinander nahmen der Angeklagte und seine Ehefrau zunächst über Telefon und Kurznachrichten und schließlich auch persönlich wieder Verbindung auf und L. B. besuchte den Angeklagten in der Folgezeit nahezu täglich in der vormalig gemeinsamen Wohnung. Während L. B. ihr neues ungebundenes Dasein genoss und fest entschlossen war, nicht wieder beim Angeklagten einzuziehen und mit ihm in einer ehelichen Gemeinschaft zusammenzuleben, hoffte der stark unter der Trennung von seiner Ehefrau leidende Angeklagte darauf, dass L. B. auch diesmal zu ihm zurückkehren werde. Am 22. Februar 2019 reiste L. B. nach Hamburg. Während des Aufenthalts in Hamburg kommunizierten der Angeklagte, der sich weiterhin an die Hoffnung klammerte, das gemeinsame Eheleben doch noch wiederherstellen zu können, und seine Ehefrau mehrfach miteinander.
Spätestens am 4. März 2019, als sich die baldige Rückkehr seiner Ehefrau abzeichnete, beschloss der Angeklagte, endgültig klare Verhältnisse zu schaffen. Er wollte in einem persönlichen Gespräch mit L. B. unmissverständlich klären, ob sie bereit sei, zu ihm zurückzukehren. Im Weigerungsfalle beabsichtigte er, sie und anschließend sich selbst mit jeweils einer der in seinem Besitz befindlichen Pistolen zu erschießen. In Vorbereitung seines Vorhabens begab er sich am frühen Nachmittag des 4. März 2019 in seine Garage, wählte zwei seiner drei Schusswaffen - eine Ceska 7,65 mm Browning sowie eine Luger 9 mm - als potentielle Tatwaffen aus und lud sie mit sechs bzw. drei Patronen. Anschließend verbrachte er die geladenen Schusswaffen in der Erwartung, dass seine Ehefrau ihn in Bälde wieder besuchen werde, in seine Wohnung, wobei er um das Wohnanwesen herumgehen musste, und verwahrte sie in einer Schublade der im Wohnungsflur stehenden Kommode, um sie bei Bedarf zur Hand zu haben und gegen seine Ehefrau und sich richten zu können.
Am 6. März 2019 kehrte L. B. aus Hamburg zurück. Im Vorfeld der Rückreise hatten der Angeklagte und seine Ehefrau miteinander kommuniziert und sich nach einigem Hin und Her für den Abend in der Wohnung des Angeklagten verabredet. Der Angeklagte sah voraus, dass es bei dieser Begegnung zu der entscheidenden Konfrontation kommen werde und stand weiter zu seinem zwei Tage zuvor bedingt gefassten Tatentschluss, für dessen Ausführung er die Waffen in greifbarer Nähe wusste. Gegen 20.45 Uhr traf L. B. verabredungsgemäß in der Wohnung des Angeklagten ein. Nachdem beide in der Sitzgruppe im Wohnzimmer Platz genommen und L. B. eine Weile von ihrer Hamburg-Reise erzählt hatte, teilte der Angeklagte ihr mit, dass sie, wenn sie wieder zu ihm zurückkehren wolle, ihre Wohnung aufgeben müsse. L. B. stellte daraufhin unmissverständlich klar, dass sie nicht vorhabe, die eheliche Gemeinschaft wiederherzustellen. Der Angeklagte reagierte auf diese Äußerung emotional, so dass es zu einem beiderseits mit erhobenen Stimmen geführten Streitgespräch kam. Als L. B. wenig später zu erkennen gab, dass sie gehen werde, und sich der Angeklagte mit dem Scheitern seiner Bemühungen um einen Wiedereinzug seiner Ehefrau konfrontiert sah, entschloss er sich in emotional aufgewühlter Verfassung dazu, nunmehr seine Ehefrau zu erschießen und sich anschließend mit der anderen Waffe selbst zu töten. Er stand auf, begab sich zu der Kommode im Flur, entnahm dieser die beiden Pistolen und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Seine Ehefrau, die nicht ausschließbar - etwa aufgrund des aufgewühlten Verhaltens des Angeklagten oder einer final anmutenden Bemerkung - zu ahnen begonnen hatte, dass der Angeklagte ihr Gewalt antun werde, und deshalb die Wohnung verlassen wollte, kam ihm im Bereich der Wohnzimmertür entgegen. Zugunsten des Angeklagten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass L. B. in dieser Situation noch die Möglichkeit hatte, den Angeklagten mit einer kurzen Bemerkung umzustimmen. Der Angeklagte hielt seiner Ehefrau die Ceska 7,65 mm Browning aus kurzem Abstand vor die Stirn und drückte ab, wobei die Kugel das Tatopfer in die Stirnregion traf, aber nicht in den Schädel eindrang, sondern als Streifschuss einen Defekt des äußeren Schädeldaches verursachte. Anschließend schoss der Angeklagte nach wie vor in Tötungsabsicht ein zweites Mal aus etwas größerem Abstand auf den Kopf seines fliehenden oder einige Schritte zurück ins Wohnzimmer taumelnden Opfers. Der zweite Schuss traf den Hinterkopf von L. B., wodurch sie sogleich zusammenbrach und binnen kürzester Frist verstarb.
Nach den Schüssen verblieb der Angeklagte selbst vom Eindruck der Tat erschüttert einige Minuten lang teils weinend vor Ort, wobei er die beiden Patronenhülsen vom Boden aufhob und auf dem Wohnzimmertisch deponierte, damit sein Hund sie nicht fraß. Anschließend rief er einen Nachbarn an und teilte ihm mit, dass er seine Ehefrau erschossen habe und sich jetzt selbst erschießen werde. Nach einem weiteren vom Balkon der Wohnung aus geführten Gespräch mit dem hinzugekommenen Nachbarn, in dem er erneut seinen Suizid ankündigte, nahm der Angeklagte von diesem Vorhaben Abstand und verließ auf Anweisung der zwischenzeitlich eingetroffenen Polizei unbewaffnet die Wohnung (Tat II.2. der Urteilsgründe).
Über die für die Tötung seiner Ehefrau ausgewählten Pistolen und Patronen hinaus, verwahrte der Angeklagte, der über keine waffenrechtliche Erlaubnis verfügt, seit vielen Jahren in seiner Garage eine weitere Selbstladepistole des Herstellers AMT, den Lauf einer Selbstladepistole der Marke Ceska sowie eine Vielzahl von Patronen unterschiedlichen Kalibers. Ferner bewahrte er in der Wohnung einen selbstgefertigten Schlagring auf (Tat II.1. der Urteilsgründe).
2. Die Strafkammer hat die Tötung des Tatopfers als tateinheitlich begangenen Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB gewertet. Das Vorliegen des Mordmerkmals der Heimtücke hat sie verneint, weil es auf der Grundlage des festgestellten nicht ausschließbaren Tatgeschehens sowohl an der Arg- als auch an der Wehrlosigkeit des Tatopfers gefehlt habe. Zudem sei dem Angeklagten das in subjektiver Hinsicht erforderliche, auf die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bezogene Ausnutzungsbewusstsein bei Tatbegehung nicht nachzuweisen.
Revision der Staatsanwaltschaft Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass die Strafkammer das Mordmerkmal der Heimtücke mit nicht tragfähigen Erwägungen verneint hat.
1. Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 14. Juni 2017 - 2 StR 10/17, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 41; vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.; Beschluss vom 2. Dezember 1957 - GSSt 3/57, BGHSt 11, 139, 143).
Arglos ist ein Opfer, das sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht. Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das ist der Fall, wenn das Opfer daran gehindert ist, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder in sonstiger Weise auch durch verbale Äußerungen auf den Täter einzuwirken, um den Angriff zu beenden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. März 2020 - 4 StR 134/19, NStZ 2020, 609 Rn. 13 mwN; Urteil vom 15. November 2017 - 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97, 98; Beschlüsse vom 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 7. April 1989 - 3 StR 83/89, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 8; Urteile vom 21. Januar 1970 - 3 StR 182/69, GA 1971, 113; vom 21. Dezember 1951 - 1 StR 675/51, BGHSt 2, 60, 61).
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist grundsätzlich der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. So ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat das heimtückische Vorgehen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB auch gerade in den Vorkehrungen liegen kann, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Für die Erfüllung des Heimtückemerkmals ausreichend ist, dass der mit Tötungsvorsatz handelnde Täter das Tatopfer im Vorbereitungsstadium der Tat unter Ausnutzung von dessen Arglosigkeit in eine Lage aufgehobener oder stark eingeschränkter Abwehrmöglichkeiten bringt und die so geschaffene Lage bis zur Tatausführung ununterbrochen fortbesteht. Ob das Opfer zu Beginn des Tötungsangriffs noch arglos war, ist in diesen Sachverhaltskonstellationen ohne jede Bedeutung (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2020 - 5 StR 124/20 Rn. 10 f.; Beschlüsse vom 26. März 2020 - 4 StR 134/19, aaO; vom 31. Juli 2018 - 5 StR 296/18, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 42; vom 6. November 2014 - 4 StR 416/14, NStZ 2015, 31; Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 503/09, NStZ 2010, 450; Beschluss vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 36; Urteile vom 1. Juni 1988 - 2 StR 168/88, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 6; vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 386 f.; vom 17. Januar 1968 - 2 StR 523/67, BGHSt 22, 77).
Für das in subjektiver Hinsicht für einen Heimtückemord erforderliche Ausnutzungsbewusstsein genügt es schließlich, dass der Täter die die Heimtücke begründenden Umstände in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Juni 2020 - 4 StR 482/19, NStZ 2020, 602 Rn. 53; vom 14. Juni 2017 - 2 StR 10/17, aaO).
2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe halten die Erwägungen der Strafkammer zur Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Soweit das Landgericht die Arglosigkeit des Tatopfers verneint hat, weil L. B. nach den getroffenen Feststellungen möglicherweise bereits vor dem ersten mit Tötungsabsicht abgegebenen Schuss mit einem gewalttätigen Vorgehen des Angeklagten gegen sie rechnete, liegt den Ausführungen ein zu enges Verständnis des Mordmerkmals der Heimtücke zugrunde. Die Strafkammer hat bei ihren Überlegungen vielmehr übersehen, dass die für eine heimtückische Tötung erforderliche Arglosigkeit des Opfers in Fällen, in denen der mit Tötungsvorsatz handelnde Täter das ahnungslose Opfer planmäßig in eine bis zur Tatbegehung fortbestehende Lage zumindest stark eingeschränkter Abwehrmöglichkeiten gebracht hat, nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass das Opfer die ihm drohende Gefahr noch vor Beginn des eigentlichen Tötungsangriffs erkennt. Die Strafkammer hätte sich daher näher mit der Frage befassen müssen, ob der bereits am 4. März 2019 bedingt gefasste Tatplan des Angeklagten darauf abzielte, seine ihn ahnungslos in seiner Wohnung aufsuchende Ehefrau im Falle des Scheiterns seiner Umstimmungsversuche noch in der Wohnung unter Ausnutzung ihrer wehrlosen Lage mit den bereitgelegen Schusswaffen zu töten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 36). Ein solcher Tatplan liegt angesichts der getroffenen Feststellungen, wonach der bedingt zur Tötung entschlossene Angeklagte die geladenen Schusswaffen in der Erwartung, dass seine Ehefrau ihn in Bälde wieder besuchen werde, in der Flurkommode verwahrte, um sie bei Bedarf zur Hand zu haben und gegen seine Frau richten zu können, jedenfalls nicht fern. Für den Tattag hat das Landgericht zudem festgestellt, dass der Angeklagte vor dem abgesprochenen Besuch seiner Ehefrau mit der entscheidenden Konfrontation bei dieser Begegnung rechnete, er an seinem zuvor bedingt gefassten Tatentschluss festhielt und für dessen Ausführung die Waffen in greifbarer Nähe wusste. Dass sich die Strafkammer nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte das entscheidende Gespräch gezielt im Wohnzimmer der Wohnung herbeiführte, macht die Erörterung eines auf die Tötung innerhalb der Wohnung abzielenden Tatplans nicht entbehrlich.
b) Die Ausführungen des Landgerichts zum fehlenden Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten leiden an demselben Erörterungsmangel. Auch bei der Prüfung, ob der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzte, hätte die Strafkammer in ihre Überlegungen mit einbeziehen müssen, ob der Tatplan des Angeklagten gerade dahin ging, seine ihn ahnungslos aufsuchende Ehefrau unter Ausnutzung ihrer wehrlosen Situation in der Wohnung mit den bereitgelegten schussbereiten Pistolen zu töten.
c) Schließlich begegnet die Begründung, mit der das Landgericht eine Wehrlosigkeit des Tatopfers verneint hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn die tatsächliche Annahme der Strafkammer, das Tatopfer habe bei dem Zusammentreffen mit dem Angeklagten im Bereich der Wohnzimmertür vor dem ersten mit Tötungsabsicht abgegebenen Schuss noch die Möglichkeit gehabt, den Angeklagten durch eine kurze Bemerkung umzustimmen, beruht auf einer Beweiswürdigung, die sich unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 ff. mwN; Franke in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN) als nicht tragfähig erweist. Einen der revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegenden Rechtsfehler weist eine Beweiswürdigung unter anderem dann auf, wenn der Tatrichter an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt, indem er mit Blick auf den Zweifelssatz zugunsten des Angeklagten von Annahmen ausgeht, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2018 - 4 StR 364/17 Rn. 8; vom 21. November 2017 - 1 StR 261/17 Rn. 20; vom 29. September 2016 - 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380, 381; vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148). So liegt der Fall hier. Dafür, dass zwischen dem Zusammentreffen im Bereich der Wohnzimmertür und dem ersten mit Tötungsabsicht abgefeuerten Schuss eine zeitliche Zäsur lag, die es dem Tatopfer ermöglicht hätte, erfolgversprechend verbal auf den Angeklagten einzuwirken, um ihn von seinem Tötungsvorhaben abzubringen, bietet das in dem angefochtenen Urteil mitgeteilte Beweisergebnis keinerlei tatsächliche Grundlage. Insbesondere gibt die vom Landgericht als glaubhaft gewertete Schilderung des Angeklagten in seiner noch in der Tatnacht durchgeführten polizeilichen Vernehmung, wonach er mit den aus dem Sideboard im Flur geholten Pistolen in das Wohnzimmer zurückgekehrt sei und seiner ihm entgegenkommenden Ehefrau die Kleinkaliberpistole vor ihren Kopf auf die Stirn gehalten und zweimal abgedrückt habe, für eine solche zeitliche Unterbrechung des Handlungsablaufs keinen Anhalt.
3. Der Schuldspruch hinsichtlich der Tat II.2. der Urteilsgründe kann daher keinen Bestand haben. Dessen Aufhebung entzieht zugleich dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Revision des Angeklagten Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend ausgeführten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Das Landgericht hat die zur Prüfung eines schuldmindernden Affekts gebotene Gesamtwürdigung aller im konkreten Fall maßgeblichen Umstände (vgl.
Fischer, StGB, 68. Aufl., § 20 Rn. 33 mwN) vorgenommen und dabei insbesondere die Tatvorgeschichte, die Täterpersönlichkeit sowie das Täterverhalten vor, während und nach der Tat in den Blick genommen. Auf dieser Grundlage hat es eine affektbedingte tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne des § 20 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
Dass das Landgericht den Angeklagten im Fall II.2. der Urteilsgründe nicht auch wegen tateinheitlich begangenen Besitzes halbautomatischer Kurzwaffen nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG verurteilt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 5 StR 197/15, NStZ 2015, 529), beschwert den Angeklagten nicht.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 225
Externe Fundstellen: NStZ 2021, 609
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner