HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 434
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 181/23, Urteil v. 19.10.2023, HRRS 2024 Nr. 434
1. Das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 9. Dezember 2022 wird aufgehoben auf die Revisionen
a) der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen,
b) des Angeklagten S., soweit dieser und die Angeklagte W. verurteilt worden sind, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Betruges in zwölf Fällen, Computerbetruges in 37 Fällen und versuchten Computerbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 104.576 € angeordnet, davon 8.000 € als Gesamtschuldner. Die Angeklagte W. hat es unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zu sechs Fällen des Betruges, 24 Fällen des Computerbetruges und einem Fall des versuchten Computerbetruges mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren belegt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es gegen die Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.000 € als Gesamtschuldnerin angeordnet.
Es haben jeweils auf die Sachrüge gestützte Revisionen eingelegt:
- die Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten S. ; dieses Rechtsmittel bringt seine Verurteilung zu seinen Lasten und seinen Gunsten (§ 301 StPO) zu Fall;
- die Staatsanwaltschaft zuungunsten der Angeklagten W. ; dieses Rechtsmittel hat hinsichtlich des Freispruchs Erfolg und führt im Übrigen zur Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten, soweit es zu deren Gunsten wirkt (§ 301 StPO);- der Angeklagte S. ; seine Revision hat - wegen Erstreckung auf die Angeklagte W. (§ 357 Satz 1 StPO) - ebenfalls die Aufhebung beider Verurteilungen zur Folge.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen stieß der Angeklagte S. im Internet auf einen Chatteilnehmer namens H., der für eine nicht näher beschriebene Tätigkeit eine lukrative Zahlung in Aussicht stellte. Am Telefon erklärte dieser, die Arbeit bestehe darin, an einer jeweils mitzuteilenden Adresse ein Paket abzuholen, das unter anderem Bargeld enthalte. Davon dürfe der Angeklagte 1.000 € für sich entnehmen. Der Rest sei in die Türkei zu überweisen. Die Angeklagte W., die Lebensgefährtin des Angeklagten S., hörte das Telefonat mit. Beide nahmen an, dass die Tätigkeit illegal sein könnte.
Der Angeklagte wollte auf diese Weise künftig einen Teil seines Lebensunterhalts bestreiten. Deshalb brach er eine gemeinsam mit der Angeklagten W. angetretene Ausflugsfahrt ab, als H. ihm kurz darauf telefonisch die erste Adresse durchgab, an welcher unter Vorgabe des Namens „M.“ ein Paket abzuholen sei. Vor Ort traf der Angeklagte auf die 74-jährige Geschädigte. Ihr war zuvor am Telefon von einem unbekannten männlichen Anrufer vorgespiegelt worden, die Sicherung vor Dieben erfordere es, ihre Wertgegenstände vorübergehend einem vermeintlichen Polizeibeamten namens M. zu überlassen. Der Angeklagte telefonierte durchgehend mit H. und das Tatopfer mit einer unbekannten Person, als er sich an der Haustür als „Herr M.“ ausgab und 4.300 € sowie eine EC-Karte entgegennahm. Die Angeklagte W. wartete derweil im Wagen (Fall I. 1 der Urteilsgründe).
Im Anschluss forderte H. den Angeklagten auf, mit der erlangten EC-Karte, deren PIN er nannte, Geld an einem Bankautomaten abzuheben sowie einen Betrag auf ein näher bezeichnetes Konto eines Dritten zu überweisen. Das gesamte Bargeld sollte der Angeklagte abzüglich 1.000 € mittels Money-Gram in die Türkei transferieren. Spätestens jetzt war auch der Angeklagten W. klar, dass die Wertsachen betrügerisch erlangt waren und die Verfügungen nicht dem Willen des Tatopfers entsprachen. Beide Angeklagten wussten, wie die Geschädigten dazu gebracht wurden, die Wertgegenstände zu übergeben. Die Angeklagte W. blieb im Wagen, als der Angeklagte S. - wie ihm geheißen - mit der EC-Karte an Bankautomaten 2.000 € abhob und 3.500 € auf das Konto einer Person mit türkischem Namen überwies (Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe) sowie schließlich per Money-Gram 5.300 € an einen Empfänger in der Türkei schickte.
In den folgenden Wochen kam es zu vergleichbaren Taten. Neun weitere, zumeist ältere Tatopfer wurden mittels des sogenannten Polizeitricks um ihre Ersparnisse, Schmuck und EC-Karten nebst PIN gebracht (vgl. zu diesem Deliktsphänomen BGH, Beschluss vom 2. November 2022 - 3 StR 12/22, NStZ-RR 2023, 49; Urteile vom 1. Juni 2022 - 1 StR 421/21, NZWiSt 2023, 223 Rn. 4 ff.; vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95; vom 29. April 2021 - 5 StR 476/20, juris Rn. 2 ff.; vom 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20, NStZ 2021, 221; Beschluss vom 14. April 2020 - 5 StR 37/20, BGHSt 64, 314 Rn. 3). Der Angeklagte S. beteiligte sich an den Taten, indem er bei weiteren elf Gelegenheiten Pakete mit den genannten Wertsachen von den Tatopfern abholte; eines von diesen wurde durch drei jeweils neue Täuschungen zu Übergaben bewegt (Fälle II. 4, 9, 25, 29, 33, 36, 40, 43, 48, 51, 52 der Urteilsgründe). Die vom Angeklagten in Empfang genommenen Bargeldbeträge beliefen sich auf insgesamt 37.160 €. In zwei Fällen übernahm der Angeklagte Schmuck im Wert von jeweils 2.000 € von den Opfern (Fälle II. 4 und 48 der Urteilsgründe), den er in einem Fall einem ihm von H. benannten türkischen Juwelier für 300 € verkaufte. Mit den erbeuteten EC-Karten hob der Angeklagte im Ergebnis bei 25 Gelegenheiten insgesamt 42.615 € an Automaten ab. In zwölf Fällen nutzte er die Karten dazu, an Bankterminals Geld von den Konten der Opfer auf Zielkonten Dritter zu überweisen. Der Schaden betrug hier im Ergebnis 20.801 €. In drei weiteren Fällen scheiterten die Abhebe- bzw. Überweisungsversuche. Die dem Angeklagten von H. vorgegebenen Money-Gram-Zahlungsempfänger in der Türkei wechselten ebenso wie die Zielkonten von Überweisungen, wobei deren Inhaber jeweils türkische Namen trugen. Der Angeklagte kommunizierte mit H. ausschließlich per Telefon und hatte zu anderen Hinterleuten oder den jeweiligen Überweisungs- und Zahlungsempfängern keinen Kontakt.
Die Angeklagte W. war an denjenigen Taten, derentwegen sie verurteilt worden ist, dergestalt beteiligt, dass sie den Angeklagten S. auf den Fahrten begleitete und in der Nähe der Tatorte im Wagen wartete. Das Urteil führt einerseits aus, dass sie das Auto ab Fall II. 4 der Urteilsgründe dann „jeweils“ zu den Tatorten führte, anderseits, dass über ihre Fahrereigenschaft in den Fällen II. 12 und II. 20 bis 24 der Urteilsgründe, in denen sie ebenfalls verurteilt worden ist, nichts bekannt sei. Jedenfalls war der Angeklagte S. auf die Begleitung durch die Angeklagte W. nicht angewiesen. Er war selbst im Besitz einer Fahrerlaubnis und fuhr ansonsten allein. Die Taten, bei denen die Angeklagte W. dabei war, unterschieden sich nicht von den anderen. Tatausführung und -erfolg waren ihrem Einfluss und Willen entzogen. Zu H. oder den Tatopfern trat sie nicht in Kontakt. Niemand wusste, dass sie eingeweiht war und den Angeklagten S. gelegentlich auf den Fahrten begleitete.
Den Tatlohn in Höhe von 8.000 € verbrauchten die Angeklagten im gemeinsamen Haushalt, ohne dass dem eine Abrede zugrunde lag. Feststellungen dazu, dass sich auch die Angeklagte W. eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen wollte, sind nicht getroffen worden.
2. In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Abholung der Beute für den Angeklagten S. jeweils als gewerbsmäßigen Betrug gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB gewürdigt, die erfolgreichen Bargeldabhebungen und Überweisungen je als gewerbsmäßigen Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 und 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, im Fall ihres Scheiterns als Versuch eines solchen. Alle Fälle, in denen die Angeklagte W. ihn begleitete - auch die Taten II. 1 bis 3 der Urteilsgründe -, hat die Strafkammer für sie als Beihilfe zur jeweiligen Haupttat gewertet. Sie hat hierzu ausgeführt, ihr Verhalten stelle eine „typische Unterstützungshandlung“ dar; ihre Anwesenheit in der Nähe der Tatorte habe den Angeklagten S. jeweils „psychologisch unterstützt“.
Gegen den Angeklagten S. hat das Landgericht 52 Einzelfreiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr verhängt, gegen die Angeklagte W. 31 Einzelfreiheitsstrafen von einem bis zu sechs Monaten. Den Einziehungsbetrag zulasten des Angeklagten S. hat es aus der Summe des von den Opfern übernommenen Bargelds, dem Wert des Schmucks und den an den Geldautomaten abgehobenen sowie im Ergebnis erfolgreich überwiesenen Beträgen errechnet; derjenige zulasten der Angeklagten W. entspricht dem Tatlohn. Welche Tatvorwürfe ihrem Freispruch zugrunde gelegen haben, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
3. Der Angeklagte S. bemängelt in seiner Revisionsbegründung die rechtliche Einordnung als täterschaftlichen Betrug und als „unbefugte“ Datenverwendung im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB. Außerdem wendet er sich gegen die Einziehungsanordnung, soweit sie den Wert der auf Drittkonten überwiesenen Beträge umfasst.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet in ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen im Wesentlichen, dass die Strafkammer für beide weder eine Bandenmitgliedschaft noch die Beteiligung als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung angenommen hat. Außerdem vermisst sie eine Verurteilung wegen Amtsanmaßung und Geldwäsche; letzteres auch in den Fällen, in denen die Angeklagte W. freigesprochen worden ist. Der Generalbundesanwalt vertritt die Revisionen lediglich im Hinblick auf die Nichtannahme einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten S. .
Die Revisionen des Angeklagten S. und der Staatsanwaltschaft, soweit sie zugunsten der Angeklagten wirken, decken einen Rechtsfehler auf, der die Verurteilung beider Angeklagten zu Fall bringt (§§ 301, 357 StPO; dazu unter 1.). Zulasten des Angeklagten S. hat die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Bandenmitgliedschaft Erfolg; im Übrigen dringen die erhobenen Einwände nicht durch (dazu unter 2.). Das Rechtsmittel des Angeklagten S. gibt Anlass, auf weitere Bedenken gegen den ihn betreffenden Schuld-, Straf- und Einziehungsausspruch hinzuweisen (dazu unter 3.). Zulasten der Angeklagten W. dringt die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Freispruchs durch; im Übrigen ist insoweit auf weitere die Angeklagte beschwerende (§ 301 StPO) Rechtsfehler hinzuweisen (dazu insgesamt unter 4.).
1. Revisionen der Staatsanwaltschaft und Revision des Angeklagten S.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten S. ist das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft Rostock in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, hat das Landgericht die Feststellungen zu den nach dem System „Falscher Polizeibeamter“ manipulierten Tatopfern und den jeweiligen tatsächlichen Umständen, die diese zur Übergabe der Wertgegenstände an den Angeklagten bewogen, nicht belegt. Es hat diese Vorgänge einschließlich verschiedener Anrufe unbekannter männlicher und weiblicher Personen, der Zeitpunkte und Inhalte der Telefonate sowie des teilweise komplexen Verhaltens und des subjektivem Vorstellungsbilds der Geschädigten in den Urteilsgründen jeweils ausführlich geschildert, ohne diese Feststellungen an Beweismitteln festzumachen. Hierzu im Einzelnen:
Das Tatgericht ist gemäß §§ 261, 267 StPO verpflichtet, in den Urteilsgründen darzulegen, dass seine Überzeugung auf einer umfassenden, von rational nachvollziehbaren Erwägungen bestimmten Beweiswürdigung beruht. Die schriftlichen Urteilsgründe dienen zwar nicht dazu, den Ablauf der Ermittlungen oder den Gang der Hauptverhandlung in Einzelheiten zu dokumentieren. Es ist deshalb in der Regel weder erforderlich noch empfehlenswert, in den Urteilsgründen im Einzelnen wiederzugeben, welche Ergebnisse die im Hauptverhandlungsprotokoll verzeichneten Beweiserhebungen erbracht haben. Die wesentlichen Beweiserwägungen sind in den schriftlichen Urteilsgründen jedoch so darzulegen, dass die tatgerichtliche Überzeugungsbildung für das Revisionsgericht nachzuvollziehen und auf Rechtsfehler hin zu überprüfen ist. Im Falle der Verurteilung eines Angeklagten ist das Tatgericht grundsätzlich gehalten, die für den Schuldspruch wesentlichen Beweismittel im Rahmen seiner Beweiswürdigung heranzuziehen und einer erschöpfenden Würdigung zu unterziehen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. November 2019 - 2 StR 307/19, juris Rn. 6; vom 18. März 2021 - 4 StR 480/20, juris Rn. 3 ff., jeweils mwN). Die Bewertung eines Geständnisses unterfällt dabei dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Es ist allerdings stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt und ob es die getroffenen Feststellungen trägt. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. März 2022 - 3 StR 69/22, juris Rn. 5 mwN).
Daran gemessen sind die Ausführungen des Urteils durchgreifend defizitär. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung im Wesentlichen pauschal auf die Geständnisse der Angeklagten verwiesen. Da diese an zahlreichen festgestellten, für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Umständen gar nicht beteiligt waren, erschließt sich mangels eigener Wahrnehmung nicht, auf welcher Grundlage sie hierzu Angaben haben machen können. So enthalten die Urteilsgründe etwa keine Beweiserwägungen zu den Anrufen bei den Tatopfern und den bei diesen hervorgerufenen Fehlvorstellungen. Damit bleibt offen, auf welche Weise die Strafkammer sich die Überzeugung davon verschafft hat, dass die Geschädigten jeweils durch einen täuschungsbedingten Irrtum über Tatsachen zur Herausgabe ihrer Wertgegenstände veranlasst wurden. Die Angeklagten waren bei den Anrufen nicht dabei, kommunizierten nicht oder kaum mit den Geschädigten und erfuhren von H. keine Hintergründe. Täuschungshandlung und Irrtum des Opfers sind bei einer Verurteilung wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB jedoch wesentliche Tatbestandsmerkmale. Fehlt es wie hier an jeglichen Belegen der hierfür entscheidungserheblichen Beweistatsachen, ist die tatgerichtliche Überzeugungsbildung regelmäßig insgesamt nicht nachvollzieh- und auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11, wistra 2012, 315 Rn. 3 ff.). Ein einfach gelagerter Fall, bei dem möglicherweise anderes gelten und nähere Darlegungen entbehrlich sein könnten, liegt angesichts der aufgezeigten Umstände nicht vor. Dieser Mangel hat somit die Aufhebung der Verurteilungen beider Angeklagter mit den jeweils zugehörigen Feststellungen zur Folge.
2. Revision der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten S.
Zu Lasten des Angeklagten S. hat die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg, weil das Landgericht die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten rechtsfehlerhaft verneint hat [a)]. Die weiteren Einwände dringen dagegen nicht durch [b)].
a) Die Ablehnung einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten S. stößt in mehrfacher Hinsicht auf durchgreifende Bedenken.
Zwar trifft die Annahme der Staatsanwaltschaft nicht zu, ein bandenqualifizierendes Dreipersonenverhältnis könne zwischen den beiden Angeklagten und H. bestanden haben. Denn hierfür müssten alle Beteiligten voneinander wissen; nur dann hat jeder den erforderlichen Willen, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit (mindestens) zwei anderen zu verbinden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164 ff.). Nach den bisher getroffenen Feststellungen war H. die Mitwirkung der Angeklagten W. aber nicht bekannt.
Jedoch ist bereits die Würdigung des Landgerichts, es sei möglicherweise allein H. gewesen, der die Tatopfer angerufen habe, mit den getroffenen Feststellungen nicht vereinbar. Denn nach diesen bewegten verschiedene männliche und weibliche Anrufer die Geschädigten in wechselnder Rollenverteilung zur Herausgabe ihrer Wertgegenstände.
Zudem sind die Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten widersprüchlich. Einerseits soll er nicht von einer Mehrzahl von Tatbeteiligten ausgegangen sein. Andererseits teilt das Urteil mit, dass er wusste, wie die Geschädigten dazu gebracht wurden, ihm ihre Vermögenswerte zu übergeben, und in Fall II. 1 der Urteilsgründe mitbekam, dass das Opfer am Telefon mit einer anderen Person sprach, während er durchgehend mit H. telefonierte. Außerdem war ihm die Einbindung der Überweisungsempfänger bekannt.
Schließlich hat das Landgericht bei der rechtlichen Beurteilung, ob es sich um Bandentaten handelte, unzutreffende Maßstäbe angelegt. Entgegen seiner Würdigung ist hierfür nicht entscheidend, dass der Angeklagte von H. wie ein Außenstehender behandelt wurde und subjektiv für ihn arbeitete, weshalb die Existenz weiterer Beteiligter für ihn bedeutungslos war. Übt ein Täter dauerhaft und zuverlässig eine wesentliche Rolle bei konzertierten Betrugstaten aus, in die, wie ihm bekannt ist, wenigstens zwei weitere Personen fest eingebunden sind, die ihrerseits von ihm wissen, so schließt er sich vielmehr einer Bande an. Dass er die Identität der Komplizen nicht kennt, ist unerheblich (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 22. Dezember 2021 - 3 StR 255/21, juris Rn. 34 mwN; vom 3. März 2022 - 5 StR 366/21, juris Rn. 16 f.).
b) aa) Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft stellt es im Übrigen keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht nicht ausdrücklich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 und 2 StGB erwogen hat (zu den Voraussetzungen s. BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 21 ff. mwN). Eine solche hätte neben den objektiven Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung, für die hier bereits keine Anhaltspunkte bestehen, der entsprechenden Kenntnis des Angeklagten bedurft, die nach den bisher getroffenen Feststellungen fernliegt. Hinzu kommt, dass eine kriminelle Vereinigung danach allenfalls in der Türkei bestanden haben könnte. Auf die bezogenen Vereinigungsdelikte hat das Landgericht schon mangels Verfolgungsermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB nicht ahnden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2021 - 3 StR 255/21, juris Rn. 16 mwN).
bb) Hinsichtlich der Strafbarkeit des Angeklagten wegen Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB hat die Staatsanwaltschaft bei der Anklageerhebung eine Verfolgungsbeschränkung nach § 154a Abs. 1 StPO vorgenommen.
cc) Eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn ein Angeklagter der Beteiligung an der Vortat schuldig ist. Wegen sogenannter Selbstgeldwäsche wird nur bestraft, wer den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert (§ 261 Abs. 7 StGB). Das Verschleiern der Herkunft eines Gegenstands umfasst alle zielgerichteten, irreführenden Machenschaften mit dem Zweck, einem Tatobjekt den Anschein einer anderen (legalen) Herkunft zu verleihen oder zumindest seine wahre Herkunft zu verbergen (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 5 StR 234/18, BGHSt 63, 268 Rn. 23 mwN). Ein solches Verhalten liegt fern, soweit ein Angeklagter Tatbeute an Mittäter verschiebt (BGH, Urteil vom 1. Juni 2022 - 1 StR 421/21, wistra 2022, 507 Rn. 20; Beschluss vom 15. August 2023 - 5 StR 177/23, juris Rn. 10 mwN) oder an Eingeweihte versetzt. So liegt es bei den Geldern, die auf H. s Geheiß in die Türkei oder auf Konten Dritter flossen.
Das Verbrauchen des Tatlohns für die Haushaltsführung könnte die Anforderungen des § 261 Abs. 7 StGB nach den bisher getroffenen Feststellungen erfüllen, ist aber nicht angeklagt. Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO nur der in der Anklage bezeichnete, einheitliche geschichtliche Vorgang. Er wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 8. Februar 2022 - 3 StR 440/21, juris Rn. 7 mwN). Einen Verbrauch des Tatlohns, der örtlich und zeitlich mit den Betrugstaten nicht zusammenfallen müsste und auch eine andere Angriffsrichtung hat, hat die Staatsanwaltschaft aber weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen thematisiert.
3. Revision des Angeklagten S.
Die Revision des Angeklagten S. gibt über das bereits Ausgeführte hinaus Anlass zu folgendem Bemerken:
a) Die Annahme einer mittäterschaftlichen Begehungsweise im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB entspricht für „Abholer“ bei Betrugstaten der vorliegenden Art der Regel, weil ihnen zumeist eine wesentliche Funktion bei der konzertierten Tatbegehung zukommt und von ihrer Mitwirkung der Taterfolg maßgeblich abhängt (s. etwa BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 - 3 StR 343/22, NStZ-RR 2023, 315, 316; Beschluss vom 2. November 2022 - 3 StR 12/22, NStZ-RR 2023, 49; Urteile vom 29. April 2021 - 5 StR 476/20, juris Rn. 2 ff.; vom 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20, NStZ 2021, 37 Rn. 16; Beschluss vom 14. April 2020 - 5 StR 37/20, BGHSt 64, 314).
b) Zutreffend macht die Revision dagegen Mängel in der konkurrenzrechtlichen Würdigung des Landgerichts geltend. Insoweit gilt:
Wer vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz von Karte und PIN Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen, sorgt bereits für einen Gefährdungsschaden und begeht einen vollendeten Betrug (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 63/21, NStZ-RR 2022, 14, 16 mwN). Hebt ein solcher Täter anschließend Geld ab, verübt er allerdings nicht zwei Straftatbestände des Betruges und des Computerbetruges, sondern insgesamt nur einen Betrug.
Der Einsatz von EC-Karte und Geheimzahl stellt dann keine „unbefugte“ Verwendung von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB dar, sondern eine abredewidrige. Die Transaktionen führen in solchen Fällen zu einer Vertiefung und Verfestigung des bereits zuvor eingetretenen Gefährdungsschadens. Der Betrug ist erst beendet, wenn der Vermögensvorteil beim Täter endgültig eingetreten ist (BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 - 1 StR 412/02, BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich 1; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, BGHR StGB § 263a Automatenmissbrauch 5 Rn. 13; vom 11. August 2021 - 3 StR 63/21, NStZ-RR 2022, 14, 16; vom 1. März 2022 - 4 StR 357/21, NJW 2022, 1399 Rn. 6; vom 12. Oktober 2022 - 4 StR 134/22, wistra 2023, 161 Rn. 18; alle mwN; anders beim Einsatz einer durch Diebstahl erlangten Karte oder der Nutzung ohne Wissen des berechtigten Karteninhabers abgefangener Daten; s. dazu etwa BGH, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 121 ff.; Beschlüsse vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, BGHR StGB § 263a Automatenmissbrauch 5 Rn. 12; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 263a Rn. 12a; MüKoStGB/Hefendehl/Noll, 4. Aufl., § 263a Rn. 93, 96; für Angeklagte, die an der betrugsbedingten Erlangung der Karte nicht beteiligt waren, ist die Geldabhebung eine Unterschlagung und kein Computerbetrug; s. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 63/21, NStZ-RR 2022, 14, 16 f. mwN).
c) Wird ein - zumal nicht vorbestrafter - Angeklagter mit (Einzel-)Freiheitsstrafen unter sechs Monaten belegt, hat das Tatgericht darzulegen, warum es diese im Sinne von § 47 StGB als unerlässlich ansieht.
d) Bedenken könnten dagegen bestehen, denjenigen Betrag als im Sinne von § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB durch die Taten erlangt anzusehen, den der Angeklagte von den Opferkonten an Dritte überwies. Insoweit verschob er lediglich Buchgeld und erwarb keinen eigenen Auszahlungsanspruch gegen die Bank (zu Überweisungen auf das eigene Konto s. BGH, Urteil vom 23. November 2022 - 2 StR 175/22, NStZ-RR 2023, 76, 77 mwN; vgl. auch Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 5 StR 185/18, BGHR StGB § 73 nF Abs. 1 Erlangtes 1).
e) Soweit das Landgericht einen vom Angeklagten veranlassten Geldtransfer mittels Money-Gram an Zahlungsempfänger in der Türkei festgestellt und hierfür eine Haftung angeordnet hat, hätte es eine Gesamtschuldnerschaft erwägen müssen.
4. Revision der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagte W.
a) Zu Lasten der Angeklagten W. hat die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Freispruchs Erfolg. Dagegen dringen die zu ihren Lasten geltend gemachten Einwendungen, soweit sie verurteilt worden ist, nicht durch.
aa) Der Freispruch der Angeklagten W. ist von der Revision der Staatsanwaltschaft umfasst. Denn sie hat diesen in ihrer Revisionsbegründung - wenn auch mit der Erwägung, es hätte eine Geldwäsche geprüft werden müssen - ausdrücklich angegriffen.
Er hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Entscheidung des Landgerichts genügt nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
Wird ein Angeklagter aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen hält. Auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, warum die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht haben getroffen werden können. Nur hierdurch wird dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglicht, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 2. März 2022 - 5 StR 365/21, juris Rn. 11 mwN).
Diesen Maßgaben wird das Urteil nicht gerecht. Aus ihm ergibt sich bereits nicht, welche Anklagevorwürfe dem Freispruch zugrunde gelegen haben. Angaben dazu, welche Erwägungen das Landgericht dazu bewogen haben, die Angeklagte von diesen freizusprechen, fehlen ebenfalls.
bb) Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft kommt eine Einbindung der Angeklagten in eine mögliche Bande nicht in Betracht, wenn außer dem Angeklagten S. niemand von ihrer wie auch immer gearteten Mitwirkung bei den Taten wusste [s.o. unter II.2.a)].
cc) Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 StGB durch Verbrauchen des Tatlohns scheidet aus, weil ein solches Verhalten nicht angeklagt ist [s.o. unter II.2.b)cc)].
b) Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft deckt folgende weitere, die Angeklagte W. beschwerende Rechtsfehler auf (§ 301 StPO):
aa) Das angefochtene Urteil belegt nicht hinreichend, worin die Beihilfehandlung der Angeklagten bestand (§ 27 Abs. 1 StGB). Soweit sie den Wagen zu den Tatorten führte, könnte darin zwar eine physische Beihilfe zu sehen sein. Die hierzu bisher getroffenen Feststellungen sind jedoch in Teilen widersprüchlich. Während das Urteil einerseits mitteilt, dass die Angeklagte „jeweils“ gefahren sei, hat das Landgericht dies andererseits beim Tatgeschehen in den Fällen II. 1 bis 3, 12 und 20 bis 24 der Urteilsgründe, in denen sie verurteilt worden ist, ausdrücklich nicht festgestellt. Da das Urteil diesen Widerspruch nicht aufklärt, bleibt letztlich unklar, wann genau sie das Auto fuhr und wann nicht.
Auch eine psychische Beihilfe ist bislang nicht ausreichend belegt. Denn den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Verhalten der Angeklagten ohne Einfluss auf die Taten war. Wegen Beihilfe, auch psychischer, wird aber nur bestraft, wer die Haupttat in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 7. November 2018 - 2 StR 361/18, juris Rn. 14 mwN). An solchen Feststellungen fehlt es bislang.
Sollte das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wiederum eine Strafbarkeit wegen Beihilfe - dann aber nur zum Betrug, nicht zum (versuchten) Computerbetrug, s.o. unter II.3.b) - annehmen, sind fehlerfreie Feststellungen zur Fahrereigenschaft der Angeklagten und/oder zur - gewollten und erreichten - psychischen Bestärkung ihres Lebensgefährten geboten; eine bloß versuchte Beihilfe ist nicht strafbar (s. etwa BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003 - 1 StR 297/03, wistra 2004, 265, 266).
bb) Bei der Gewerbsmäßigkeit handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal, das die Strafe gemäß § 28 Abs. 2 StGB nur für denjenigen Täter oder Teilnehmer der Tat schärfen kann, bei dem es vorliegt (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 20. April 2021 - 3 StR 343/20, juris Rn. 4 mwN). Das Regelbeispiel nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB wird für die Angeklagte in die Strafzumessung - anders als bisher geschehen - deshalb nur dann Eingang finden dürfen, wenn feststeht, dass sie selbst sich eine dauerhafte, erhebliche Einnahmequelle verschaffen wollte.
cc) Auch für die Angeklagte W. gilt, dass (Einzel-)Freiheitsstrafen unter sechs Monaten gemäß § 47 StGB nur in zu begründenden Ausnahmefällen verhängt werden dürfen.
c) Was die Fälle angeht, in denen die Angeklagte W. verurteilt worden ist, wird für die neue Verhandlung darauf hingewiesen, dass das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 StPO auch dann gilt, wenn eine zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO nur zu deren Gunsten erfolgreich gewesen ist (BGH, Urteil vom 18. September 1991 - 2 StR 288/91, BGHSt 38, 66, 67; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 358 Rn. 11).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 434
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede