HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 768
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 421/21, Urteil v. 01.06.2022, HRRS 2022 Nr. 768
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. Mai 2021 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben, soweit von einer über einen Betrag von 1.150 Euro hinausgehenden Einziehung abgesehen worden ist.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.150 Euro angeordnet. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt lediglich zur Teilaufhebung der Einziehungsentscheidung.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Im Tatzeitraum von September bis Oktober 2020 kontaktierte eine aus der Türkei agierende, professionell organisierte Tätergruppierung von mindestens drei Personen jeweils telefonisch nach dem modus operandi „Polizistentrick/falscher Polizeibeamter“ in insgesamt zehn Fällen vorwiegend ältere Menschen. Dabei nahmen die Mitglieder der Tätergruppierung (sog. Keiler) von eigens zu diesem Zweck eingerichteten Call-Centern jeweils Kontakt zu den Geschädigten auf und gaben sich als Polizeibeamte oder sonstige Angehörige von Strafverfolgungsbehörden aus. Durch geschickte Gesprächsführung wurden den Geschädigten persönliche Informationen entlockt und ihnen wahrheitswidrig vorgetäuscht, dass sie in das Visier von Einbrecher- oder Räuberbanden geraten seien und deshalb ihr Vermögen nicht mehr sicher sei. Die Geschädigten wurden so gezielt - auch durch Aufbau psychischen Drucks - dazu gebracht, im Vertrauen auf die Richtigkeit der behaupteten Gefährdung ihrer Vermögenswerte und zur angeblichen Sicherung durch die Polizei die Vermögenswerte in passende Behältnisse zu packen und an einem bestimmten Ort zu deponieren und so zur Abholung durch einen eigens beauftragten vermeintlichen Polizeibeamten bereitzustellen.
Parallel zu diesem Geschehen koordinierten die sog. Logistiker der Tätergruppe die Abholung der Tatbeute und deren Weiterleitung in die Türkei. Dazu wurden sog. Abholer rekrutiert und instruiert, die von den Geschädigten deponierten Vermögenswerte oder Wertgegenstände abzuholen und nach näherer Weisung an weitere Tatbeteiligte weiterzugeben. Als ein solcher Abholer fungierte in allen zehn verfahrensgegenständlichen Fällen der Angeklagte.
Der Angeklagte hatte im August 2020 auf der Internetplattform Ebay-Kleinanzeigen eine Annonce geschaltet, mittels der er unter Berufung auf seine langjährige Erfahrung als Fahrer im Lebensmittelgewerbe eine Tätigkeit als LKW-Fahrer suchte. Auf diese Anzeige hin nahm eine nicht näher bekannte, der vorgenannten Tätergruppierung angehörende männliche Person telefonischen Kontakt mit dem Angeklagten auf und gab sich als Herr R. aus. Dem Angeklagten wurde eine Tätigkeit als Fahrer für Expresslieferungen in Aussicht gestellt, bei der er nach entsprechender Weisung bei Kunden Wertsachen abholen und mit seinem PKW weiter transportieren sollte. Dem Angeklagten wurde wahrheitswidrig mitgeteilt, das Unternehmen würde als Kurierdienst mit einem „Münzkonto“ zusammenarbeiten, in dessen Auftrag jeweils kurzfristig eingehende Kundenaufträge durchgeführt werden müssten. Der Anrufer stellte dem Angeklagten eine Entlohnung in Gestalt eines festen Betrags von 150 Euro pro Fahrt sowie eine Kilometerpauschale von 0,50 Euro je gefahrenem Kilometer in Aussicht, die bei Übergabe der jeweiligen Lieferung bar bezahlt würden. Im weiteren Verlauf stand der Angeklagte mit seinem Auftraggeber über eine Mobilfunknummer in ständigem Kontakt. Auf Aufforderung übersandte er über WhatsApp mehrere aktuelle Fotos von seinem PKW, seinem Führerschein sowie seinem Ausweis nebst Aufenthaltstitel und erklärte sich dazu bereit, entsprechende Lieferfahrten zu übernehmen, die abends erfolgen sollten, um mit den Arbeitszeiten seiner Ehefrau sowie der Beaufsichtigung der Kinder kompatibel zu sein.
In der Folge holte der Angeklagte ab dem 16. September 2020 in insgesamt neun Fällen bei verschiedenen Adressen in D., in W., in P., in M., in U. und in S. jeweils Wertgegenstände in Form von Goldmünzen, Goldbarren, Schmuckstücken oder auch Bargeld bei den jeweils Geschädigten ab, die diese entsprechend den Anweisungen der sog. Keiler in Taschen oder Stoffbeuteln an den vorgegebenen Örtlichkeiten zur Abholung abgestellt hatten. Dabei wurde der Angeklagte zunächst nur grob über das Fahrtziel informiert und musste seinen aktuellen Standort nebst Kilometerstand übermitteln, bevor ihm dann der konkrete Ort der Abholung mitgeteilt wurde. Nach erfolgreicher Ansichnahme der jeweiligen Tasche oder des Beutels, jeweils ohne persönlichem Kontakt mit den jeweiligen Geschädigten, musste er an den Hintermann ein Foto der abgeholten Behältnisse schicken. Anschließend erhielt der Angeklagte eine Anweisung, wohin er die abgeholten Gegenstände bringen und wem er sie übergeben sollte. Fahrtziele waren unter anderem F., B., G., Du., L., in zwei Fällen der Wohnort des Angeklagten in Pl. Dabei meldete sich der Angeklagte mehrfach während der Fahrt bei seiner Kontaktperson, um die restliche Entfernung vom Zielort anzugeben. Schließlich übergab der Angeklagte die Tasche bzw. den Beutel an einen von den Hintermännern beauftragten Abnehmer und erhielt von diesem seine mit der Kontaktperson vereinbarte Entlohnung bar ausbezahlt. Hierbei handelte es sich um Beträge zwischen 210 und 650 Euro. Als der Angeklagte am 27. Oktober 2020 (Fall B IV der Urteilsgründe) entsprechend der Anweisung seiner Kontaktperson einen Koffer mit Wertgegenständen an der Haustür einer Geschädigten in D. abholte, erfolgte seine Festnahme.
2. Das Landgericht ist nach umfangreicher Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass der Angeklagte, der seine objektive Tatbeteiligung und seine jeweilige Entlohnung für die Fahrten eingeräumt hat, nur bei den Fällen B II bis B IV der Urteilsgründe mit bedingtem Vorsatz handelte. Bei Tat B II der Urteilsgründe holte der Angeklagte zum zweiten Mal (nach der Tat B I 1 der Urteilsgründe) bei der Geschädigten Lo. Wertgegenstände ab und sollte auch bei der Abholung einen falschen Namen angeben. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte erst ab diesem Zeitpunkt eine täuschende Einwirkung auf die vorgeblichen Kunden erkannte und gleichwohl seinen Tatbeitrag leistete. Es könne aber nicht angenommen werden, dass der Angeklagte die objektiv unzutreffenden Angaben seiner Kontaktperson von Anfang an in den Fällen B I 1 bis 7 der Urteilsgründe durchschaut habe und selbst keinem Irrtum unterlegen sei, so dass es insoweit am subjektiven Tatbestand des Betruges fehle. Dabei hat das Landgericht insbesondere den Inhalt des Chat-Verlaufs einschließlich der Sprachnachrichten berücksichtigt, die einen Einblick in das Vorstellungsbild des Angeklagten geben, sowie die Gesamtumstände bei der Abwicklung der Abholvorgänge.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Soweit der Angeklagte beanstandet, dass das Landgericht ab der zweiten Tat zum Nachteil der Geschädigten Lo. im Fall B II der Urteilsgründe und bei den beiden weiteren Taten (Fall B III und B IV der Urteilsgründe) bedingten Betrugsvorsatz der Anlageklagten angenommen hat, deckt er keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
Die Schlussfolgerung des Landgerichts auf der Grundlage einer Gesamtschau, dass der Angeklagte jedenfalls ab dem Fall B II der Urteilsgründe eine täuschende Einwirkung auf die angeblichen Kunden sowie die Vorgehensweise der Hintermänner erkannte und billigte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei hat sich das Landgericht insbesondere darauf gestützt, dass der Angeklagte bei dieser Tat erstmals die Anweisung erhielt, sich bei einem etwaigen persönlichen Kontakt als „T.“ vorzustellen, wobei er dies nicht zum Anlass nahm, nach dem Grund der Namenstäuschung zu fragen. Er beschränkte sich vielmehr darauf, einen anderen Namen vorzuschlagen, den er auch bei der Übergabe gegenüber der Geschädigten verwendete. Hinzu kommen vor allem auch die Äußerungen des Angeklagten während der Rückfahrt von B. nach Ablieferung der Beute aus der vorausgegangenen Tat, bei der es zu einer Kontrolle durch den Zoll gekommen war. Hier erkundigte sich der Angeklagte nach einer Handlungsanweisung für den Fall einer Kontrolle und gab an, den Besuch von Freunden als Grund für die Fahrt vorgespiegelt zu haben, was gegen die Gutgläubigkeit des Angeklagten, eine legale Tätigkeit auszuüben, spricht.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist nur in Bezug auf die Höhe der Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen B II und B III der Urteilsgründe begründet. Im Übrigen weist die Entscheidung des Landgerichts keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
1. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B II bis B IV der Urteilsgründe auf Grund des rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts wegen Beihilfe zum Betrug bzw. Beihilfe zum versuchten Betrug ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Entgegen dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft ist das Landgericht nach umfassender Würdigung rechtlich zutreffend in den Fällen B II bis B IV der Urteilsgründe jeweils nur von Beihilfe zum Betrug und nicht von Mittäterschaft des Angeklagten ausgegangen.
aa) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, wer seinen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21 Rn. 10; Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 85/20 Rn. 4 mwN). Die Frage, ob sich bei mehreren Tatbeteiligten das Handeln eines von ihnen als Mittäterschaft im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB darstellt, ist vom Tatgericht für jede einzelne Tat aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebliche Kriterien sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen müssen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21 Rn. 10; vom 23. Oktober 2019 - 2 StR 139/19 Rn. 26; vom 26. April 2012 - 4 StR 665/11 Rn. 17 und vom 10. Januar 1956 - 5 StR 529/55, BGHSt 8, 393, 396; Beschlüsse vom 26. November 2019 - 3 StR 323/19 Rn. 7; vom 26. März 2019 - 4 StR 381/18 Rn. 13; vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17 Rn. 7 und vom 14. November 2012 - 3 StR 403/12 Rn. 6).
bb) Das Landgericht hat diese für die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe erforderliche wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Kriterien und der Umstände des Einzelfalls frei von Rechtsfehlern vorgenommen.
Zutreffend hat das Landgericht dabei auf der einen Seite berücksichtigt, dass dem Angeklagten als „Abholer“ eine wesentliche Rolle innerhalb der Tätergruppierung zukam. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, die Tatbeute unmittelbar bei den Opfern abzuholen (vgl. zu einem insoweit abweichenden Sachverhalt BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 StR 104/20 Rn. 6). Er war der einzige Tatbeteiligte vor Ort und auch dem größten Entdeckungsrisiko ausgesetzt. Damit hing die Durchführung der Taten auch objektiv wesentlich von seinem Tatbeitrag ab; ohne diesen wäre es zu keinem Eintritt des Vermögensschadens auf Seiten der Geschädigten und damit zur Vollendung des Tatbestands des Betrugs gekommen. Auf der anderen Seite sieht das Landgericht zunächst allgemein, dass der Tatbeitrag des Angeklagten, so gewichtig er für die Vollendung der Tat in objektiver Hinsicht auch sein mag, derjenige ist, welcher im Rahmen der gesamten Betrugstat nach dem gegenständlichen modus operandi am einfachsten zu ersetzen ist, da er - anders als bei den sog. Keilern - keiner besonderen Kenntnisse oder Fähigkeiten bedarf. Hinzu kommt hier, dass der Angeklagte nicht an der Organisation der Taten beteiligt war und keinen Einfluss auf die Verwirklichung des für den Tatbestand des Betrugs wesentlichen Tatbestandsmerkmals der Täuschung hatte. Vor allem aber hatte der Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts keinen wesentlichen Gestaltungsspielraum, sondern musste sich - ohne jegliche eigene Entscheidungsbefugnis - genau an die Anweisungen seines Kommunikationspartners halten, ohne dass es zu einem persönlichen Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem jeweiligen Opfer kommen sollte. Auch konnte das Landgericht kein eigenes Tatinteresse des Angeklagten feststellen, da seine Entlohnung weder dem Grunde nach am Erfolg des Betrugs noch der Höhe nach am Beutewert anknüpfte, sondern davon völlig entkoppelt war. Sein Tatlohn bezog sich nur auf eine Pauschale von 150 Euro sowie eine Entschädigung für die für die Tätigkeit zurückgelegten Kilometer. Damit ist die nach Gesamtabwägung getroffene Würdigung des Landgerichts, dass sich das Handeln des Angeklagten nicht als ein arbeitsteiliges Mitwirken an dem eigentlichen Tatgeschehen darstellt, sondern nur als Förderung einer fremden Betrugstat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Für die von der Beschwerdeführerin vermisste Annahme einer Bandenzugehörigkeit des Angeklagten fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.
c) Das Handeln des Angeklagten bei den abgeurteilten Taten erfüllt darüber hinaus nicht den Tatbestand der Geldwäsche nach § 261 StGB in der Fassung vom 23. Juni 2017 (= § 261 StGB aF), da der Angeklagte bereits wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist.
Soweit der Angeklagte bereits wegen der Beteiligung an einer Katalogtat der Geldwäsche strafbar ist, scheidet eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 bis 5 StGB aF im Hinblick auf den persönlichen Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB aF aus. Nach dieser Vorschrift soll eine Doppelbestrafung in den Fällen verhindert werden, in denen der Vortäter Geldwäschehandlungen vornimmt (BGH, Urteil vom 20. September 2000 - 5 StR 252/00 Rn. 10 f.; BT-Drucks. 13/8651, S. 11). Diese Straflosigkeit wegen Geldwäsche entfällt vorliegend auch nicht durch den mit Gesetz vom 20. November 2015 (BGBl. I 2025) eingefügten § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB aF, da der Angeklagte die aus den rechtswidrigen Taten herrührenden Gegenstände nicht in den Verkehr gebracht hat. Das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens lehnt sich an § 146 StGB an und erfasst Tathandlungen, die dazu führen, dass der Täter den inkriminierten Gegenstand aus seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt entlässt und ein Dritter die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand erlangt (BT-Drucks. 18/6389, S. 14; BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 5 StR 234/18 Rn. 20). Dies ist etwa beim Einzahlen von illegal erlangtem Bargeld auf ein Konto der Fall, nicht aber bei dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt der internen Weitergabe der erlangten Wertgegenstände an ein anderes Mitglied der Gruppierung (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2002 - 2 StR 138/02 Rn. 5; Urteil vom 29. August 1984 - 3 StR 336/84 Rn. 5).
2. Der Freispruch des Angeklagten in den Fällen B I 1 bis 7 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen.
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht insoweit Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; z.B. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - 1 StR 46/21 Rn. 6; vom 16. Dezember 2020 - 2 StR 209/20 Rn. 11; vom 14. Oktober 2020 - 1 StR 33/19 Rn. 24; vom 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08, BGHSt 54, 15, 18; vom 22. Mai 2019 - 5 StR 36/19, NStZ-RR 2019, 254, 255; vom 6. Juni 2018 - 2 StR 20/18, NStZ-RR 2018, 289 f. und vom 1. Juli 2020 - 2 StR 326/19). Dabei müssen die Gründe eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, Urteile 20. Oktober 2021 - 1 StR 46/21 Rn. 6; vom 18. Mai 2021 - 1 StR 144/20 Rn. 31 und vom 4. Juni 2019 - 1 StR 585/17 Rn. 28).
b) Solche Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Insbesondere weist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils keinen durchgreifenden Darstellungs- oder Erörterungsmangel auf.
aa) Das Landgericht hat in seiner umfassenden Würdigung die für und gegen die Annahme eines zumindest bedingten Tatvorsatzes des Betrugs beim Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte erörtert sowie abgewogen und sich erst ab Fall B II der Urteilsgründe - zweite Tat zum Nachteil der Geschädigten Lo. nach dem Fall B I 1 der Urteilsgründe - davon überzeugen können, dass der Angeklagte eine täuschende Einwirkung auf die angeblichen Kunden erkannt und die Vorgehensweise der Hintermänner letztlich gebilligt hat, indem er gleichwohl zur Erlangung der in Aussicht gestellten Vergütung seinen Tatbeitrag durch die Abholung der bereitgestellten Wertgegenstände geleistet hat. Diese Beweiswürdigung lässt keine Lücken erkennen. Das Landgericht hat auch keinen falschen Maßstab zu Grunde gelegt. Vielmehr hat es sich umfassend mit den relevanten Gesichtspunkten auseinandergesetzt dabei hat es den jeweiligen Wissensstand des Angeklagten bei den einzelnen Taten in ihrer chronologischen Reihenfolge in den Blick genommen.
bb) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, der Angeklagte hätte im Fall der Verneinung eines bedingten Betrugsvorsatzes zumindest wegen leichtfertiger Geldwäsche nach § 261 Abs. 2, Abs. 5 StGB aF verurteilt werden müssen, greift dies ebenfalls nicht durch.
(1) Das Vorliegen einer Geldwäsche gemäß § 261 StGB aF kommt grundsätzlich in Betracht, da es nicht erforderlich ist, dass die Vortat von einem anderen begangen wurde. Es muss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zwischen dem Gegenstand und der Vortat lediglich ein Kausalzusammenhang bestehen (BGH, Beschluss vom 25. April 2022 - 5 StR 100/22 Rn. 7 mwN). Täter oder Teilnehmer einer Geldwäsche nach § 261 Abs. 1, 2 und 5 StGB aF kann demzufolge jeder sein, auch der Vortäter selbst oder ein anderer Vortatbeteiligter. Voraussetzung ist aber, dass - wie hier - die Vortat des Betrugs durch die Übernahme der Wertgegenstände bei dem Geschädigten vollendet ist und der Täter durch deren Weitergabe an einen Hintermann eine Verschleierungshandlung durch das Sichverschaffen der Verfügungsgewalt über den bemakelten Gegenstand im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB aF begeht und auch der persönliche Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB aF wegen fehlender Strafbarkeit an der Vortat nicht eingreift.
(2) Das Landgericht hat sich nach umfassender Würdigung nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte im Sinne des § 261 Abs. 5 StGB aF bei den Fällen B I 1 bis 7 der Urteilsgründe leichtfertig gehandelt hat. Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts beachten den hier relevanten Maßstab und weisen keinen durchgreifenden Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung auf.
3. Die vom Landgericht vorgenommene Beschränkung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 und § 73c Satz 1 StGB lediglich auf den vom Angeklagten bei den Fällen B II und B III der Urteilsgründe erlangten Tatlohn von insgesamt 1.150 Euro erweist sich demgegenüber als rechtsfehlerhaft und kann daher keinen Bestand haben.
a) Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter oder Teilnehmer durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, zwingend der Einziehung. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert - nicht anders als „aus“ der Tat unter Geltung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF -, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an, weil es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20 Rn. 14; vom 9. Oktober 2019 - 1 StR 170/19 Rn. 11; vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18 Rn. 8; vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8; vom 2. Juli 2015 - 3 StR 157/15 Rn. 13 und vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 19; BT-Drucks. 18/9525, S. 62). Ein - wie teilweise in der Literatur gefordert (vgl. nur Zivanic, NStZ 2021, 264; Habetha, NStZ 2021, 160) - zivilrechtsakzessorisches Verständnis des Begriffs des erlangten Etwas scheidet daher aus.
Faktische Verfügungsgewalt liegt jedenfalls dann vor, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann (BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18 Rn. 8 mwN). Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob das Erlangte beim Täter oder Teilnehmer verbleibt oder ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später - etwa durch absprachegemäße Weitergabe an einen anderen - aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20 Rn. 14; vom 6. März 2019 - 5 StR 543/18 Rn. 12; Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18 Rn. 8 mwN).
Nur dann, wenn der Täter etwas nur kurzfristig und transitorisch durch die Tat erhalten hat, weil er dieses - ohne faktische Verfügungsgewalt hieran erlangt zu haben - weiterzuleiten hatte (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 2019 - 1 StR 170/19 Rn. 12; vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18 Rn. 12, 14 mwN und vom 13. September 2018 - 4 StR 174/18 Rn. 22 mwN), hat er den Gegenstand nicht im Sinne von § 73 Abs. 1, § 73c StGB erlangt. Ein bloß transitorischer Besitz liegt aber regelmäßig nicht vor, wenn der Täter oder Beteiligte den durch die Tat erlangten Gegenstand über eine nicht unerhebliche Zeit unter Ausschluss der anderen Tatbeteiligten in seiner faktischen Verfügungsgewalt hält (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2019 - 5 StR 543/18 Rn. 12). Dies ist auch dann anzunehmen, wenn vor der Weitergabe des aus der Tat Erlangten eine längere Fahrtstrecke zurückzulegen ist, auf welcher der Täter faktisch alleine über das Erlangte verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 - 1 StR 170/19 Rn. 13; Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18 Rn. 11).
b) Diesen Vorgaben wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht, soweit es nach der von ihm herangezogenen zivilrechtsakzessorischen Auslegung entgegen dem strafrechtsautonomen Begriffsverständnis des erlangten etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB den Angeklagten lediglich als Besitzdiener (§ 855 BGB) einstufen will, mit der Folge einer Beschränkung der Einziehung auf den erlangten Kurierlohn.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte nach Abholung der Wertgegenstände bei den jeweiligen Geschädigten und deren Transport über eine längere Strecke zum Übernehmer nicht nur transitorischen und damit für die Einziehung unerheblichen Besitz. Vielmehr musste der Angeklagte nach der Abholung der Wertgegenstände bei den Geschädigten jeweils eine längere Fahrtstrecke zurücklegen, während der er faktisch allein über das Erlangte verfügen konnte. So wurde die Tasche im Fall B II der Urteilsgründe vom Angeklagten von D. nach B. sowie der Pappkarton im Fall B III der Urteilsgründe von S. nach L. transportiert und am jeweiligen Zielort an die Kontaktperson der Hintermänner übergeben. Ebenso wie im Fall eines vom Verkäufer eingesetzten Drogen-Kuriers, der vom Abnehmer der Betäubungsmittel den Kaufpreis zur Weitergabe an den Verkäufer erhalten hat (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 2019 - 1 StR 170/19 Rn. 12; vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06 Rn. 14 ff. mwN; vom 12. August 2003 - 1 StR 127/03 Rn. 5 mwN und vom 14. September 1989 - 4 StR 306/89, BGHSt 36, 251 ff.; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 73 Rn. 27 mwN), hatte damit der Angeklagte faktische Verfügungsgewalt über die abgeholten Wertgegenstände über einen längeren Zeitraum.
Dass der Angeklagte die genaue Höhe der Tatbeute nicht kannte und ihm die Adresse, an der er die Tatbeute abzuliefern hatte, sukzessive telefonisch mitgeteilt wurde, spielt angesichts der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2020 - 2 StR 46/20 Rn. 16; vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17 Rn. 8 und vom 5. Juni 2019 - 5 StR 670/18 Rn. 7) keine entscheidende Rolle. Damit hat eine Einziehung des Wertes von Taterträgen beim Angeklagten zu erfolgen.
4. Der Senat kann insoweit in der Sache nicht selbst entscheiden, da mit Blick auf § 265 StPO nicht auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen verteidigen könnte, und verweist die Entscheidung über die Höhe der Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit sie den Betrag von 1.150 Euro übersteigt, an eine andere Strafkammer zurück. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es insoweit nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann aber ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 768
Bearbeiter: Christoph Henckel