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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1027

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 42/17, Beschluss v. 07.09.2017, HRRS 2017 Nr. 1027


BGH AK 42/17 - Beschluss vom 7. September 2017

Haftprüfung (Fristberechnung bei neu hinzutretendem Tatvorwurf); dringender Tatverdacht wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Begriff der Mitgliedschaft); versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen (Grad der Konkretisierung der projektierten Tat).

§ 112 StPO; § 121 StPO; § 122 StPO; § 30 StGB; § 129a StGB; § 129b StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet. Nicht zwingend erforderlich ist dagegen, dass Stellung und Funktion des Angeklagten innerhalb der Organisation näher bekannt sind.

2. Die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB erfordert nicht, dass die Art und Weise der Ausführung sowie Ort und Zeit des projektierten Verbrechens in den Einzelheiten festgelegt sind. Jedoch muss dieses - aus der Sicht des Initiators - so weit konkretisiert sein, dass der präsumtive Haupttäter es „begehen könnte, wenn er wollte“.

Entscheidungstenor

Eine Haftprüfung durch den Senat nach den §§ 121, 122 StPO ist derzeit nicht veranlasst.

Gründe

I.

Der Angeschuldigte wurde am 25. September 2016 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 26. September 2016 in Untersuchungshaft, unterbrochen durch die Vollstreckung einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe vom 20. März bis zum 19. August 2017.

Der Vollzug der Untersuchungshaft beruhte zunächst auf dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Bamberg vom 26. September 2016. Gegenstand dieses Haftbefehls war der Vorwurf der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten sowie der Bedrohung in zwei Fällen gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 6, § 241 Abs. 1, § 53 StGB. Der Angeschuldigte habe sich im Juli 2015 über das Internet technische Anleitungen für den Bombenbau und technische Beschreibungen von Tunnelbohrmaschinen zu dem Zweck verschafft, einen Sprengstoffanschlag auf eine Synagoge in Berlin zu begehen (Ziffer 1). Darüber hinaus habe er am 23. September 2016 telefonisch zu dem geschiedenen Ehemann seiner ehemaligen Lebenspartnerin S. M., W. M., gesagt, er und weitere Männer aus Berlin arbeiteten an einem geplanten Bombenattentat auf eine Synagoge in Berlin, und dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass sein Gesprächspartner die Sicherheitsbehörden informieren werde und diese daraufhin zur Beunruhigung der Bevölkerung geeignete Maßnahmen der Gefahrenabwehr ergreifen würden (Ziffer 3). Schließlich habe der Angeschuldigte am 22. September und am 24. September 2016 in Telefonaten mit W. M. S. M. mit dem Tod bedroht (Ziffern 2 und 4).

Vom 14. Februar bis zum 19. März 2017 und wieder ab dem 20. August 2017 ist die Untersuchungshaft auf Grund des Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts München vom 7. Februar 2017 vollzogen worden. Mit dessen Invollzugsetzung hat die Ermittlungsrichterin den Haftbefehl vom 26. September 2016 aufgehoben. Gegenstand des neuen Haftbefehls ist - über drei bereits in dem früheren Haftbefehl geschilderte Taten (die dortigen Ziffern 1 bis 3, nunmehr Ziffern 3, 4/5 und 6 [hinsichtlich 4/5 und 6 mit unwesentlichen Abweichungen insbesondere betreffend die Tatzeit]) hinaus - der Vorwurf, der Angeschuldigte, der Anhänger einer extremistisch-islamistischen Ideologie sei, habe - in den Jahren 2014 und 2015 auf S. M. dahin eingewirkt, dass sie zum IS nach Syrien gehen und dort ein Selbstmordattentat verüben solle, und deren „zirka“ acht Jahre altem Sohn M. M. IS-Videomaterial gezeigt, um diesen für das Gedankengut und die Handlungen des IS empfänglich zu machen (nunmehr Ziffer 1), sowie - am 15. Juli 2016 per Chat versucht, eine nicht näher bekannte männliche Person namens H. zu einem Anschlag für die Ziele des IS zu motivieren (nunmehr Ziffer 2).

In rechtlicher Hinsicht sind die dem Angeschuldigten in dem Haftbefehl vom 7. Februar 2017 vorgeworfenen Taten (Ziffern 1 bis 6) bewertet worden „als Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, jeweils in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie als Bedrohung sowie als versuchte Nötigung, jeweils in Tatmehrheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 6, § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1, § 240 Abs. 1, 2, 3, § 241 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB.

Mit Anklageschrift vom 5. Juli 2017 hat die Generalstaatsanwaltschaft München am 17. Juli 2017 Anklage zum Oberlandesgericht München unter anderem wegen der zuletzt haftbefehlsgegenständlichen Taten (Ziffern 1.2/1.3, 1.6, 1.8, 1.9 sowie 2 des Anklagesatzes) erhoben.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat vorsorglich beantragt, gemäß §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen. Sie ist allerdings der Auffassung, derzeit bestehe noch keine Vorlagepflicht, weil sich der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung - als Grundlage für den neuen Haftbefehl - infolge der Ermittlungen erst am 16. November 2016 ergeben habe, so dass das Ende der Sechsmonatsfrist auf den 16. Oktober 2017 falle.

II.

Der Senat gibt die Sache an das Oberlandesgericht München zurück, weil eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veranlasst ist. Gegen den Angeschuldigten sind zwar mittlerweile mehr als sechs Monate Untersuchungshaft vollzogen worden. Im Hinblick auf den erstmals erhobenen, weitergehenden Vorwurf im Haftbefehl des Oberlandesgerichts München vom 7. Februar 2017 ist jedoch eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden, deren Ablauf noch nicht bevorsteht.

1. Grundlage einer Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO können ausschließlich die in dem vollzogenen Haftbefehl vom 7. Februar 2017 gegen den Angeschuldigten erhobenen Tatvorwürfe sein (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22). Ãœber den von der Generalstaatsanwaltschaft München mit Erhebung der Anklage gestellten Antrag, einen neuen Haftbefehl gemäß der Anklageschrift vom 5. Juli 2017 zu erlassen und dem Angeschuldigten zu eröffnen, ist noch nicht entschieden; hierzu hat sich der zuständige 9. Strafsenat des Oberlandesgerichts München ausweislich der Gründe des Vorlegungsbeschlusses vom 27. Juli 2017 bisher außerstande gesehen.

2. Der Haftbefehl vom 7. Februar 2017 ist wegen eines weiteren selbständigen Tatvorwurfs ergangen, der nicht Gegenstand des Haftbefehls des Amtsgerichts Bamberg vom 26. September 2016 war, erst im Laufe der nachfolgenden Ermittlungen bekannt geworden ist und für sich genommen den Haftbefehlserlass rechtfertigt; zu einem dringenden Tatverdacht hatte sich dieser Vorwurf erst am 16. November 2016 verdichtet. Im Verhältnis zu den im früheren Haftbefehl beschriebenen Tatvorwürfen handelt es sich somit nicht um dieselbe Tat im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO (zu den Voraussetzungen der In-Gang-Setzung einer neuen Haftprüfungsfrist s. Senatsbeschluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6 ff. mwN).

a) Der Angeschuldigte ist - über den Gegenstand des ursprünglichen Haftbefehls hinaus - der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) dringend verdächtig.

aa) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

(1) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ im Juni 2014 aus „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIS) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hat seit 2010 der „Emir“ Abu Bakr al Baghdadi inne (wobei sich nunmehr die Hinweise verdichten, dass dieser unlängst getötet wurde). Al Baghdadi war von seinem Sprecher zum „Kalifen“ erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem „Kalifen“ unterstehen ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehören außerdem beratende „Shura Räte“. Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung „Al Furqan“ produziert und über die Medienstelle „al I'tisam“ verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem „Prophetensiegel“ (einem weißen Oval mit der Inschrift: „Allah - Rasul - Muhammad“) auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen Geheimdienstapparat eingerichtet; diese Maßnahmen zielen auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach von der Vereinigung zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.

(2) Der Angeschuldigte, der eine extremistische Ideologie vertritt, die den bewaffneten Dschihad als legitimes Mittel zur Durchsetzung ultrakonservativer islamistischer Interessen ansieht, hatte sich spätestens am 21. Januar 2014 dem IS angeschlossen. Er hatte den „Kalifen“ Abu Bakr Al Baghdadi gesehen und identifizierte sich mit den Zielen des IS sowie den zu deren Verfolgung eingesetzten Mitteln. Er hatte das Treuegelöbnis auf ihn abgelegt. Verantwortliche des IS hatten seinem Beitritt zu der Vereinigung zugestimmt. Er sah sich demzufolge auch selbst als deren Mitglied an und entfaltete im Einvernehmen mit ihr seine Tätigkeiten in Deutschland.

Der Angeschuldigte verfügte bereits im Vorfeld über Kenntnisse zu geplanten Operationen des IS, namentlich zu bevorstehenden Anschlägen in Tartus in der Woche nach dem 25. August 2013 und auf eine Moschee in Raqqa am 15. Mai 2014 ebenso wie zur beabsichtigten gewaltsamen Eroberung des Luftwaffenstützpunkts Kuweyris nach dem 1. Oktober 2014. Der Angeschuldigte war imstande, für Personen, die sich ihrerseits zu „Märtyreroperationen“ bereit erklärten, zu diesem Zweck den Beitritt zu der Vereinigung zu arrangieren, und schrieb sich einen maßgebenden Einfluss auf die Organisation einer solchen Operation (Selbstmordattentat) zu. Er hegte selbst den Wunsch, für den IS „nach dem Martyrium gegen die Juden“ zu streben, und nahm Planungen für einen Anschlag auf eine Synagoge in Berlin vor, den er mit weiteren Mitgliedern des IS zu verüben beabsichtigte. Der Angeschuldigte hatte vielfältige Kontakte zum und im Umfeld des IS. So arbeiteten zwei seiner in Syrien lebenden Brüder (A. und Mo.), mit denen er mittels Chat-Nachrichten verkehrte, noch im Jahr 2016 für den IS, während zwei weitere Brüder (Ab. und Abd.) dort als IS-Kämpfer bei Selbstmordattentaten ums Leben gekommen waren.

Im Zeitraum von Anfang 2014 bis zum 15. Juli 2016 betätigte sich der Angeschuldigte als Mitglied des IS im Einzelnen wie folgt für diesen:

(a) Im Zeitraum zwischen Juni 2014 und dem 21. November 2015 wirkte der Angeschuldigte nachhaltig auf seine damalige Lebenspartnerin S. M. dahin ein, dass sie nach Syrien ausreisen, sich dort dem IS anschließen und einen Selbstmordanschlag mit einem Sprengstoffgürtel verüben solle. Ihm kam es darauf an, dem IS eine Selbstmordattentäterin zuzuführen, um ihn durch die Tötung einer Vielzahl von Gegnern („Ungläubigen“) militärisch zu stärken (Ziffer 1 Teil 1 des vollzogenen Haftfehls).

(b) Im nämlichen Zeitraum zeigte der Angeschuldigte dem am 5. August 2007 geborenen M. M., dem Sohn der S. M., Videoaufnahmen, auf denen für den IS kämpfende Kinder zu sehen waren, die auf andere Menschen schossen und selbst erschossen wurden. Sein Ziel war es, M. M. als Kindersoldaten für die Organisation zu gewinnen sowie ihn für deren Gedankengut und Tätigkeit empfänglich zu machen (Ziffer 1 Teil 2 des vollzogenen Haftfehls).

(c) Am 15. Juli 2016 gegen 22 Uhr wirkte der Angeschuldigte per Chat auf eine nicht näher bekannte minderjährige männliche Person namens H., vermutlich seinen in Syrien lebenden jüngeren Bruder, ein, um ihn zu einem Selbstmordattentat mittels Sprengstoff für den IS zu bewegen. Er erklärte sinngemäß, wenn sein Chat-Partner keinen Anschlag verübe, weil er „Angst“ habe oder sich noch für zu jung halte, so sei das für diesen eine „Schande“ (Ziffer 2 des vollzogenen Haftfehls).

bb) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) aus den Auswertungen des Generalbundesanwalts im Einleitungsvermerk vom 12. Dezember 2016, die - gerichtskundig - insbesondere auf den Gutachten des islamwissenschaftlichen Sachverständigen Dr. St. beruhen.

Der Angeschuldigte hat die Tatvorwürfe, insbesondere auch die Mitgliedschaft im IS, bislang bestritten. Bei seiner polizeilichen Einvernahme hat er ausgesagt: Einer seiner acht Brüder sei in Syrien zunächst bei der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) gewesen und sei „dann gewechselt“, möglicherweise zum IS; dieser Bruder sei im Jahr 2014 „von der Regierung getötet“ worden. Er - der Angeschuldigte - habe niemals behauptet, Angehöriger des IS zu sein.

Im Hinblick auf die Mitgliedschaft im IS gründet sich der dringende Tatverdacht vor allem auf die Auswertung der vom Angeschuldigten geführten digitalen Kommunikation, namentlich auf die gesicherten und übersetzten Chat-Inhalte. So bezeichnete er sich selbst als Mitglied der „Dawla“ (Chat vom 21. Januar 2014) und erklärte, Abu Bakr al Baghdadi gesehen (Chat vom 10. Februar 2014) sowie dem „ISIS Treuegelöbnis geleistet“ zu haben (Chat vom 6. Juli 2014). Der umfangreiche Chat-Verkehr ist geprägt von der islamistischen Gesinnung des Angeschuldigten. In einer hohen Anzahl derartiger Nachrichten tauschte er sich mit diversen Kommunikationspartnern über Angelegenheiten mit Bezug zum IS sowie über Selbstmordattentate und sonstige Tötungshandlungen aus. Beispielsweise äußerte er gegenüber einem Gesprächsteilnehmer mit syrischer Telefonnummer, dem er zu einem Selbstmordanschlag riet: „Ich könnte dich dem Islamischen Staat im Irak und Syrien beitreten lassen. Ich arrangiere es für dich ... Ich lasse sie eine Märtyreroperation für dich arrangieren“ (Chat vom 1. März 2014). Auch die Angaben zu den Verhältnissen der Familienangehörigen des Angeschuldigten finden ihre Stütze im Chat-Verkehr. Insbesondere auch aus der Kommunikation mit diesen gehen die „Insider-Informationen“ zu geplanten Operationen des IS hervor; so wies er etwa Chat-Partner, mutmaßlich seine Tante und seinen Onkel, beizeiten - aus Sorge um ihre Sicherheit - auf die geplanten Anschläge in Tartus und in Raqqa hin (Chats vom 27. August 2013 sowie vom 14. Mai 2014). Überdies kommunizierte der Angeschuldigte beispielsweise mit einer in der Türkei aufhältigen, für den IS sprechenden Person namens „S. N.“ über den „Treueeid für den Kalifen“, „Klauseln der Koalition“ sowie die erwünschte politische Zukunft Syriens (Chat-Verkehr von August 2013 bis Juli 2014).

Dass sich der Angeschuldigte selbst als Mitglied des IS bezeichnete, haben außerdem die Zeugen S. M. und As. bei polizeilichen Vernehmungen bekundet; darüber hinaus hat eine Vielzahl weiterer Zeugen jedenfalls seine Affinität zum IS bestätigt. Die Zeugen W. und S. M. sowie Al. haben dazu ausgesagt, dass der Angeschuldigte erklärt habe, das Bombenattentat gegen eine Synagoge in Berlin - „zusammen mit anderen Mitgliedern des IS“ - zu planen; hiermit korrespondieren auf einem Notebook des Angeschuldigten gesicherte Browser-Verläufe mit Bezug zur Neuen Synagoge Berlin und explosiven Chemikalien. Die drei - oben unter II. 2. a) aa) (2) (a) bis (c) näher beschriebenen - einzelnen mitgliedschaftlichen Betätigungsakte werden im Wesentlichen belegt durch die Aussagen der Zeugen S. und M. M. sowie einen dokumentierten Chat-Verlauf (Nr. 715).

Wegen der Einzelheiten der Beweisführung wird insbesondere auf den von der Kriminalpolizei gefertigten Zwischenbericht vom 10. März 2017, die Darstellungen der „Chat-Auswertungen“ vom 7. Februar und vom 6. Juni 2017, die Zusammenfassung der nach dem Zwischenbericht vorgenommenen Zeugenvernehmungen vom 6. Juni 2017 sowie die Aktenvermerke „Zum Chatteilnehmer 'l. 28'" vom 2. März 2017 („S. N. ") und „Zur Familie des Beschuldigten (in Syrien)" vom 11. Mai 2017 verwiesen. Hinsichtlich der vorläufigen Bewertung der Beweisergebnisse wird auf das in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft München vom 5. Juli 2017 dargelegte Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen. Insbesondere tritt der Senat dieser Bewertung auch insoweit bei, als die Ermittlungen nach Aktenlage - trotz Fehlens eines direkten Beweises - indiziell belegen, dass der Angeschuldigte als Mitglied des IS die dessen Ziele und Tätigkeit fördernden Handlungen mit Zustimmung von Verantwortlichen der Vereinigung vornahm. Die Vielzahl der Beweisanzeichen, insbesondere auf Grund der inhaltlichen Auswertung der umfangreichen digitalen Kommunikation, ermöglicht - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - den Schluss, dass zwischen dem Angeschuldigten und dem IS eine Willensübereinstimmung dahin bestand, dass er dem Kreis der Mitglieder angehörte und in dieser Eigenschaft tätig war.

cc) Danach hat sich der Angeschuldigte - im Hinblick auf die drei im Haftbefehl vom 7. Februar 2017 erstmals beschriebenen Tathandlungen - mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB strafbar gemacht.

(1) Der Angeschuldigte hat sich im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB als Mitglied am IS beteiligt. Inwieweit die Anforderungen an diese Tathandlungsalternative infolge der Neufassung der §§ 129, 129a StGB mit Wirkung vom 18. Juli 2017 (s. BGBl. I S. 2440 f.) herabgesetzt worden sind, kann hier dahinstehen; jedenfalls für die zur Tatzeit gültige Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB) gilt:

Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042, 3044). Die mitgliedschaftliche Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Zwar erfordert diese Begehungsform keine organisierte Teilnahme des Täters am Leben der Vereinigung. Insbesondere muss er sich nicht an einem Ort aufhalten, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen. Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein eine Tätigkeit für die Vereinigung nicht aus, mag sie auch besonders intensiv sein; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Förderungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 113 f.; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 82 ff., jew. mwN).

Gemessen daran, ist der dringende Tatverdacht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten am IS gegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass er das Treuegelöbnis auf diesen abgelegt hatte, Verantwortliche der Organisation seinem Beitritt zugestimmt hatten und er im Einvernehmen mit dem IS in Deutschland unterstützende und werbende Tätigkeiten zu dessen Gunsten ausführte. Unter den gegebenen Umständen steht der Mitgliedschaft des Angeschuldigten nicht entgegen, dass seine Stellung und seine Funktion innerhalb der Organisation nicht näher bekannt sind.

(2) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB (zum Strafanwendungsrecht im Einzelnen s. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).

(3) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ (ISIS) sowie als „Islamischer Staat“ (IS) bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.

(4) Auch wird der Haftbefehl des Oberlandesgerichts vom 7. Februar 2017 seiner Funktion - noch - gerecht, den strafrechtlichen Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu umgrenzen, indem er das zugrundeliegende Geschehen nach Ort und Zeit, Art der Durchführung und sonstigen Umständen so hinreichend genau bezeichnet, dass ein bestimmter Lebensvorgang ersichtlich ist, der die Merkmale des dem Angeschuldigten angelasteten gesetzlichen Straftatbestandes erfüllt (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 17. August 2017 - AK 34/17 mwN). Der Haftbefehl enthält in tatsächlicher Hinsicht allgemeine Angaben zum IS und zur islamistischen Gesinnung des Angeschuldigten sowie die Beschreibung einzelner konkreter Betätigungen und erhebt in rechtlicher Hinsicht den Vorwurf einer Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB in Form der mitgliedschaftlichen Beteiligung. Unter den gegebenen Umständen ist es unschädlich, dass sich der Haftbefehl nicht zur Mitgliedschaft selbst verhält, namentlich der von einem übereinstimmenden Willen getragenen Eingliederung des Angeschuldigten in die Organisation.

(5) Entgegen der in der Anklageschrift vom 5. Juli 2017 vorgenommenen Bewertung erfüllen die zwei oben unter II. 2. a) aa) (2) (a) und (c) geschilderten mitgliedschaftlichen Betätigungen nicht jeweils zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen einer versuchten Anstiftung zu den Verbrechen des Mordes und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge nach §§ 211, 308 Abs. 1, 3, § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB; denn die Taten, zu denen der Angeschuldigte die S. M. und die Person namens H. mutmaßlich zu bestimmen beabsichtigte, waren noch nicht hinreichend konkretisiert.

Strafgrund für den Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen ist die besondere Rechtsgutsgefährdung, die entsteht, wenn der Initiator das von ihm angestoßene kriminelle Geschehen derart aus der Hand gibt, dass es sich ohne sein weiteres Zutun gegebenenfalls bis zur Vollendung der Straftat fortentwickeln kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102 f.). Die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB erfordert zwar nicht, dass die Art und Weise der Ausführung sowie Ort und Zeit des projektierten Verbrechens in den Einzelheiten festgelegt sind. Jedoch muss dieses - aus der Sicht des Initiators - so weit konkretisiert sein, dass der präsumtive Haupttäter es „begehen könnte, wenn er wollte“ (vgl. BGH, Urteile vom 4. Dezember 1962 - 5 StR 529/62, BGHSt 18, 160, 161; vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3; vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04, BGHSt 50, 142, 145; S/S/Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 30 Rn. 5).

Nach Aktenlage besteht kein dringender Tatverdacht, dass die Modalitäten der beiden vom Angeklagten anvisierten Selbstmordattentate mittels Sprengstoff in ausreichender Form umrissen waren; weder Ort und Zeit noch die nähere Art und Weise der Tatausführung standen fest. Dass S. M. einen Anschlag mit einem Sprengstoffgürtel in Syrien ohne weiteres Zutun des Angeschuldigten hätte begehen können, liegt fern; aber auch in Bezug auf die Person H. ist solches derzeit nicht hinreichend belegt.

(6) Infolgedessen werden die drei erstmals im Haftbefehl vom 7. Februar 2017 beschriebenen mitgliedschaftlichen Betätigungsakte (s. oben II. 2. a) aa) (2) (a) bis (c)), weil sie keinen anderen Straftatbestand verwirklichen, durch das Organisationsdelikt der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit, damit einer Tat im materiellrechtlichen und prozessualen Sinne, verklammert (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 319). Die im Haftbefehl vom 7. Februar 2017 vorgenommene rechtliche Beurteilung lässt sich hingegen, vor allem auch hinsichtlich der Konkurrenzen, nicht nachvollziehen.

dd) Die mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeschuldigten am IS ist sowohl nach sachlich-rechtlichen (§ 52 StGB) als auch verfahrensrechtlichen (§ 264 StPO) Maßstäben nicht identisch mit den Taten, die bereits Gegenstand des Haftbefehls vom 26. September 2016 waren:

(1) Mit der unter Ziffer 1 des ursprünglichen Haftbefehls umschriebenen Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB (zum Schriftenbegriff im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB s. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 58 ff.; MüKoStGB/Radtke, StGB, 3. Aufl., § 11 Rn. 169 mwN) werden die drei - nicht nach noch weiteren Straftatbeständen strafbaren - mitgliedschaftlichen Betätigungsakte, die dem Angeschuldigten in dem neuen Haftbefehl angelastet werden, nicht zu einer Tat zusammengefasst; denn da insoweit die mitgliedschaftliche Betätigung gerade in der Verwirklichung des § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB besteht, wird sie nicht in die tatbestandliche Handlungseinheit einbezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, aaO, S. 311 f., 319 f.).

(2) Auf der Grundlage des Sachverhalts unter Ziffer 3 des ursprünglichen Haftbefehls besteht kein dringender Verdacht der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten nach § 126 Abs. 1 Nr. 6 StGB. Beide Haftbefehle wie auch die Anklageschrift stützen die konkrete Eignung zur Friedensstörung des vom Angeschuldigten am 24. September 2016 telefonisch angekündigten, gegen eine jüdische Synagoge gerichteten Bombenattentats darauf, dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, der Erklärungsempfänger W. M. werde Sicherheitsbehörden über das Vorhaben informieren; auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich keine abweichenden Vorstellungen des Angeschuldigten. Das trägt das Merkmal der friedensstörenden Eignung jedoch nicht; denn von staatlichen Organen kann regelmäßig ein Vorgehen mit Diskretion erwartet werden, ohne dass es zu einer Beunruhigung der Öffentlichkeit kommt (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 55/87, BGHSt 34, 329, 332 f.; Beschluss vom 19. Mai 2010 - 1 StR 148/10, NStZ 2010, 570; MüKoStGB/Schäfer aaO, § 126 Rn. 27, 31).

Auch stellt dieses Telefonat vom 24. September 2016 nach Aktenlage keine - in die (verbleibende) tatbestandliche Handlungseinheit fallende - mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB dar. Die Äußerungen des Angeschuldigten, die sich nicht zum IS verhielten, waren kein Ausfluss seiner Mitgliedschaft in der Vereinigung, und er tätigte sie nicht in deren Interesse (zu den Anforderungen an eine von § 129a Abs. 1 StGB vorausgesetzte aktive Förderungshandlung s. MüKoStGB/Schäfer aaO, § 129 Rn. 87 f., § 129a Rn. 57 mwN). Vielmehr ist es offenkundig, dass der IS gerade kein Interesse daran hat, Anschlagspläne seiner Mitglieder Unbeteiligten preiszugeben, welche die Informationen staatlichen Behörden offenbaren.

b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des mit Haftbefehl vom 7. Februar 2017 neu hinzugetretenen Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS hat sich erst nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls vom 26. September 2016 ergeben. Bei der am 25. September 2016 durchgeführten Durchsuchung des vom Angeschuldigten bewohnten Studentenapartments wurden unter anderem sein Smartphone und sein Laptop sichergestellt. Auf dieser Hardware waren große Datenmengen gespeichert, auf dem Smartphone allein 831 Chat-Verläufe und 46.000 Bilder; der Chat-Verkehr wurde aus dem Arabischen übersetzt und ausgewertet. Nachdem zunächst nur erste Hinweise auf eine Verbindung des Angeschuldigten zum IS zutage getreten waren, verdichteten sich die Verdachtsmomente im Laufe der weiteren Auswertung des Chat-Verkehrs, bis mit den Sachstandsberichten vom 16. November 2016 ein dringender Tatverdacht in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB als hinreichend gesichert erschien.

c) Die mitgliedschaftliche Beteiligung am IS rechtfertigt auch für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls.

aa) Beim Angeschuldigten bestehen, auch wenn nur der neu hinzugetretene Tatvorwurf Berücksichtigung findet, die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) sowie darüber hinaus der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO):

(1) Im Fall seiner Verurteilung hat der Angeschuldigte eine empfindliche, einen hohen Fluchtanreiz begründende Strafe zu erwarten. Der IS ist eine besonders gefährliche und grausam vorgehende terroristische Vereinigung. Zwei der dem Angeschuldigten angelasteten Beteiligungshandlungen waren auf Bombenattentate mit einer potentiell hohen Anzahl von getöteten und schwerverletzten Opfern gerichtet.

Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. So hat der Angeschuldigte im Inland keine gefestigten sozialen Bindungen; seine Familie lebt in Syrien. Er ist mit hoher Wahrscheinlichkeit imstande, auf Kontakte zum und im Umfeld des IS zurückzugreifen, um das Bundesgebiet zu verlassen und sich der Strafverfolgung zu entziehen.

(2) Danach sind - erst recht - Umstände gegeben, die die Gefahr begründen, dass ohne Inhaftierung des Angeschuldigten zumindest die alsbaldige Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (zur gebotenen restriktiven Handhabung des § 112 Abs. 3 StPO vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN).

bb) Schließlich steht die Anordnung der Untersuchungshaft im Hinblick auf die dem Angeschuldigten zur Last liegende mitgliedschaftliche Beteiligung am IS nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem in Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommen kann, falls sich - wie hier - die Haftdauer insgesamt verlängert, weil während des Vollzugs der Untersuchungshaft eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden ist und eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO deshalb nicht stattfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 37 mwN).

3. Der Ablauf der durch den Haftbefehl vom 7. Februar 2017 in Gang gesetzten Sechsmonatsfrist steht noch nicht bevor. Da der dringende Tatverdacht hinsichtlich des neu hinzugetretenen Tatvorwurfs seit dem 16. November 2016 besteht, ist zu unterstellen, dass der um den Vorwurf erweiterte neue Haftbefehl am 17. November 2016 hätte erlassen und verkündet werden können. Die neue Sechsmonatsfrist hat folglich an diesem Tag zu laufen begonnen; in diese Frist nicht eingerechnet wird der Zeitraum vom 20. März bis zum 19. August 2017, in dem der Untersuchungshaftvollzug infolge der Vollstreckung der fünfmonatigen Freiheitsstrafe unterbrochen war (s. § 116b Satz 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1027

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 10

Bearbeiter: Christian Becker