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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 210

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 570/19, Beschluss v. 18.12.2019, HRRS 2020 Nr. 210


BGH 1 StR 570/19 - Beschluss vom 18. Dezember 2019 (LG Nürnberg-Fürth)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Erfordernis der Eigennützigkeit: Erwartetes Erlangen eines Vorteils aus dem Umsatzgeschäft; Tateinheit bei Teilidentität von Ausführungshandlungen).

§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG; § 52 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eigennützig ist eine Tätigkeit, wenn das Tun des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird; eine Entlohnung in Geld ist daher für die Annahme von Eigennützigkeit nicht zwingend (st. Rspr.). Wer Rauschgift indes ohne irgendeinen Gewinn weiterverkauft, handelt nicht eigennützig, ebenso wenig derjenige, der aus der ohne Gewinnaufschlag weiter zu veräußernden Gesamtmenge einen Anteil zum Eigenkonsum erhalten will. Die Vorteile müssen sich nach alledem aus dem Umsatzgeschäft ergeben, nicht aus einem anderen Umstand, namentlich dem Erwerb.

2. Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG sind nicht nur Tätigkeiten, die unmittelbar dem Beschaffen und Weitergeben von Betäubungsmitteln an einen Abnehmer dienen, sondern ebenfalls dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge (st. Rspr.). Begibt sich ein Händler zu seinem Lieferanten, um beim Abholen der neuen, zuvor bestellten Lieferung den - gestundeten - Kaufpreis in bar für eine vorangegangene zu übergeben, betrifft dieser Einzelakt des Aufsuchens beide Umsatzgeschäfte, die sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehen; die Umsätze überschneiden sich daher. Diese Teilidentität in der Ausführung verbindet beide Betäubungsmittelgeschäfte zu gleichartiger Tateinheit (nicht etwa zu einer Bewertungseinheit). Übernimmt der Zwischenhändler innerhalb einer bestehenden Lieferbeziehung ohne teilidentische Ausführungshandlung (lediglich) aus Anlass der Bezahlung einer vorangegangenen Lieferung eine neue, ist - mit dem gleichen Konkurrenzergebnis - natürliche Handlungseinheit anzunehmen (st. Rspr.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. August 2019 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen und die Einziehungsentscheidung aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.250 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit welcher er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Zeuge E. beim Angeklagten, der sich vom gesondert verfolgten P. als dessen Ersatz in die Absatzkette einspannen ließ, in zwölf Fällen Heroin in einer Menge von zehn bis 15 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 1,5 Gramm bis 2,25 Gramm Heroinhydrochlorid, in den Fällen 1 und 4 zudem auch für einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Der Angeklagte bezog seinerseits das Heroin von einem nicht ermittelten Verkäufer; er lieferte es im Zeitraum vom 4. September 2018 bis zum 21. September 2018 an E. bzw. in den Fällen 1 und 4 zudem an den anderen Abnehmer aus, wobei die Verkaufsmengen bei den beiden zuletzt genannten Taten jeweils aus demselben Erwerbsvorgang stammten. Der Angeklagte übergab die von den beiden Käufern erhaltenen Bargelder in Höhe von insgesamt 5.250 € seinem Lieferanten, um seine eigenen Kaufpreisschulden zu erfüllen. Der Vorteil des Angeklagten aus diesen Betäubungsmittelgeschäften bestand in einem Gramm Heroin pro Tag, das er von seinem Verkäufer zum Eigenkonsum erhielt.

II.

1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehens als zwölf tatmehrheitlich begangene Fälle (§ 53 Abs. 1 StGB) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kommt in Betracht, dass zumindest manche oder gar alle Fälle zueinander in gleichartiger Tateinheit stehen (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt, obwohl sich Folgendes aufgedrängt hat:

a) Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG sind nicht nur Tätigkeiten, die unmittelbar dem Beschaffen und Weitergeben von Betäubungsmitteln an einen Abnehmer dienen, sondern ebenfalls dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 20 mwN und vom 14. Mai 2019 - 3 StR 65/19 Rn. 9). Begibt sich ein Händler zu seinem Lieferanten, um beim Abholen der neuen, zuvor bestellten Lieferung den - gestundeten - Kaufpreis in bar für eine vorangegangene zu übergeben, betrifft dieser Einzelakt des Aufsuchens beide Umsatzgeschäfte, die sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehen; die Umsätze überschneiden sich daher. Diese Teilidentität in der Ausführung verbindet beide Betäubungsmittelgeschäfte zu gleichartiger Tateinheit (nicht etwa zu einer Bewertungseinheit; st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 23; vom 10. Januar 2019 - 3 StR 448/18 Rn. 9; vom 24. Juli 2018 - 3 StR 236/15 Rn. 9; vom 14. Mai 2019 - 3 StR 65/19 Rn. 9; vom 22. Mai 2019 - 4 StR 579/18 Rn. 3 und vom 19. Dezember 2018 - 4 StR 526/18 Rn. 2). Übernimmt der Zwischenhändler innerhalb einer bestehenden Lieferbeziehung ohne teilidentische Ausführungshandlung (lediglich) aus Anlass der Bezahlung einer vorangegangenen Lieferung eine neue, ist - mit dem gleichen Konkurrenzergebnis - natürliche Handlungseinheit anzunehmen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2019 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 28-30; vom 24. Juli 2018 - 3 StR 88/17 Rn. 5; vom 10. Januar 2019 - 3 StR 448/18 Rn. 9 und vom 10. Oktober 2019 - 1 StR 407/19 Rn. 4).

b) Solche Bezahlvorgänge im Zusammenhang mit den neuen Lieferungen liegen hier insbesondere angesichts der dicht gedrängten, überwiegend an darauffolgenden Tagen ausgeführten Umsätze und dem Fehlen eigener Finanzmittel des Angeklagten nahe. Eine Durchentscheidung auf Tateinheit ist dem Senat indes verwehrt, weil zur Übergabe der Bargelder durch den Angeklagten an seinen Lieferanten keine näheren Feststellungen getroffen worden sind.

2. Die Feststellungen sind von der rechtsfehlerhaften konkurrenzrechtlichen Beurteilung nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und tragen einen Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge:

a) Der Angeklagte war nicht lediglich als ?Läufer? seines Lieferanten tätig. Denn er bestimmte nach Verhandlungen mit seinen beiden Abnehmern selbständig den Umfang der Verkaufsmenge; dies geht weit über eine bloße weisungsgebundene Transporttätigkeit hinaus, bezieht sich vielmehr auf das ganze Umsatzgeschäft und macht den Angeklagten zum Zwischenhändler (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2019 - 4 StR 22/19 Rn. 5; vom 29. Januar 2019 - 4 StR 589/18 Rn. 4; vom 3. Juli 2014 - 4 StR 240/14 Rn. 4; vom 24. April 2013 - 5 StR 135/13 Rn. 5 und vom 22. August 2012 - 4 StR 272/12 Rn. 3).

b) Der Angeklagte handelte eigennützig.

aa) Eigennützig ist eine Tätigkeit, wenn das Tun des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird; eine Entlohnung in Geld ist daher für die Annahme von Eigennützigkeit nicht zwingend (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2019 - 2 StR 384/19 Rn. 8 f.; vom 10. Oktober 2018 - 4 StR 247/18 Rn. 4 und vom 16. März 2016 - 4 StR 42/16 Rn. 6; Urteil vom 24. Juni 1986 - 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126). Wer Rauschgift indes ohne irgendeinen Gewinn weiterverkauft, handelt nicht eigennützig (BGH, Beschluss vom 6. November 2012 - 2 StR 410/12 Rn. 2, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 80), ebenso wenig derjenige, der aus der ohne Gewinnaufschlag weiter zu veräußernden Gesamtmenge einen Anteil zum Eigenkonsum erhalten will (BGH, Beschluss vom 22. Februar 1985 - 2 StR 62/85 Rn. 5 f.). Die Vorteile müssen sich nach alledem aus dem Umsatzgeschäft ergeben, nicht aus einem anderen Umstand, namentlich dem Erwerb (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 131/12 Rn. 6; Urteil vom 6. Dezember 2017 - 2 StR 46/17 Rn. 10).

bb) Der Angeklagte strich zwar - anders als sein Lieferant - weder einen Geldgewinn ein noch erhielt er einen sonstigen ihm verbleibenden Vorteil von seinen Abnehmern; indes veräußerte er die Betäubungsmittel weiter, um von seinem Verkäufer gesondert von den Liefermengen mit Heroin zum Eigenkonsum entlohnt zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1996 - 1 StR 1/96 Rn. 10 und Beschluss vom 17. September 2009 - 5 StR 325/09 Rn. 3). Dieser geldwerte Vorteil bezieht sich mithin auf die Weiterveräußerung und ist aus diesem für den unbekannt gebliebenen Verkäufer gewinnträchtigen Absatz finanziert.

c) Die Feststellungen sind indes um solche zu den Bezahlvorgängen zu ergänzen. Im Übrigen dürfen neue Feststellungen den bisherigen nicht widersprechen.

3. Auch auf die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) wirkt sich der Rechtsfehler bei den Konkurrenzen nicht aus. Da die Feststellungen in Rechtskraft erwachsen, steht fest, dass der Angeklagte die Verfügungsgewalt über die Kaufpreisgelder entweder ?durch eine rechtswidrige Tat? oder durch mehrere rechtswidrige Taten erlangte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2019 - 1 StR 407/19 Rn. 5; vgl. zur Aufrechterhaltung der Einziehung nach Durchentscheidung zum Schuldspruch: BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2018 - 5 StR 231/18 Rn. 4; vom 22. Mai 2019 - 4 StR 579/18 Rn. 6; vom 19. Dezember 2018 - 4 StR 526/18 Rn. 5 und vom 7. Mai 2019 - 2 StR 129/19). Eine Aufrechterhaltung der Einziehung wäre indes ausgeschlossen gewesen, wenn die zum Schuldspruch zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden wären (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 3 StR 448/18 Rn. 14; Urteil vom 13. März 2019 - 1 StR 424/18 Rn. 17).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 210

Externe Fundstellen: NStZ 2020, 228

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede