HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 602
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 424/18, Urteil v. 13.03.2019, HRRS 2019 Nr. 602
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten H., P. und T. wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 12. Januar 2018, soweit es die Angeklagten H., P., T. und R. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 2. der Urteilsgründe (Tat K.),
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Tat L.) gegen die Angeklagten H. und P. als Gesamtschuldner angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 10.700 €; dieser Teil der Einziehungsentscheidung bleibt aufrechterhalten.
2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten H., P. und T. werden verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat gegen die Angeklagten folgende Strafen verhängt und folgende Maßregeln angeordnet:
gegen den Angeklagten H. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten; gegen den Angeklagten P. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und mit unerlaubtem Sichverschaffen (statt Besitz) von Betäubungsmitteln sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Hausfriedensbruch und mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren; daneben die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; gegen den Angeklagten T. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Hausfriedensbruch und mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten; daneben die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und gegen den Angeklagten R. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Hausfriedensbruch, mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe, mit schwerer sexueller Nötigung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von acht Jahren; daneben die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie eine Sperrfrist von drei Jahren für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.
Im Verhältnis zwischen Freiheitsstrafe und Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht jeweils einen Vorwegvollzug bestimmt und bei der Bemessung der Dauer erlittene Untersuchungshaft in Abzug gebracht. Schließlich hat es hinsichtlich aller Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 32.150,50 € (des Wertes der bei der zweiten Tat erlangten Tatbeute) angeordnet sowie bezüglich der Angeklagten H. und P. eine weitergehende Einziehungsentscheidung bezüglich des Falles 1 in Höhe von 11.200 € getroffen.
Die gegen diese Verurteilungen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die jeweils auf die Sachrüge gestützt sind und vornehmlich das Unterbleiben einer tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung im zweiten Fall sowie einzelne Strafzumessungserwägungen beanstanden, führen unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zur überwiegenden Aufhebung des Urteils, wegen Fehlern in den Rechtsfolgenaussprüchen auch zugunsten der Angeklagten (§ 301 StPO). Dementsprechend erzielen auch die Revisionen der Angeklagten H., P. und T., die ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts rügen, Teilerfolge. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die der Angeklagten unbegründet.
1. Nach den Urteilsfeststellungen drückte der spielsüchtige Angeklagte H. am 12. August 2016 die Tür zur Wohnung des Geschädigten F. mit seiner Schulter gemäß dem mit dem Angeklagten P. verabredeten Tatplan auf, sodass das Schließblech vollständig aus der Holzrahmentür herausbrach. Dadurch entstand ein Schaden von 4.000 €. Der Angeklagte P., der unter Amphetamin-, Cannabis- und Alkoholeinfluss stand, nahm, was nicht vom Tatplan gedeckt war, ein halbes Gramm Crystal an sich, um dieses später zu konsumieren. Die Angeklagten entwendeten zusammen einen Montblanc-Füller im Wert von 200 € und rissen einen ca. 120 Kilogramm schweren Tresor aus der Wand. Beim Abtransport des Tresors, in welchem der Geschädigte F. Vermögensgegenstände, vor allem Uhren, im Gesamtwert von 11.000 € aufbewahrte, zerstörten die Angeklagten einen Koffer und einen Bürostuhl im Gesamtwert von 300 €. Später flexte der Angeklagte P. den Tresor auf; der Angeklagte H. entnahm die Wertgegenstände und veräußerte diese überwiegend, teilte den Erlös aber entgegen der Absprache nicht mit dem Angeklagten P. Zwei Uhren im Gesamtwert von 500 € gab der Angeklagte H. später zugunsten des Geschädigten heraus.
2. Im August 2016 überredete der Angeklagte H. die Mitangeklagten P., T. und R., das Ehepaar Ha. in deren Haus zu überfallen und es zu zwingen, den Safe zu öffnen, um an das darin vermutete und zwischen ihnen gleichmäßig zu verteilende Bargeld zu gelangen. Am 16. September 2016 fuhr er seine drei Mittäter, die unter dem Einfluss von Alkohol und Rauschgift standen sowie jeweils ungeladene Gasdruckpistolen trugen, zu dem zuvor gemeinsam ausgekundschafteten Anwesen. Gegen 23.00 Uhr brachten die Angeklagten P. und R., denen der Ehemann Ha. nichtsahnend die Tür öffnete, und T., der über ein Küchenfenster einstieg, das Ehepaar innerhalb des Hauses in ihre Gewalt. Dazu versetzte der Angeklagte P. absprachegemäß dem Ehemann Ha. einen Faustschlag ins Gesicht. Obwohl nach dem Tatplan die Pistolen nur zur Drohung eingesetzt werden sollten, schlug der - infolge langjähriger Rauschmittelabhängigkeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkte - Angeklagte R. mit seiner eisernen Schreckschusswaffe wuchtig auf Ha. s Kopf. Die Angeklagten fesselten das Ehepaar mit zu diesem Zweck mitgenommenem silbernen Panzertape an den Händen, um Gegenwehr zu unterbinden und es an der Flucht zu hindern. Die Angeklagten P. und T. brachten den mit Schlägen und Tritten durch das Haus getriebenen Ha. schließlich im ersten Obergeschoss zu Boden; einer dieser beiden Angeklagten setzte sich auf Ha., hielt ihm die Pistole an den Kopf, lud sie durch und sagte zum Geschädigten, dass die nächste Kugel für ihn sei.
Währenddessen bewachte der Angeklagte R. die auf dem Bauch liegende Ha. im Büro im Hochparterre. Er entschloss sich spontan, die hilflose Lage H. s, die nur mit einer leichten Sommerhose bekleidet war, auszunutzen, um sie u.a. am Gesäß und am Knie zu berühren sowie mit der Hand zwischen ihre Beine zu fahren. Dabei sagte er, er könne sie jetzt vergewaltigen und sie hätte Spaß daran. Zudem zwickte R. Frau Ha. an der Scheide.
Im weiteren insgesamt rund 20 Minuten dauernden Geschehensablauf trat der Angeklagte R. - erneut tatplanwidrig - dem Ha. Mit dem beschuhten Fuß wuchtig gegen dessen Oberkörper. Nach Ha. s Hinweis auf einen Geldbeutel in der Hoffnung, dass sich die Angeklagten damit zufrieden gäben, brachten sie 2.000 € an sich. Letztendlich gelang es den drei Angeklagten nach Preisgabe der Zahlenkombination durch die Geschädigten, den Tresor zu öffnen und insgesamt 27.590,50 € an Bargeld sowie zwei Goldmünzen im Wert von 1.280 € zu entnehmen. Die Angeklagten fesselten die beiden Geschädigten erneut mit dem Panzertape, und zwar diesmal an den Händen und Füßen, wobei die Fesselung wiederum nicht besonders eng war; die Geschädigten konnten sich ohne Weiteres befreien, nachdem die Angeklagten das Haus verlassen hatten. Der Angeklagte R. fuhr Ha. s Wagen, obwohl er hierfür nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hatte. Schließlich ließ er den Mercedes bei einer Brücke zurück.
1. Revisionen der Staatsanwaltschaft
a) Die Revisionen sind im Fall II. 2. der Urteilsgründe begründet, weil das Urteil insoweit einen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten enthält. Das Landgericht hat es - ebenso wie die Staatsanwaltschaft bei der Anklageerhebung - unterlassen, den Sachverhalt unter dem Straftatbestand des erpresserischen Menschenraubes (§ 239a StGB) zu würdigen.
aa) Die Sachverhaltsfeststellungen legen die Erfüllung eines Sich-Bemächtigens in Raubabsicht (§ 239a Abs. 1 Halbsatz 1 StGB) nahe. Ein Sich-Bemächtigen ist anzunehmen, wenn der Täter die physische Herrschaft über das Opfer erlangt; dazu muss er weder das Opfer an einen anderen Ort verbringen noch den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllen. Indes ist bei einem - auch bei Mittätern zugrunde zu legendem - „Zwei-Personen-Verhältnis“ (Täter-Opfer) weitere Voraussetzung, um den erpresserischen Menschenraub von der räuberischen Erpressung (§§ 253, 255 StGB) und dem Raub (§ 249 StGB) abzugrenzen, dass die Bemächtigungssituation im Hinblick auf die erstrebte Raubhandlung eine eigenständige Bedeutung hat; sie erfordert daher eine gewisse Stabilisierung der Beherrschungslage, die der Täter zum Raub ausnutzen will (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 47; Beschluss vom 5. August 2015 - 1 StR 328/15, juris Rn. 24 [insoweit in BGHSt 61, 21 nicht abgedruckt]; vgl. im Übrigen BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359). Weil die Vorschriften der §§ 253, 255 StGB den engeren Tatbestand des Raubes mitumfassen (siehe nur BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 612/17, NStZ-RR 2018, 140, 141 mwN), bezieht sich § 239a StGB auch auf beabsichtigte Raubtaten (BGH, Urteile vom 22. Oktober 2009 - 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 47 und vom 5. März 2003 - 2 StR 494/02, NStZ 2003, 604, 605).
bb) Nach den Feststellungen ist eine ausreichend stabile Bemächtigungssituation hier wahrscheinlich. Die Angeklagten überfielen die Eheleute und brachten sie gefesselt zu Boden; sie hatten sie für rund 20 Minuten in ihrer Gewalt und nötigten sie mehrfach sowie auf unterschiedliche Weise. Die Eheleute gaben aus Furcht um ihr Wohl die Lage des Geldbeutels und letztlich den Code für den Safe preis und ermöglichten so die Wegnahme. Offensichtlich fürchteten die Eheleute jeweils auch um das Wohl des anderen Ehepartners; insoweit könnte für die Eigenständigkeit der Bemächtigungssituation ein „Drei-Personen-Verhältnis“ zugrunde zu legen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 - 1 StR 328/15, juris Rn. 25; Urteil vom 9. Juni 1999 - 3 StR 78/99, BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 8).
cc) Die Angeklagten sind auf diese gewichtige Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes bislang nicht hingewiesen worden (§ 265 Abs. 1 StPO). Ob sie sich tateinheitlich zum schweren Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) bzw. zum besonders schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB; Angeklagter R.) des erpresserischen Menschenraubes strafbar gemacht haben, bedarf demnach der tatrichterlichen Prüfung. Bereits deswegen unterliegt der Schuldspruch im zweiten Fall insgesamt der Aufhebung (§ 353 Abs. 1 StPO; BGH, Urteile vom 28. September 2017 - 4 StR 282/17, juris Rn. 14; vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, juris Rn. 51 und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
b) Das Urteil weist zudem einen Strafzumessungsfehler zu Lasten des Angeklagten R. hinsichtlich der tateinheitlichen Verurteilung wegen schwerer sexueller Nötigung nach § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF auf, der auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu beachten ist (§ 301 StPO).
aa) Allerdings begegnet der Schuldspruch insoweit keinen Bedenken. Denn der Angeklagte R. hielt die Fesselung und damit die Gewalt aufrecht, um nach seiner Vorsatzerweiterung nunmehr nicht allein den Raub zu begehen, sondern diese Situation für eine erhebliche sexuelle Handlung (§ 184h Nr. 1 StGB) zu Lasten der Ehefrau Ha. auszunutzen. Das Fesseln mit dem Panzertape ist als Beisichführen eines sonstigen „Werkzeugs oder Mittels“ zu werten, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt zu verhindern (§ 177 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 1 StGB aF; BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 303/09, juris Rn. 3; vom 17. Juni 2003 - 3 StR 177/03, NStZ-RR 2003, 328, 329 und vom 26. Oktober 2000 - 3 StR 433/00, NStZ 2001, 246 f.; Urteil vom 21. Januar 1999 - 1 StR 654/98, BGHR StGB § 177 Abs. 3 Nr. 2 Werkzeug 1). Die durchgängige Gewaltanwendung verbindet den Raub mit der schweren sexuellen Nötigung (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 303/09, juris Rn. 3). Da bereits das Fesseln mit dem Panzertape die Qualifikation des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF begründet, kommt es für den Schuldspruch nicht darauf an, ob der Angeklagte R. auch die Scheinwaffe zur sexuellen Nötigung einsetzte.
bb) Das Landgericht hat aber den Strafrahmen rechtsfehlerhaft bestimmt, indem es eine Sperrwirkung des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF mit einer Untergrenze von drei Jahren Freiheitsstrafe angenommen hat.
Das Landgericht hat zunächst einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB nach Abwägung der allgemeinen Strafmilderungsgründe mit den straferschwerenden Umständen abgelehnt, im Folgenden auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes der verminderten Schuldfähigkeit, und anschließend den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach §§ 21, 49 StGB gemildert; dies ist rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat indes im Ergebnis nicht eine Untergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB) zugrunde gelegt, sondern der Vorschrift § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF eine Sperrwirkung beigemessen. Dass dabei unerwähnt geblieben ist, ob der vertypte Strafmilderungsgrund nach §§ 21, 49 StGB auch beim Delikt der schweren sexuellen Nötigung zu einer Strafrahmenverschiebung mit der Folge einer Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB) führt, stellt zu Lasten des Angeklagten R. einen durchgreifenden Erörterungsfehler dar.
c) Die Aufhebung des zweiten Falles mitsamt der Strafen und Feststellungen zieht die Aufhebung der - für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen - Maßregeln (insbesondere § 64 StGB) und der Einziehungsentscheidung in Höhe von 32.150,50 € nach sich.
2. Revision des Angeklagten H.
Die Revision des Angeklagten H. hat zum Strafausspruch Erfolg.
a) Die Ablehnung der Voraussetzungen für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) hält mit der hierfür gegebenen Begründung sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - beim Angeklagten H. eine pathologische Spielsucht und eine Intelligenzminderung festgestellt. Das nahezu tägliche stundenlange Spielen im Casino habe das Leben des Angeklagten H. bestimmt und er habe sich deswegen bei Familienmitgliedern sowie Freunden verschuldet. Gleichwohl habe diese Sucht nicht den erforderlichen Schweregrad zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht; denn die durchaus sorgfältige Planung der Tat und das Einsetzen des Erlöses aus der Veräußerung der Tatbeute zur Tilgung anderer aus dem aufwendigen Lebensstil resultierender Schulden zeigten, dass „noch ein gewisser Grad … der Steuerungsfähigkeit gegeben sei“, auch wenn der Angeklagte wegen unterdurchschnittlicher Intelligenz „seine Spielsucht nicht kritisch“ habe „bewerten“ können.
bb) Diese Begründung trägt die Ablehnung der Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht.
(1) Freilich stellt „Spielsucht“ für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine „Spielsucht“ gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die „Spielsucht“ zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt, kann (ausnahmsweise) eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen sein (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 6. März 2013 - 5 StR 597/12, BGHSt 58, 192, 194 mwN; Beschlüsse vom 30. September 2014 - 3 StR 351/14, juris; vom 17. September 2013 - 3 StR 209/13, juris Rn. 5 mwN und vom 9. Oktober 2012 - 2 StR 297/12, wistra 2013, 62). Zudem muss sich die Spielsucht in der konkreten Tatsituation ausgewirkt haben. Die begangenen Straftaten müssen der Fortsetzung des Spielens gedient haben (BGH, Beschlüsse vom 7. November 2013 - 5 StR 377/13, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 42 und vom 9. Oktober 2012 - 2 StR 297/12, wistra 2013, 62, 63).
(2) Hier könnten die Vorbereitung der Tat und das Einsetzen der Tatbeute zum Abbau anderer, nicht aus der Spielsucht resultierender Schulden tatsächlich gegen eine völlige Einengung des Verhaltensspielraums auf das Glücksspiel sprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2013 - 5 StR 377/13, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 42). Dabei hätte aber zugleich auch in den Blick genommen werden müssen, dass dieses Verhalten mittelbar dennoch der Spielsucht geschuldet ist, weil es der Verbesserung der Kreditwürdigkeit diente, um zukünftig fürs Spielen leichter an Gelder zu gelangen. Überdies fehlt es an der Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich die Kombination von Intelligenzminderung und Spielsucht auf das Hemmungsvermögen in rechtlich relevanter Weise auswirkte, mithin ob die Minderbegabung den Angeklagten in seiner Fähigkeit beeinträchtigte, seine Spielsucht vor Begehung der Taten zu beherrschen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, juris Rn. 6 und vom 23. September 2003 - 4 StR 272/03, StraFo 2004, 19, 20).
b) Der Rechtsfehler bei der Strafzumessung erfasst nicht die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) bezüglich des im ersten Fall begangenen Wohnungseinbruchdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 Variante 1 StGB), der in Tateinheit mit Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) steht (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, NJW 2019, 1086 [zum Abdruck in BGHSt vorgesehen]). Da zwei Uhren an den Geschädigten zurückgelangten, bedarf sie indes der geringfügigen Herabsetzung (§ 73e Abs. 1 StGB).
3. Revision des Angeklagten P.
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten P. ist teilweise begründet.
a) Indes kann der Angeklagte P. weder unter dem Gesichtspunkt einer vergleichenden Strafzumessung noch aus einer nicht zustande gekommenen Verständigung (§ 257c StPO) mit Erfolg sachlichrechtliche Strafzumessungsfehler rügen. Eine gescheiterte Verständigung kann von vornherein weder eine Bindungswirkung noch Vertrauensschutz begründen. Allein um dem neuen Tatgericht eine in der Gesamtschau mit dem zweiten Fall stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, ist die für sich genommen für den Fall 1 rechtsfehlerfrei verhängte Einzelstrafe mitaufzuheben.
b) Bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs (§ 67 Abs. 2 Satz 2, 3, Abs. 5 Satz 1 StGB) hat das Landgericht zu Unrecht die erlittene Untersuchungshaft in Abzug gebracht. Diese hat nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB die Vollstreckungsbehörde anzurechnen (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2014 - 1 StR 531/13, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 2; vom 24. Juni 2014 - 1 StR 162/14, NStZ-RR 2014, 368, 369 und vom 24. September 2013 - 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58). Anders verhält es sich dann, wenn wegen der Dauer der erlittenen Untersuchungshaft kein Raum für einen Vorwegvollzug verbleibt und sich dieser mithin erledigt hat (BGH, Beschlüsse vom 24. September 2013 - 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58; vom 9. Februar 2012 - 5 StR 35/12, juris Rn. 1 und vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 318/11, juris).
c) Die für den Fall 1 getroffene und geringfügig zu korrigierende Einziehungsentscheidung bleibt von der Aufhebung des Strafausspruchs unberührt.
aa) Nach der Systematik der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB ist entscheidend, dass der Angeklagte P. „in irgendeiner Phase des Tatablaufs“ - wie hier beim Abtransport und Aufbrechen des Tresors - Mitverfügungsgewalt an der Tatbeute erlangte (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 62; BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - 3 StR 560/17, NJW 2018, 2141, 2142; Köhler, NStZ 2017, 497, 503). Die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten mit der Folge einer entsprechenden gesamtschuldnerischen Haftung ist dem Einziehungsbetroffenen nur dann zuzurechnen, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte (BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20). Eine solche tatsächliche oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand ist anzunehmen, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen kann (BGH, Beschlüsse vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 und vom 23. Oktober 2018 - 5 StR 185/18, juris). Faktische Mitverfügungsgewalt kann - jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, Teile der Beute in den Händen haltenden Mittäter - auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 - 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279). Eine spätere Aufhebung der Mitverfügungsgewalt ist unerheblich (BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20).
bb) Der Angeklagte P. half dem Mitangeklagten H. nicht lediglich beim Abtransport des Tresors (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, BGHR StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1), dessen Inhalt die beiden Mittäter unter sich aufteilen wollten, sondern hatte - gleichberechtigte - Verfügungsgewalt und auch nach Öffnen ungehinderten Zugriff auf die Wertgegenstände. Demnach kommt es für die gesamtschuldnerische Mithaftung in Bezug auf den Wert der gesamten Tatbeute nicht darauf an, dass der Angeklagte P. am Veräußerungserlös keine Verfügungsbefugnis erlangte.
4. Revision des Angeklagten T.
Die Revision des Angeklagten T. hat aus den dargelegten Gründen (vorstehend unter 3. a) und b)) nur bezüglich der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs Erfolg.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
Dass das Landgericht nicht - wie angeklagt - deswegen, weil die Angeklagten das Ehepaar Ha. vor dem Verlassen des Tatorts erneut, und zwar diesmal an Händen und Beinen fesselten, eine versuchte Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1, 2, §§ 22, 23 StGB) angenommen hat, begegnet keinen Bedenken. Denn die Fesselungen gingen nicht über die Gewalt hinaus, die erforderlich war, um den Raub nach Vollendung zu beenden und das ungehinderte Verlassen des Tatortes zu ermöglichen. In solchen Fällen tritt die Freiheitsberaubung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem Raub zurück (BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2007 - 4 StR 470/07, juris Rn. 1; vom 11. September 2014 - 2 StR 269/14, juris Rn. 9; vom 28. Juni 2017 - 2 StR 92/17, juris Rn. 18 und vom 9. Juli 2004 - 2 StR 150/04, juris Rn. 9).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 602
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 212
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede