HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1418
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, GSSt 1/23, Beschluss v. 23.05.2023, HRRS 2023 Nr. 1418
Das Gericht kann die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt; in einem solchen Fall bedarf es mithin nicht des Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO.
Die Vorlage befasst sich mit der Fallkonstellation, dass sich in der Hauptverhandlung des gegen den Angeklagten wegen einer Straftat geführten Verfahrens (subjektives Verfahren) das Prozesshindernis der Verfolgungsverjährung erweist, allerdings die Voraussetzungen der selbständigen Einziehung oder Wertersatzeinziehung des Tatertrages aus dem verjährten Delikt vorliegen. Sie betrifft die Frage, ob es prozessual zulässig ist, die Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) zugleich mit dem verfahrenseinstellenden Urteil anzuordnen, ohne insoweit aufgrund eines Antrags der Staatsanwaltschaft in das selbständige Einziehungsverfahren übergegangen zu sein.
1. In dem beim 3. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten S. unter Einstellung zweier Vorwürfe wegen Verjährung sowie Freispruch im Übrigen wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Angeklagte B. hat es unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zur bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz in drei Fällen, davon in einem Fall in sechs tateinheitlichen Fällen und in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die Vollstreckung beider Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen die Einziehungsbeteiligte hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.730.044 € angeordnet. Mitangeklagte hat es freigesprochen.
Die gegen das Urteil gerichteten Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat der 3. Strafsenat verworfen. Die Entscheidung über die Revision der Einziehungsbeteiligten hat er vorbehalten, soweit sie sich gegen die Einziehung des Wertes des aus der (verjährten) Tat 1 der Urteilsgründe Erlangten in Höhe von 690.699 € richtet, und das weitergehende Rechtsmittel ebenfalls verworfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83).
a) Nach den vom Landgericht zu der Tat 1 der Urteilsgründe (im Folgenden: Tat 1) getroffenen Feststellungen führte die Einziehungsbeteiligte im Mai 2006 auf der Grundlage einer erschlichenen Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz Waffen nach Mexiko aus und erlöste dadurch einen Umsatz in Höhe von mindestens 690.699 €. Der Angeklagte S. deckte als Vertriebsleiter die Ausfuhren und schritt bewusst pflichtwidrig nicht ein.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil das Verfahren gegen den Angeklagten hinsichtlich einer hierdurch begangenen Straftat nach § 18 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 9 AWG aF wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt (§ 260 Abs. 3 StPO). Gegen die Einziehungsbeteiligte hat es mit demselben Erkenntnis die Einziehung des Wertes der aus den Ausfuhren erzielten Mindestumsatzerlöse angeordnet.
b) Dieser Entscheidung war kein förmlicher Antrag der Staatsanwaltschaft auf Durchführung eines selbständigen Einziehungsverfahrens (§ 435 Abs. 1 Satz 1 StPO) vorausgegangen. Weder in der Anklageschrift noch im gerichtlichen Verfahren hat die Anklagebehörde zum Ausdruck gebracht, sie begehre eine Einziehungsentscheidung im objektiven Verfahren. Sie hat lediglich in der Hauptverhandlung nach dem gerichtlichen Hinweis, die durch sie zunächst erstrebte Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte nach § 30 OWiG komme nicht in Betracht, angeregt, diese Gesellschaft nunmehr als Einziehungsbeteiligte zu beteiligen und einen entsprechenden rechtlichen Hinweis zu einer möglichen Einziehungsanordnung, alternativ zu einer Unternehmensgeldbuße zu erteilen. Dabei hat die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, die etwaige Verjährung einzelner Taten stehe gemäß § 76a Abs. 2 StGB einer Einziehung nicht entgegen. In ihrem Schlussvortrag hat sie keinen Antrag auf Verurteilung einzelner Angeklagter wegen der Tat 1 gestellt, das hieraus durch die Einziehungsbeteiligte Erlangte von ihrem Antrag auf Einziehung des Wertes von Taterträgen jedoch nicht ausgenommen.
2. Der 3. Strafsenat hält die Wertersatzeinziehung des durch die verjährte Tat 1 Erlangten für sachlich- und verfahrensrechtlich fehlerfrei angeordnet und hat die Absicht, die Revision der Einziehungsbeteiligten auch insoweit zu verwerfen. In dem Hinweis der Staatsanwaltschaft, eine mögliche Verjährung stehe der Einziehung nicht entgegen, habe zwar - wie in dem auf ungeminderte Wertersatzeinziehung gerichteten Schlussvortrag - kein konkludenter Antrag auf Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens gelegen (§§ 435 f. StPO). Das Landgericht habe jedoch ohne einen solchen Antrag im subjektiven Verfahren mit dem die Einstellung aussprechenden Urteil auf die selbständige Wertersatzeinziehung des Tatertrages aus der verjährten Tat 1 erkennen können.
An der beabsichtigten Entscheidung hat sich der 3. Strafsenat durch Rechtsprechung des 1., 4. und 5. Strafsenats gehindert gesehen, nach der die selbständige (Wertersatz-)Einziehung von Taterträgen aus verjährten Straftaten lediglich im selbständigen Einziehungsverfahren nach §§ 435 f. StPO zulässig sei (vgl. Urteil vom 11. November 2020 - 1 StR 328/19, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 22. Januar 2019 - 1 StR 489/18, juris Rn. 7; vom 8. September 2020 - 4 StR 75/20, NStZ 2021, 222, 223 Rn. 13; vom 11. Dezember 2019 - 5 StR 486/19, NStZ 2020, 271, 272 Rn. 19; ferner Beschluss vom 4. Juni 2019 - 2 StR 31/19, wistra 2020, 65, 66 Rn. 6, 8).
Der 3. Strafsenat hat deshalb bei den anderen Strafsenaten gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG angefragt, ob sie an (gegebenenfalls) entgegenstehender Rechtsprechung festhalten, und dabei geäußert, er beabsichtige wie folgt zu entscheiden (Beschluss vom 10. August 2021 - 3 StR 474/19, NStZ 2022, 252; dazu einerseits El-Ghazi, NStZ 2022, 255; Lantermann, NStZ-RR 2022, 85; andererseits Zivanic, JR 2022, 196; NK-StGB/Saliger, 6. Aufl., § 76a Rn. 13):
Die Einziehung des durch eine verjährte Straftat erlangten Wertes des Tatertrages nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB kann auch im subjektiven Verfahren angeordnet werden, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der Erwerbstat Anklage erhoben, das Gericht das Hauptverfahren insoweit eröffnet und die Einstellung des Verfahrens erst im Urteil ausgesprochen hat (§ 260 Abs. 3 StPO); eines Übergangs in das objektive Verfahren sowie eines Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO und einer staatsanwaltschaftlichen Ermessensausübung im Sinne des § 435 Abs. 1 Satz 2 StPO bedarf es in einem solchen Fall nicht.
Hierauf haben der 1. und 2. Strafsenat mit näherer Begründung erklärt, die vom 3. Strafsenat beabsichtigte Entscheidung widerspreche ihrer Rechtsprechung; sie hielten an dieser fest (Beschlüsse vom 4. Mai 2022 - 1 ARs 13/21, NStZ-RR 2022, 255; vom 23. Juni 2022 - 2 ARs 405/21, NStZ-RR 2023, 121). Der 4. und 5. Strafsenat haben sich hingegen unter Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung der im Anfragebeschluss dargelegten Rechtsauffassung angeschlossen (Beschlüsse vom 30. März 2022 - 4 ARs 15/21; vom 20. Januar 2022 - 5 ARs 28/21, wistra 2022, 165). Der 6. Strafsenat hat mitgeteilt, seine Rechtsprechung stehe der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegen (Beschluss vom 8. Februar 2022 - 6 ARs 14/21).
Der 3. Strafsenat hat daraufhin unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (s. Beschluss vom 13. Januar 2021 - 3 StR 348/20, juris Rn. 5) dem Großen Senat für Strafsachen wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 GVG folgende - modifiziert gefasste - Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 12. Januar 2023 - 3 StR 474/19, NStZ-RR 2023, 121; dazu einerseits Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 435 Rn. 19a; andererseits Zivanic, JR 2023, 240):
Kann das Gericht die Einziehung des durch eine verjährte Straftat erlangten Wertes des Tatertrages nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren in demjenigen Urteil anordnen, mit dem es zugleich die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der verjährten Tat ausspricht (§ 260 Abs. 3 StPO); bedarf es mithin in einem solchen Fall keines Übergangs in das objektive Verfahren? Der Generalbundesanwalt erachtet die Vorlage als zulässig und beantragt, im Sinne der Vorlage des 3. Strafsenats zu entscheiden.
Die Einziehungsbeteiligte erhebt Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage, weil die dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegte Rechtsfrage von derjenigen abweiche, die Inhalt der vorausgegangenen Anfrage bei den anderen Strafsenaten gewesen sei. In der Sache schließt sie sich mit ausführlicher Begründung der im Antwortbeschluss des 1. Strafsenats dargelegten Rechtsauffassung an.
1. Die Vorlegung ist gemäß § 132 Abs. 2 und 3 Satz 1 GVG zulässig.
Insbesondere ist die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich. Ohne von der aufrechterhaltenen Rechtsprechung des 1. und 2. Strafsenats abzuweichen, kann der 3. Strafsenat die weitergehende Revision der Einziehungsbeteiligten auf der Grundlage seiner Beurteilung der von der Staatsanwaltschaft in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen nicht verwerfen. Nach seiner Wertung hat - entgegen der Würdigung des Generalbundesanwalts im Ausgangsverfahren - bei Urteilsverkündung kein (konkludenter) Antrag auf Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens vorgelegen. Dieses Verständnis der Prozesshandlungen der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls vertretbar (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. November 2018 - 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271, 272 Rn. 11; KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl., § 435 Rn. 18 mwN) und deshalb vom Großen Senat für Strafsachen hinzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 1995 - GSSt 1/95, BGHSt 41, 187, 194; vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298, 302 Rn. 14; KK-StPO/Feilcke, StPO, 9. Aufl., § 132 GVG Rn. 18; ferner - entsprechend zur Auslegung der Urteilsgründe - BGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - GSSt 3/17, BGHSt 62, 247, 253 Rn. 18; LR/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 132 GVG Rn. 52).
Auch weist die im Vorlagebeschluss gegenüber dem Anfragebeschluss in sprachlich verkürzter Form gefasste Rechtsfrage - entgegen der Ansicht der Einziehungsbeteiligten - keine inhaltlichen Änderungen auf. Sie verzichtet lediglich auf im konkreten Zusammenhang nicht Notwendiges: Das subjektive Hauptverfahren setzt Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss voraus (§§ 199 ff. StPO). Das selbständige Einziehungsverfahren beruht auf einem dem Opportunitätsprinzip unterliegenden Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO; die Antragstellung ist dabei ausschließlich auf ein solches objektives Verfahren gerichtet. Soweit sich in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vereinzelt die Formulierung findet, eines Antrages gemäß § 435 Abs. 1 StPO bedürfe es auch für den Fall einer selbständigen Einziehung im subjektiven Verfahren (etwa Beschlüsse vom 11. Dezember 2019 - 5 StR 486/19, NStZ 2020, 271, 272 Rn. 19; vom 6. Januar 2021 - 5 StR 454/20, juris Rn. 2 mwN), wird damit lediglich sprachlich vereinfacht zum Ausdruck gebracht, dass diese Prozesshandlung erforderlich ist, um den rechtlichen Anforderungen an einen Übergang in das insoweit notwendige objektive Verfahren zu genügen.
2. Der Große Senat für Strafsachen hat die Vorlegungsfrage, die sich ausschließlich auf die Wertersatzeinziehung von durch verjährte Straftaten erlangten Taterträgen bezieht, allerdings wie folgt weiter gefasst (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298, 302 Rn. 15; außerdem - entsprechend für § 121 Abs. 2 GVG - SSW-StPO/Quentin, 5. Aufl., § 121 GVG Rn. 22 mwN):
Kann das Gericht die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt; bedarf es in einem solchen Fall mithin nicht des Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO? Denn ob es zulässig ist, die Maßnahme nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren zugleich mit dem verfahrenseinstellenden Urteil anzuordnen, beurteilt sich für Tatentgelte im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB („für“ die Tat erlangt) gleichermaßen wie für Taterlöse im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB („durch“ die Tat erlangt), ebenso für das (Original-)Erlangte wie für dessen Wert gemäß § 73c StGB.
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
1. Der gesetzlichen Konzeption ist nicht zu entnehmen, dass der durch oder für eine verjährte Straftat erlangte Ertrag oder dessen Wert nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB lediglich eingezogen werden kann, wenn auf den im Ermessen der Staatsanwaltschaft stehenden Antrag gemäß § 435 Abs. 1 StPO das selbständige Einziehungsverfahren - gegebenenfalls nach Überleitung - betrieben wird. Vielmehr ergeben die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung, dass es zulässig ist, die Maßnahme in einem subjektiven Verfahren anzuordnen, soweit diese verjährte Tat (noch) Gegenstand der Urteilsfindung ist.
a) Nach dem Gesetzeswortlaut und der -systematik bedarf es in einem derartigen Fall keines objektiven Verfahrens.
aa) Zwar sind § 76a StGB und § 435 StPO in ihren amtlichen Überschriften mit „selbständige Einziehung“ bzw. „selbständiges Einziehungsverfahren“ benannt. Auch sind die Vorschriften der §§ 435 ff. StPO auf diejenige des § 76a StGB bezogen. Sie regeln explizit ein Verfahren über die „selbständige Einziehung“. Es greift jedoch zu kurz, allein daraus den Schluss zu ziehen, die Einziehung dürfe ausschließlich in diesem Verfahren selbständig angeordnet werden. Tatbestandliche Voraussetzung des § 76a StGB ist der Antrag der Staatsanwaltschaft auf ein selbständiges Einziehungsverfahren gerade nicht. Der Vorschrift ist ein Verweis auf die strafprozessualen Bestimmungen der §§ 435 ff. StPO - ähnlich der Regelungstechnik in § 75 Abs. 4, § 77b Abs. 5, § 78b Abs. 2 Nr. 2 StGB - nicht zu entnehmen.
bb) Aus dem prozessualen Regelungsgefüge der §§ 151, 199 ff., 226 ff., 435 f. StPO ergibt sich, dass die selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StPO der Kognitionspflicht des Tatgerichts im subjektiven Verfahren unterliegt, wenn es mit dem die Instanz abschließenden Urteil über die Verjährung der Erwerbstat entscheidet.
(1) Schließt die Staatsanwaltschaft die gegen eine bestimmte Person geführten Ermittlungen ab, entscheidet sie im Anschluss darüber, ob sie dieses (subjektive) Strafverfahren durch die Erhebung der öffentlichen Klage weiterbetreibt oder, soweit wegen einer Straftat keine bestimmte Person weiterverfolgt oder verurteilt werden kann, das selbständige Einziehungsverfahren in die Wege leitet, indem sie bei Gericht einen entsprechenden Antrag stellt (s. BT-Drucks. 19/27654, S. 109). Nach ihrer Entscheidung, Anklage zu erheben (§ 170 Abs. 1 StPO) und damit eine gerichtliche Untersuchung des Tatvorwurfs zu veranlassen (§ 151 StPO), findet das subjektive Verfahren seinen Fortgang mit der im Zwischenverfahren (§§ 199 ff. StPO) zu treffenden Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Ergeht ein Eröffnungsbeschluss (§§ 203, 207 Abs. 1 StPO), wird die in der Anklageschrift in persönlicher und sachlicher Hinsicht umgrenzte Tat (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) zum Gegenstand des Hauptverfahrens. Auf diese Tat im prozessrechtlichen Sinne bezieht sich die tatrichterliche Kognitionspflicht bei der Urteilsfindung (§ 264 Abs. 1 StPO).
Da der prozessuale Tatbegriff des § 264 StPO sich nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang bestimmt, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll und der sich auf das gesamte Verhalten des Täters erstreckt, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem Vorgang einheitliches Geschehen bildet (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 2 StR 394/21, NStZ-RR 2022, 280, 281 mwN), erfasst er als einen Teil des Lebenssachverhalts auch die Erträge, die dem Angeklagten oder einer „drittbegünstigten“ natürlichen oder juristischen Person durch oder für die angeklagte rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) zugeflossen sind. Stellt sich in der Hauptverhandlung heraus, dass die Erwerbstat verjährt ist, bleibt sie - anders als etwa im Fall einer vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2018 - 3 StR 605/17, NStZ-RR 2018, 116, 117 mwN; vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 407/18, NStZ-RR 2019, 153, 154; Urteil vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95, 96 Rn. 17) - bei Gericht bis zum abschließenden Urteil anhängig. Mit diesem Erkenntnis hat das Gericht insoweit grundsätzlich die Einstellung des (subjektiven) Strafverfahrens auszusprechen (§ 260 Abs. 3 StPO), wenn es in der vorausgegangenen Beratung zu der Überzeugung gelangt ist, es liege das Prozesshindernis der Verfolgungsverjährung vor. Ausnahmsweise hat es den Angeklagten freizusprechen, falls das Verfahren bereits bis zur „Freispruchreife“ fortgeschritten ist, weil die freisprechende Sachentscheidung Vorrang vor der Einstellung hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, NZWiSt 2022, 34, 39 Rn. 43; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., Einl. Rn. 144, § 260 Rn. 44 mwN).
(2) Stellt die Staatsanwaltschaft dagegen bereits im Ermittlungsverfahren fest, dass die Straftat verjährt ist, ist eine Anklageerhebung und damit ein subjektives Verfahren nicht möglich; denn die Straftat kann nicht „geahndet“ werden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB). Sie ist nicht mehr verfolgbar im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO.
Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB ist jedoch die selbständige Anordnung der (Wertersatz-)Einziehung des Tatertrages auch dann zulässig, wenn Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Prozessual kann die Maßnahme im selbständigen Einziehungsverfahren auf einen entsprechenden, im Ermessen der Staatsanwaltschaft stehenden Antrag (§§ 435 f. StPO) getroffen werden. Dabei handelt es sich um ein objektives Verfahren, weil es von der Verfolgung und Verurteilung einer bestimmten Person wegen der Tat unabhängig ist.
Daraus folgt jedoch nicht, dass außerhalb des selbständigen Einziehungsverfahrens eine selbständige Anordnung der Einziehung unzulässig wäre.
Ebenso wenig wird etwa aus der Existenz der §§ 413 ff. StPO geschlossen, die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung ohne Schuld- und Strafausspruch (vgl. LK/Valerius, StGB, 13. Aufl., § 71 Rn. 1) sei ausschließlich im Sicherungsverfahren möglich (s. El-Ghazi, NStZ 2022, 255).
(3) Beabsichtigt das Gericht, die Einziehung von Taterträgen gegen den Angeklagten zugleich mit dem Urteil selbständig anzuordnen, das die Einstellung des (subjektiven) Verfahrens hinsichtlich der verjährten Erwerbstat ausspricht, ist dieses Verfahren nicht deshalb hinsichtlich der Tatertragseinziehung in ein selbständiges Einziehungsverfahren überzuleiten, weil die Anordnung auch objektiv wirkt. Ein antragsgebundener Wechsel der Verfahrensart vom subjektiven in ein objektives Verfahren findet insoweit nicht statt. Die Maßnahme folgt bei Verwirklichung der Merkmale des - dem sachlichen Recht angehörenden (vgl. BeckOK StPO/Temming, 46. Ed., § 435 Rn. 2; HK-StPO/Retemeyer, 6. Aufl., § 435 Rn. 1; LR/Gaede, StPO, 27. Aufl., § 435 Rn. 3) - § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB keinen anderen prozessualen Regeln als denen des Strafverfahrens; die Vorschriften für das selbständige Einziehungsverfahren gelten im subjektiven Verfahren nicht. Die prozessualen Voraussetzungen richten sich vielmehr nach den für die Hauptverhandlung geltenden Vorschriften der §§ 226 bis 275 StPO einschließlich des § 264 Abs. 1 StPO. Folglich modifizieren die das selbständige Einziehungsverfahren regelnden Bestimmungen der §§ 435 ff. StPO das subjektive Verfahren nicht (entsprechend für das frühere Recht bereits BGH, Urteil vom 31. März 1954 - 6 StR 5/54, BGHSt 6, 62, 64).
(4) Dies gilt ebenso, wenn sich die selbständige Einziehung gegen eine „drittbegünstigte“ natürliche oder juristische Person richtet, die gemäß den §§ 424 ff. StPO am subjektiven Verfahren zu beteiligen ist. Sofern die Staatsanwaltschaft bis zum Abschluss der Ermittlungen die Tatertragseinziehung nicht nach der Ermessensvorschrift des § 421 Abs. 3 StPO von dem Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung ausgenommen hat, ist sie gehalten, in der Anklageschrift die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für die angestrebte Maßnahme darzulegen und den Betroffenen als Einziehungsbeteiligten zu bezeichnen (Nr. 110 Abs. 1 Buchst. c RiStBV). Stellt das Tatgericht in der Hauptverhandlung fest, dass der Einziehungsbeteiligte durch oder für die verfahrensgegenständliche verjährte Straftat einen vermögenswerten Vorteil erlangt hat, unterliegt - vorbehaltlich einer Beschränkung nach § 421 Abs. 1 StPO - seiner Kognitionspflicht auch die Frage der Einziehung desselben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anklageschrift entsprechende Ausführungen enthält.
b) Die Befugnis des Tatgerichts, die - seit dem 1. Juli 2017 gültige - Regelung des § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB über die selbständige Einziehung von Taterträgen aus verjährten Straftaten in einem noch anhängigen subjektiven Verfahren wegen einer solchen Tat anzuwenden, entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den anderen Formen selbständiger Einziehung, die bereits in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung des § 76a StGB normiert waren. Es besteht kein sachlicher Grund und läuft dem Willen des Reformgesetzgebers zuwider, diese Rechtsprechung nicht auf die neu geschaffene Maßnahme zu übertragen.
aa) Die Vorschrift des § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB wurde durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) mit Wirkung zum 1. Juli 2017 eingeführt. Hierdurch wurden die Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung bewusst ausgeweitet. Zuvor hatte § 76a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF, dessen Regelungsgehalt demjenigen des § 76a Abs. 2 Satz 2 StGB nF entspricht (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 91), für den Fall des Eintritts der Verfolgungsverjährung lediglich die Sicherungseinziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Beziehungsgegenständen (§ 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB aF) sowie die Einziehung und Unbrauchbarmachung von Schriften (§ 74d StGB aF) vorgesehen, nicht jedoch den Verfall.
Mit demselben Reformgesetz wurde die Vorschrift des § 435 StPO eingeführt. Sie übernahm den Regelungsgehalt des § 440 StPO aF (so BT-Drucks. 18/9525 S. 91; vgl. SSW-StPO/Heine, 5. Aufl., § 435 Rn. 2). Um die Entscheidungsfreiheit der Staatsanwaltschaft zu stärken und zu vermeiden, dass die Strafverfolgungsbehörden durch das Betreiben der vorwiegend quasikondiktionellen Maßnahme (dazu BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 - 2 BvL 8/19, BVerfGE 156, 354, 394 Rn. 117; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 3) übermäßig belastet werden, unterstellt § 435 StPO das selbständige Einziehungsverfahren dem Opportunitätsprinzip (vgl. BT-Drucks. 18/11640 S. 82, 89). Bereits seine Vorgängerregelung hatte eine solche Ermessensausübung vorgesehen.
bb) Nach der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Gesetzeslage bestand eine gefestigte Rechtsprechung, wonach in den Fällen der Verjährung und des Freispruchs eine selbständige Anordnung der Einziehung im subjektiven Verfahren in Betracht kommt.
(1) Bereits das Reichsgericht hatte entschieden, ein subjektives Verfahren werde nicht dadurch zu einem objektiven, dass der Angeklagte freigesprochen und zugleich „selbständig“ auf Unbrauchbarmachung einer vom Anklagevorwurf umfassten unzüchtigen Abbildung erkannt wird. Der objektive Charakter der Maßnahme mache das Verfahren selbst nicht zum objektiven; dessen Natur bleibe die gleiche, mochte es mit Verurteilung oder Freisprechung enden. Die damaligen Regelungen der Strafprozessordnung zum objektiven Verfahren hätten nur Geltung für die Fälle, in denen nach gesetzlicher Vorschrift die Einziehung selbständig angeordnet werden könne und zudem die Entscheidung nicht mit einem Urteil in der Hauptsache (mithin gegen einen individuellen Angeklagten) ergehe (s. Urteil vom 11. Oktober 1901 - Rep. 2493/01, RGSt 34, 388, 389).
Gleiches habe im Fall einer neben einem verfahrenseinstellenden Erkenntnis ausgesprochenen Einziehung von Glücksspieleinrichtungen zu gelten. Zwar habe sie eine selbständige (objektive) Wirkung. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass sie als im selbständigen Einziehungsverfahren erlassen anzusehen sei. Maßgebend sei insoweit allein der Gang, den das Verfahren in der Tatsacheninstanz tatsächlich genommen habe, also ob es gegen eine bestimmte Person als Angeklagten gerichtet gewesen und durch Urteil abgeschlossen worden sei (vgl. Urteil vom 21. November 1932 - III 991/31, RGSt 66, 419, 422).
(2) Der Bundesgerichtshof hat für die selbständige Sicherungseinziehung sowie die selbständige Einziehung und Unbrauchbarmachung von Schriften bei verjährter Straftat (§ 76a Abs. 2 StGB aF) ebenfalls entschieden, die Anordnung dieser Maßnahmen sei im subjektiven Verfahren zulässig (vgl. Urteile vom 31. März 1954 - 6 StR 5/54, BGHSt 6, 62; vom 15. November 1967 - 3 StR 26/66, BGHSt 21, 367, 370; vom 22. Juli 1969 - 1 StR 456/68, NJW 1969, 1818; ferner - zum Vorgehen nach § 74d StGB neben einem Freispruch mangels vorsätzlicher rechtswidriger Tat - Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 273/79 [S], juris Rn. 8; Beschluss vom 14. Dezember 1988 - 3 StR 295/88, BGHSt 36, 51, 58 f.).
Begründet hat er dies zwar unter anderem mit der - heute überholten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 435 Rn. 19 mwN) - Ansicht, eine Überleitung von dem gegen eine bestimmte Person wegen einer Straftat geführten Verfahren in ein selbständiges Einziehungsverfahren sei unzulässig (s. Urteil vom 31. März 1954 - 6 StR 5/54, BGHSt 6, 62, 63). Er hat aber zugleich tragend ausgeführt, die damals einschlägigen Vorschriften der §§ 430 ff. StPO aF enthielten keine das subjektive Verfahren einschränkenden Bestimmungen, sondern regelten nur das objektive Verfahren als solches. Die Voraussetzungen der selbständigen Einziehung ergäben sich ausschließlich aus dem sachlichen Recht. Es sei kein durchgreifender Grund ersichtlich, warum wegen der Möglichkeit eines objektiven Verfahrens eine derartige Anordnung im subjektiven unzulässig sein sollte (s. Urteil vom 31. März 1954 - 6 StR 5/54, aaO, S. 63 f.; LR/Schäfer, StPO, 20. Aufl., Vorbem. §§ 430 - 432 Nr. 12).
Dem Urteil des 1. Strafsenats vom 21. Juni 1990 in der Sache 1 StR 477/89 (BGHSt 37, 55) ist ein hiervon abweichendes Verständnis nicht zu entnehmen. Dort wird lediglich dargelegt, dass bei Bestätigung eines Freispruchs nach Revision der Staatsanwaltschaft keine Teilaufhebung und -zurückverweisung der Sache zur isolierten Entscheidung über eine bislang unterbliebene Einziehung eines Buches nach § 74d StGB aF in Betracht kommt, wenn nicht die Staatsanwaltschaft einen ausdrücklichen (Hilfs-)Antrag in der Revisionsinstanz auf Übergang in das objektive Verfahren gestellt hat (aaO, S. 68 f.; vgl. zudem BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 204/12, juris Rn. 7).
Auch die zu § 13 des Gesetzes über den Erlaß von Strafen und Geldbußen und die Niederschlagung von Strafverfahren und Bußgeldverfahren (Straffreiheitsgesetz 1954) vom 17. Juni 1954 (BGBl. I S. 203) ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, wonach ein nach diesem Gesetz eingestelltes subjektives Verfahren im Hinblick auf die - nach Absatz 1 hiervon nicht berührte - Einziehung auf Antrag der Strafverfolgungsbehörde als objektives weiterzuführen war (s. Beschluss vom 14. Juni 1955 - 3 StR 664/53, BGHSt 7, 356; Urteil vom 24. Mai 1956 - 2 StR 322/55, BGHSt 9, 250, 252 f.), stehen dieser gefestigten Rechtsprechung nicht entgegen. Denn sie beruhten auf dem spezifischen Regelungsgehalt dieser Norm: Absatz 2 bestimmte, dass die Einziehung „in einem selbständigen Verfahren“ anzuordnen war. Absatz 5 sah die Weiterführung des vormaligen subjektiven Verfahrens und damit die Überleitung in ein objektives vor (für eine allgemeine Bedeutung hinsichtlich dieser Möglichkeit LR/Schäfer, StPO, 20. Aufl., Vorbem. §§ 430 - 432 Nr. 12). Aus den höchstrichterlichen Entscheidungen lassen sich deshalb keine Schlüsse auf die Auslegung des § 76a StGB und der §§ 435 ff. StPO ziehen.
(3) Handelt der Angeklagte gemäß § 20 StGB ohne Schuld, erachtet es der Bundesgerichtshof ebenfalls als zulässig, die Einziehung neben dem Freispruch selbständig anzuordnen (vgl. BGH, Urteile vom 31. März 1954 - 6 StR 5/54, BGHSt 6, 62, 64; vom 17. November 1962 - 3 StR 49/62, BGHSt 18, 136, 138; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 76a Rn. 45; SK-StGB/Wolters, 9. Aufl., § 76a Rn. 11; ferner - überdies im Fall des Freispruchs neben der Maßregel nach § 63 StGB - ohne nähere Begründung BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2017 - 3 StR 535/16, juris Rn. 1, 16; vom 8. Mai 2019 - 5 StR 118/19, juris Rn. 1; zur Einziehung bei einer Rauschtat BGH, Urteil vom 2. Juni 1982 - 2 StR 758/81, BGHSt 31, 80). Bei Schuldunfähigkeit ist gesetzliche Grundlage der Maßnahme § 76a Abs. 1 i.V.m. §§ 73 ff., 74 ff. StGB (vgl. Matt/Renzikowski/Altenhain/ Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 76a Rn. 2; s. auch - indes im Rahmen eines Sicherungsverfahrens - BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2018 - 3 StR 549/17, juris Rn. 13; vom 20. Juni 2018 - 2 StR 127/18, juris Rn. 3). Der Weg eines - in diesem Fall prinzipiell ebenso zur Verfügung stehenden - selbständigen Einziehungsverfahrens muss nicht beschritten werden.
(4) Der Rechtsprechung, wonach die Entscheidung über die selbständige Einziehung nicht exklusiv dem objektiven Verfahren vorbehalten ist, stimmt das Schrifttum überwiegend zu (so Schmidt, Vermögensabschöpfung, 2. Aufl., Rn. 1791; BeckOK StGB/Heuchemer, 56. Ed., § 76a Rn. 15; BeckOK StPO/Temming, 46. Ed., § 435 Rn. 11; KMR/Metzger, StPO, 117. EL, § 435 Rn. 1 [für den Fall eines Freispruchs wegen Schuldunfähigkeit]; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 76a Rn. 5; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 76a Rn. 45 ff. [für bestimmte Fallkonstellationen]; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 1; MüKoStPO/Scheinfeld/Langlitz, § 435 Rn. 31; Schönke/Schröder/Eser, StGB, 29. Aufl., § 76a Rn. 11; SK-StGB/Wolters, 9. Aufl., § 76a Rn. 11; SK-StPO/ Paeffgen, 5. Aufl., § 435 Rn. 16; SSW-StPO/Heine, 5. Aufl., § 435 Rn. 17; aA Fischer, StGB, 70. Aufl., § 76a Rn. 3, 13; KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl., § 435 Rn. 18; Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 76a Rn. 1; ebenso wohl Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, 2. Aufl., Rn. 412; LR/Gaede, StPO, 27. Aufl., § 435 Rn. 54 ff.; unklar Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 76a Rn. 5, 17).
cc) Ein sachlicher Grund, die selbständige Einziehung von Taterträgen aus verjährten Straftaten nicht den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fallkonstellationen gleich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Ein für das Verfahren bedeutsamer Unterschied besteht zwischen den verschiedenen Formen der selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 2 Satz 2 (§ 76a Abs. 2 Nr. 1 aF) und § 76a Abs. 1 StGB einerseits sowie nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB andererseits nicht.
Soweit eine beachtliche Divergenz darin erblickt wird, dass Taterträge zwingend einzuziehen seien, während die Anordnung der Sicherungseinziehung im Ermessen des Tatgerichts stehe (so Zivanic, JR 2022, 196, 198), ist dem nicht beizutreten. Denn zum einen lässt diese Auffassung die Vorschriften außer Acht, nach denen die Sicherungseinziehung obligatorisch ist (etwa §§ 150, 282 Satz 2, § 286 Satz 1 StGB, § 54 Abs. 1 WaffG); zum anderen steht dem Tatgericht hinsichtlich des Ob einer Maßnahme nach § 74d StGB, gegebenenfalls i.V.m. § 74f Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 StGB, kein Entscheidungsspielraum zu (vgl. SSW-StGB/Heine, StGB, 5. Aufl., § 74d Rn. 9).
dd) Dementsprechend ist weder dem Gesetzestext noch den -materialien zu entnehmen, dass der Reformgesetzgeber von dieser gefestigten Rechtsprechung abrücken wollte, soweit seit dem 1. Juli 2017 auch Taterträge aus verjährten Straftaten der selbständigen Einziehung unterliegen.
(1) Zwar findet sich in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung die Formulierung, die neue Vorschrift des § 435 StPO enthalte die allgemeinen Verfahrensregeln für die selbständige Einziehung nach § 76a StGB (s. BT-Drucks. 18/9525 S. 91). Dies ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass der Gesetzgeber dort regeln wollte, dass - anders als zuvor - die Einziehung ausschließlich im objektiven Verfahren selbständig angeordnet werden kann. Denn in dem Regierungsentwurf ist unmittelbar anschließend klargestellt, § 435 StPO übernehme den Regelungsgehalt des § 440 StPO aF (s. BT-Drucks. 18/9525 aaO), der für die Sicherungseinziehung und die Maßnahme gemäß § 74d StGB, wie dargelegt (s. oben bb] [1] und [2]), eine derartige Exklusivität des selbständigen Einziehungsverfahrens nicht kannte. Dass der Gesetzgeber hiervon Abstand nehmen wollte, ist auszuschließen. Denn anderenfalls wäre, da die beiden Aussagen in den Einzelheiten nicht übereinstimmen, zu erwarten, dass er eine solche grundsätzliche Änderung offengelegt hätte.
Zu § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB, der erst im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in seiner jetzigen Form in den Reformentwurf aufgenommen wurde (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 - 2 BvL 8/19, BVerfGE 156, 354, 407 f. Rn. 145; BGH, Beschluss vom 7. März 2019 - 3 StR 192/18, NJW 2019, 1891, 1893 Rn. 54), findet sich ebenso wenig ein eindeutiger Hinweis auf eine solche Exklusivität des objektiven Verfahrens. Soweit sich die Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz in Bezug auf die Maßnahme nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB zu dem im Ermessen der Staatsanwaltschaft liegenden Antrag gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO verhält (s. BT-Drucks. 18/11640 S. 82), ist dem nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber insoweit - zumal anders als bei derjenigen nach § 76a Abs. 2 Satz 2 StGB - das Verfahren ausschließlich in den §§ 435 ff. StPO regeln wollte (aA Zivanic, JR 2022, 196, 197 f.).
Dies gilt umso mehr, als ein abweichendes enges Verständnis des Reformgesetzgebers für bestimmte Fallkonstellationen bedeuten würde, dass in Bezug auf ein und dieselbe urteilsgegenständliche Tat gleichzeitig das subjektive und das objektive Verfahren durchgeführt werden müssten. Da sowohl für eine etwaige Verfolgungsverjährung als auch für die Voraussetzungen der Einziehung auf den konkreten Straftatbestand abzustellen ist (s. etwa BGH, Urteile vom 29. Juli 2021 - 1 StR 29/21, juris Rn. 13; vom 15. Juni 2022 - 3 StR 295/21, NJW 2022, 3092, 3093 Rn. 13, jeweils mwN), kommt in Betracht, dass lediglich das die Einziehung ermöglichende Delikt verjährt ist, damit rechtlich zusammentreffende Straftatbestände aber weiter verfolgbar sind (zu einer solchen Konstellation vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 1998 - 3 StR 237/98, NStZ-RR 1999, 10).
(2) Soweit zu der durch das Reformgesetz geschaffenen tatunabhängigen (erweiterten) selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB in der Begründung des Regierungsentwurfs ausgeführt ist, das Verfahren für das neue Abschöpfungsinstrument sei in den §§ 435 ff. StPOE geregelt (s. BT-Drucks. 18/9525 S. 58), findet das seine Rechtfertigung in der besonderen Rechtsnatur dieser - gegenüber §§ 73 ff. und § 76a Abs. 1 bis 3 StGB subsidiären (s. BGH, Beschluss vom 8. März 2022 - 3 StR 238/21, NZWiSt, 2022, 404, 406 Rn. 20; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 17) - Maßnahme. Nach dem gesetzgeberischen Willen ist sie gegen einen Gegenstand, nicht unmittelbar gegen eine Person gerichtet; sie soll die materielle Rechtslage im objektiven Verfahren (vgl. insbesondere § 437 StPO) verwirklichen (s. BT-Drucks. 18/9525 S. 58, 73 f.; BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 - 2 BvL 8/19, BVerfGE 156, 354, 362 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2022 - 3 StR 372/21, juris Rn. 14; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 76a Rn. 9). Dementsprechend gibt es bei der tatunabhängigen selbständigen Einziehung keine konkrete Erwerbstat, über die das Gericht mit dem instanzabschließenden Urteil zu befinden hätte.
ee) Darüber hinaus ließ der Gesetzgeber, nachdem er die Regelung des § 76a Abs. 2 Satz 1 StPO geschaffen und die Bestimmungen über das selbständige Einziehungsverfahren in unwesentlich modifizierter Form von den §§ 440 f. StPO aF in die §§ 435 f. StPO überführt hatte, bei der nachfolgenden Reform durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099) ein Verständnis erkennen, wonach die selbständige Einziehung von Taterträgen auch im subjektiven Verfahren in Betracht kommt.
Mit der zum 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 413 StPO ließ er es zu, im Sicherungsverfahren - damit ohne Schuld- und Strafausspruch - nicht nur auf Maßregeln der Besserung und Sicherung, sondern daneben im Sinne des § 76a Abs. 1 StGB selbständig auf Einziehung zu erkennen, wenn die Anlass- bzw. Erwerbstat bis zum Urteil Verfahrensgegenstand ist (s. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2022 - 5 ARs 28/21, wistra 2022, 165). Hierfür hielt er die entsprechende Erweiterung des § 413 StPO um die Wörter „sowie als Nebenfolge die Einziehung“ für ausreichend (vgl. BT-Drucks. 19/27654 S. 20, 108); dies lässt darauf schließen, dass er der Ansicht war, eines Antrages nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO bedürfe es nun nicht mehr (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - 5 StR 312/21, NJW 2022, 339, 340 Rn. 9 ff.).
Außerdem ergänzte der Gesetzgeber mit dem vorbezeichneten Reformgesetz § 435 StPO um den Absatz 4, der eine Regelung zu Ermittlungen enthält, die „ausschließlich“ der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen. Der Begründung des Regierungsentwurfs liegt diesbezüglich die Vorstellung zugrunde, dass für das Ermittlungsverfahren die allgemeinen strafprozessualen Vorschriften anwendbar bleiben, solange das subjektive Verfahren geführt wird (so BT-Drucks. 19/27654 S. 109). Es liegt nahe, dass diese Erwägungen gleichfalls für das gerichtliche Verfahren gelten; dem widerspräche es, wenn das Hauptverfahren wegen einer Tat ab einem gewissen Zeitpunkt vor Urteilsverkündung zwingend (auch) als objektives weiter zu betreiben wäre, um die Anwendung des § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB zu ermöglichen.
c) Schließlich stünde ein Antragserfordernis gemäß § 435 Abs. 1 StPO als obligatorische Voraussetzung der selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB und mithin als Einschränkung der grundsätzlichen Erstreckung der Kognitionspflicht auf Taterträge im subjektiven Verfahren nicht in Einklang mit der jeweiligen ratio legis.
§ 76a Abs. 2 Satz 1 StGB dient dem verfassungsrechtlich legitimierten Zweck der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Ihr Ziel ist es, strafrechtswidrige Störungen der Rechtsordnung zu beseitigen und dadurch der materiellen Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen (s. BT-Drucks. 18/11640 S. 82; außerdem BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 28 f.). Dabei berührt sie überragende Belange des Gemeinwohls (so BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 - 2 BvL 8/19, BVerfGE 156, 354, 407 ff. Rn. 144 ff.). Sachlichrechtlich ist dementsprechend die selbständige Einziehung von Taterträgen - mit Ausnahme der tatunabhängigen nach § 76a Abs. 4 StGB („sollen“) - zwingend vorgeschrieben (s. BT-Drucks. 18/11640 aaO; Zivanic, JR 2022, 196, 198; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 18; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 76a Rn. 17 [„jenseits von § 421 StPO“]).
§ 435 Abs. 1 StPO zielt demgegenüber in erster Linie auf verfahrensökonomische Gesichtspunkte. Dies ergibt sich schon aus Satz 2, wonach die Staatsanwaltschaft von einem Antrag nach Satz 1 insbesondere absehen kann, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordert. Wie dargelegt (s. oben b] aa]), wollte der Gesetzgeber ihre Entscheidungsfreiheit stärken (s. BT-Drucks. 18/11640 S. 89) und alle Strafverfolgungsbehörden vor übermäßiger Belastung bewahren (s. BT-Drucks. 18/11640 S. 82). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Strafprozessnorm bezweckt, auch den Schutz der Interessen des Einziehungsadressaten in das Ermessen - gerade - der Anklagebehörde zu legen (aA Zivanic, JR 2022, 286, 288). Vielmehr sind unter dem Blickwinkel des fallbezogen zu beurteilenden Gewichts des öffentlichen Interesses an der Vermögensabschöpfungsmaßnahme (vgl. BT-Drucks. 18/11640 S. 82) zuvorderst Kosten-Nutzen-Erwägungen maßgebend. So liegt es etwa auch, wenn es sich aufdrängt, dass die Einziehungsentscheidung ohnehin wegen desolater Vermögensverhältnisse des Betroffenen auf Dauer nicht durchsetzbar sein wird (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 5 StR 387/18, BGHSt 64, 48, 52 f. Rn. 17).
Falls das subjektive Verfahren so weit vorangeschritten ist, dass die Sache entscheidungsreif ist, kommen die der Vorschrift des § 435 Abs. 1 StPO zugrundeliegenden Opportunitätsaspekte in aller Regel nicht mehr zum Tragen. In diesem Fall kann die in dem verfahrenseinstellenden Urteil getroffene Einziehungsentscheidung vielmehr den mit einem objektiven Verfahren verbundenen Mehraufwand vermeiden, wohingegen ein sachlicher Grund dafür, dass entgegen dem Zweck des § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB dem durch die verjährte Straftat Begünstigten deren wirtschaftlicher Nutzen verbleibt, nicht ersichtlich ist. Im Übrigen gelten im subjektiven Verfahren die Vorschriften der §§ 421 ff. StPO. Der Regelung des § 435 Abs. 1 Satz 2 StPO kann dabei über den inhaltlich korrespondierenden § 421 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Alternative 1 StPO Rechnung getragen werden (vgl. zum Ganzen El-Ghazi, NStZ 2022, 255, 256).
2. Der Grundsatz des fairen Verfahrens steht einer selbständigen (Wertersatz-)Einziehung von Taterträgen aus verjährten Straftaten im subjektiven Verfahren nicht entgegen. Der Angeklagte und der Einziehungsbeteiligte müssen grundsätzlich damit rechnen, dass gemäß § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB die Tatertragseinziehung nach Maßgabe der §§ 73, 73b und 73c StGB auch dann zulässig ist, wenn in der Hauptverhandlung die Verjährung der verfahrensgegenständlichen Erwerbstat zutage tritt. Dass in diesem Fall die Anordnung selbständig, mithin unabhängig von der Verurteilung des Angeklagten (vgl. MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 1 f.), zu treffen ist, ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Teilt die zugelassene Anklage mit, bestimmte Taterträge oder deren Wert unterlägen voraussichtlich der Einziehung (für den Fall, dass entsprechende Angaben fehlen, vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2020 - GSSt 1/20, BGHSt 66, 20), bedarf es deshalb - auch im Hinblick auf § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO - regelmäßig keines gerichtlichen Hinweises auf die fortbestehende Zulässigkeit der Maßnahme (s. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 435 Rn. 19a; aA El-Ghazi, NStZ 2022, 255 f.; Lantermann, NStZ-RR 2022, 85). Ob in besonderen Einzelfällen Anderes gilt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.
3. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Anordnung der selbständigen Einziehung in bestimmten anderen Fallkonstellationen ausschließlich im objektiven Verfahren - gegebenenfalls nach Überleitung - zulässig ist, steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen.
So scheidet im subjektiven Verfahren, soweit das Gericht es hinsichtlich einer Tat nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt hat, die auf § 76a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 StGB gestützte selbständige Einziehung aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2018 - 5 StR 133/18, StraFo 2018, 471, 472; vom 14. Juni 2018 - 3 StR 28/18, juris Rn. 4; vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 407/18, NStZ-RR 2019, 153, 154; vom 16. Juni 2020 - 2 StR 79/20, juris Rn. 2 mwN; Urteil vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95, 96 Rn. 17; Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 4 StR 221/22, wistra 2023, 209, 210 Rn. 8). Wie dargelegt (s. oben 1. a] bb] [1]), unterliegt in diesem Fall der Vermögenszufluss, der infolge der von der Einstellung betroffenen Tat eingetreten ist, nicht mehr der tatrichterlichen Kognitionspflicht. Daher bedarf es eines Antrages der Staatsanwaltschaft gemäß § 435 Abs. 1 StPO, die Einziehung im objektiven Verfahren selbständig anzuordnen (zur Möglichkeit der mündlichen Antragstellung vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2018 - 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271, 272 Rn. 11; vom 4. Mai 2022 - 1 ARs 13/21, NStZ-RR 2022, 255; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 435 Rn. 19); anderenfalls besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis, weil das Verfahren, soweit es die eingestellte Tat betrifft, nicht mehr bei Gericht anhängig ist (s. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 407/18, aaO; Urteil vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, aaO; ferner BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 - 3 StR 605/17, NStZ-RR 2018, 116, 117 mwN; El-Ghazi, NStZ 2022, 255).
Auch soweit die Staatsanwaltschaft nach § 154a Abs. 1 StPO oder mit deren Zustimmung das Gericht nach § 154a Abs. 2 StPO einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen von der Strafverfolgung ausgenommen hat, ist der davon erfasste Verfahrensstoff kraft ausdrücklicher Anordnung im subjektiven Verfahren nicht mehr Grundlage selbständiger Rechtsfolgeentscheidungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 1 StR 613/14, NStZ 2015, 469, 470; vom 27. Januar 2021 - 6 StR 468/20, juris Rn. 2; vom 23. August 2022 - 3 StR 228/22, NStZ 2023, 487 Rn. 4; vom 18. April 2023 - 3 StR 30/23, juris Rn. 17).
Die tatunabhängige (erweiterte) selbständige Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB setzt - dem gesetzgeberischen Willen entsprechend (s. oben 1. b] dd] [2]) - ebenfalls zwingend einen Antrag gemäß § 435 Abs. 1 StPO voraus, weil die Maßnahme von einer konkreten Erwerbstat unabhängig ist, die Gegenstand des gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens sein könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Januar 2021 - 5 StR 454/20, juris Rn. 2; vom 21. Dezember 2022 - 3 StR 372/21, juris Rn. 14).
4. Der Senat braucht im Zusammenhang mit der Beantwortung der Vorlagefrage nicht zu entscheiden, inwieweit die Rechtskraft des Urteils, mit dem das subjektive Verfahren hinsichtlich der verjährten Straftat eingestellt worden, die selbständige Einziehung des hieraus erlangten Tatertrages indes unterblieben ist, der späteren Durchführung eines objektiven Verfahrens mit dem Ziel der Anordnung dieser Maßnahme entgegensteht (für ein Prozesshindernis BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 2 ARs 405/21, NStZ-RR 2023, 121; El-Ghazi, NStZ 2022, 255, 256). Denn insoweit geht es allein um die Rechtskraftwirkung als Folge der aufgezeigten zutreffenden Gesetzesauslegung. Hierauf wird sich die Justizpraxis ohne Weiteres einstellen können. Dabei wird sie zu beachten haben, dass sich das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs auf einen einziehungsbetroffenen Dritten nur erstrecken kann, wenn er in dem subjektiven Verfahren Einziehungsbeteiligter war (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2021 - KRB 86/20, NJW 2021, 3543, 3545 Rn. 22 mwN).
Im Übrigen ist die Reichweite der Rechtskraft des einstellenden Urteils im Hinblick auf die selbständige Einziehung abhängig von der Auslegung des § 76a Abs. 1 Satz 3 Variante 4 i.V.m. Satz 1 StGB (zum Anwendungsbereich vgl. MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 5). Der Regelung, wonach die Einziehung nicht selbständig angeordnet werden kann, wenn „bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist“, liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass eine solche Entscheidung nur vorliegt, wenn sich das Tatgericht der Möglichkeit der Einziehung auch bewusst war (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 72). Die Rechtsfrage, ob für den Fall, dass es die Maßnahme schlicht übersehen hatte, diesem Verständnis entsprechend später noch eine selbständige Anordnung in Betracht kommt, bedarf hier keiner näheren Erörterung (ebenfalls offengelassen in BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 5 StR 387/18, BGHSt 64, 48, 52 Rn. 16; bejahend KG, Beschluss vom 12. März 2021 - 4 Ws 98/20, juris Rn. 23, 30; OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 5 Rev 4/18, wistra 2018, 485, 486; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 670 f.; Korte, wistra 2018, 1, 7; Schmidt, NStZ 2018, 631, 632; KMR/Metzger, StPO, 117. EL, § 436 Rn. 8; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 5; NK-StGB/Saliger, 6. Aufl., § 76a Rn. 17; verneinend Ullenboom, wistra 2018, 291, 292; Zivanic, JR 2023, 240, 243; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 76a Rn. 11 ff.; Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 76a Rn. 5; SSW-StGB/Heine, 5. Aufl., § 76a Rn. 7).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1418
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede