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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 542

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 489/18, Beschluss v. 22.01.2019, HRRS 2019 Nr. 542


BGH 1 StR 489/18 - Beschluss vom 22. Januar 2019 (LG München I)

Betrug (Verjährung).

§ 263 Abs. 1 StGB; § 78 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 17. Mai 2018

a) aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betruges zum Nachteil der Geschädigten P. und R. W. hinsichtlich der Zahlung vom 7. Dezember 2009, wegen Betruges in drei Fällen zum Nachteil der Geschädigten M. hinsichtlich der Zahlungen vom 25. Mai 2008, 30. November 2009 und 12. Januar 2011, wegen Betruges in vier Fällen zum Nachteil der Geschädigten K. und A. B. hinsichtlich der Zahlungen vom 1. Februar 2010, 1. März 2010, 29. Juni 2010 und 7. Februar 2011, wegen Betruges zum Nachteil des Geschädigten H. F. hinsichtlich der Zahlung vom 20. Juni 2011, wegen Betruges in drei Fällen zum Nachteil der Geschädigten D. hinsichtlich der Zahlungen vom 27. Februar 2009, 1. Dezember 2009 und 30. August 2010 sowie wegen Betruges in vier Fällen zum Nachteil der Geschädigten U. verurteilt wurde; das Verfahren wird bezüglich dieser Taten eingestellt. Die Staatskasse trägt in soweit die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen,

b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Betruges in 27 Fällen schuldig ist,

c) im Ausspruch über die Einziehung dahin abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.134.919,51 Euro angeordnet wird,

d) im Strafausspruch aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 43 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.590.780,51 Euro angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen Rechts und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils, soweit er wegen Betruges in 16 Fällen verurteilt worden ist, und insoweit zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung (Ziffer 1.a der Beschlussformel). Die Summe des hinsichtlich dieser Taten erlangten Wertes von Taterträgen ist bei der getroffenen Einziehungsentscheidung in Abzug zu bringen und der Strafausspruch insgesamt aufzuheben. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bot der als Anlage- und Vermögensberater tätige Angeklagte Personen aus seinem Familien- und Bekanntenkreis im Zeitraum Oktober 2007 bis zum 13. Oktober 2014 an, Gelder für sie verzinslich anzulegen und zu verwalten. Nach Abschluss entsprechender Verträge überließen die Geschädigten dem Angeklagten die Vertragssumme zum Zweck einer gewinnbringenden Anlage, der die Gelder jedoch, ohne sie zu investieren, im Wesentlichen für sich verbrauchte.

2. Die in Ziffer 1.a der Beschlussformel mit dem Anlagedatum der jeweiligen Anleger konkretisierten 16 Betrugstaten (§ 263 StGB) sind verjährt. Da die Verjährung bereits vor der Verkündung des angefochtenen Urteils eingetreten war, hebt der Senat das Urteil insoweit auf (§ 349 Abs. 4 StPO) und stellt das die genannten Taten betreffende Verfahren gemäß § 206a StPO ein.

Die Taten waren jeweils mit vollständiger Zahlung des Anlagebetrages durch die Geschädigten an den Angeklagten beendet. Nach Ablauf der 5jährigen Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB waren diese Taten, ohne dass eine verjährungsunterbrechende Maßnahme vorgenommen worden war, verjährt. Das Vorliegen einer Tatserie hat die Staatsanwaltschaft nicht vor März 2016 erkannt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt:

„Soweit die Staatsanwaltschaft München I mit Verfügung vom 25. März 2015 die verantwortliche Vernehmung des Angeklagten angeordnet hat (Bl. 39 SA Bd. I), bezog sich diese Anordnung lediglich auf die zu diesem Zeitpunkt durch die Strafanzeige des Geschädigten P. W. bekannt gewordenen Tatvorwürfe zum Nachteil der Geschädigten W. und Z. (Bl. 3 ff SA Bd. I). Auch die Gewährung von Akteneinsicht an den Verteidiger des Angeklagten mit Verfügung vom 31. August 2015 (Bl. 61 SA Bd. I) sowie die - später zurückgenommene - Anklage der Staatsanwaltschaft München I vom 22. Oktober 2015 (Bl. 70 ff SA Bd. I) erfassten inhaltlich nur die o.g. Tatvorwürfe.

Die Betrugstaten zum Nachteil des Geschädigten Ra. F. wurden mit dessen Strafanzeige vom 16. März 2016 (Bl. 199 SA Bd. I) und anschließender förmlicher Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und Verbindung zum führenden Verfahren am 7. April 2016 (Bl. 203 SA Bd. I) Gegenstand des Ermittlungsverfahrens. Die Tatvorwürfe zum Nachteil der übrigen Geschädigten wurden frühestens mit deren Vernehmungen nach dem 12. April 2016 (vgl. SASO „Fallakten“) Gegenstand des Verfahrens, förmlich erfasst wurden die Geschädigten als Verfahrensbeteiligte mit Verfügung vom 27. Mai 2016 (Bl. 204 SA Bd. I). Hinsichtlich aller von der Anklage umfassten Taten wurde die Verjährung durch den Erlass des Haftbefehls gegen den Angeklagten durch das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - in München am 14. Juli 2016 unterbrochen (Bl. 214 ff SA Bd. I). Zu diesen Tatvorwürfen wurde dem Angeklagten erstmals in seiner haftrichterlichen Vorführung am 1. September 2016 rechtliches Gehör gewährt (Bl. 238 ff SA Bd. I).

Mithin sind - mit Ausnahme der Taten zum Nachteil der Geschädigten W. und Z. - sämtliche Taten verjährt, die vor dem 15. Juli 2011 beendet waren. Hinsichtlich der Geschädigten W. und Z. sind die Taten verjährt, die vor dem 26. März 2010 beendet waren. Das Verfahrenshindernis hat zur Folge, dass der Angeklagte lediglich in 27 Fällen wegen Betruges verurteilt ist. Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern. Die für die ausgeschiedenen Fälle verhängten Einzelstrafen entfallen.“

3. Der Wegfall der wegen der verjährten Betrugstaten verhängten Einzelstrafen hat die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs zur Folge. Aber auch die übrigen Einzelfreiheitsstrafen haben keinen Bestand, weil das Landgericht bei der Strafbemessung Rückzahlungen (Tilgungs- bzw. vermeintliche Dividendenzahlungen sowie Schadenswiedergutmachungsleistungen) des Angeklagten als wesentlichen Strafzumessungsumstand unberücksichtigt gelassen hat. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat es zwar zutreffend ausgeführt, dass solche Zahlungen nicht auf Tatbestandsebene, sondern erst bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien (UA S. 26). Bei der Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte werden jedoch die bei der Sachverhaltsdarstellung im Einzelnen dargestellten Rückzahlungen des Angeklagten nicht erwähnt; vielmehr wird lediglich auf den tatbestandlichen Schaden bei der Staffelung der Einzelstrafen nach Schadenshöhe abgestellt (UA S. 27/28).

Die getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).

4. Entsprechend den Ausführungen und Berechnungen des Generalbundesanwalts ist die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen auf die nicht verjährten Taten zu beschränken, mithin auf einen Betrag in Höhe von 1.134.919,51 Euro festzusetzen. Eine darüber hinausgehende Einziehungsentscheidung hinsichtlich der aus den verjährten Taten erlangten Anlagebeträge könnte nur auf Grundlage des § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im selbständigen Einziehungsverfahren (§§ 435 ff. StPO) erfolgen.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 542

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede