HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1232
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 63/21, Beschluss v. 11.08.2021, HRRS 2021 Nr. 1232
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 3. Juni 2020, auch soweit es den Mitangeklagten N. betrifft, in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass schuldig sind
der Angeklagte B. des Mordes, des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub, mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Betruges;
der Angeklagte E. des Mordes, des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub, mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Unterschlagung in drei Fällen und der versuchten Unterschlagung;
der Mitangeklagte N. des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub, mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Unterschlagung in sechs Fällen und der versuchten Unterschlagung.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht Osnabrück hat die beiden Angeklagten jeweils des Mordes, des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchtem schweren Raub und mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie der Unterschlagung in drei Fällen und der versuchten Unterschlagung für schuldig befunden. Den Angeklagten B. hat es darüber hinaus wegen Betruges verurteilt. Gegen den Angeklagten B. hat das Landgericht eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, gegen den Angeklagten E. eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verhängt. Zudem hat es gegen die Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.700 € als Gesamtschuldner angeordnet.
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen; der Angeklagte B. beanstandet darüber hinaus das Verfahren.
Die Revisionen der Angeklagten führen - unter Erstreckung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten N. gemäß § 357 StPO - zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen der Schuldsprüche. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
1. Eine zur Tatzeit 75 Jahre alte und in M. bei O. lebende Witwe, das spätere Tatopfer, wollte sich einen gefälschten Führerschein verschaffen, weil sie seit langem über keine Fahrerlaubnis mehr verfügte, jedoch weiterhin mit ihrem Auto fuhr. Über Dritte gelangte sie im Frühjahr 2018 in Kontakt mit dem in K. wohnenden Angeklagten B., der ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufbaute, sie wiederholt in ihrer Wohnung aufsuchte und dabei größere Geldsummen von ihr als Entgelt für die von ihm zugesagte Beschaffung eines gefälschten Führerscheins erlangte.
In der Annahme, die gut situierte Geschädigte sei wohlhabend, entschloss sich der Angeklagte B., sie unter einem Vorwand in der Führerscheinsache nach K. zu verbringen, dort gewaltsam festzusetzen und ihr unter Drohung mit einer Waffe den Haus- und Wohnungsschlüssel abzunehmen. Anschließend wollte er nach M. zu ihrer Wohnung fahren, diese mit Hilfe des erlangten Schlüssels betreten und dort vermutete Gelder und Wertgegenstände an sich nehmen. Nach seiner Rückkehr nach K. wollte er die Geschädigte freilassen. Der Angeklagte B. gewann zur Umsetzung seines Tatplanes und gegen das Versprechen einer Beteiligung an der erwarteten Tatbeute den Angeklagten E. und die nichtrevidierenden Mitangeklagten N. und P. als Mitwirkende, die er in seinen Tatplan einweihte und die diesem zustimmten.
2. Am Vormittag des 14. Dezember 2018 begaben sich die Angeklagten B. und E. mit einem Mietwagen zur Wohnung der Geschädigten, holten sie ab und fuhren mit ihr nach K. Der Angeklagte B. hatte ihr zuvor wahrheitswidrig mitgeteilt, sie müsse dort eine Fahrprüfung absolvieren. Dem schenkte die Geschädigte Glauben.
Während der Autofahrt ließ sich der Angeklagte B. von der arglosen Geschädigten unter einem weiteren Vorwand in der Führerscheinsache zwei Girokarten für ihre beiden Girokonten bei der Sparkasse M. und der Sparkasse K. aushändigen. Die Geschädigte teilte ihm zudem - gleichfalls freiwillig, indes wiederum in der irrigen Annahme, dies sei für die Beschaffung eines gefälschten Führerscheins erforderlich - auf Aufforderung eine Geheimzahl mit, die zu der Bankkarte für das Konto bei der Sparkasse M. gehörte. Der Angeklagte B. beabsichtigte bei der Erlangung der Karten, mit diesen an Geldautomaten Bargeld zur Verwendung für eigene Zwecke abzuheben.
3. Am frühen Nachmittag erreichten die Angeklagten B. und E. eine Wohnung in K., in der die Geschädigte festgehalten werden sollte und die der Wohnungsinhaber dem Angeklagten B. und dem Mitangeklagten N. zeitweilig zur Verfügung gestellt hatte. In der Wohnung warteten verabredungsgemäß bereits die Mitangeklagten N. und P., wobei N. eine wie eine echte Schusswaffe imponierende Softairpistole ohne Magazin mit sich führte, um die Geschädigte damit zu bedrohen.
Die Angeklagten B. und E. veranlassten die Geschädigte - mutmaßlich unter einem neuerlichen Vorwand - dazu, die Wohnung zu betreten. Dort fesselten die Angeklagten und die beiden Mitangeklagten das Tatopfer gemeinschaftlich an einen Stuhl.
a) Unter Vorhalt der Scheinwaffe wurde die Geschädigte sodann - über den ursprünglichen Tatplan hinausgehend, aber im Einvernehmen zwischen den Angeklagten und den Mitangeklagten - aufgefordert, ihren Schlüssel und mitgeführtes Bargeld herauszugeben sowie Geld- und Wertsachenverstecke in ihrer Wohnung preiszugeben. Die Geschädigte hatte jedoch weder ihren Wohnungsschlüssel noch Bargeld bei sich. Zudem verriet sie keine Verwahrorte von Geld und Wertgegenständen; vermutlich, weil es solche nicht gab. Die Angeklagten und Mitangeklagten nahmen der Geschädigten daraufhin unter fortwährender Drohung mit der Scheinwaffe ihre Handtasche ab, indem sie den unter die Fesselung geratenen Riemen zerschnitten. Die Durchsuchung der Handtasche führte jedoch nicht zum erhofften Auffinden des Wohnungsschlüssels. Der Mitangeklagte P. verließ nunmehr die Wohnung, weil er anderweitig verabredet war.
b) Die Angeklagten und der Mitangeklagte N. wirkten in der Folgezeit massiv körperlich auf die Geschädigte ein, um von ihr doch noch Auskünfte über den Verbleib ihres Wohnungsschlüssels und Verwahrorte von Bargeld und Wertsachen zu erlangen; dabei wurde die Geschädigte geschlagen und in einer das Leben gefährdenden Weise stranguliert. Hierdurch erlitt sie unter anderem Verletzungen im Gesicht, einen Bruch des rechtsseitigen Zungenbeins, einen Kehlkopfoberhornabbruch sowie einen Rippenbruch und einen Rippenanbruch. Die Geschädigte gab jedoch weiter keine Informationen preis, sondern geriet in einen nahezu bewusstlosen Zustand, woraufhin die Angeklagten realisierten, dass ihr Tatvorhaben gescheitert war.
4. Die Angeklagten verbrachten das Tatopfer am Abend des 14. Dezember 2018 in den Mietwagen und fuhren zurück in Richtung M., während der Mitangeklagte N. in K. verblieb. Spätestens während dieser Autofahrt entschlossen sich die Angeklagten, die Geschädigte zu töten, um zu verhindern, dass diese von dem Geschehen in der Wohnung in K. berichten und sie bei der Polizei anzeigen konnte.
An einem Feldweg in der Nähe von O. versetzte der Angeklagte E. in Absprache mit dem Angeklagten B. der Geschädigten in Tötungsabsicht mit einer Bierflasche Schläge auf den Kopf, wobei die Flasche zerbrach. Anschließend legten sie das bewusstlose Opfer abseits des Feldweges in ein Gebüsch. Einer der beiden Angeklagten fügte der Geschädigten dort - in Übereinkunft mit dem anderen Angeklagten - mit dem Flaschenfragment tiefe Schnittverletzungen am Hals zu, um ihr Versterben sicher zu bewirken. Hierdurch wurde eine Halsvene eröffnet, was zum baldigen Tod des Opfers durch Verbluten führte.
5. Spätestens auf ihrer Rückfahrt nach K. kamen die Angeklagten überein, bereits auf dem Rückweg mit den von der Geschädigten erlangten Girokarten an Geldautomaten Bargeld abzuheben. Da der Angeklagte B. verhindern wollte, von Überwachungskameras erfasst zu werden, gab er die beiden Geldautomatenkarten dem Angeklagten E. Dieser hob zunächst am 14. Dezember 2018 um 23:18 Uhr an einem Geldautomaten in U. 200 €, sodann am 15. Dezember 2018 um 00:08 Uhr an einem Geldautomaten in H. 1.100 € und schließlich um 01:10 Uhr an einem Geldautomaten in K. 400 € jeweils unter Verwendung der Girokarte und der Geheimzahl vom Girokonto der Geschädigten bei der Sparkasse M. ab. Das erlangte Bargeld in Höhe von 1.700 € händigte er dem Angeklagten B. aus, der während der Abhebungen an den von ihm ausgewählten Geldautomaten im Auto verblieb. Ein weiterer Abhebungsversuch an einem anderen Geldautomaten in K. scheiterte, weil das Abhebungslimit für das Girokonto bei der Sparkasse M. erreicht war und die vom Opfer mitgeteilte Geheimzahl für die Girokarte zum Konto bei der Sparkasse K. nicht passte. Von dem erlangten Bargeld gab der Angeklagte B. später einen geringen Teil an den Angeklagten E. als Tatentgelt zurück. Zudem händigte er die Geldautomatenkarten unter Mitteilung der Geheimzahl den Mitangeklagten N. und P. aus, die damit sechs Geldautomatenabhebungen für sich vornahmen und mit einem weiteren Abhebungsversuch scheiterten.
1. Die vom Angeklagten B. erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg.
2. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen basieren zwar auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung, tragen jedoch die Schuldsprüche nicht in vollem Umfang. Im Einzelnen:
a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zur Verdeckung einer Straftat gemäß §§ 211, 25 Abs. 2 StGB.
b) Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des Tatkomplexes der Einwirkung auf die Geschädigte in der Wohnung in K. gilt Folgendes:
aa) Die Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 und 5, § 25 Abs. 2 StGB unterliegt ebenso wenig rechtlichen Bedenken wie der Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 Halbsatz 1, § 25 Abs. 2 StGB. Zwar bemächtigten sich die Angeklagten ausweislich der Feststellungen des Tatopfers, um ihm unter Gewaltandrohung den Haus- und Wohnungsschlüssel abzunehmen und diesen anschließend für eine Entwendung von Geld- und Wertgegenständen aus der Wohnung des Opfers zu nutzen, so dass die Bemächtigung zunächst allein in der Absicht der Ausnutzung der Bemächtigungslage zur Begehung eines Raubes erfolgte. Gleichwohl ist der Straftatbestand des - vollendeten - erpresserischen Menschenraubes bereits in der Variante des § 239 Abs. 1 Halbsatz 1 StGB erfüllt. Denn § 239a StGB bezieht sich auch auf beabsichtigte Raubtaten (BGH, Urteile vom 13. März 2019 - 1 StR 424/18, juris Rn. 10; vom 22. Oktober 2009 - 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 47; vom 5. März 2003 - 2 StR 494/02, NStZ 2003, 604, 605; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 239a Rn. 5a mwN), weil die Vorschriften der §§ 253, 255 StGB den engeren Tatbestand des Raubes mitumfassen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. März 2019 - 1 StR 424/18, juris Rn. 10; Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 612/17, NStZ-RR 2018, 140 f.; Urteil vom 5. März 2003 - 2 StR 494/02, NStZ 2003, 604, 605).
bb) Dagegen hält die rechtliche Würdigung des Landgerichts, die schwere körperliche Misshandlung der Geschädigten durch die Angeklagten und den Mitangeklagten N., die mit dem Ziel erfolgte, Auskünfte über den Verbleib ihres Wohnungsschlüssels und Verwahrorte von Bargeld und Wertsachen zu erlangen, um sodann zu ihrer Wohnung zu fahren und dort noch während des weiteren Festhaltens der Geschädigten unter Verwendung der erlangten Informationen Geld und Wertgegenstände wegzunehmen (siehe oben I. 3. b)), sei als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung gemäß § 253 Abs. 1 und 2, §§ 255, 20 21 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB strafbar, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Denn eine gewaltsam oder unter Drohung mit Gewalt erzwungene Preisgabe eines Verstecks von Wertgegenständen oder eines Zugangs zu einem solchen - etwa eines Schlüssels oder einer Zahlenkombination - durch das Opfer bewirkt für sich genommen noch keinen Vermögensnachteil, sondern ermöglicht erst eine spätere Wegnahme durch den Täter. Bei der erzwungenen Preisgabe des Verstecks einer noch wegzunehmenden Beute oder einer Zugangsmöglichkeit zu dieser handelt es sich daher um einen (versuchten) Raub, sofern zwischen der Gewaltanwendung oder Drohung mit Gewalt und der (beabsichtigen) Wegnahme ein hinreichender örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 2 StR 254/18, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Wegnahme 4 Rn. 6; Urteil vom 22. Oktober 2009 - 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 48; Beschluss vom 13. Oktober 2005 - 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 27, 34).
Die Angeklagten sind mithin in Bezug auf das oben unter I. 3. b) dargestellte Tatgeschehen nicht der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung, sondern jeweils des versuchten besonders schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB schuldig. Der erforderliche räumlich-zeitliche Zusammenhang zwischen der Gewaltanwendung und der beabsichtigten Wegnahme ist gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2018 - 2 StR 254/18, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Wegnahme 4 Rn. 6; vom 13. Oktober 2005 - 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38). Denn die Angeklagten hatten vor, unmittelbar nach der erstrebten Preisgabe der Informationen die Wohnung der Geschädigten aufzusuchen und dort vermutete Gelder und Wertgegenstände an sich zu nehmen. Das Tatopfer sollte bis zum Gelingen der Wegnahme und der Rückkehr der nach M. gefahrenen Mittäter in der Wohnung in K. von einem weiteren Mittäter festgehalten werden.
cc) Soweit das Landgericht die unter Drohung mit der Scheinwaffe erfolgte Wegnahme und Durchsuchung der Handtasche des Tatopfers nach ihrem Wohnungsschlüssel (vgl. oben I. 3. a)) - für sich genommen rechtsfehlerfrei - als versuchten schweren Raub gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB gewertet hat, geht dieser Teilakt des Geschehens in der Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes auf (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 2 StR 282/13, juris Rn. 7; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 250 Rn. 30; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 250 Rn. 73).
dd) Hinzu kommt eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung gemäß § 253 Abs. 1 und 2, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB. Denn vor Beginn der körperlichen Misshandlung der Geschädigten versuchten sie nicht nur, ihr Opfer zur Preisgabe vermuteter Verstecke von Geld und Wertgegenständen zu bewegen. Vielmehr forderten sie die Geschädigte in der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Annahme, sie führe ihren Wohnungsschlüssel und Bargeld mit sich, unter Drohungen mit der vom Mitangeklagten N. beigebrachten Scheinwaffe auch - letztlich vergeblich - zur unmittelbaren Herausgabe des Schlüssels und von Bargeld auf (vgl. oben I. 3. a)). Diese versuchte schwere räuberische Erpressung tritt nicht hinter die Strafbarkeit wegen versuchten besonders schweren Raubes zurück (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2017 - 2 StR 36/17, juris Rn. 9; Beschlüsse vom 2. Dezember 2010 - 4 StR 476/10, NStZ-RR 2011, 80; vom 17. März 2004 - 2 StR 516/03; vom 12. August 1992 - 3 StR 358/92, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 255 Rn. 9; MüKoStGB/ Sander, 4. Aufl., § 255 Rn. 12).
ee) Zwischen dem erpresserischen Menschenraub, dem versuchten besonders schweren Raub, der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung besteht Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2018 - 2 StR 254/18, NStZ 2019, 411 Rn. 8; vom 2. Dezember 2010 - 4 StR 476/10, NStZ-RR 2011, 80; vom 12. August 1992 - 3 StR 358/92, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 239a Rn. 44; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 255 Rn. 12).
ff) Der Senat ändert den Schuldspruch, soweit er sich auf das oben unter I. 3. dargestellte Tatgeschehen bezieht, deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StGB hinsichtlich beider Angeklagten dahin, dass sie statt des „erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchtem schwerem Raub und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung“ jeweils des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchtem besonders schwerem Raub, mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Angeklagten sich nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
gg) Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist diese Schuldspruchänderung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten N. zu erstrecken. Denn die unzutreffende rechtliche Würdigung der Einwirkung auf die Geschädigte in der Wohnung in K. betrifft ihn ebenso wie die Angeklagten. Dass die Berichtigung des Schuldspruchs auch im Fall des Mitangeklagten N. keine Auswirkungen auf den Strafausspruch hat (s. unten II. 3.), steht der Erstreckung der Revision nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. April 2011 - 3 StR 230/10, juris Rn. 27; vom 31. Juli 1996 - 3 StR 269/96, juris Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 357 Rn. 16). § 265 StPO hindert auch in Bezug auf den Mitangeklagten N. eine Schuldspruchkorrektur nicht, denn auch er hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
Dagegen ist der den Mitangeklagten P. betreffende Schuldspruch von dem Rechtsfehler nicht betroffen. Denn der Mitangeklagte P. verließ die Wohnung vor Beginn der schweren körperlichen Misshandlung der Geschädigten. Seine vorherige Mitwirkung an der Einwirkung auf das Tatopfer hat die Strafkammer, die ihn insofern des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchtem schwerem Raub und mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung schuldig gesprochen hat, rechtlich zutreffend bewertet.
c) Zu Recht hat die Strafkammer die täuschungsbedingte Erlangung der Girokarte nebst zugehöriger Geheimzahl für das Girokonto der Geschädigten bei der Sparkasse M. durch den Angeklagten B. (vgl. oben I. 2.) als - vollendeten - Betrug gewertet. Einen Betrug zum Nachteil des kontoführenden Kreditinstituts begeht, wer vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz der Karte und PIN-Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen. Denn der Besitz von Karte und zugehöriger Geheimzahl ermöglicht es dem Täter, jederzeit Abhebungen vorzunehmen, so dass ein Gefährdungsschaden bereits mit der Erlangung von Karte und Geheimzahl eintritt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 2016 - 3 StR 109/16, juris Rn. 8 f.; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, NStZ 2016, 149 Rn. 13; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 15/15, StV 2016, 359 Rn. 12; vom 15. Januar 2013 - 2 StR 553/12, juris Rn. 2; Urteile vom 30. September 2010 - 3 StR 294/10, NStZ 2011, 212, 213; vom 17. August 2004 - 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334; Beschluss vom 9. April 1992 - 1 StR 158/92, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 6; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 263 Rn. 78, 91, 116, 163a, 173, § 263a Rn. 13). Ein Gefährdungsschaden ist der kontoführenden Sparkasse (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 1 StR 512/00, NJW 2001, 1508) vorliegend zumindest in Höhe der Geldbeträge entstanden, die durch die nachfolgenden Abhebungen erlangt wurden.
d) Hinsichtlich der mittäterschaftlich durch die Angeklagten vorgenommenen Abhebungen von Bargeld mit der Girokarte der Geschädigten an verschiedenen Geldautomaten gilt Folgendes:
aa) Die Strafkammer hat diese Geldautomatenabhebungen rechtlich zutreffend nicht als Computerbetrug gemäß § 263a Abs. 1 StGB gewertet. Denn anders als etwa bei dem Einsatz einer durch Diebstahl erlangten Karte oder der Nutzung ohne Wissen des berechtigten Karteninhabers abgefangener Daten (vgl. zur Anwendbarkeit des § 263a Abs. 1 StGB in diesen Konstellationen BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, NStZ 2016, 149 Rn. 12; vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162; Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 121 ff.; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 263a Rn. 12a; MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl., § 263a Rn. 58) war das Abheben von Bargeld an Geldautomaten durch die Angeklagten hier keine unbefugte Verwendung von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB. Nachdem die Geschädigte ihre Girokarte für das Konto bei der Sparkasse M. nebst Geheimnummer dem Angeklagten B. freiwillig - wenn auch täuschungsbedingt - zur Verwendung überlassen hatte, Karte und PIN mithin durch Betrug erlangt worden waren, setzten die Angeklagten die Karte an Geldautomaten „lediglich“ abredewidrig, indes nicht unbefugt ein. Denn einer Verwendung von Karte und Geheimzahl und damit der Daten durch den Angeklagten B. hatte die Geschädigte - wenngleich zweckgebunden in der Führerscheinsache - zugestimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 2016 - 3 StR 109/16, juris Rn. 8 f.; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, NStZ 2016, 149 Rn. 9 ff.; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 15/15, StV 2016, 359 Rn. 8 ff.; vom 15. Januar 2013 - 2 StR 553/12, juris Rn. 2; OLG Jena, Beschluss vom 20. September 2006 - 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236; MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl., § 263a Rn. 58).
bb) Jedoch haben die Angeklagten durch ihre Bargeldabhebungen an Geldautomaten den Straftatbestand der Unterschlagung nach § 246 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB beziehungsweise in dem Fall, in dem die Geldabhebung scheiterte, der versuchten Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB erfüllt. Denn nicht nur, wenn die Kartenverwendung gänzlich ohne Befugnis des berechtigten Karteninhabers erfolgt, sondern auch dann, wenn die Karte im konkreten Fall „lediglich“ abredewidrig eingesetzt wird, stellt sich der Abhebevorgang am Geldautomaten zwar als willentliche Übertragung des Gewahrsams an dem Bargeld durch den Geldautomatenbetreiber an denjenigen dar, der Karte und zugehörige Geheimzahl verwendet, nicht jedoch als Einverständnis mit einem Eigentumserwerb am Bargeld durch den zur Abhebung nicht berechtigten Kartennutzer (BGH, Beschlüsse vom 21. März 2019 - 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726 Rn. 8 f., 16 f.; vom 16. November 2017 - 2 StR 154/17, NJW 2018, 245 Rn. 8 ff.; vom 16. Dezember 1987 - 3 StR 209/87, BGHSt 35, 152, 158 ff.). Anders als in den Fällen, in denen auch der Straftatbestand des Computerbetrugs erfüllt ist, tritt die Strafbarkeit wegen (versuchter) Unterschlagung hier nicht - wegen der formellen Subsidiarität des § 246 Abs. 1 StGB - hinter eine solche nach § 263a Abs. 1 StGB zurück.
cc) Die Verurteilung des Angeklagten E. wegen Unterschlagung in drei Fällen und versuchter Unterschlagung ist mithin rechtsfehlerfrei (zum Konkurrenzverhältnis bei mehreren aufeinanderfolgenden Geldabhebungen vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. September 2020 - 5 StR 82/20, juris Rn. 6; vom 23. Juni 2020 - 5 StR 164/20, StV 2021, 36 Rn. 3; MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl., § 263a Rn. 124).
dd) Dagegen hat die ebensolche Verurteilung des Angeklagten B. keinen Bestand. In Bezug auf ihn tritt die Strafbarkeit wegen Unterschlagung beziehungsweise versuchter Unterschlagung vielmehr wegen der ausdrücklichen Subsidiarität des § 246 Abs. 1 StGB hinter diejenige wegen Betruges (vgl. insofern oben II. 2. c)) zurück. Denn für ihn stellen sich die Geldabhebungen als eine Vertiefung und Verfestigung des durch die Karten- und Geheimzahlerlangung bewirkten Betrugsschadens und damit als weiteren Teil seiner Betrugstat dar, die zwar mit der Erlangung der Girokarte und Geheimzahl vollendet war, jedoch erst mit den Abhebungen beendet wurde (ebenfalls für ein Zurücktreten der Strafbarkeit wegen Unterschlagung hinter diejenige wegen Betruges, allerdings als mitbestrafte Nachtat MüKoStGB/Hefendehl, 3. Aufl., § 263 Rn. 998; NKStGB/ Kindhäuser, 5. Aufl., § 263 Rn. 414; LKStGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 StGB Rn. 328; s. auch BGH, Beschluss vom 9. April 1992 - 1 StR 158/92, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 6).
Die Verurteilung des Angeklagten B. wegen Unterschlagung in drei Fällen und versuchter Unterschlagung hat daher zu entfallen. Ein Teilfreispruch ist insofern nicht veranlasst, weil die Tathandlungen - die gemeinschaftlich mit dem Angeklagten E. vorgenommenen Bargeldabhebungen an Geldautomaten - erwiesen, jedoch im materiellrechtlichen Sinne Teil seiner Betrugstat sind und die Strafbarkeit wegen (versuchter) Unterschlagung lediglich als subsidiär zurücktritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7; vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546 Rn. 16; Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 202; MüKoStPO/Maier, § 260 Rn. 74, 88 f.; KKStPO/Ott, 8. Aufl., § 260 Rn. 21).
ee) Ob die Verurteilungen der Mitangeklagten N. und P. in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen Geldautomatenabhebungen wegen (versuchter) Unterschlagung rechtlich zutreffend sind oder sie sich, weil die Geschädigte ihnen - anders als dem Angeklagten B. - die Kartennutzung nicht gestattet hatte, wegen vorrangigen Computerbetrugs nach § 263a Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, kann dahingestellt bleiben (s. aber BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, NStZ 2016, 149 Rn. 9 ff.; vom 16. Juli 2015 - 2 StR 15/15, StV 2016, 359, Rn. 8 ff.: jeweils keine Differenzierung zwischen verschiedenen Kartennutzern). Denn sie sind durch eine Verurteilung wegen (versuchter) Unterschlagung statt wegen (versuchten) Computerbetruges nicht beschwert.
3. Der Wegfall der Verurteilung des Angeklagten B. wegen Unterschlagung in drei Fällen und versuchter Unterschlagung führt zum Entfall der insofern gegen ihn festgesetzten Einzelstrafen. Die wegen des Tatkomplexes der Einwirkung auf die Geschädigte in der Wohnung in K. gegen ihn verhängte Einzelstrafe hat dagegen ungeachtet der Schuldspruchänderung Bestand. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht insofern bei zutreffendem Schuldspruch eine niedrigere Einzelstrafe festgesetzt hätte. Denn zum einen bleibt der Straftatbestand des erpresserischen Menschenraubes (§ 239a Abs. 1 StGB), dem der anzuwendende Strafrahmen zu entnehmen gewesen ist, von der Schuldspruchberichtigung unberührt. Zum anderen hat die Schuldspruchkorrektur keine Auswirkungen auf den Unrechtsund Schuldgehalt dieser Tat. Da gegen den Angeklagten B. wegen des Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe festgesetzt und demzufolge als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt worden ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 StGB), hat die Schuldspruchänderung auf die Gesamtstrafe des Angeklagten B. gleichfalls keine Auswirkungen.
Aus den vorgenannten Gründen lassen auch die den Angeklagten E. und den Mitangeklagten N. betreffenden Schuldspruchberichtigungen die gegen sie wegen des Tatkomplexes der Einwirkung auf die Geschädigte in der Wohnung in K. festgesetzten Einzelstrafen und damit auch die gegen sie verhängten Gesamtfreiheitsstrafen unberührt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten durch ihre Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1232
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2022, 14
Bearbeiter: Christian Becker