HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2024
25. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Always late but worth the wait? Zur Zulässigkeit der "begründungslosen" Fristbestimmung zur Beweisantragsstellung i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO

Zugleich Bespr. von BGH HRRS 2024 Nr. 608

Von Privatdozent Dr. iur. Oliver Harry Gerson, Passau[*]

A. Einleitung

Der Schlagabtausch um die zutreffende Deutung und Handhabe des § 244 Abs. 6 StPO[1] nimmt weitere Fahrt auf: Nach einem klarstellenden Judikat des 3. Strafsenats vom 19. Dezember 2023[2] dahingehend, dass die Zulässigkeit der Fristsetzung für die Stellung weiterer Beweisanträge nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO nicht an das Vorliegen (des Verdachts) einer Verschleppungsabsicht i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 2 StPO gekoppelt sei, nutzt der 6. Strafsenat den streitgegenständlichen Beschluss vom 10. Januar 2024 – 6 StR 276/23 (NJW 2024, 1594 = HRRS 2024 Nr. 608) für weitere Illumination: Die Frist zur Stellung von Beweisanträgen i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO könne ohne jegliche Begründung durch den Vorsitzenden bestimmt werden. Der "Abschluss der Beweisaufnahme", ab dem diese Fristbestimmung möglich ist, werde dabei allein durch das

Gericht nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO festgelegt und hänge nicht davon ab, ob bereits alle gestellten Beweisanträge der Verfahrensbeteiligten verbeschieden wurden. Ob diese – scheinbar massive – Einschränkung von Verteidigungsrechten auf dogmatisch stabilen Füßen steht, wird im Nachfolgenden beleuchtet. Es wird sich zeigen, dass zwischen dem dogmatisch Zulässigen und dem atmosphärisch Sinnvollen eine empfindliche Lücke klafft, die es aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit jedoch zu akzeptieren gilt.

B. Zum Verfahrensgeschehen

Dem Beschluss des BGH lag eine Verurteilung der Angeklagten u.a. wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zugrunde. Die Angeklagten entwendeten (in wechselnder Besetzung) im November 2018 über 90 Paletten von Pflegeprodukten im Gesamtwert von nahezu 600.000 €. In den darauffolgenden Monaten wurden weitere Paletten (diesmal Lebensmittel) im Gesamtwert von etwa 250.000 € gestohlen. Das LG Stade sah die Anklagevorwürfe als erwiesen an und stellte fest, dass die Angeklagten das Stehlgut in beiden Fällen mittels zweier Lkw abtransportiert hatten.

Im Fokus steht im Weiteren nicht die materiell-rechtliche Einordnung, sondern das Verfahrensgeschehen rund um die Beweisantragstellung seitens der Verteidigung:

Am elften Hauptverhandlungstag (20. Juni 2022) setzte der Vorsitzende der Strafkammer den Verfahrensbeteiligten eine Frist nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO bis zum 11. Juli 2022, um weitere Beweisanträge zu stellen. Diese Frist wurde auf Anregung der Verteidigung bis zum 6. September 2022 mehrfach ausgeweitet. An eben diesem 6. September 2022 (15. Hauptverhandlungstag) sollte auf Antrag der Verteidigung ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden. Ziel war der Beweis, dass eine Mitnahme einer so großen Menge von Stehlgut (90 Paletten mit Lebensmitteln) angesichts der mit GPS-Daten ausgewiesenen Standzeiten des zur Tat genutzten Lkw in unmittelbarer Tatortnähe nicht umsetzbar ("nicht möglich") gewesen sei. Es hätte allenfalls ein Drittel der Paletten transportiert werden können. Der Beweisantrag wurde am 4. Oktober 2022 wegen völliger Ungeeignetheit (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO) abgelehnt.

Am 3. November 2022 (17. Hauptverhandlungstag), d.h. nach Ablauf der vom Vorsitzenden der Strafkammer gesetzten Beweisantragsfrist i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO, wurden vonseiten der Verteidigung drei weitere Beweisanträge gestellt. Diese richteten sich auf eine gutachterliche Bestimmung des genauen Standorts des Lkw sowie der Lagergröße und des Lagerorts der Beute. Argumentativ wurde angeführt, dass die Strafkammer im Rahmen der Ablehnung des vorherigen Beweisantrags am 4. Oktober 2022 moniert hatte, dass Anknüpfungstatsachen fehlten. Die neuen Beweiserhebungen seien für die Feststellung der Beladegeschwindigkeit erheblich. Im anschließenden Sitzungstag wurde durch den Vorsitzenden der Strafkammer mitgeteilt, dass eine Bescheidung der Anträge im Urteil erfolgen werde (§ 244 Abs. 6 S. 4 StPO). Von der Verteidigung wurde beanstandet, dass die Kammer erst mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 gegenüber der Anklage den Einsatz von mehreren Lkw als möglich bezeichnete. Dies habe eine "deutliche Abweichung" im Vergleich zur ursprünglichen Anklageschrift dargestellt, die nur ein Transportfahrzeug nannte. Daher sei es erst im Anschluss an diese Kenntnisnahme von der wesentlichen Abweichung für die Verteidigung sinnvoll möglich gewesen, die neu behaupteten Tatsachen unter Beweis zu stellen. Diese Beanstandung wurde von der Strafkammer zurückgewiesen und gleichzeitig die Beweisanträge in den schriftlichen Urteilsgründen nach § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt.

C. Rechtliches Vorbringen der Beschwerdeführer und Sicht des BGH

Die Beschwerdeführer rügen mehrere Punkte: Sie halten die Ablehnung des am 6. September 2022 – damit vor Ablauf der gesetzten Frist – gestellten Beweisantrages durch das Gericht nach § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO für rechtsfehlerhaft. Zudem rügen sie eine Verletzung des § 244 Abs. 6 S. 1 StPO, da die formellen und materiellen Voraussetzungen einer Bescheidung der Beweisanträge in den Urteilsgründen (§ 244 Abs. 6 S. 4 StPO) nicht vorgelegen hätten. Außerdem sei die Behandlung der Beweisanträge als bedeutungslos (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO) rechtsfehlerhaft. Letztlich hätte die Strafkammer auf den neu angenommenen Einsatz mehrerer Fahrzeuge zum Abtransport des Stehlguts nach § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO hinweisen müssen.

Der BGH hält die Ablehnung des Beweisbegehrens vom 6. September 2022 für zulässig. Es habe schon kein Beweisantrag i.S.d. § 244 Abs. 3 S. 1 StPO vorgelegen.[3]

Der BGH geht weiter davon aus, dass die Bescheidung erst in den Urteilsgründen der drei nach Fristablauf gestellten Beweisanträge keinen Verstoß gegen § 244 Abs. 6 S. 1 StPO darstelle. Der Vorsitzende habe die Frist zulässig gesetzt, was auch ohne den konkreten Verdacht einer

Verschleppungsabsicht möglich sei. Da es sich bei der Fristbestimmung nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO um eine Prozesshandlung des Vorsitzenden in Ausübung seiner Sachleitungsbefugnis i.S.d. § 238 Abs. 1 StPO handele, müsse diese auch nicht weiter begründet werden. Da die Anordnung nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen werden könne, folge aus § 34 StPO keine andere Bewertung. Auch die Entstehungsgeschichte des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO stütze diese Auslegung: Gerade um die Effizienz der Verfahrensführung zu ermöglichen, sei eine in jedem Fall notwendige Begründung der Fristbestimmung nicht zielführend. Da die Fristsetzung erst ab dem Zeitpunkt des "Abschlusses der vorgesehenen Beweisaufnahme" zulässig ist (§ 244 Abs. 6 S. 3 StPO), seien Ausführungen des Gerichts zum Zeitpunkt dieses Abschlusses nicht erforderlich. Das Ende der Beweisaufnahme ergebe sich vielmehr konkludent aus der Anordnung der Beweisantragsfrist. Da die Verfahrensbeteiligten mittels eines Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO eine gerichtliche Überprüfung erwirken könnten, die im Fall der Bestätigung der Anordnung auch begründungspflichtig ist, liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens vor. Ein verteidigter Angeklagter könne sich in Fällen des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO auch ohne Begründung seitens des Gerichts auf die neue Prozesslage einstellen. Aus ebendiesen Gründen müsse auch die Dauer der Frist nicht näher begründet werden. Das ergebe sich vor allem dann, wenn diese Frist sich erkennbar an § 117 StPO oder an § 229 Abs. 1 StPO orientiere.[4]

In Form eines obiter dicti geht der BGH auf die Frage ein, wann die Beweisaufnahme im Zeitpunkt der Fristbestimmung nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO als "abgeschlossen" gelten müsse. Abgelehnt wird dabei die Auffassung, dass die Beweisaufnahme erst abgeschlossen sei, wenn sämtliche gestellte Beweisanträge verbeschieden wurden. Abzustellen sei indes allein auf den durch § 244 Abs. 2 StPO konturierten gerichtlichen Beweis. Durch das Wort "vorgesehen" werde auf die Erledigung des durch den Vorsitzenden bereits zu Beginn des Hauptverfahrens geplanten Beweisprogramms abgestellt, respektive auf die sich dem Gericht im Laufe des Verfahrens nach § 244 Abs. 2 StPO aufdrängenden Beweiserhebungen. Dieses enge Verständnis der Beweisaufnahme folge aus gesetzessystematischen Gründen: Die Zusammenschau von § 243 und § 244 StPO ergebe, dass das Gericht nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen des Strengbeweises die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung schaffen müsse. Die Absätze 3 bis 5 des § 244 StPO bestimmten hingegen, wie die Verfahrensbeteiligten auf das gerichtliche Beweisprogramm Einfluss nehmen und eigene Beweiserhebungsansprüche durchsetzen können. Anträge i.S.d. §§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO könnten daher eine Beweiserhebung über das vom Gericht für erforderlich und ausreichend Gehaltene erzwingen. Daraus folge allerdings, dass der noch nicht beschiedene oder abgelehnte Antrag selbst weder formell noch materiell Teil der Beweisaufnahme sei. Das decke sich auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschriften, denn die Fristsetzung i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO solle dem Tatgericht die Option eröffnen, das Verfahren nach Durchführung der Beweisaufnahme zügig abzuschließen. Dieser Zweck würde verhindert, wenn die Fristbestimmung durch fortschreitendes Anbringen von Beweisanträgen durch die Verfahrensbeteiligten dauerhaft unwirksam gemacht würde.[5]

D. Würdigung

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf zwei Leitsätze des umfangreichen Beschlusses,[6] die bereits angeführt wurden: (1) Die Frist zur Stellung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO kann ohne Begründung durch den Vorsitzenden gesetzt werden. (2) Der Abschluss der Beweisaufnahme i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO wird allein durch das Gericht bestimmt und hängt nicht

davon ab, ob bereits alle gestellten Beweisanträge verbeschieden wurden.

Dem BGH ist in beiden Punkten zuzustimmen, wenngleich die "weichen" Folgen hieraus für das Strafverfahren als Ganzes mitunter bedenklich sind. Dabei handelt es sich jedoch um eine rechtspolitische, nicht um eine rechtsdogmatische Kritik.

I. Zur Funktion des § 244 Abs. 6 Sätze 3 u. 4 StPO

An sich ist dem deutschen Strafverfahrensrecht jede Form der Präklusion von Beweisanträgen fremd.[7] Die Grundregel lautet: Beweisanträge dürfen nicht nur deshalb zurückgewiesen werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht wurden, vgl. § 246 StGB. Grundsätzlich gibt es also keine Verfristung, wenn es darum geht, den Kognitionsbereich des Gerichts zu irritieren.[8] Dieses "Präklusionsverbot" ordnet das Gebot der Verfahrensbeschleunigung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung unter.[9] Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit und zudem ein mittlerweile durchlöcherter: Bereits vor der Einfügung des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO[10] hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung die Möglichkeit zur Fristbestimmung (formelle und materielle Fristenlösung[11]) für die Stellung weiterer Beweisanträge – und damit eine weiche Form der "Präklusion" – in die Hand der Sitzungsleitungskompetenz des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 1 StPO gelegt.[12] Seit diesem – zunächst rein richterrechtlichen, nunmehr legislativen – "Sündenfall" wird moniert, dass es sich insgesamt um ein Scheinproblem handle: In der überwiegenden Mehrheit der Verfahren würden ohnehin keine bis nur wenige Beweisanträge[13] gestellt und auch das sukzessive Antragsstellungsmodell entspreche nicht der Verfahrensrealität.[14] Es handle sich vielmehr um Ausnahmeverfahren und Extremfälle, in denen die Obstruktionsbereitschaft der Antragsteller offen zu Tage liege. Diese hätten nicht zum gesetzgeberischen Regelfall mutieren dürfen. Die ursprüngliche (richterrechtliche) Fristenregelung war daher – insoweit folgerichtig, wenngleich mit zahlreichen Abgrenzungsproblemen behaftet – noch eng an das Vorliegen (bzw. den begründeten Verdacht) einer sog. Verschleppungsabsicht geknüpft.[15] Es handelte sich mithin um ein echtes Disziplinierungs- und Sanktionierungsinstrument zulasten der Verteidigung für "Fehlverhalten". Die seit dem Jahr 2017 (erneut modifiziert 2019)[16] gesetzlich normierte Fristsetzungskompetenz zur Anbringung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO erfordert indes keine Feststellung einer Absicht der Prozessverschleppung mehr (dazu sogleich).[17] Da die durch das Gericht verhängbare Restriktion der Beweisantragsstellungsfrist für alle Verfahrensbeteiligten gleichermaßen gelte,[18] könne nunmehr auch keine "sanktionierende Wirkung" mehr in diese hineingelesen werden.[19] Es handele sich um eine ganz gewöhnliche (Ermessens-)Anordnung des Vorsitzenden i.S.d. § 238 Abs. 1 StPO.

II. Begründungspflicht für die Bestimmung der Frist?

Während die "alte Fristenlösung" des (unterschiedlich intensiven) Nachweises der Verschleppungsabsicht damit stets einer Begründung bedurfte, ist die neue Fristsetzung nach dem klaren Wortlaut des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO anlasslos möglich.[20] Bereits das wird kritisiert, da auf diese Weise die Ausnahmeregelung endgültig zum Regelfall würde. Insoweit erscheint die Fragestellung jedoch geklärt: "Verschleppungsanträge" und Befristung sind mittlerweile voneinander entkoppelt: § 244 Abs. 6 S. 2 StPO regelt die Frage des Umgangs mit "Verschleppungsanträgen", die schon keine zulässigen Beweisanträge sind, abschließend. Diese können ohne Begründung abgelehnt werden. Bei § 244 Abs. 6 S. 1 StPO geht es hingegen um die grundsätzliche Begründungspflicht bei der Ablehnung von Beweisanträgen in Anknüpfung an § 244 Abs. 3 S. 2 und 3 sowie Abs. 4 und Abs. 5 StPO. § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO lassen diese Begründungspflicht bestehen, bilden jedoch eine Ausnahme zu § 244 Abs. 2 StPO und § 246 StPO, nach denen Beweisanträge noch innerhalb der Hauptverhandlung verbeschieden und begründet werden müssen.[21] § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO behandeln also nur die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein zulässiger Beweisantrag verbeschieden werden muss. Neu etabliert wurde dadurch die Figur des "zulässigen, aber verfristeten Beweisantrags". Auch bei Vorliegen eines zulässigen, aber verfristeten Beweisantrags i.S.d. § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO muss also eine Begründung für dessen Ablehnung i.S.d. § 244 Absätze 3 bis 5 StPO erfolgen, nur darf der Zeitpunkt für die Bekanntgabe der Gründe "nach hinten" in die Urteilsgründe verlagert werden.

1. Keine Anhaltspunkte für eine Begründungspflicht der Fristbestimmung

Der BGH thematisiert im streitgegenständlichen Beschluss die daran anknüpfende Frage, ob die Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO, wenn sie für ihre Verhängung schon nicht (mehr) des Nachweises der Verschleppungsabsicht bedarf (dazu soeben), damit auch ganz ohne Begründung erfolgen kann.[22]

Eine genaue Betrachtung der Vorschrift stützt dabei das Auslegungsergebnis des 6. Strafsenats. Hierbei liegt die erste Hürde bereits im Sprachspiel: Gemeint ist nicht, dass die Fristbestimmung "grundlos" erfolgen darf, sondern dass die Anordnung ergehen kann, ohne dass eine Begründung für die Fristbestimmung offengelegt werden muss (d.h. "begründungslos").

Es handelt sich bei der Fristbestimmung i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO um eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden, welche aus dessen Sachleitungsbefugnis nach § 238 Abs. 1 StPO abfließt.[23] Der Vorsitzende muss damit zwar Gründe haben; er muss sie jedoch nicht nennen. Begründungspflichten sind bei Anordnungen im Rahmen der Verhandlungsleitung schon von Grund auf eher fernliegend.[24]

Der Wortlaut und auch die Systematik sind in diesem Punkt eindeutig: § 244 Abs. 6 S. 3 StPO enthält grammatisch keinen Anhaltspunkt für eine Begründungspflicht in Bezug auf die Fristsetzung. Zudem normiert § 244 Abs. 6 S. 3 StPO – wie zum Teil behauptet wird – auch nicht die Ausnahme zu § 244 Abs. 6 S. 1 StPO,[25] sondern schränkt den Anspruch auf die inhaltliche Verbescheidung von Beweisanträgen in Bezug auf den Zeitpunkt ein (dazu bereits soeben).[26] Vor der Urteilsverkündung ist in diesen Fällen nur die Ablehnungsentscheidung zu treffen; die Gründe der Ablehnung dürfen in den schriftlichen Urteilsgründen nachgereicht werden.[27] Nicht das Recht der Verfahrensbeteiligten, auf die Beweisaufnahme einzuwirken, wird damit restringiert (das regeln § 244 Absätze 3 bis 5 und Abs. 6 S. 2 StPO), sondern lediglich die Umsetzung des "formalisierten Dialogs"[28] wird zeitlich gestreckt.[29] Der zulässige, aber abgelehnte Beweisantrag muss weiterhin verbeschieden werden, nur kann die Begründung für die Ablehnung ausnahmsweise erst in den Urteilsgründen erfolgen.[30] Damit wird zwar "begründungslos" befristet, aber gerade nicht "begründungslos" abgelehnt, sondern die weiterhin zwingende Begründung der Ablehnung (§ 244

Abs. 6 S. 1 StPO) des Beweisantrags[31] ist u.U. zeitlich nachreichbar.[32]

Der Gründe für die Befristung sind letztlich banal: Beschleunigung, Straffung, Disziplinierung.[33] Das wohnt dem Sinn und Zweck des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO inne und enthüllt selbst durch Offenlegung daher keine Geheimnisse. Zudem ist die Fristsetzung nach § 238 Abs. 2 StPO rügbar[34] (zumindest in Bezug auf ihre Ermessensfehlerhaftigkeit, nicht aber auf ihre fehlende Zweckmäßigkeit[35]), was eine Begründung durch Beschluss des Gerichts erzwingt, welcher wiederum der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt.[36] Dringt man demnach zum Kern der Regelung in § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO vor, wird deutlich, dass eine etwaige Begründung für die Fristbestimmung für die Beteiligten gar keinen Mehrwert bietet, denn die Begründung der Fristbestimmung für die Stellung des Beweisantrags weist mit dem inhaltlichen Begehren des Antragsstellers im Beweisantrag keinen Konnex auf. Der Wunsch (zumindest des Gerichts) nach einer Beschleunigung der Abläufe unterliegt weiterhin dem Primat des Vorrangs der Sachaufklärung nach § 244 Abs. 2 i.V.m. § 246 StPO und den strengen Regelungen der § 244 Absätze 3 bis 5 StPO. Der Beweisantrag wird also weiterhin nicht abgelehnt, "weil er verfristet ist", sondern weil – u. U. – ein Ablehnungsgrund nach § 244 Absätze 3 bis 5 StPO oder ein "Verschleppungsantrag" i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 2 StPO vorliegen. Mit Überschreitung der Frist wird der Beweisantrag in keiner Form inhaltlich präkludiert.[37] Eine Mitteilung der Gründe für die Fristbestimmung ändert zudem nichts an den Rechtsfolgen nach § 244 Abs. 6 S. 4 StPO, sondern schafft nur eine weitere, rein formale Fehlerquelle, die den Antragsteller allerdings schon nicht beschweren kann. Selbst wenn sich ergäbe, dass die Fristsetzung das Verfahren nicht beschleunigt, sondern verzögert, kann ein Urteil nicht i.S.d. § 337 Abs. 1 StPO auf diesem Fehler beruhen.[38]

Wenn die Fristbestimmung nicht weiter begründet werden muss, lässt dies entsprechend auf die Frage nach einer Pflicht zur Begründung der Fristdauer schließen. Nicht die Setzung der Frist als solches beschleunigt schließlich das Verfahren, sondern die Bestimmung ihrer Länge.[39] Der im Beschluss dargelegte Automatismus, dass auch die Dauer der Frist keiner weitergehenden Begründung bedarf, liegt dabei jedoch nicht ganz so deutlich auf der Hand:[40] Der Wortlaut des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO spricht immerhin davon, dass eine "angemessene" Frist gesetzt werden muss.[41] Die Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der revisionellen Überprüfung.[42] Um sinnvoll prüfen zu können, ob die vom Gericht bestimmte Frist angemessen ist, bedarf es grundsätzlich einer Begründung für die Bestimmung der konkreten Frist.[43] Einschränkend gilt das jedoch nur, wenn die Fristsetzung zuvor mittels Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 StPO angegriffen wurde.[44] Damit ist die Pflicht zur Begründung der Fristdauer zum einen subsidiär und – da bereits die Bestimmung der Frist nicht begründet werden muss (dazu soeben) –, teilt die Bestimmung der Dauer der Frist dieses Schicksal. Zum anderen ist es nicht die fehlerhafte Begründung der Dauer, die den Antragsteller beschweren kann, sondern die fehlerhafte Dauer selbst. Damit ist durch eine Kenntnis der Gründe für die Bestimmung der Fristdauer weder in der Sache noch für das Verfahren etwas gewonnen.

2. Aber: Atmosphärische Störungen

Die Intensität des Eingriffs in die Verteidigungsrechte durch den § 244 Abs. 6 S. 3 bis 5 StPO im Allgemeinen und durch die fehlende Pflicht zur Begründung der Pflichtsetzung und deren Dauer im Besonderen ist damit weitaus geringer als es zunächst wirkt.[45] Es ist jedoch zutreffend, dass das Regelungsregime in § 244 Abs. 6 StPO allusiven Charakter hat.[46] An diesem wird sich rege gestört, wenngleich der Ton von beiden Seiten dabei nicht immer sachdienlich ist.[47] Die gesetzgeberische Botschaft lautet jedenfalls: Die Taktik des sukzessiven ("schubweisen") Anbringens von Beweisersuchen am Ende der Hauptverhandlung

verdient keinen rechtlichen Schutz.[48] Obwohl die Formulierungen in § 244 Abs. 6 StPO allesamt neutral gehalten sind, schwingt zwischen den Zeilen ein spezifisches Verständnis der (angeblich) "typischen Vorgänge" mit: Gerichte präferierten straffe und zügige, allein an der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO orientierte Beweisaufnahmen, wohingegen die Verteidigung dazu neige, Beweisanträge eher aus sachfremden Gründen zu stellen. Man wolle schlimmstenfalls obstruieren, im besten Falle zumindest Zeit schinden. Das zur Aufklärung verpflichtete Gericht müsse ebendiese Aufklärung daher freihalten dürfen von Störungen.[49] Freilich ist dies eine sehr einseitige und gerichtszentrierte Perspektive, denn sie zeichnet das Bild einer von Amts wegen stets ausreichenden und durch die weiteren Beweisanträge im Grundsatz eher belasteten, wenn nicht gar behinderten Beweisaufnahme. Das zusätzliche Problem an dieser Deutung: Selbst, wenn es damit nicht (mehr) die Verschleppung i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 2 StPO ist, die unterbunden werden soll, wohnt der abstrakten Fristsetzungskompetenz weiterhin ein Disziplinierungsmoment inne, bei dem zu besorgen ist, dass es nicht auf Ausnahme- und Extremfälle beschränkt bleibt.[50]

Überdies wird eine bereits bestehende Dysbalance des Strafverfahrens zementiert: Da die Staatsanwaltschaft durch ihre Anklageschrift die Beweisaufnahme wegweisend vorstrukturiert, verbleibt der Verteidigung ohnehin nur die nachträgliche Einwirkung.[51] Es verbietet sich aber, dieses Strukturproblem der StPO stets zulasten der Verteidigung auszulegen.[52] Der "nötigende" Charakter des Beweisantrags[53] ist der Regelung des § 244 StPO vielmehr immanent und daher im Hinblick auf die Zweck-Mittel-Beziehung nicht verwerflich.

Über allem ist die "Störungsvermutung" zu pauschal und verkennt die u.U. durchaus gewinnbringenden Effekte der sukzessiven Stellung von Beweisanträgen:[54] Durch zeitlich gestreckte Aufrüttelung können etwaig bestehende, mentale Verfestigungen auf Seiten der Justiz gelockert werden.[55] Außerdem wird auf diese Weise das Gefühl des Beschuldigten, effektiv mitwirken zu können, aufrechterhalten.[56] Beweisanträge "im Block" stellen zu müssen oder eine Antwort erst mit dem Urteil zu erhalten, schwächt die Wahrnehmung einer als fair und regelgerecht ablaufenden (Neo-)Inquisition.[57] Die Informationsfunktion des Beweisantrags ist dabei ein gewichtiger Ankerpunkt für die Verteidigung: Die Reaktion des Gerichts auf die Beweisbehauptungen in Form der Begründung der Beschlüsse, mit denen Beweisanträge abgelehnt werden, bietet der Verteidigung wertvolle Einblicke in die Einschätzung des Spruchkörpers zu spezifischen Teilaspekten der Beweisaufnahme.[58]

Nicht überzeugend ist letztlich, dass eine Begründungspflicht der durch § 244 Abs. 6 StPO intendierten Straffung und Beschleunigung der Abläufe stets zuwiderliefe.[59] Die befürchtete Belastung des Tatgerichts durch eine Begründungspflicht in Bezug auf die Fristbestimmung ist indes fadenscheinig: Da sich nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO eine "angemessene" Frist überlegt werden muss und die Fristbestimmung im Ermessen des Vorsitzenden steht, sind Überlegungen zum "ob" und "wie" ohnehin erforderlich. Es erscheint nahezu ausgeschlossen, dass das Nennen bzw. Aufschreiben dieser Überlegungen, die nicht mehr als wenige Sätze einfordert, ein (über-)langes Verfahren endgültig zum Stillstand bringen würde.[60]

3. Dennoch: Dogmatische Eindeutigkeit

Die Fristbestimmungskompetenz nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO ist demnach nachvollziehbarerweise ein "Stimmungskiller" (zumindest für die Strafverteidigung) und ist als Instrument auch gefährlich nahe am Missbrauch (durch die Justiz) gebaut. Derlei Kritik am Atmosphärischen versucht jedoch, die Uhren zurückzudrehen.[61] Es handelt sich um eine zu akzeptierende, da demokratisch legitimierte Entscheidung, dass der Gesetzgeber eine "anlasslose" (besser: begründungslose) Fristbestimmung für

Beweisanträge im Strafverfahren unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO für zulässig hält.[62] Bedeutsame strategische Erwägungen der Verteidigung für den Erhalt des Rechts auf sukzessive Beweisantragsstellung wurden im Gesetzgebungsverfahren gesehen und dennoch wurde die geltende Regelung getroffen.[63] Beweisantragsfristen im Strafverfahren sind zudem verfassungsrechtlich dem Grunde nach nicht zu beanstanden und verstoßen als solche auch nicht prinzipiell gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.[64] Zumindest "überraschend" sollte die Fristsetzung nicht sein, was sich jedoch entweder über eine Vorankündigung der beabsichtigten Befristung oder über eine entsprechend lange Fristdauer verhindern lässt.[65]

Da es sich um eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden handelt, ist diese auch nicht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich möglich. Eine Verkürzung von Verteidigungsrechten war seitens des Gesetzgebers jedenfalls nicht intendiert.[66] Der Gesetzgeber betreibt mit § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO eben nicht akute Missbrauchsabwehr, sondern abstrakte Missbrauchsvorsorge.[67] Das ist legitim.

4. Zwischenfazit: Gesetz vor Gefühl

Eine Begründungspflicht bei § 244 Abs. 6 S. 3 StPO für die Fristbestimmung einzufordern ist weder vom Wortlaut noch von der Systematik des § 244 StPO gedeckt. Wer dennoch eine Begründung für die Fristbestimmung und deren Dauer "braucht", kann sie über § 238 Abs. 2 StPO erlangen.

III. Zeitpunkt des "Abschlusses der Beweisaufnahme" i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO

Abschließend ist das obiter dictum zu beleuchten: Wann die Beweisaufnahme i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO "abgeschlossen" ist, zeitigt echte Folgen für das Verfahren. Erweist sich die Fristsetzung als rechtsfehlerhaft, weil die Voraussetzungen für eine Fristsetzung nicht vorgelegen haben (zu denen die Begründungspflicht gerade nicht gehört, s.o.), ist ein Beruhen des Urteils auf diesem Fehler anzunehmen.[68]

Problematisch ist vor allem die Auslegung des Passus der "von Amts wegen vorgesehenen" Beweisaufnahme. Beweisaufnahme i.e.S. meint den sich an die Vernehmung des Angeklagten anschließenden, durch §§ 244 bis 257a StPO geregelten Teil der Hauptverhandlung, in dem das Gericht unter Beteiligung der weiteren Verfahrensbeteiligten die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung über Schuld- und Rechtsfolgenausspruch im Strengbeweis zusammenträgt. Die Beweisaufnahme i.w.S. erfasst jede sonstige Tätigkeit des Gerichts in der Hauptverhandlung, mit der es sich über das Bestehen eines konkreten entscheidungserheblichen Sachverhalts die erforderliche Gewissheit erarbeitet.[69]

Es sind dabei zwei Konstellationen zu trennen:[70] In der ersten Variante hat das Gericht das von Amts wegen vorgesehene Beweisprogramm abgeschlossen,[71] während weitere Beweisanträge zwar bereits gestellt, aber noch nicht verbeschieden wurden. In der zweiten Variante ist das von Amts wegen vorgesehene gerichtliche Beweisprogramm abgeschlossen, während weitere Beweiserhebungen zwar bereits angeordnet, jedoch noch nicht durchgeführt worden sind.

Für die erste Variante ist das Meinungsbild erneut zweigeteilt: In der Literatur wird mehrheitlich vertreten, dass die Beweisaufnahme erst "abgeschlossen" sei, wenn über alle bereits gestellten Beweisanträge auch entschieden wurde.[72] Ansonsten würde die Beweisaufnahme in einen "Offizial-Block" (§ 244 Abs. 2 StPO) und einen "Adversativ-Block" (§ 244 Absätze 3 bis 5 StPO) gespalten.[73] Dazu ließe sich hören, dass der Umfang der von Amts wegen zu erhebenden Beweise unbeschadet des Ursprungs des Beweisantrags gelte.[74] Das Tatgericht verschaffe sich schließlich stets unter Beteiligung der mitwirkungsberechtigten anderen Verfahrenssubjekte die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung über den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch. Das bedeute, dass keine Bindung an die – ursprünglich von der Anklage vorgesehenen – Beweismittel bestehe.[75] Ob bereits gestellte Beweisanträge nach § 244 Abs. 2 StPO oder nach den Absätzen 3 bis 5 zu behandeln seien, sei für den Zeitpunkt i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO demzufolge ohne Belang.[76] Eine Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO dürfte sodann erst erfolgen, wenn alle bereits gestellten Anträge auch verbeschieden wurden.

Nach Auffassung des 6. Strafsenats hingegen sind noch nicht verbeschiedene Beweisanträge gerade nicht Teil der Beweisaufnahme. Die Argumentationskette hierfür überzeugt:[77] § 244 Abs. 6 S. 3 StPO schließt unmittelbar an § 244 Abs. 2 StPO an (s.o.), was dafür spricht, dass "von Amts wegen vorgesehen" gerade "vom Tatgericht

ursprünglich oder i.S.d. § 244 Abs. 2 StPO vorgesehen" bedeutet.[78] Dürfte eine Fristsetzung zudem erst erfolgen, wenn über alle bereits gestellten Beweisanträge entschieden wurde, könnte mittels einer stetig fortgeführten sukzessiven Beweisantragstellung eine "ewige Beweisaufnahme" geschaffen werden, die eine Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO unmöglich machte. Das ist nicht nur ersichtlich nicht mehr vom Regelungszweck erfasst, sondern stellt zugleich exakt den Regelungsgrund dar, für den die Fristsetzungskompetenz eingefügt wurde: Die Disziplinierung der Handhabe, Beweisanträge nur zum Zwecke der Verschleppung oder zumindest zur Obstruktion zu stellen sowie die Beschleunigung und Straffung der Abläufe.[79] Bereits denklogisch muss die "vorgesehene Beweisaufnahme" somit die ursprünglich gerichtlich vorgesehene sowie die vom Gericht aufgrund seiner Amtsaufklärungspflicht i.S.d. § 244 Abs. 2 StPO eigenständig ergänzte Beweisaufnahme sein. Daher muss mit der Fristbestimmung durch das Gericht i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO nicht zwingend gewartet werden, bis alle bereits gestellten Beweisanträge verbeschieden wurden.[80] Es bleibt allerdings im Ermessen des Vorsitzenden, entsprechend zu agieren.

Anders wird dies zum Teil mit Hinweis auf bestehende Möglichkeiten zur abweichenden Verhandlungsführung durch den Vorsitzenden gesehen:[81] Das Risiko zum Eintritt von Verzögerungen obliege demzufolge alleine der Sphäre des Gerichts. Solle weiteren, während der Beweisaufnahme gestellten Beweisbegehren nicht nachgekommen werden, sei ein Hinweis bei der Ablehnung der Beweisanträge erforderlich, dass nunmehr sämtliche Anträge der Verfahrensbeteiligten als erledigt anzusehen seien. Der Vorsitzende könne im Anschluss entweder eine Beweisantragsfrist i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO bestimmen oder weitere Beweisanträge zulassen. Im Anschluss gestellte Beweisanträge erfolgten sodann innerhalb der gesetzten Frist, während diese Fristsetzung sogar durch weitere (sukzessive) Beweisanträge nicht mehr verhindert werden könnte. Dieser Einwand schleicht um das eigentliche Problem jedoch herum: Das vorgeschlagene Vorgehen ist zwar praktisch umsetzbar, beantwortet aber nicht die Frage, ob die noch nicht verbeschiedenen Beweisanträge Teil der "vorgesehenen Beweisaufnahme" sind. Sind sie es, besteht das Problem der Verzögerungsmacht durch sukzessive Beweisantragsstellung weiterhin fort. Dass es – zugegebenermaßen – auch in der Hand des Vorsitzenden liegt, keine unnötigen Friktionen zu erzeugen (dazu soeben), hebelt das Regelungsregime des § 244 Abs. 6 StPO nicht aus.

Für die zweite Variante (Beweiserhebungen bereits angeordnet, aber noch nicht durchgeführt) gilt konsequent, dass eine Fristsetzungsbefugnis nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO nur ausscheidet, wenn weitere in diesem Stadium gestellte Beweisanträge ebenfalls unter § 244 Abs. 2 StPO fallen. Ansonsten ist die "von Amts wegen vorgesehene" Beweisaufnahme auch hier abgeschlossen.[82]

1. Aber: Atmosphärische Störungen, die Zweite?

Die rechtspolitische Fragwürdigkeit dieser (sehr) strengen Deutung des § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO drängt sich wahrscheinlich noch deutlicher auf als bei der (fehlenden) Begründungspflicht für die Fristbestimmung: Das vom 6. Strafsenat konturierte und vorliegend abgesicherte Verständnis der Vorschrift stärkt – scheinbar – ausschließlich das Gericht und schwächt die Rechte der Verteidigung. Doch auch dieser zunächst griffige Einwand ist in mehrfacher Hinsicht zu entkräften:

Der Begriff der "Beweisaufnahme" ist nicht das wirklich scharfe Schwert in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO. Die konkrete Handhabe der Fristbestimmung durch den Vorsitzenden und die Länge der Fristdauer sind es indes, die zwischen "Stimmungskiller" und "souveräner Verhandlungsführung" scheiden. Eine rechtzeitig angekündigte Absicht des Vorsitzenden, eine Frist für die Stellung weiterer Beweisanträge stellen zu wollen in Kombination mit einer großzügig bemessenen Fristdauer entschärfen die Eingriffsintensität in das Recht der Verteidigung auf sukzessive "Nötigung" des Gerichts erheblich.[83] Für den Fall, dass ein innerhalb der Fristdauer neu erhobener Beweis weitere Beweiserhebungen einfordert, ist dies über § 244 Abs. 2 StPO abgedeckt. Für den Fall, dass sich diese sukzessive Beweiserhebung nur durch einen Beweisantrag seitens der Verteidigung erzwingen lässt, ist ebenfalls keine Beschränkung der Verteidigungsrechte ersichtlich, da die Antragstellung hierfür noch innerhalb der Frist erfolgt. Damit muss der Antrag auch noch vor Schluss der Beweisaufnahme verbeschieden und die Gründe hierfür bei einer Ablehnung in der Hauptverhandlung genannt werden, § 244 Abs. 6 S. 1 StPO.

Lediglich für den – denkbaren, jedoch eher seltenen – Fall, dass sich aus einer Beweiserhebung, die auf Drängen der Verteidigung i.S.d. § 244 Abs. 3 StPO hin zugelassen wurde, allerdings erst nach Fristablauf erfolgte, erneut ein Beweisbegehren seitens der Verteidigung ergäbe, würde die vormalige Fristsetzung gerissen, da die "vorgesehene Beweisaufnahme" nach der hiesigen Lesart durch einen Beweisantrag, der § 244 Absätze 3 bis 5 StPO unterfällt, nicht mehr erweitert werden kann. Auch hier steht es dem Gericht jedoch frei, den Beweis sofort zu erheben oder unmittelbar und mit Gründen über den Antrag zu entscheiden, denn die Rechtsfolge des § 244 Abs. 6 S. 4 StPO (Mitteilung der Gründe erst in den Urteilsgründen) ist eine Ermessensentscheidung. Diese wird maßgeblich dadurch konturiert, dass die Gründe, die für eine Ablehnung eines Beweisantrags sprechen, nicht erst in den Urteilsgründen genannt werden dürfen, wenn sich diese im Widerspruch zu den Urteilsgründen verhalten. Aus dem

Rechtsgedanken des § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO folgt, dass das Tatgericht dann nicht von der dilatorischen Ablehnungsbegründung Gebrauch machen darf, wenn ein Fall vorliegt, in dem das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.[84] Die Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO schränkt die Ermessensausübung im Rahmen des § 244 Abs. 6 S. 4 StPO dadurch i.S.d. Anspruchs auf rechtliches Gehörs und unter Wahrung der Verfahrensfairness ein.[85] Das Risiko der Verteidigung, durch das Nachreichen der Ablehnungsbegründung erst in den Urteilsgründen um zwingend erforderliche Informationen gebracht zu werden, ist damit gebannt, wenn nicht gar aufgehoben.

2. Zwischenfazit

Der "Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme" in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO ist nach dem Wortlaut nicht mit dem "Schluss der Beweisaufnahme" in § 258 Abs. 1 StPO gleichzusetzen. Es ist somit zu differenzieren, ob eine Beweiserhebung vom Grundsatz der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO oder ("nur") vom Recht auf Stellung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 3 bis 5 StPO umfasst ist.[86] Die "von Amts wegen vorgesehene" Beweisaufnahme ist dabei stets die ursprüngliche oder die vom Gericht wegen der Pflichten der Amtsaufklärung erweiterte Beweisaufnahme, nicht hingegen der Beweisantrag, der nach Maßgabe von § 244 Absätze 3 bis 5 StPO zu behandeln ist. Durch die Fristsetzungskompetenz in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO werden damit sowohl der dynamische Vorgang der Amtsaufklärung i.S.d. § 244 Abs. 2 StPO als auch die im Gesetz angelegte Trennung von amtlicher Beweisaufnahme und parteilicher Beweisbeantragung einer Zäsur unterworfen.

Die Auslegung des 6. Strafsenats zum Passus der "vorgesehenen Beweisaufnahme" ist damit vertretbar und überzeugt auch aus systematischen Gründen. Dass sie rechtspolitische Signale setzt, ist ein Faktum; ob dies wirklich die Absicht des 6. Strafsenats war oder nicht vielmehr ein "formalisierter Diskurs" mit den übrigen Strafsenaten und der Wissenschaft über die Auslegung des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO gesucht wurde, bleibt Spekulation. Die Darlegung als "nebenbei Gesagtes" spricht für Zweites.

IV. Zusammenfassung zum status quo des § 244 Abs. 6 StPO

Die Zusammenschau der neueren Rechtsprechung zu § 244 Abs. 6 StPO sowie die kongruente Auslegung des gesetzliche Regelungsregimes ergeben folgende Binnensystematik:[87]

1)      Es existieren drei "Arten" von Beweisanträgen: Zulässige und unmittelbar[88] zu bescheidende (§ 244 Absätze 3 bis 5 sowie Abs. 6 S. 1 StPO), zulässige, aber verfristete (§ 244 Abs. 3 bis sowie Absätze 6 S. 3 bis 5 StPO) sowie unzulässige Beweisanträge (§ 244 Abs. 6 S. 2 StPO). In Bezug auf die zulässigen, aber verfristeten Anträge wurde durch § 244 Abs. 6 Sätze 4 und 5 StPO keine echte Präklusionsregel eingeführt, sondern lediglich die Erfüllung der Begründungspflicht für den weiterhin nach den § 244 Absätze 3 bis 5 StPO zu behandelnden Beweisantrag wurde – fakultativ – in die Urteilsgründen verzögert. Konturiert wird das richterliche Ermessen zur Behandlung der Gründe erst im Urteil vor allem über die prozessuale Mitteilungspflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO.

2)      Die Fristbestimmung in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO darf zwar "anlasslos" erfolgen, was allerdings nicht "grundlos", sondern lediglich "begründungslos" bedeutet. Da es sich um eine Ermessensvorschrift handelt, muss die Entscheidung des Vorsitzenden im Rahmen des § 238 Abs. 1 StPO dem angedachten Sinn und Zweck der Regelung entsprechen. Dieser liegt in der Beschleunigung und Straffung der Abläufe und in der Disziplinierung der Handlungen der Verfahrensbeteiligten. Nicht (mehr) erforderlich ist das Vorliegen (des Verdachts) einer Verschleppungsabsicht, was sich aus der systematischen Abfolge von § 244 Abs. 6 S. 2 und § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO ergibt. Da die Handhabe dem Ermessen des Vorsitzenden unterliegt und dieses von den Wertungsvorgaben des § 244 Abs. 2 und des § 246 Abs. 1 StPO determiniert wird, bleibt die Fristsetzung trotz ihrer vorgeblichen "Adelung" zur Standardmaßnahme weiterhin eine faktische Ausnahmevorschrift.

3)      Nicht nur grammatisch und systematisch ist weder eine Begründung für die Fristbestimmung noch für die Fristdauer erforderlich. Eine solche Begründungspflicht (bzw. deren Fehlen) entfaltete zudem keine positiven oder negativen Auswirkungen auf die Rechtsposition der Verteidigung oder des Beschuldigten, da die Gründe für die Fristbestimmung binnenlogisch zwingend stets in der Beschleunigung und Straffung der Abläufe liegen müssen und "falsche" Gründe den Antragsteller nicht i.S.d. § 337 Abs. 1 StPO beschweren können. Das einzig (!) scharfe Schwert in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO ist die Fristdauer, jedoch ebenfalls nicht in Bezug auf deren Begründung, sondern ausschließlich im Hinblick auf die tatsächliche und effektive Länge dieser Frist.

4)      Mit Einfügung von § 244 Absätze 3 bis 5 StPO wurde die Beweisaufnahme endgültig in einen Offizial- und in einen Adversativteil getrennt. Die enge Auslegung des Passus der "von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme" in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO vertieft diese Trennung nicht, sondern fügt sich lediglich in die bereits bestehende Systematik ein.

E. Fazit: Verschobene Koordinaten im (noch) funktionalen System

Es ist – wenngleich es zum Teil unbefriedigend anmutet – das ureigene Recht des Gesetzgebers, das Strafverfahren zu modifizieren und dabei auch jahrzehntelange Gewissheiten zu erschüttern. Koordinaten verschieben sich und sie dürfen auch verschoben werden. Verändert wurde durch viele kleine Nudges die (untechnische) Darlegungslast in Bezug auf das Beweisantragsrecht: Nicht das Gericht muss seine Fristbestimmung für die Beweisantragstellung begründen, sondern die "grundlose" sukzessive Beweisantragstellung nach Abschluss der Beweisaufnahme entspricht nicht (mehr) dem Leitbild des Gesetzes und kann – da im Zweifel nicht goutiert – die Verkürzung von Informationsrechten der Verteidigung bedingen.[89] Inwieweit die höchstrichterliche Rechtsprechung dieser Koordinatenverschiebung Vorschub leisten oder die Tendenzen abschwächen sollte, ist eine anders gelagerte Frage als die, ob sie entsprechende gesetzgeberische Bestrebungen überhaupt einschränken darf.[90] Stört man sich jedenfalls allein daran, dass die Fristbestimmung (und deren Dauer) nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO nicht begründet werden muss, kritisiert man am eigentlichen Sündenfall vorbei. Dieser liegt nicht in der "Anlasslosigkeit" der Befristung,[91] denn hierfür ließen sich ohne weiteres revisionsfeste Anlassformulierungen nach dem Baukastenprinzip konzipieren. Der Sündenfall ist indes, dass durch die Einfügung des § 244 Abs. 6 Sätze 3 bis 5 StPO die Grundregel aus § 246 StPO empfindlich ausgehöhlt wurde und damit eine Klassifikation von Beweisanträgen als "verspätet" überhaupt möglich geworden ist. Die Fremdartigkeit dieser Restriktion des Rechts auf die Stellung von Beweisanträgen – die von anderen Strafsenaten auch zugestanden wird[92] – wird durch die fehlende Begründungspflicht in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO nur noch deutlicher ausgestanzt. Die Begründungspflicht bereits in die Anordnungskompetenz (quasi teleologisch) hineinzulesen, würde diesen kritikwürdigen Rechtszustand der Kappung der formalisierten Diskurses durch (weiche) Präklusionsregelungen ohne echten Zugewinn für die Verfahrensbeteiligten allenfalls "normalisieren".

Zumindest aus dogmatischer Sicht sind die Argumentationslinien im Beschluss des BGH zu den beiden ausgeführten Topoi stringent und nachvollziehbar. Ob die Praxis der Strafverteidigung dadurch tatsächlich – wie zum Teil befürchtet – spürbare Einbußen erleiden wird, muss sich erst noch zeigen, steht angesichts des fortwirkenden faktischen Ausnahmecharakters der Fristbestimmungskompetenz jedoch eher nicht zu befürchten.[93] Sowohl für den Einzug inflationärer Fristbestimmungen als auch für die willkürliche Handhabe von Diskursdurchbrechungen – und damit ein "Kippen" der Zustände – bleibt dem BGH die Möglichkeit, erneut nachzuschärfen.[94] Der Verteidigung steht zugleich die Türe offen, das Regelungsregime des § 244 Abs. 6 StPO als Ganzes auf die große Bühne der verfassungsrechtlichen Überprüfung zu stellen.[95]


* Der Verfasser ist Privatdozent und zurzeit Lehrstuhlvertreter an der Universität Passau (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Strafrechtsgeschichte). Herzlicher Dank gilt Wiss. Mitarbeiter Felix Krohn, LL.B. (Bucerius Law School Hamburg) für den gedanklichen Austausch.

[1] Nach Mosbacher JuS 2024, 743, 746 bestehe "[s]eit Inkrafttreten der Regelung[…]Streit über die Auslegung wichtiger Tatbestandsmerkmale"; Güntge, in: Alsberg/Dallmayer/Güntge/Tsambikakis, Der Beweisantrag im Strafprozess, 8. Aufl. 2022. Kap. 6 Rn. 140 meint, dass die heutige gesetzliche Regelung weit über das hinausreiche, was die Rechtsprechung ursprünglich judiziert hatte.

[2] BGH NJW 2024, 1122, 1123 = HRRS 2024 Nr. 292; vgl. auch die Besprechungen von Börner NStZ 2024, 319 ff., Schork NJW 2024, 1127 und Stuckenberg JR 2024, 556 ff.

[3] Vgl. BGH NJW 2024, 1594 f. = HRRS 2024 Nr. 608: Ein Beweisantrag erfordere, dass eine bestimmte Beweistatsache behauptet werde. Die Nennung eines bloßen Beweisziels, d.h. der Schlussfolgerung, die vom Gericht gezogen werden solle, genüge nicht. Der Antrag der Beschwerdeführer erschöpfe sich in der Mitteilung des Beweisziels, nämlich der Behauptung, dass die Tat nicht wie in der angeklagten Form hätte durchgeführt werden können. Die unter Beweis zu stellende Unmöglichkeit der Tatbegehung sei jedoch nicht allein an das Ladevolumen des Tatfahrzeuges, sondern an das Verbringen geknüpft gewesen, d.h. auch weitere Fragen zur Verlade-, Weg- und Transportzeit hätten die Beweisbehauptung festigen müssen. Auch hätte die Zahl der beteiligten Täter konkretisiert werden müssen, um klarzustellen, welche konkreten Umstände aus dem Anklagevorwurf als fehlerhaft bewiesen werden sollten. Der Antrag war somit allein an § 244 Abs. 2 StPO zu messen. Der BGH kommt zu dem Schluss, dass sich angesichts der ständigen Standzeiten des Lkw am Tatort weitere Beweiserhebungen in der vom Antragsteller anvisierten Richtung nicht aufdrängen mussten.

[4] Vgl. BGH NJW 2024, 1594, 1597 = HRRS 2024 Nr. 608. § 244 Abs. 6 S. 3 StPO enthalte auch nicht die weitergehende Pflicht, dass das Gericht auf die Rechtsfolgen einer nach Fristablauf erfolgten Antragstellung hinweisen müsse. Eine solche Hinweis- oder Belehrungspflicht finde schon keinerlei Anhaltspunkte in Wortlaut und Systematik der Vorschrift. Insbesondere bei verteidigten Angeklagten sei sie nicht geboten. Im konkreten Fall hatte der Vorsitzende vor Schluss der Beweisaufnahme ohnehin mitgeteilt, dass die drei verspätet gestellten Beweisanträge einer Bescheidung im Urteil zugeführt würden.

[5] Vgl. zudem BGH NJW 2024, 1594, 1596 f. = HRRS 2024 Nr. 608: Eine fristgerechte Antragstellung sei im konkreten Fall auch nicht gemäß § 244 Abs. 6 S. 4 Hs. 2 StPO unmöglich gewesen. Der nach Fristablauf gestellte Beweisantrag habe schon nicht glaubhaft gemacht, dass die Einhaltung der Frist unmöglich gewesen sei. Die Konstellation sei auch mit einem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme nicht zu vergleichen (zu dieser Konstellation BGH NJW 2021, 2129, 2130 = HRRS 2021 Nr. 606 und KK-StPO/Krehl, StPO, 9. Aufl.[2023], § 244 Rn. 87e). Der Ablehnungsbeschluss i.S.d. § 244 Abs. 6 S. 1 StPO stelle eine Entscheidung infolge einer Prozesserklärung der Beschwerdeführer dar. Die Frist nach § 244 Abs. 6 S. 1 StPO sei durch die erfolgte Begründung nach § 24 Abs. 6 S. 1 StPO nicht nachträglich gestört worden. Ein Nachschieben von Gründen im Rahmen des § 244 Abs. 6 S. 5 StPO sei nicht unzulässig. Dass auch ein weiterer Lkw bei der Tatbegehung eingesetzt worden sein könne, aktiviere keine Hinweispflicht i.S.d. § 265 StPO. Den Verfahrensbeteiligten sei nicht die Möglichkeit genommen worden, weitere Beweisanträge zu stellen. Lediglich der Anspruch, Ablehnungsgründe vor Abschluss der Beweisaufnahme zu erfahren, werde beschränkt. Versäumen die Beteiligten eine Beweisantragstellung vor Fristablauf, liege das in ihrem eigenen Verantwortungsbereich. Dass ein weiterer Lkw zum Abtransport des Stehlguts eingesetzt worden sei, stelle lediglich eine unwesentliche Konkretisierung des Tatablaufs dar, die keine Hinweispflicht i.S.d. § 265 StPO auslöse. Da sich in der Beweismittelliste nach § 200 Abs. 1 S. 3 StPO Videoaufzeichnungen und Screenshots befanden, sei für die Beschwerdeführer erkennbar gewesen, dass dem Tatverdacht auch der Einsatz mehrerer Fahrzeuge zugrunde gelegt wurde. Es sei daher nicht überraschend gewesen, dass das Gericht von der Verwendung mehrerer Tatfahrzeuge ausging.

[6] Zur in (Fn. 5) aufgeworfenen Frage, wann die "Unmöglichkeit" der fristgerechten Antragstellung glaubhaft gemacht wurde, vgl. Habetha NJW 2024, 1547, 1549; Mosbacher NStZ 2018, 9, 11 f.; Schneider NStZ 2019, 489, 496 ff.; zur etwaig bestehenden Hinweispflicht nach § 265 StPO vgl. Börner JZ 2018, 232, 234, der eine besondere Verknüpfung zwischen § 265 Abs. 2 und 3 StPO und § 244 Abs. 6 StPO sieht; ebenso LR-StPO/Becker, 27. Aufl. (2019), § 244 Rn. 359o und KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87d.

[7] Stuckenberg JR 2024, 556.

[8] Georg NStZ 2024, 444.

[9] Habetha NStZ 2024, 385; LR-StPO/Becker (Fn. 6), § 246 Rn. 1.

[10] Zur Entstehungsgeschichte des § 244 StPO umfassend LR-StPO/Becker (Fn. 6), § 244 vor Rn. 1.

[11] Hierzu auch Börner JZ 2018, 232, 235. Bei der inzwischen obsoleten (a.A. KK-StPO/Krehl[Fn. 5], § 244 Rn. 87a; Krehl FS Fischer, 2018, 705, 708: weiterhin bedeutsam; ebenso BeckOK StPO/Bachler, 52. Ed. (2024), § 244 Rn. 30; zu Kombinationsmodellen MüKoStPO/Trüg/Habetha, 2. Aufl. (2024), § 244 Rn. 185z) materiellen Fristenlösung konnte die Nichteinhaltung der Frist als Indiz für das Vorliegen einer Verschleppungsabsicht gewertet werden.

[12] BGH NJW 2005, 2466 = HRRS 2005 Nr. 543, NJW 2007, 2501 = HRRS 2007 Nr. 602 und NJW 2009, 605 = HRRS 2008 Nr. 1150; kritisch hierzu Kudlich/Göken JR 2024 (aop): "bemerkenswert"; Güntge (Fn. 1), Kap. 6 Rn. 140: "Beschneidung des Rechts auf effektive Verteidigung"; noch deutlicher Gaede NJW 2009, 608: "Aus der mit § 246 I StPO auch zeitlich gewährten freien Verteidigung wird nun eine Verteidigung, die unter dem Druckmittel der tadelnden Fristsetzung steht.[…]Auch im Konnex mit § 238 StPO kann das Beweisantragsrecht nicht aus einem (ehemals) exzeptionellen Missbrauchsverbot heraus neu erfunden werden."

[13] Dazu Börner NStZ 2020, 460 ff.

[14] Vgl. hierzu Habetha NJW 2021, 1288 und Hinweis auf die Auswertungen der BMJV-Expertenkommission: Nur in jedem vierten landgerichtlichen Verfahren würden überhaupt Beweisanträge gestellt; in der Hälfte dieser Verfahren nur einer und in nur 6 % dieser Verfahren fünf oder mehr. Die Reform Mitte 2017 betreffe daher "ganz untypische Ausnahmefälle"; anders wiederum Schneider NStZ 2019, 489: "[Die Pflicht, Beweisanträge in der Hauptverhandlung verbescheiden zu müssen,]kann taktisch dahingehend instrumentalisiert werden, dass nicht sogleich sämtliche intendierten Beweisanträge auf einmal, sondern zunächst nur einige von ihnen vorgebracht werden, um im Anschluss an ihre Bescheidung immer wieder weitere stellen zu können. Der geysierartige Effekt dieses an die richterliche Bescheidungspflicht gekoppelten Vorgehens ähnelt in fataler Weise dem aus dem US-amerikanischen Senat geläufigen ‚filibuster‘; er droht den geordneten Gang der Wahrheitsfindung nachhaltig zu beschädigen."

[15] Auch in § 244 Abs. 3 a.F. StPO war jedoch bereits klargestellt, dass ein Beweisantrag abgelehnt werden darf, wenn er (nur) "zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt ist".

[16] Vgl. das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.8.2017, BGBl. 2017 I 3202. Die Fristsetzung, die auf einen Vorschlag von Krauß, Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, Oktober 2015, Anlagenband I – Gutachten, S. 582 zurückgeht, fand sich ursprünglich in § 244 Abs. 6 S. 2 StPO a.F. und wurde 2019 in S. 3 verschoben (Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019, BGBl. 2019 I 2121; vgl. auch BT-Drs. 19/14747, 33   f.).

[17] BGH NStZ 2024, 312, 313 = HRRS 2024 Nr. 292; a.A. KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b: Als eng auszulegende Ausnahmevorschrift dürfe die Fristbestimmung weiterhin nur bei sich aufdrängender Verschleppungsabsicht genutzt werden; ebenso HK-GS/König, 5. Aufl. (2022), § 244 Rn. 90b.

[18] A.A. SSW-StPO/Sättele, 5. Aufl. (2023), § 244 Rn. 146: Fristsetzung nur gegenüber demjenigen Verfahrensbeteiligten zulässig und wirksam, der durch sein Verhalten hierzu Anlass gebe.

[19] Mosbacher NStZ 2018, 9, 11; MüKoStPO/Trüg/Habetha (Fn. 11), § 244 Rn. 185d.

[20] BGH NStZ 2024, 312, 313 = HRRS 2024 Nr. 292; Schneider NStZ 2019, 489, 493   ff.; MüKoStPO/Trüg/Habetha (Fn. 11), § 244 Rn. 185g ; Mosbacher GA 2022, 481, 488   f.; Mosbacher JuS 2024, 743, 746; SK-StPO/Frister, 6. Aufl. (2024), § 244 Rn. 104; dagegen Schlothauer FS Fischer, 2018, S. 819, 826; Singelnstein/Derin NJW 2017, 2646, 2651; KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b; SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 146: restriktiv auszulegen.

[21] So auch BGH NJW 2021, 2129, 2130 = HRRS 2021 Nr. 606: "Eine eher einschränkende Auslegung ist vor dem Hintergrund angelegt, dass Beweisanträge im Regelfall vor Abschluss der Beweisaufnahme zu bescheiden sind und es sich bei § 244 VI 3–5 StPO (zuvor § 244 VI 2–4 StPO) um eine davon abweichende Ausnahmevorschrift handelt."; Georg NStZ 2024, 444, 445; i.E. auch SK-StPO/Frister (Fn. 20), § 244 Rn. 102 sowie Schork NJW 2021, 2131, die aber anerkennt, dass § 244 Abs. 6 S. 2 StPO Beweisanträge aus dem Anwendungsbereich des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO ausnimmt.

[22] Ablehnend u.a. Mosbacher NStZ 2018, 9, 11: zumindest kurze Begründung erforderlich (mit Formulierungsvorschlag); für eine Begründungspflicht auch KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b; SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 146; Kudlich/Göken JR 2024 (aop).

[23] BeckOK StPO/Bachler (Fn. 11), § 244 Rn. 30; Habetha NJW 2024, 1547; KK-StPO/Krehl (Fn 5), § 244 Rn. 87b; MüKoStPO/Trüg/Habetha, (Fn. 11), § 244 Rn. 185j; Schneider NStZ 2019, 489, 493; a.A. SK-StPO/Frister (Fn. 20), § 244 Rn. 100: nicht erfasst von § 238 StPO.

[24] BeckOK StPO/Bachler (Fn. 11), § 244 Rn. 30; Habetha NJW 2024, 1547, 1448; ders. NStZ 2024, 385, 387.

[25] So allerdings Börner NStZ 2024, 319, 320 und auch MüKoStPO/Trüg/Habetha (Fn. 11), § 244 Rn. 185a.

[26] KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87a.

[27] Habetha NStZ 2024, 385.

[28] BGH NStZ 2019, 547.

[29] Mosbacher NStZ 2018, 9, vgl. auch 13: "Das eigentlich dialogische Modell des Beweisantragsrechts kommt durch die Verlagerung der gerichtlichen ‚Antwort‘ auf die nach dem Urteilsspruch abgefassten Urteilsgründe naturgemäß an seine Grenzen."; ebenso MüKoStPO/Trüg/Habetha (Fn. 11), § 244 Rn. 185a.

[30] BGH NJW 2021, 2129, 2131 = HRRS 2021 Nr. 606; SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 145.

[31] Die Ablehnung eines nach Fristablauf gestellten Beweisantrags ist weiterhin nicht möglich, wenn die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO die Erhebung des Beweises gebietet, vgl. BeckOK StPO/Bachler (Fn. 11), § 244 Rn. 31.

[32] LR-StPO/Becker (Fn. 6), § 244 Rn. 359m; Stuckenberg JR 2024, 556, 557; trotz Kritik hieran i.E. genauso Güntge (Fn. 1), Kap. 6 Rn. 148.

[33] BT-Drs. 18/11277, 34; BGH NJW 2024, 1122 Rn. 33 = HRRS 2024 Nr. 292.

[34] BeckOK StPO/Bachler (Fn. 11), § 244 Rn. 30.2; KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b; SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 148; Mosbacher NStZ 2018, 9, 11. Dies ist zur Wahrung der Verfahrensfairness auch angezeigt, vgl. BVerfG StV 2020, 805.

[35] Habetha NJW 2024, 1547 f.

[36] KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87h.

[37] Schneider NStZ 2019, 489, 490.

[38] Habetha NJW 2024, 1547, 1448.

[39] Habetha NStZ 2024, 385, 389.

[40] Kritisch auch Habetha NJW 2024, 1547, 1548.

[41] Zu den Voraussetzungen KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87c; SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 147.

[42] KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87c. Eine zu kurze Frist setze jedenfalls eine angemessene Frist in Lauf, vgl. Mosbacher NStZ 2018, 9, 11; a.A. Börner JZ 2018, 232, 239: Sofern die Dauer der Frist rechtsfehlerhaft kurz sei, entfalle diese Frist ohne Raum für das Eintreten von Reservefristen.

[43] So auch Habetha NJW 2024, 1547, 1548.

[44] Mosbacher NStZ 2018, 9, 14.

[45] So auch Radtke DRiZ 2017, 190, 191; MüKoStPO/Trüg/Habetha (Fn. 11), § 244 Rn. 185g; a.A. Börner JZ 2018, 232; KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87a; Güntge (Fn. 1), Kap. 6 Rn. 141 f. Für SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 145 ist die Fristsetzungskompetenz zumindest empirisch bedeutungslos; zustimmend Stuckenberg JR 2024, 556, 557.

[46] Basar KriPoZ 2017, 95, 102; Börner JZ 2018, 232, 233.

[47] Vgl. einerseits Schneider NStZ 2019, 489, 490: "[Bemühungen, die Folgen des § 244 Abs. 6 StPO für die Verteidigung zu mildern und]ihnen durch allerlei Auslegungskunst den Zahn zu ziehen, münden in ihrer ganzen Breite bei zusammenschauender Sicht fast schon in ein ‚Kaputtinterpretieren‘ des Gesetzes" sowie in Fn. 10: "Ein weiteres krudes Beispiel für kaum verhüllte Versuche des ‚Kaputtinterpretierens‘ von § 244 Abs. 6 S. 2 StPO[…]"; kritisch gegen derlei Polemik KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87a: "schlicht unverständlich und überdies unsachlich"; aber andererseits auch Ventzke NStZ 2024, 177, 184: "Beweisantragsrechtlich mit offenen Karten zu spielen, scheint für manchen Tatrichter immer noch eine unerträgliche Zumutung zu sein, eine Einstellung, die nicht nur Urteilsaufhebungen, sondern vor allem Qualitätseinbußen ihrer Entscheidungen vorprogrammiert."

[48] Schneider NStZ 2019, 489, 490; a.A. KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b.

[49] Das Konzept der "gestörten Hauptverhandlung" ist spätestens seit Erscheinen des Handbuchs von Artkämper ein geflügeltes Wort.

[50] Basar KriPoZ 2017, 95, 102.

[51] Zumindest in Bezug auf die Hauptverhandlung; unbeschadet hiervon ist die Anregung von Beweiserhebungen bereits im Ermittlungsverfahren bzw. im Zwischenverfahren (§ 202 StPO).

[52] Zu Recht führt Mosbacher NStZ 2018, 9, 13 daher an, dass die Möglichkeit, die Verbescheidung erst in den Urteilsgründen vorzunehmen, selbst bei verfristeten Anträgen sorgfältig abgewogen werden müsse: "Geht es etwa in der gesamten Hauptverhandlung um Blutspuren an einer Jacke und zielt der Beweisantrag des Verteidigers auf die Interpretation des dort festgestellten Spurenbildes, wird ihn die Information in den Urteilsgründen, das Gericht messe dem keine Bedeutung zu, weil es die Jacke nicht dem Angekl. zuordne, wohl erst zu spät erreichen. Das Fairnessgebot, wie es im neu gestalteten § 265 StPO seine besondere Ausformung gefunden hat, sollte das Gericht in derartigen Fällen bei seiner Entscheidung leiten."

[53] So insbesondere Börner JZ 2018, 232, 233 sowie ders., Legitimation durch Strafverfahren, 2014, S. 483 ff.; i.E. zustimmend Basar KriPoZ 2017, 95, 102 und auch LR-StPO/Becker (Fn. 6), § 244 Rn. 58.

[54] KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b. Diese wurde vom Gesetzgeber auch explizit gewünscht, vgl. BT-Drs. 18/1277, 34   f.

[55] Erneut ist auf die – gesicherten – Erkenntnisse der Wahrnehmungs- und Erkenntnispsychologie (Priming, Inertia, Perseveranz, Confirmation Bias usw.) hinzuweisen, vgl. nur Gerson, Das Recht auf Beschuldigung, 2016, S. 150 ff. m.w.N. Es gilt der Grundsatz: Je früher auf Überzeugungsbildungsprozesse eingewirkt wird, desto effektiver ist diese Wirkung auf das Ergebnis. Zugleich kann sukzessive Erschütterung der Überzeugungen zum Ausweg aus kognitiven Sackgassen beitragen.

[56] Zum "Gerechtigkeitsgefühl" als Empfindung der "wirksamen Teilhabe" Gerson GVRZ 2020 Rn. 9 ff. m.w.N.

[57] Dazu auch Börner NStZ 2024, 319, 320.

[58] HK-GS/König (Fn. 17), § 244 Rn. 4.

[59] Habetha NJW 2024, 1547, 1548; Kudlich/Göken JR 2024 (aop).

[60] So auch Kudlich/Göken JR 2024 (aop).

[61] Treffend Kudlich/Göken JR 2024 (aop): "Zunächst ist nunmehr eine gesetzliche Grundlage für die Fristsetzung geschaffen, die in einen Ausgleich mit § 246 Abs. 1 StPO gebracht werden muss; man mag das aus Verteidigersicht für rechtspolitisch verfehlt halten, kann aber nicht mehr wie in der Diskussion vor fünfzehn Jahren kritisieren, dass § 246 Abs. 1 StPO praeter legem ausgehöhlt werde."

[62] Sehr kritisch gleichwohl KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87a.

[63] BT-Drs. 18/11277, 34 f.: Der Verteidigung bleibe es "unbenommen, Beweisanträge im Rahmen ihrer Verteidigungsstrategie zurückzuhalten, um etwa den Verlauf der Beweisaufnahme abzuwarten."

[64] BVerfG NJW 2010, 2036 (Verstoß i.E. allerdings wegen der extrem kurzen Frist von unter 24 Stunden bejaht).

[65] Schneider NStZ 2019, 489, 491 f.

[66] BT-Drs. 18/11277, 34.

[67] Treffend Stuckenberg JR 2024, 556, 558.

[68] KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87h.

[69] LR-StPO/Becker (Fn. 6), § 244 Rn. 3.

[70] Überzeugend gesehen von Georg NStZ 2024, 444, 445.

[71] Inkludiert sind dabei auch durch das Gericht selbst erfolgte weitere Beweiserhebungen ohne Beantragung.

[72] Vgl. nur Mosbacher NStZ 2018, 9, 10; MüKoStPO/Trüg/Habetha (Fn. 11), § 244 Rn. 185i; SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 146; a.A. Georg NStZ 2024, 444, 445.

[73] Kritisch daher Habetha NJW 2024, 1547, 1548 f.; Hamm StV 2018, 525, 529. Kein Problem darin sehen indes Georg NStZ 2024, 444, 445; Schneider NStZ 2019, 489, 492.

[74] So u.a. BGH NJW 2024, 1122, 1124 f. = HRRS 2024 Nr. 292; Habetha NJW 2024, 1547, 1548.

[75] BGH NJW 2024, 1122, 1124 f. = HRRS 2024 Nr. 292; in diese Richtung auch Schork NJW 2021, 2131.

[76] Habetha NJW 2024, 1547, 1549.

[77] So auch Georg NStZ 2024, 444, 445; Kudlich/Göken JR 2024 (aop); BeckOK StPO/Bachler (Fn. 10), § 244 Rn. 30.

[78] Georg NStZ 2024, 444, 445; in diese Richtung auch >SK-StPO/Frister (Fn. 20), § 244 Rn. 103.

[79] BT-Drs. 18/11277, 35.

[80] Georg NStZ 2024, 444, 446.

[81] So Habetha NJW 2024, 1547, 1549.

[82] So auch Georg NStZ 2024, 444, 445; SK-StPO/Frister (Fn. 20), § 244 Rn. 108; a.A. Habetha NJW 2024, 1547, 1549: Es widerspräche dem Sinn des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO, wenn die Beweisantragsfrist bereits bei laufender Beweisaufnahme bestimmt werden dürfte, wenngleich Verfahrensbeteiligte die noch ausstehenden Beweiserhebungen zuvor beantragt haben.

[83] In diese Richtung auch SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 146; SK-StPO/Frister (Fn. 20), § 244 Rn. 103.

[84] SK-StPO/Frister (Fn. 20), § 244 Rn. 107.

[85] In diese Richtung auch SSW-StPO/Sättele (Fn. 18), § 244 Rn. 149 (ohne Bezug auf das rechtliche Gehör oder die Verfahrensfairness): Vermeidung irreführender Prozesslagen.

[86] Georg NStZ 2024, 444, 445.

[87] Nicht näher behandelt wurde die Frage nach den genauen Voraussetzungen der "Unmöglichkeit" nach § 244 Abs. 6 S. 4 und 5 StPO; dazu Fn. 5 und 6.

[88] Auch hierbei darf jedoch vom Gericht bis zum Ende der Hauptverhandlung zugewartet werden.

[89] Mosbacher NStZ 2018, 9, 14; a.A. KK-StPO/Krehl (Fn. 5), § 244 Rn. 87b.

[90] Aus demokratietheoretischer Sicht erscheint eine allzu selbstverständliche "Korrektur" des Gesetzeswortlauts durch den Rechtsanwender jedenfalls problematisch.

[91] Dazu soeben erneut III.4.: Begründungslosigkeit.

[92] So spricht BGH NStZ 2024, 312, 314 = HRRS 2024 Nr. 292 davon, dass "grundsätzlich Anlass zu einer eher engen Auslegung[des § 244 Abs. 6 S. 3 StPO] besteht"; ebenso BGH NJW 2021, 2129, 2130 = HRRS 2021 Nr. 606: "Ausnahmevorschrift".

[93] So i.E. auch Stuckenberg JR 2024, 556, 558: "Ob die Fristsetzung in der vorliegenden Form dazu geeignet und erforderlich ist, ist eine empirische Frage und bleibt daher abzuwarten, ebenso, ob sie ungewollte negative Folgen verursacht."

[94] Für Mosbacher JuS 2024, 743, 746 seien nunmehr allerdings "alle Frage höchstrichterlich geklärt".

[95] Im Hinblick auf eine verfassungsrechtliche Prüfung hat der durch den BGH nunmehr zementierte Ist-Zustand mithin sogar höhere Aussichten auf eine Korrektur durch das BVerfG als ein von Abmilderungschimären aufgeweichtes Substitut; in eine ähnliche Richtung auch Georg NStZ 2024, 444, 446: Man dürfe den § 244 Abs. 6 S. 3 bis 5 StPO nicht noch weiter aufspalten, sondern müsse eher darauf hoffen, dass das Fristenmodell als Ganzes vom Gesetzgeber revidiert wird.