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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2024
25. Jahrgang
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1. Für die Entscheidung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels für den besonders schweren Fall ausnahmsweise wegen gewichtiger Milderungsgründe entfällt, ist – ähnlich wie bei der Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falles – auf das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit abzustellen. Sie kann durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, wenn diese für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass sie das Tatunrecht oder die Schuld deutlich vom Regelfall abheben und daher die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint.
2. Entgegen früherer Rechtsprechung zur alten Gesetzesfassung (vgl. BGH HRRS 2011 Nr. 317) stellt sich nach heutiger Gesetzeslage die Frage einer Strafrahmenbegrenzung gemäß § 177 Abs. 9 Halbsatz 2 StGB bei Annahme eines minder schweren Falles der Qualifikation gemäß § 177 Abs. 5 StGB durch den Strafrahmen des besonders schweren Falls gemäß § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht. Denn die vom Bundesgerichtshof zur alten Rechtslage entwickelten Grundsätze betrafen nur solche Fälle, in denen die erfüllten Qualifikationstatbestände (§ 177 Abs. 3 und 4 StGB a.F.) mit höherer Strafe als das Regelbeispiel bedroht waren (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F.). Dies ist nach der aktuellen Gesetzeslage nur im Verhältnis von § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB und den Qualifikationstatbeständen des § 177 Abs. 7 und 8 StGB der Fall.
Besteht der Pflichtverstoß nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem aktiven Tun, scheidet zwar eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 13 Abs. 2 StGB aus. Die mit dieser Norm verbundene gesetzliche Wertung ist aber zu berücksichtigen, wenn weitere einschlägige Sorgfaltswidrigkeiten als solche in einem Unterlassen liegen. Auch bei einem Fahrlässigkeitsvorwurf kann ein Unterlassen weniger schwer wiegen als aktives Tun.
§ 46 Abs. 3 StGB verbietet es in Fällen des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nicht, die Erfüllung einer vergleichsweise intensiveren Tatvariante durch Mitsichführen einer Schusswaffe straferschwerend zu berücksichtigen.
Folgen der Beendigung der neu abgeurteilten Tat(en) mehrere Verurteilungen des Täters nach, ist bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe von der frühesten nicht erledigten Verurteilung auszugehen. Dieser Verurteilung kommt regelmäßig eine Zäsurwirkung zu, die dazu führt, dass eine weitere Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus einem späteren Erkenntnis ausscheidet, wenn die dort abgeurteilte Tat nach der zäsurbildenden Entscheidung begangen worden ist.