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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2022
23. Jahrgang
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1. Ein analog § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zum Ausschluss des Vorsatzes führender Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Angegriffene sich irrig Umstände vorstellt, die – wenn sie vorlägen – einen anerkannten Rechtfertigungsgrund begründen würden. Ein Erlaubnistatbestandsirrtum kommt daher in Betracht, wenn der Angegriffene irrig annimmt, angegriffen zu werden, weiterhin, wenn er zu einem objektiv nicht erforderlichen Verteidigungsmittel greift, weil er irrig annimmt, der bereits laufende Angriff werde in Kürze durch das Hinzutreten eines weiteren Angreifers verstärkt werden, und das gewählte Verteidigungsmittel in der von ihm angenommenen Situation zur endgültigen Abwehr des Angriffs erforderlich gewesen wäre.
2. Das Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums steht einer Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB nicht entgegen, wenn der Irrtum Folge des krankhaften, zur Schuldunfähigkeit des Täters führenden Zustands ist.
3. Voraussetzung für den Notwehrexzess gemäß § 33 StGB ist das Bestehen einer objektiv gegebenen Notwehrlage; auf Fälle der sogenannten Putativnotwehr ist die Vorschrift des § 33 StGB nicht anwendbar. Überschritt der Angeklagte die Grenzen zulässiger Verteidigung aus krankheitsbedingt übersteigerter Furcht, so ist eine Strafbefreiung nach § 33 StGB möglich, wenngleich dies einer Unterbringung nach § 63 StGB nicht entgegen steht. Allerdings erfüllt nicht schon „jedes Angstgefühl“ das Merkmal der Furcht im Sinne des § 33 StGB; vielmehr muss ein durch das Gefühl des Bedrohtseins verursachter Störungsgrad vorliegen, bei dem der Täter das Geschehen nur noch in erheblich reduziertem Maße verarbeiten kann. Die Annahme eines entschuldigenden Notwehrexzesses kommt auch in Betracht, wenn der in § 33 StGB genannte (asthenische) Affekt nicht die alleinige oder auch nur überwiegende Ursache für die Überschreitung der Grenzen der Notwehr gewesen ist; es genügt vielmehr, dass er ? neben anderen gefühlsmäßigen Regungen ? für die Notwehrüberschreitung mitursächlich war.
4. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Täter, der den Angriff auf sich leichtfertig provoziert hat, von seinem grundsätzlich gegebenen Notwehrrecht nicht bedenkenlos Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen darf. Er muss vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährlichen Waffe erst übergehen, nachdem er alle Möglichkeiten der Schutzwehr ausgenutzt hat; nur dann, wenn sich ihm diese Möglichkeit nicht bietet, ist er zu der erforderlichen Verteidigung befugt. Die Einschränkung des Notwehrrechts setzt aber ein Verhalten voraus, das „von Rechts wegen vorwerfbar“ ist- Erforderlich ist eine schuldhafte Provokation, die vorliegt, wenn der Täter weiß oder wissen muss, dass andere durch dieses Verhalten zu einem rechtswidrigen Angriff veranlasst werden könnten.
1. Eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage (sogenannte unechte Wahlfeststellung) setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätzen voraus, dass innerhalb des durch § 264 StPO gezogenen Rahmens nicht eindeutig aufzuklären ist, ob der Angeklagte denselben Straftatbestand durch das eine oder andere Verhalten erfüllt hat, aber sicher ist, dass er die Tat verwirklicht hat und andere, straflose Handlungen ausgeschlossen sind. Eine wahldeutige Verurteilung ist damit nur zulässig, wenn das Tatgericht zwar die Überzeugung von einem bestimmten Geschehensablauf trotz Ausschöpfung aller Beweismittel nicht zu gewinnen vermag, jedoch die Gewissheit erlangt hat, dass von zwei oder mehreren tatbestandsmäßigen Sachverhaltsvarianten (die jede für sich den Erfolg herbeigeführt haben können) eine mit Sicherheit vorliegt.
2. Die bei der unechten Wahlfeststellung in Betracht kommenden Geschehensabläufe müssen sich derart zueinander verhalten, dass das Tatgericht bei gedanklicher Ausschaltung der einen Möglichkeit vom Vorliegen der anderen überzeugt ist. Diesbezüglich müssen die Urteilsfeststellungen die mehreren Tatmodalitäten im Einzelnen darlegen, andere Möglichkeiten sicher ausschließen und sämtliche für erwiesen erachtete Tatsachen, in denen die objektiven und subjektiven Merkmale der zur Überzeugung des Gerichts allein in Betracht kommenden strafbaren Verhaltensweisen gesehen werden, ausweisen.
3. Bei der Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung in den Urteilsgründen gilt, dass bei DNA-Mischspuren grundsätzlich mitgeteilt werden muss, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist. In Fällen, in denen sich die Untersuchung auf eindeutige Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung bezieht, genügt es jedoch regelmäßig, wenn das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt wird. Gleiches gilt für Mischspuren mit eindeutiger Hauptkomponente, wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zur Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen. Eine Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form genügt jedoch in keinem Fall.
Maßgebend für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts ist das subjektive Vorstellungsbild des Täters zum Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung, bei einem mehraktigen Geschehen die subjektive Sicht des Täters nach Ausführung der letzten zu dem Gesamtgeschehen gehörenden Handlung. Sind Einzelakte untereinander sowie mit der letzten Tathandlung Teile eines durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenen, örtlich und zeitlich einheitlichen Geschehens, so beurteilen sich die Fragen, ob der Versuch fehlgeschlagen ist oder ob der strafbefreiende Rücktritt andernfalls allein schon durch das Unterlassen weiterer Tathandlungen (unbeendeter Versuch) oder durch Verhinderung der Tatvollendung (beendeter Versuch) erreicht werden kann, ebenfalls allein nach der subjektiven Sicht des Täters nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung.
1. Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei vorgespiegelten Bewerbungen auf diskriminierende Stellenangebote zur Erlangung von Entschädigungsansprüchen (sog. AGG-Hopping). (BGHSt)
2. Welcher Inhalt ein (ausdrücklichen oder konkludenten) (Täuschungs-)Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen die Erwartungen der Kommunikationspartner ersichtlich geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 51, 165 Rn. 20 mwN). (Bearbeiter)
3. Danach kann auch in der Geltendmachung einer Forderung, auf die kein Anspruch besteht, eine schlüssige Täuschung über Tatsachen liegen. Denn der Verkehr erwartet in diesem Zusammenhang vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann (vgl. BGHSt 65, 110 Rn. 22). Die Annahme einer schlüssigen Täuschung setzt voraus, dass mit dem Einfordern einer Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird. Wann der Rechtsverkehr der Geltendmachung einer Forderung schlüssig zugleich die Behauptung bestimmter anspruchsbegründender Tatsachen beimisst, ist Tatfrage. (Bearbeiter)
4. Findet Kommunikation – wie in einem zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren – im Rahmen eines geregelten Verfahrens statt, wird der für die Frage des Vorliegens einer Täuschungshandlung maßgebliche Empfängerhorizont durch die diesem Verfahren zugrunde liegenden Vorschriften bestimmt. Für den Zivilprozess hat der Gesetzgeber in § 138 ZPO im Interesse einer geordneten Rechtspflege geregelt, dass die Prozessparteien subjektiv wahrhaftig im Sinne eines Verbots wissentlicher Falschangaben die tatsächlichen Umstände behaupten und bestreiten müssen. Diese Wahrheitspflicht besteht als echte Pflicht gegenüber dem Gericht und dem Gegner. Deshalb erwarten die Beteiligten in einem zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit – nicht anders als das zur Entscheidung berufene Gericht – einen Sachvortrag, der den Vorgaben des § 138 ZPO entspricht. (Bearbeiter)
5. Das Wahrheits- und Vollständigkeitsgebot des § 138 ZPO verlangt, dass von Amts wegen zu prüfende rechtsvernichtende Einwendungen offenzulegen sind. Gleichzeitig untersagt § 138 ZPO grundsätzlich nur bewusst falschen und unvollständigen Vortrag; insoweit bildet die zivilprozessuale Wahrheitspflicht die Grenze der Strafbarkeit des Angeklagten. (Bearbeiter)
6. Das Wahrheitsgebot des § 138 Abs. 1 ZPO gilt zwar für alle Verfahren der Zivilprozessordnung und alle Verfahrensabschnitte, nicht jedoch für die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Die Verkehrsauffassung und die Sicht des Empfängerhorizonts im außergerichtlichen Bereich vermag die Vorschrift deshalb nicht maßgeblich zu prägen. (Bearbeiter)
7. Zwar genügt es regelmäßig zur Überschreitung der für den Versuchsbeginn maßgeblichen Schwelle, wenn ein Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht hat. Dies gilt allerdings nicht ohne Ausnahme. Handelt es sich bei einem Betrug um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die nach der Vorstellung des Täters den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll; entscheidend ist, ob die Täuschung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung mündet oder diese nur vorbereitet. (Bearbeiter)
1. Bei einer ein Hawala-System betreibenden Organisation kann es sich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB handeln (vgl. bereits BGH HRRS 2021 Nr. 927).
2. Der strafbewehrte Verstoß gegen die Anforderungen der Zahlungsdiensteaufsicht bedeutete wegen der Umgehung jeglicher Kontrollmöglichkeiten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ist insofern von einigem Gewicht. Hawala-Banking steht insofern nicht nur allgemeinen staatlichen Interessen, wie etwa der Verhinderung von unerlaubten Finanztransfers, sondern auch einem durchsetzbaren Schutz der Kunden entgegen; Hawala-Banking widerstreitet grundlegenden Prinzipien des Verbraucherschutzes. Zudem haben die Beteiligten keine Kontrolle über die Zweckbestimmung und Verwendung der transferierten Gelder, weshalb ein solches informelles Geldtransfergeschäft auch der Finanzierung terroristischer Aktivitäten und der Verschiebung illegal erlangter Vermögenswerte dienen kann.
3. Eine mittäterschaftliche (§ 25 Abs. 2 StGB) Strafbarkeit wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten kann im Rahmen eines Hawala-Banking-Systems grundsätzlich auch durch das Einsammeln von Geldern sowie deren Zusammentragen und Übergabe an Kuriere für den Weitertransport in das Ausland begründet werden. Die Tatbestandsfassung des § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG, die auf das Erbringen von Zahlungsdiensten abstellt, steht dem nicht entgegen. Vielmehr können mit Blick auf die informelle Struktur des Hawala-Banking, dessen Funktionieren vom Zusammenwirken aller Beteiligten abhängig ist, sämtliche Mitwirkenden nach Maßgabe der allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme Zahlungsdienste im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG täterschaftlich erbringen. Der Kreis tauglicher Täter ist nicht begrenzt auf Führungsverantwortliche der Hawala-Banking-Organisation mit der Folge, dass andere Beteiligte lediglich einer Beihilfestrafbarkeit unterlägen.
4. Die geografische Einordnung einer Vereinigung i.S.d. § 129b StGB richtet sich nach einer an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientierten Gesamtbetrachtung, wobei nach bisheriger Rechtsprechung der Schwerpunkt der Organisationsstruktur ein wesentliches Zuordnungskriterium darstellt. Ein solcher Schwerpunkt kann sich insbesondere aus dem Ort ergeben, an dem gleichsam „die Verwaltung geführt wird“. Für sich genommen nicht von wesentlicher Bedeutung ist dagegen der Ort der Planung, Vorbereitung und Begehung konkreter organisationsbezogener Straftaten, so dass es für die Einordnung einer Gruppierung als inländische oder EU-Vereinigung nicht genügt, dass sie auf dem jeweiligen Gebiet Straftaten begeht oder begehen will. Allerdings ist das eigentliche Aktionsfeld in die Gesamtbetrachtung mit einzustellen.
5. Die Kundengelder eines Hawala-Banking-Systems stellen - jenseits eines etwaigen Provisionsanteils - nicht Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, sondern der Einziehung nach § 74 StGB unterfallende Gegenstände dar. Eine gleichzeitige Qualifikation als Taterträge nach § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB ist nicht möglich. Angesichts dieser (exklusiven) Einordnung der Kundengelder scheidet eine Wertersatzeinziehung aus, sofern der Täter die Kundengelder bestimmungsgemäß im Rahmen des Hawala-Banking transferierte, und zwar auch dann, wenn er zeitweilig Eigentum an dem Bargeld erlangt haben sollte.
1. Die Tatbestände der Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und durch Folter mit Todesfolge nach § 8 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 VStGB stehen tateinheitlich nebeneinander, weil weder die Tötung eine Folterung noch die Folterung mit Todesfolge eine vorsätzliche Tötung voraussetzt. Die verwirklichten Tatbestände des Kriegsverbrechens gegen Personen gemäß § 8 VStGB sind in der Urteilsformel trotz der einheitlichen gesetzlichen Überschrift aus Klarstellungsgründen näher zu bezeichnen.
2. Für die nach dem allgemeinen Strafrecht verwirklichten Tatbestände des Mordes und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln. Das spezifische Tatunrecht dieser Delikte ist nicht bereits durch die Kriegsverbrechen gegen Personen abgedeckt; denn das Kriegsverbrechen durch Tötung erfordert keine Grausamkeit oder niedrigen Beweggründe, eine Folterung mit Todesfolge keinen Vorsatz in Bezug auf den Tod. Das Organisationsdelikt wird von den ausgeurteilten Kriegsverbrechen ebenfalls nicht erfasst.
1. Die Urteilsformel ist in Fällen des Wohnungseinbruchdiebstahls bei einer dauerhaft genutzten Privatwohnung im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB dahin zu fassen, dass sie auf „schweren Wohnungseinbruchdiebstahl“ lautet.
2. Wird die Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betreten, liegt kein Einsteigen im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor.
3. Der mit einem versuchten oder vollendeten schweren Wohnungseinbruchdiebstahl verbundene Eingriff in die Integrität der dauerhaft genutzten Privatwohnung stellt gegenüber dem schweren Bandendiebstahl gemäß § 244a Abs. 1 StGB ein zusätzliches Tatunrecht dar, weshalb beide Delikte idealkonkurrieren.
4. Es begegnet Bedenken, soweit das Tatgericht die von den Angeklagten geschuldete Summe in einzelne Beträge unterteilt und deren Einziehung jeweils „zugunsten“ namentlich bezeichneter Geschädigter anordnet. Gläubigerin des als Wertersatz eingezogenen Geldbetrags ist allein die Staatskasse. Die Entschädigung der Verletzten ist nach § 459h Abs. 2 StPO Teil des späteren Vollstreckungsverfahrens.
1. Bei der falschen uneidlichen Aussage ist für den Verjährungsbeginn im Sinne von § 78a StGB der Abschluss der Vernehmung entscheidend. Wann die Vernehmung abgeschlossen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und nach der jeweiligen Gestaltung des Verfahrens.
2. Zwar können auch Provisionen und sonstige Vergütungen eingezogen werden. Das setzt aber voraus, dass diese Zahlungen als Gegenleistung für rechtswidriges Handeln gewährt wurden. Bei Zuwendungen, die ihren Rechtsgrund nicht in der Tatbestandsbegehung haben, ist das nicht anzunehmen.
3. Der Vorsitzende hat bei der Entscheidung über das Einrücken eines Ergänzungsschöffen einen Ermessenspielraum, dessen Ausübung revisionsrechtlich lediglich auf Willkür zu überprüfen ist. Eingeschränkt ist das Ermessen aber betreffend den Zeitpunkt seiner Entscheidung. Hier kann das für den gesetzlichen Richter streitende – und durch die Änderung des § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO vom 24. August 2004 gestärkte – Prinzip der Besetzungskontinuität eine Auswechslung des Richters während des Laufs der Fristhemmung hindern.
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Heimtückisches Handeln erfordert jedoch kein „heimliches“ Vorgehen.
2. Arglos ist das Tatopfer mitunter bereits dann, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet. Ohne Bedeutung für die Frage der Arglosigkeit ist dabei, ob das Opfer gerade einen Angriff gegen das Leben erwartet oder es die Gefährlichkeit des drohenden Angriffs in ihrer vollen Tragweite übersieht. Besorgt das Opfer einen gewichtigen Angriff auf seine körperliche Integrität, ist es vielmehr selbst dann nicht arglos, wenn es etwa wegen fehlender Kenntnis von der Bewaffnung des Täters die Gefährlichkeit des erwarteten Angriffs unterschätzt.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen.
4. Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das ist der Fall, wenn das Opfer daran gehindert ist, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder in sonstiger Weise auch durch verbale Äußerungen auf den Täter einzuwirken, um den Angriff zu beenden.
1. Der Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit im Sinne von § 316 StGB kann – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist – nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Dies hat das Tatgericht anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen.
2. Die Anforderungen an Art und Ausmaß drogenbedingter Ausfallerscheinungen können umso geringer sein, je höher die im Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration ist.
3. Die Festsetzung der Tagessatzhöhe ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Geldstrafen in einer Gesamtfreiheitsstrafe aufgehen.
1. Die Vorschrift des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt sexuelle Handlungen mit einer Person unter Strafe, die zur Tatzeit zur Bildung oder Äußerung eines entgegenstehenden Willens nicht in der Lage, mithin dazu „absolut unfähig“ ist. Erfasst werden insbesondere sexuelle Handlungen an einer Person, die sich in einem Zustand tiefgreifender Bewusstseinsbeeinträchtigung, in Ohnmacht, Schlaf, Narkose oder in einem schweren Rauschzustand befindet. Die Gesetzesmaterialien nennen beispielhaft eine Betäubung durch K.O.-Tropfen; Enthemmung, Verlangsamung oder Hilfsbedürftigkeit des Opfers genügen hingegen nicht.
2. Für die Beurteilung des Zustands des Tatopfers sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den Fragen der Bewusstseinsstörung und der schweren anderen seelischen Störung eines Täters entsprechend anwendbar. Das Tatgericht hat – gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen – aufgrund einer Gesamtbetrachtung, in die das aktuelle Tatgeschehen einzubeziehen ist, die geistig-seelische Verfassung des Opfers und deren Auswirkungen auf das Opferverhalten zu prüfen.
3. Ein Ausschluss der Tatbestandsverwirklichung nach § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass die Zustimmung der geschützten Person zur jeweiligen sexuellen Handlung dergestalt vor deren Vornahme eingeholt und nicht zurückgenommen wurde, dass diese ihren entsprechenden eigenen „natürlichen Willen“ ausdrücklich oder konkludent erklärt hat und aus objektiver Sicht „kein vernünftiger Zweifel an der Zustimmung“ besteht. Zu bedenken ist dabei, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch in ihren Fähigkeiten erheblich eingeschränkte Personen grundsätzlich zu einer wirksamen Zustimmung in der Lage sind.
4. Bei der Feststellung des natürlichen Willens ist das sich insgesamt zeichnende Bild des Verhältnisses zwischen Täter und Opfer zu berücksichtigen. Nicht bedeutsam ist hingegen, wie der Wille der erheblich eingeschränkten Person moralisch zu bewerten ist oder ob er „unsinnig“ erscheint.
1. Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender (erheblicher) Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art. Mehrere Körperverletzungshandlungen, die für sich genommen noch nicht den Tatbestand des § 225 Abs. 1 StGB erfüllen, können als ein Quälen zu beurteilen sein, wenn die ständige Wiederholung den gegenüber § 223 StGB gesteigerten Unrechtsgehalt ausmacht.
2. Rohes Misshandeln im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB liegt dagegen vor, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert. Anders als das Quälen bezieht sich diese Tatvariante des § 225 Abs. 1 StGB auf ein einzelnes Körperverletzungsgeschehen.
3. Wenngleich mehrere Einzelhandlungen - insbesondere bei deutlichen zeitlichen Zäsuren und ganz erheblichen Körperverletzungen - nicht generell im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit als eine Tat des Quälens zusammenzufassen sind, kann in Bezug auf dasselbe Opfer bei einer äußeren und inneren Geschlossenheit des Tatgeschehens eine Bewertung als lediglich eine Tat naheliegen.
Eine Verurteilung wegen schwerer Zwangsprostitution allein wegen Unterschreitung der Schutzaltersgrenze der Opfer von 18 Jahren ist nicht zu beanstanden. Eine zusätzliche Ausnutzung einer Zwangslage oder ausländerspezifischen Hilflosigkeit oder ein Ausbeutungserfolg ist nicht erforderlich.
1. Der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB im Zwei-Personen-Verhältnis ist, insbesondere für Fälle des Sichbemächtigens, einschränkend auszulegen. Der Täter muss durch eine Entführung oder in sonstiger Weise die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewinnen, dadurch eine stabile Bemächtigungslage schaffen und entweder von vornherein beabsichtigen, diese Lage zu einer Erpressung auszunutzen, oder die zu anderen Zwecken hergestellte Verfügungsgewalt über das Opfer zu einer Erpressung ausnutzen. Dabei muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen.
2. Damit ist - insbesondere in Abgrenzung zu den Raubdelikten - indes lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel zusammenfallen.