HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2022
23. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

903. BGH 3 StR 295/21 - Urteil vom 15. Juni 2022 (OLG Celle)

BGHSt; Einziehung von Tatmitteln und Taterträgen bei Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (für die Tatdurchführung erhaltene Gegenstände; Rangfolge; Exklusivität; Absicht zur Vornahme weiterer Beteiligungsakte; einheitliches Gesamtgeschehen).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 74 Abs. 1 Var. 2 StGB; § 74c StGB; § 129a Abs. 1 StGB

1. Nimmt ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung verkörperte Vermögenswerte entgegen, um damit weitere unselbständige mitgliedschaftliche Beteiligungsakte innerhalb der abgeurteilten tatbestandlichen Handlungseinheit zu verwirklichen, sind sie zur Tatbegehung bestimmt und damit Tatmittel. Da solche Gegenstände in Bezug auf denselben Straftatbestand nicht zugleich durch die Tat erlangt sind, scheidet eine Einziehung als Taterträge aus. (BGHSt)

2. Tatmittel sind nach § 74 Abs. 1 StGB Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht oder bestimmt wurden. Hierunter fallen nicht nur solche Gegenstände, die zur eigentlichen Begehung der Tat Verwendung finden oder dazu bestimmt sind, sondern alles, was die Tat vom Stadium der Vorbereitung bis zur Beendigung überhaupt erst ermöglicht und zu ihrer Durchführung dient oder hierzu erforderlich ist. Dabei reicht jedoch die nur gelegentliche Benutzung im Zusammenhang mit der Tat nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass der Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert oder nach der Planung des Täters fördern soll. (Bearbeiter)

3. Demgegenüber ist ein Vermögensgegenstand oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB „durch“ eine rechtswidrige Tat als Tatertrag erlangt, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt. Für die Bestimmung des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB nF kommt es allein auf eine tatsächliche („gegenständliche“) Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte sind nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen. Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, sind zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht entscheidend. (Bearbeiter)

4. Nicht, jedenfalls nicht durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB sind dagegen als Mittel für die Tatdurchführung erhaltene Gegenstände oder Gegenstände, auf die sich die Tat als Tatobjekte bezieht. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Einziehung nach § 74 StGB vorrangig. Für die Einordnung als Tatertrag oder Tatmittel sind

grundsätzlich der individuelle Tatbeteiligte und der jeweils in Rede stehende Straftatbestand in den Blick zu nehmen. (Bearbeiter)

5. Die Einziehung des Wertes von Tatmitteln erfasst nur solche Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründenden Tathandlungen die Einziehung eines Tatmittels oder Tatobjektes vereitelt. Voraussetzung für eine Anordnung nach § 74c Abs. 1 StGB ist daher, dass durch eine Straftat eine Einziehungslage entstanden ist und der Täter oder Teilnehmer zeitlich nachfolgend, also nach der - gegebenenfalls versuchten - Tatbegehung und der hieraus resultierenden Entstehung der staatlichen Einziehungsbefugnis, die Einziehung des betreffenden Tatmittels unmöglich gemacht hat, indem er dieses veräußert oder verbraucht oder dessen Einziehung auf andere Weise vereitelt hat. (Bearbeiter)


Entscheidung

904. BGH 3 StR 390/21 - Urteil vom 20. Juli 2022 (LG Duisburg)

BGHR; Einziehung von im Rahmen unerlaubt betriebener Bankgeschäfte gewährten Darlehensrückzahlungen als Tatobjekte (Abgrenzung zu Taterträgen; Exklusivität).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 74 Abs. 2 StGB; § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG; § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG; § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG

1. Werden im Rahmen unerlaubt betriebener Bankgeschäfte Darlehen gewährt, handelt es sich bei den zurückgezahlten Geldbeträgen ebenso wie bei den zuvor überlassenen um Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB, nicht um Taterträge nach § 73 Abs. 1 StGB. Die Einziehung an den Täter zurückgeflossener Darlehensbeträge ist mangels einer einschlägigen Sondervorschrift nicht möglich. (BGHR)

2. Tatobjekte sind notwendige Gegenstände der Tathandlung. Hierunter fallen in Abgrenzung zum Tatmittel (§ 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB) Gegenstände, an denen die strafbare Handlung selbst begangen wird oder deren Benutzung allein - ohne Verfolgung eines weitergehenden deliktischen Zwecks - gegen eine Strafrechtsnorm verstößt, weil sie nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet ist. Hierzu können etwa Waren zählen, mit denen unbefugter Handel getrieben wird. (Bearbeiter)

3. Gegenstände, auf die sich die Tat als Tatobjekte bezieht oder die als Mittel für die Tatdurchführung entgegengenommen wurden, sind nicht durch die Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Dementsprechend werden etwa Betäubungsmittel im Hinblick auf die Straftatbestände der §§ 29 ff. BtMG grundsätzlich als Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 Satz 1 BtMG eingestuft, und zwar exklusiv auch dann, wenn sie vom Täter deliktisch erworben und damit „durch die Tat erlangt“ worden sind, also begrifflich eine Einordnung als Taterträge in Betracht käme. (Bearbeiter)


Entscheidung

873. BGH 1 StR 130/22 - Beschluss vom 29. Juni 2022

Vorlageverfahren zum EuGH; nachträgliche Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedsstaat der EU ergangenen Verurteilung bei Überschreitung des zulässigen Höchstmaß für eine Freiheitstrafe durch eine fiktive Einbeziehung der ausländischen Verurteilung (Gleichbehandlungsgebot; Härteausgleich: erforderliche Darlegung im Urteil).

Art. 267 Abs. 3 AEUV; Art. 3 Abs. 1, Abs. 5 Rahmenbeschluss 2008/675/JI; § 53 StGB; § 55 StGB; § 267 Abs. 3 StPO

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren (ABI. 2008, L 220, S. 32) gemäß Artikel 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Kann angesichts des Gleichbehandlungsgebots aus Artikel 3 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI und vor dem Hintergrund des Artikels 3 Abs. 5 des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI bei einer an sich bestehenden Gesamtstrafenlage zwischen deutschen und EU-ausländischen Verurteilungen für die inländische Straftat auch dann eine Strafe verhängt werden, wenn eine fiktive Einbeziehung der EU-ausländischen Strafe dazu führen würde, dass das nach deutschem Recht zulässige Höchstmaß für eine Gesamtstrafe bei zeitigen Freiheitsstrafen überschritten würde?

b) Falls die erste Frage bejaht wird: Ist die nach Artikel 3 Abs. 5 Satz 2 des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI vorgesehene Berücksichtigung der EU-ausländischen Strafe in der Weise vorzunehmen, dass der aus der fehlenden Möglichkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe resultierende Nachteil – entsprechend den Grundsätzen der Gesamtstrafenbildung nach deutschem Recht – bei der Bemessung der Strafe für die inländische Straftat konkret auszuweisen und zu begründen ist?


Entscheidung

1009. BGH 2 StR 511/21 - Urteil vom 22. Juni 2022 (LG Marburg)

Verminderte Schuldfähigkeit (schwere andere seelische Störung); Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Ermessensspielraum: frühkriminelle Hangtäter, Sicherungsverwahrung nur in Ausnahmefällen, strenge Anforderungen, Haltungsänderung mit Fortschreiten des Lebensalters, günstige Prognose, denkbare positive Veränderungen, eingeschränkte revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit).

§ 21 StGB; § 66 StGB

1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts. Es soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt.

2. Der Ermessensspielraum verengt sich indes bei frühkriminellen Hangtätern, die das 21. Lebensjahr gerade erst überschritten haben. Bei ihnen ist die Sicherungsverwahrung nur in Ausnahmefällen unter strengen Anforderungen bei besonders schweren Straftaten zulässig und bedarf besonders sorgfältiger Würdigung in den Urteilsgründen.

Die Wirkung eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretende Haltungsänderung sind wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind.

3. Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch – auch bei jungen Erwachsenen – nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus.

4. Die Ermessensausübung des Tatgerichts unterliegt eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und erstreckt sich vor allem darauf, ob das Tatgericht dabei von einem zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ansatz ausgegangen ist.


Entscheidung

1035. BGH 4 StR 186/22 - Beschluss vom 16. August 2022 (LG Hagen)

Strafaussetzung (Sozialprognose: keine Verpflichtung des Angeklagten zu wahrheitsgemäßen Angaben, keine Berücksichtigung von zulässigen Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten, selbstständige Rechtsgutsverletzung, neue Straftat).

§ 56 StPO

Der Angeklagte im Strafprozess ist nicht zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet und zulässiges Verteidigungsverhalten darf nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden. Wahrheitswidrige oder beschönigende Angaben des Angeklagten dürfen deshalb regelmäßig weder strafschärfend berücksichtigt noch zur Ablehnung einer günstigen Sozialprognose im Rahmen des § 56 StGB herangezogen werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Angeklagte dem Tatvorwurf mit wahrheitswidrigem Vorbringen entgegentritt, sondern auch in Fällen, in denen er in dem Bestreben, einen günstigeren Rechtsfolgenausspruch zu erreichen, falsche Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen macht. Die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens sind regelmäßig erst überschritten, wenn das Vorbringen eine selbstständige Rechtsgutsverletzung enthält oder hierdurch eine neue Straftat begangen wird.


Entscheidung

1033. BGH 4 StR 177/22 - Urteil vom 21. Juli 2022 (LG Hagen)

Dauer der Jugendstrafe (Strafzumessung: beschränkte Revisibilität der Strafzumessung, Höhe der Jugendstrafe nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmen, Erziehungsgedanke, bei Erwachsenen in Betracht kommenden Zumessungserwägungen, Tatunrecht, Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden, innere Tatseite maßgeblich, charakterliche Haltung, Persönlichkeit, Tatmotivation, Niederschlagen in der Tat in vorwerfbarer Schuld, Sühnegedanke, Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs, Ausmaß der individuellen Schuld, verfassungsrechtlicher Schuldgrundsatz).

§ 18 JGG

1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts. Ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Rechtsfehlerhaft ist eine solche Rechtsfolgenentscheidung nur dann, wenn sie beachtliche Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Wertungen der Rechtsordnung in Widerspruch steht oder den Unrechtsgehalt der Tat fehlerhaft erfasst, wodurch die vom Tatgericht auf dieser Grundlage gezogenen Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld in Zweifel zu ziehen sind. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dem Revisionsgericht verwehrt.

2. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld gegen einen Heranwachsenden verhängten Jugendstrafe ist gemäß § 18 Abs. 2 JGG die Höhe der Jugendstrafe nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmen. Die Urteilsgründe müssen daher in jedem Fall erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist. Keinesfalls darf die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zumessungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Eine lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus.

3. Die Bemessung der Jugendstrafe erfordert von der Jugendkammer, das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwägen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist die innere Tatseite; dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben.

4. Daneben können – insbesondere bei Gewaltverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten – auch andere Strafzwecke, namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs, Bedeutung erlangen. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind. Das nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmende Ausmaß der individuellen Schuld bildet wegen des bei der Jugendstrafe ebenfalls geltenden verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes den Rahmen, innerhalb dessen die erzieherisch erforderliche Strafe gefunden werden muss.


Entscheidung

885. BGH 1 StR 270/22 - Beschluss vom 23. August 2022 (LG Mannheim)

Strafzumessung (Grenze des zulässigen Verteidigungsverhaltens: Behauptung einer Notwehrlage); Rücktritt vom Versuch bei Nichtvollendung der Tat ohne Zutun des Täters (ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung).

§ 46 Abs. 1 StGB; § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB

Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung ist erst dann kein zulässiges Verteidigungsverhalten mehr und strafschärfend zu berücksichtigen, wenn die Behauptung eine besonders verwerfliche Einstellung des Täters, etwa eine rechtsfeindliche Gesinnung, erkennen lässt oder die Ehre des Opfers verletzt.


Entscheidung

876. BGH 1 StR 156/22 - Beschluss vom 30. Juni 2022 (LG München I)

Erweitere Einziehung von Taterträgen (keine Einziehung von Surrogaten)

§ 73a Abs. 1 StGB; § 73c Satz 1 StGB

§ 73a StGB gestattet nicht die Einziehung von Surrogaten. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift können Gegenstände des Beteiligten nur dann gemäß § 73a Abs. 1 StGB eingezogen werden, wenn „diese Gegenstände“ durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt worden sind. Die Einziehung eines Surrogats kann auch nicht auf § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützt werden; denn § 73c Satz 1 StGB begründet eine Geldforderung des Staates, erlaubt aber nicht den Zugriff auf bestimmte Vermögensgegenstände.


Entscheidung

974. BGH 6 StR 274/22 - Beschluss vom 6. September 2022 (LG Magdeburg)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (Einzelstrafen und Gesamtstrafenbildung: durch mehrere Taten herbeigeführte Folgen; Doppelverwertungsverbot).

§ 176 StGB; § 176a StGB; § 46 Abs 2, Abs. 3 StGB

1. Während der Tatbestand von §§ 176, 176a StGB der Gefahr von Entwicklungsschäden auf sexuellem Gebiet begegnen soll und diese damit keinen tauglichen Strafzumessungsumstand darstellt, können tatsächlich eingetretene Schäden strafschärfend berücksichtigt werden.

2. Durch mehrere Taten herbeigeführte Folgen dürfen dem Täter mit vollem Gewicht zwar dann bei den Einzelstrafen angelastet werden, wenn sie unmittelbare Folge der jeweiligen Taten sind; resultieren sie hingegen aus allen Taten insgesamt, so können sie nur einmal bei der Gesamtstrafenbildung gewichtet werden (st. Rspr.).


Entscheidung

1023. BGH 4 StR 108/22 - Beschluss vom 31. August 2022 (LG Dortmund)

Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (Verhältnis zur Einziehung von Taterträgen gemäß § 73 StGB: Subsidiarität, nicht sichere Feststellbarkeit der Herkunft eines Tatertrags); Einziehung des Wertes von Taterträgen; Sicherungseinziehung (gefährliche Gegenstände Dritter ohne Bezug zur Anlasstat).

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 73c StGB; § 74b StGB

Vermag das Gericht nach Ausschöpfung aller prozessualen Mittel nicht sicher festzustellen, ob ein Tatertrag aus einer angeklagten oder aus einer – ihrerseits indes nicht konkretisierbaren – anderen Straftat stammt, wobei aber feststeht, dass das eine oder das andere der Fall ist, so ist die erweiterte Einziehung anzuordnen.