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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2022
23. Jahrgang
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Von Dr. Tilman Reichling und Martin Mönicke, Frankfurt am Main[*]
Das deutsche Straf- und Strafzumessungsrecht sieht im Falle einer verwirkten Strafe eine Freiheitsstrafe gemäß §§ 38 f. StGB oder Geldstrafe gemäß §§ 40 ff. StGB als Sanktionierungsmöglichkeiten vor.[1] Die Alternativität dieser beiden Sanktionsregime ergibt sich dabei bereits aus dem Wortlaut jener Strafvorschriften, deren Strafdrohungen Freiheitsstrafe oder Geldstrafe enthalten. Eine Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe ist darüber hinaus durch Art. 12 Abs. 3 EGStGB in aller Regel nicht vorgesehen. Eine Verhängung von Geld- neben Freiheitsstrafe kommt lediglich im Anwendungsbereich des § 41 StGB in Betracht. Hiernach kann für den Fall, dass sich der Täter durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat, neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.
Im Rahmen seines Urteils vom 24. März 2022 hatte sich der BGH[2] mit der Frage zu befassen, ob die tatgerichtliche Entscheidung gegen eine Anwendung des § 41 StGB trotz dahingehenden Verteidigerantrags und weiterer für eine Anwendung sprechender Umstände eine begründete Auseinandersetzung im tatgerichtlichen Urteil erforderlich gemacht hätte.
Diese Entscheidung des BGH (II.) soll daher zum Anlass genommen werden, die strafzumessungsrechtliche Vorschrift des § 41 StGB hinsichtlich ihrer materiellen Voraussetzungen (III.) sowie der Begründungsanforderungen ihrer (Nicht-)
Anwendung im Strafurteil (IV.) näher zu beleuchten.
Ausweislich der Feststellungen des LG Osnabrück[3] schlossen die zwei Geschäftsführer der S GmbH, eines Logistikunternehmens, sowie zwei Führungspersonen (Vorstandsvorsitzender der Beteiligungsgesellschaft und Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft) eines großen Verarbeiters pflanzlicher Rohstoffe ("E") im Jahr 2007 einen branchenunüblichen Exklusivvertrag im Namen der beiden durch sie vertretenen Gesellschaften, wonach die S GmbH für die Dauer von zehn Jahren (mit Verlängerungsoption) für die E als alleiniger Erbringer von Transportdienstleistungen im Seegüterverkehr tätig sein sollte. Als Gegenleistung für den Abschluss des Exklusivvertrages wurden die Führungspersonen der E mittels einer mehrstöckigen Treuhandkonstruktion zu je 25% an der S GmbH beteiligt. Aus der daraus resultierenden
Gewinnbeteiligung an der S GmbH wurden Gewinnanteile von jeweils circa 2,1 Mio. Euro an die Führungspersonen der E ausgeschüttet.[4]
Das LG Osnabrück hat die Geschäftsführer der S GmbH wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 299 Abs. 2, 300 Nr. 1 StGB zu Freiheitsstrafen von drei bzw. zwei Jahren verurteilt, wobei die Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die ehemaligen Führungspersonen der E wurden wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 299 Abs. 1, 300 Nr. 1 StGB zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Im Rahmen der Plädoyers hatten Teile der Verteidigung eine Bewährungsstrafe, ggf. in Verbindung mit einer daneben tretenden Geldstrafe im Sinne des § 41 StGB beantragt.
Mit ihren Revisionen haben die drei zu nicht aussetzungsfähigen Freiheitsstrafen verurteilten Angeklagten die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gerügt. Der BGH hat die eingelegten Revisionen jedoch mit Urteil vom 24. März 2022 als unbegründet verworfen.
Neben Leitsätzen zum Verjährungsbeginn und dem tatbestandsmäßigen Vorteil im Rahmen des § 299 StGB sowie zum Vorliegen von Tateinheit und Tatmehrheit im Zusammenhang mit nach § 299 StGB relevanten Handlungen[5] bildet die Entscheidung zur im Urteil des LG Osnabrück unbegründet gebliebenen Nichtanwendung des § 41 StGB den prozessrechtlichen Fokus des BGH-Urteils.
Erfolglos blieb insbesondere das Vorbringen der Verteidigung eines Angeklagten, aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit einer möglichen Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB trotz dahingehenden Antrags liege ein Verstoß analog § 267 Abs. 3 S. 2, 4 StPO vor.
Der BGH lehnt eine solche analoge Anwendung jedoch ab.[6] § 267 Abs. 3 S. 2, 4 StPO regele bestimmte prozessuale Konstellationen im Rahmen der Strafzumessung, die zu einer Begründung der Anwendung sowie Nichtanwendung der entsprechenden Vorschrift im Urteil zwingen. Eine Übertragung dieser Regelung auf den Fall einer – etwa aufgrund eines Antrags der Verteidigung – im Raum stehenden Anwendung des § 41 StGB scheitere einerseits an seiner Konzeption als Ausnahmevorschrift, die einer Analogie ohnehin nur schwer zugänglich sei.[7] Andererseits liege keine planwidrige Regelungslücke vor. Insbesondere die Regelung des § 267 Abs. 3 S. 4 Hs. 2 StPO, die eine entsprechende Anwendung der gerichtlichen Begründungspflicht ausdrücklich nur für den Fall der Anwendung als auch der Nichtanwendung trotz dahingehenden Antrags bezüglich einer Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) sowie dem Absehen von Strafe (§ 60 StGB) vorsieht, sei als gesetzgeberische Entscheidung in Form einer abschließenden Aufzählung zu verstehen und daher nicht im Wege einer Analogie erweiterungsfähig.[8]
Darüber hinaus sei § 41 StGB mit den in § 267 Abs. 3 S. 2, 4 StPO geregelten Konstellationen nicht vergleichbar, da letzteren – im Gegensatz zu § 41 StGB – primär eine Privilegierungsfunktion zukomme.[9] Darüber hinaus sei in der fehlenden Begründung für eine Nichtanwendung des § 41 StGB im Rahmen der Sachrüge kein Erörterungsmangel zu entdecken.[10] Hierfür führt der BGH einen aus dem Spannungsverhältnis zu § 46 Abs. 1 S. 2 StGB[11] resultierenden Ausnahmecharakter des § 41 StGB, aber auch Sinn und Zweck der Vorschrift an.[12]
Durch Art. 12 Abs. 3, 290 Abs. 3 EGStGB wurden im Jahr 1974 die zuvor bestehenden Vorschriften des Besonderen Teils des StGB und des Nebenstrafrechts, die die Androhung einer Geldstrafe neben Freiheitsstrafe vorsahen, dahingehend geändert, dass die zusätzliche Geldstrafe entfallen ist. Seitdem gilt im deutschen Strafecht der Grundsatz der Alternativität[13] zwischen den beiden Hauptstrafen, also der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe.
§ 41 StGB durchbricht diesen Grundsatz, da es sich um eine für sämtliche Straftatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts geltende Norm des Allgemeinen Teils des StGB handelt. § 41 StGB kommt dabei nach ganz herrschender Auffassung Ausnahmecharakter zu.[14] Ob dies zutreffend ist, hängt davon ab, wie diese Einordnung zu verstehen ist. Soweit die Voraussetzungen des § 41 StGB vorliegen, liegt die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe nach bislang unbestrittener Auffassung im Ermessen des Tatgerichts. Es ist durch Auslegung kein Grundsatz herzuleiten, dass die Norm bei Vorliegen ihrer
Voraussetzungen nur ausnahmsweise anzuwenden wäre.[15] Hiervon zu trennen ist die Feststellung, dass § 41 StGB aufgrund seiner Voraussetzungen lediglich bei bestimmten Straftaten Anwendung finden kann.[16] Insoweit hat die Norm tatsächlich Ausnahmecharakter. Allein mit dieser Feststellung des begrenzten Anwendungsbereiches wäre aber eine Forderung nach einer engen Auslegung der Vorschrift nicht
herleitbar. Dass eine Voraussetzung der Norm dazu führt, dass diese nur bei einem bestimmten Deliktsbereich anwendbar ist, sagt nichts darüber aus, wie die weiteren Voraussetzungen auszulegen sind.
Auch ist zu berücksichtigen, dass die herrschende Auffassung die Verhängung der zusätzlichen Geldstrafe allein in Ausnahmefällen insbesondere damit begründet, dass sich die Kumulation von Freiheitsstrafe und Geldstrafe für die Wiedereingliederung des Täters in aller Regel ungünstig auswirke (vgl. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB).[17] Es stellt sich dann die Frage, ob der Ausnahmecharakter der Anwendung des § 41 StGB auch dann anzunehmen ist, wenn diese Gefahr im konkreten Fall nicht besteht, sondern die Verhängung der zusätzlichen Geldstrafe für den Verurteilten vielmehr als "Wohltat" wirkt, weil durch diese Verhängung eine Freiheitsstrafe ermöglicht wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
§ 41 StGB zielt auf Fälle, in denen der Täter über das Übel einer Freiheitsstrafe hinaus an seinem Vermögen getroffen werden soll, um so eine nachhaltige spezialpräventive Wirkung herbeizuführen, und ermöglicht auf diese Weise eine Flexibilisierung bei der Auswahl der Strafart.[18] Durch die zusätzliche Geldstrafe kann in besonderer Weise auf den Täter eingewirkt und die Strafwirkung optimiert werden.[19] § 41 StGB enthält dabei keine Strafrahmenerweiterung.[20] Zudem kann im Falle der Bewährungsaussetzung der verhängten Freiheitsstrafe ein sofort fühlbares Strafübel verhängt werden.[21]
Die Norm dient nicht der Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögensvorteilen.[22] Diese erfolgt allein über die §§ 73 ? ff. StGB. Die zus ä tzliche Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe kann aber auch in solchen Fällen angeordnet werden, in denen eine Einziehungsanordnung erfolgt.[23] Bei deren Bemessung sind für eingezogen erklärte Vermögensbestandteile nicht zu berücksichtigen.
Neben einer Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe nach § 41 StGB verhängt werden, wenn sich der Täter durch die Tat bereichert oder dies versucht hat. Auf den Nachweis eines tatsächlichen Vorteilseintritts kommt es für die Zulässigkeit der zusätzlichen Geldstrafe nicht an.[24] Allerdings kann ein solcher für deren Bemessung – also bei der Festlegung der Anzahl der zu verhängenden Tagessätze – Berücksichtigung finden.[25] Die Deliktsnatur und auch das geschützte Rechtsgut sind irrelevant, sodass der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht auf Eigentums- und Vermögensdelikte beschränkt ist,[26] wenngleich diese in der Praxis den Großteil der insgesamt wenigen Anwendungsfälle ausmachen.
Als Vermögensvorteil i.S.d. § 41 StGB ist jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage zu verstehen.[27] Damit sind sowohl der (angestrebte) Vermögenszuwachs als auch die (angestrebte) Abwendung einer Vermögensminderung erfasst.[28] Der (angestrebte) Vorteil muss als solcher nicht rechtswidrig sein.[29] Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass diesem Vorteil eine Straftat zugrunde liegt.[30] Diesen Vorteil muss sich der Täter verschafft haben oder verschafft haben wollen. Die (angestrebte) Bereicherung ausschließlich zu Gunsten eines Dritten ist nicht ausreichend.[31] Erfasst werden auch nur mittelbar durch die Tat erlangte Vorteile,[32] wie etwa eine für die Tatbegehung versprochene oder gezahlte Belohnung.[33]
Hinsichtlich des (angestrebten) Vermögensvorteils muss der Täter vorsätzlich handeln, wobei jede Vorsatzform ausreicht.[34] Irrelevant ist dabei, ob der Vermögensvorteil bzw. das Anstreben des Vermögensvorteils zum Tatbestand des Straftatbestandes gehört.[35] Da sich der Vorsatz im Rahmen des § 41 StGB allein auf die Bereicherung beziehen muss, ist die Norm grundsätzlich auch bei Fahrlässigkeitstaten anwendbar.[36] Bedeutung kann der Norm daher bei der fahrlässigen Begehung "wirtschaftlich und gewerblich motivierte[r]Umweltdelikte"
zukommen.[37]
Die zusätzliche Geldstrafe muss nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen, aber auch nach dem Wortlaut des § 41 StGB "angebracht" sein. Diese Prüfung erfolgt für jede Einzelstrafe gesondert.[38] Das Gesetz hebt hierbei die Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters hervor. Wie bereits durch die Formulierung "auch" deutlich wird, handelt es sich hierbei aber nicht um die einzigen Faktoren, die bei der Entscheidung, ob zusätzlich zu der Freiheitsstrafe noch eine Geldstrafe verhängt werden soll, zu
berücksichtigen sind.[39]
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters sind gerade im Hinblick auf das Ziel der Resozialisierung des Täters zu berücksichtigen, die durch die zusätzliche Verhängung einer Geldstrafe – insbesondere neben einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe – gefährdet werden könnte.[40] Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH soll eine zusätzliche Geldstrafe dann nicht angebracht sein, wenn der Täter weder Vermögen noch Einkommen hat und ohne sichere Erwerbsaussichten ist.[41] Hieran hat der 1. Strafsenat aber wegen des Grundgedankens des einkommensunabhängigen Strafens in einem obiter dictum aus dem Jahr 2015 Zweifel angemeldet.[42] Für die Frage des "Angebrachtseins" der Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe ist auf den Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils abzustellen,[43] während die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zum Zeitpunkt der Tatbegehung für die eigentliche Strafzumessung zu berücksichtigen sind.[44]
Daneben sind auch die allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze bei der Prüfung des "Angebrachtseins" der zusätzlichen Geldstrafe zu berücksichtigen. Hierbei spielt neben den tatbezogenen Kriterien des § 46 StGB auch das Nachtatverhalten eine Rolle. Denn eine besondere finanzielle Einwirkungsbedürftigkeit kann etwa dann entfallen, wenn der Täter Wiedergutmachung geleistet oder zumindest den Versuch einer Wiedergutmachung unternommen hat.[45]
§ 41 StGB eröffnet dem Tatgericht auf Grund des Terminus "kann" einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Entscheidung über die zusätzliche Anordnung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe.[46]
Sofern eine zusätzliche Geldstrafe angeordnet wird, ist diese nach den Grundsätzen des § 40 StGB zu bemessen.[47] Die Höhe der Freiheitsstrafe und die Tagessatzzahl sind aufeinander abzustimmen. Eine zusätzlich verhängte Geldstrafe wirkt sich daher auf die Höhe der an sich tat- und schuldangemessenen Freiheitsstrafe mildernd aus.[48] Kumuliert dürfen beide Strafarten das Schuldmaß nicht überschreiten.[49]
Besondere Schwierigkeiten bestehen bei der Ermessungsausübung im Randbereich der nach § 56 StGB für die Strafaussetzung zur Bewährung relevanten Grenzen von einem bzw. zwei Jahren Freiheitsstrafe. Hier stellt sich die Frage, ob die Aufspaltung in eine Freiheitsstrafe und eine (zusätzliche) Geldstrafe zulässig ist, durch die die zu verhängende Freiheitsstrafe auf eine noch zur Bewährung aussetzungsfähige Höhe reduziert wird. Dies ist grundsätzlich möglich, wenn nach allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen hierdurch eine schuldangemessene Strafe erzielt wird.[50] Der BGH weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe nicht allein deshalb vorgenommen werden darf, um die an sich gebotene höhere Freiheitsstrafe auf ein Maß herabsetzen zu können, das die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ermöglicht.[51] Im Hinblick darauf, dass keine ungerechtfertigte Begünstigung des mit Bereicherungsvorsatz handelnden Täters gegenüber sonstigen Tätern eintreten darf, seien auch wegen dieses Zusammenhangs zwischen zusätzlicher Geldstrafe und Reduzierung der Freiheitsstrafe bei der Prüfung der Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe strenge Maßstäbe anzulegen.[52] Die Entscheidung für die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe sei, so der BGH, bereits dann rechtsfehlerhaft, wenn Strafzumessungserwägungen mit Fragen der Bewährungsaussetzung der Freiheitsstrafe vermengt werden. Auch sei es unzulässig, durch die Anwendung des § 41 StGB faktisch die Grenzen der Aussetzungsfähigkeit aus § 56 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 StGB "auf kaltem Wege" zu umgehen.[53]
Aus diesseitiger Sicht dürfte die Bedeutung des Ermessens bei der Auslegung und Anwendung des § 41 StGB jedenfalls gering sein. Denn dadurch, dass bereits "tatbestandliche" Voraussetzung der Norm ist, dass die zusätzliche Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe "angebracht" ist und im Rahmen dieser Prüfung sämtliche Strafzumessungserwägungen zu berücksichtigen sind, stellt sich die Frage nach der Bedeutung der nach dem Gesetzeswortlaut zusätzlich zu treffenden Ermessensausübung. Mit anderen Worten: Welche Erwägungen sind hier zu berücksichtigen, die dazu führen sollen, dass ein Tatgericht eine aus seiner Sicht "angebrachte" zusätzliche Geldstrafe nicht verhängt?
Dem öffentlichen Recht entstammen die Begriffe der "Koppelungsvorschrift" sowie der "Mischvorschrift". Diese bezeichnen Normen, die einen unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite der Norm mit einer Ermessensermächtigung auf der Rechtsfolgenseite der Norm verbinden.[54] Im öffentlichen Recht stellen sich hier zahlreiche Detailfragen, die mit der unterschiedlichen gerichtlichen Kontrolltiefe des unbestimmten Rechtsbegriffs auf der einen und der Ermessensausübung auf der anderen Seite zusammenhängen. Das Bundesverwaltungsgericht geht für einzelne Normen, die nach ihrem Wortlaut als "Kannvorschriften" ausgestaltet sind, davon aus, dass diese tatsächlich als "Mussvorschriften" anzuwenden sind, also, dass eine Ermessensausübung nicht vorzunehmen ist. Dies gilt etwa für den Fall des § 3 Abs. 1 NamÄndG, nach dem der Familienname auf Antrag geändert werden "kann", "wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt".[55] Denn auch bei einer (vermeintlichen) Kannvorschrift stellt sich die Frage, ob überhaupt noch ein Ermessensspielraum besteht, wenn das Gericht die Frage des Vorliegens eines rechtfertigenden wichtigen Grundes geklärt hat.[56]
Ohne dies hier abschließend entscheiden zu wollen, ist es aus Sicht der Verfasser jedenfalls naheliegend, diese Betrachtung auf die Auslegung des § 41 StGB zu übertragen. Weder in der strafrechtlichen Rechtsprechung noch in der Literatur werden Beispiele dafür benannt, wann im Rahmen der vom Gesetzeswortlaut geforderten Ermessensausübung von der Verhängung der aus Sicht des Tatgerichts "angebrachten" zusätzlichen Geldstrafe abgesehen werden soll. Auch dies spricht dafür, dass bei der Annahme der Voraussetzungen des § 41 StGB – jedenfalls in aller Regel – seine Rechtsfolge zu verhängen ist.
Die Entscheidung über die Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB erfolgt im Rahmen der Strafzumessung. Der im Urteil darzustellende Strafzumessungsvorgang ist daher im Rahmen der Urteilsfeststellungen in tatsächlicher Hinsicht vor- und aufzubereiten.
Allgemein müssen neben den Strafzumessungserwägungen selbst auch die zugehörigen Feststellungen so abgefasst sein, dass sie eine sachlich-rechtliche Überprüfung der Entscheidung durch das Revisionsgericht ermöglichen.[57] Dem folgend sind die tatsächlichen Feststellungen derart zu treffen, dass unter die dargestellten materiellen Voraussetzungen des § 41 StGB auch ohne darüber hinausgehende Aktenkenntnis subsumiert werden kann, wenn dessen Anwendung im Rahmen der Strafzumessungserwägungen erörtert wird.
Insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit muss sich aus den Urteilsfeststellungen ergeben.[58] Entsprechende Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowohl zum Zeitpunkt der Tat als auch zum Zeitpunkt des Urteils sind im Zusammenhang mit § 41 StGB bezüglich der Anwendung einer kumulativen Geld- und Freiheitsstrafe an sich als auch hinsichtlich der Tagessatzhöhe und damit gleich auf mehreren Ebenen relevant.[59] Dabei ist zu beachten, dass im Falle der Anwendung des § 41 StGB neben den wirtschaftlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung auch jene zum Tatzeitpunkt für den Strafzumessungsvorgang relevant werden und entsprechender Feststellung im Urteil bedürfen.[60]
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils sind relevant für die Anwendung, d.h. das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des § 41 StGB, insbesondere des Angebrachtseins der Kumulation.[61] Diese sind, weil vollumfassend im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, entsprechend in den Feststellungen aufzuführen. Gefordert wird eine ausführliche Gesamtübersicht über die Einkommens- und Vermögenssituation des Täters.[62]
Darüber hinaus ist die Höhe der kumulativen Geldstrafe innerhalb des durch die Tatschuld gebildeten Rahmens vor allem nach spezialpräventiven Zumessungskriterien zu bestimmen.[63] Entscheidend sind hier regelmäßig die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zur Tatzeit.[64] Diese werden im Falle der Anwendung des § 41 StGB bei der
Bestimmung des Schuldmaßes, im Rahmen der Geldstrafe mithin der Anzahl der Tagessätze, sowie der Tagessatzhöhe gemäß § 40 Abs. 2 StGB als Bemessungsgrundlage herangezogen, was auch für den Fall der Schätzung nach § 40 Abs. 3 StGB gilt.[65]
Die Verhängung einer kumulativen Geldstrafe nach § 41 StGB bedarf ausweislich höchstrichterlicher Rechtsprechung einer Begründung (§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO).[66] Dies wird regelmäßig auf einen Ausnahmecharakter der Vorschrift zurückgeführt, der sich aus einem Spannungsverhältnis zwischen der in einer Kann-Regelung vorgesehenen Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe und § 46 Abs. 1 S. 2 StGB ergebe.[67] Sofern man in diesem Zusammenhang von einem Ausnahmecharakter ausgehen möchte,[68] ist es gedanklich konsequent, die Anwendung einer Ausnahmevorschrift als begründungsbedürftig anzusehen. Das Maß der Anforderungen, die an diese Begründung zu stellen sind, hängt auch davon ab, ob und in welchem Maße man § 41 StGB Ausnahmecharakter beimisst.[69]
Da die Anwendung des § 41 StGB ausweislich seines Wortlauts sowie bislang unbestrittener Auffassung tatrichterlichem
Ermessen unterliegt, hat eine Begründung pflichtgemäßer Ermessensausübung zu erfolgen. Dies geschieht nach einhelliger Meinung in zwei Schritten[70]: Zunächst hat das Tatgericht die Aufspaltung der insgesamt als schuldangemessen angesehenen Sanktion in eine Freiheits- und eine Geldstrafe näher zu begründen.[71] In einem zweiten Schritt sind Freiheits- sowie Geldstrafe unter Berücksichtigung der Maßstäbe insgesamt schuldangemessenen Strafens gemäß § 46 StGB wechselseitig zu gewichten.[72] Vor dem Hintergrund der Koppelung von unbestimmtem Rechtsbegriff auf Tatbestandsseite sowie Einräumung eines Ermessens dürfte der erste Schritt in der Urteils-begründung betreffend die Tatbestandsmerkmale des § 41 StGB aufgehen. Der zweite Schritt betrifft jedenfalls nicht ein etwa-iges Entschließungsermessen, sondern dürfte ohnehin im
Rahmen der Strafzumessungserwägungen zu behandeln sein.
Dabei bedarf es einer Erörterung der Relation zwischen der Höhe der gemäß § 41 StGB verhängten Geldstrafe und der zur Gewährleistung eines schuldangemessenen Gesamtstrafübels deswegen verringerten Freiheitsstrafe insbesondere dann, wenn eine im Verhältnis zu der verhängten Freiheitsstrafe sehr hohe Geldstrafe verhängt wird.[73] Denn in Anbetracht des als schuldangemessen erachteten Gesamtstrafübels muss aus den Urteilsgründen ersichtlich sein, dass keine ungerechtfertigte Begünstigung des mit Bereicherungsvorsatz handelnden Täters gegenüber sonstigen Tätern stattgefunden hat.[74] Zudem muss sich aus den Urteilsgründen ergeben, dass die Verhängung der kumulativen Geldstrafe als bestimmende Strafzumessungstatsache bei der Bemessung der Freiheitsstrafe berücksichtigt worden ist.[75]
Fehlerhaft wäre es hingegen, die Anwendung des § 41 StGB allein damit zu begründen, dass der Angeklagte sich durch die Tat "selbst bereichert" hat. Denn die darauf beschränkte Begründung lässt Ausführungen zum Angebrachtsein, gegebenenfalls auch zu einem pflichtgemäß ausgeübten Ermessen vermissen.[76] Schließlich hat das Tatgericht nicht Aspekte der Strafzumessung im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen, sondern zunächst eine schuldangemessene Strafe zu ermitteln und sodann die Möglichkeit einer etwaigen Strafaussetzung zu prüfen.[77]
Auch bezüglich eines Begründungserfordernisses hinsichtlich der Nichtanwendung des § 41 StGB besteht ein
klares Stimmungsbild in der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Einer expliziten Erwähnung oder gar Begründung bedarf es nicht, wenn § 41 StGB als Ausnahmevorschrift[78] nicht zur Anwendung gelangen soll.[79]
Haben die Strafen allerdings zu "erheblichen Gewinnen" geführt, durch die der Angeklagte ein "beträchtliches Vermögen" erworben hat, liegt die Anwendung von § 41 StGB derart nahe, dass das Gericht gehalten ist, jedenfalls erkennen zu lassen, dass es eine Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe bzw. die Anwendung der Vorschrift in Betracht gezogen hatte.[80] Dies dürfte unabhängig davon gelten, ob die Verteidigung einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Bezüglich des erheblichen Gewinns sowie des beträchtlichen Vermögens hat der BGH keine starren Wertgrenzen festgelegt, sodass weiterhin auf den Einzelfall abzustellen sein dürfte.[81] Erfolgt in den genannten Fällen eine Auseinandersetzung mit § 41 StGB nicht, kann ein Rechtsfehler im Rahmen der Revision nicht ausgeschlossen werden.[82]
Eine Begründungspflicht im Falle der Nichtanwendung einer Strafzumessungsnorm trotz vorliegender Anhaltspunkte, die gerade die Anwendung der entsprechenden Vorschrift nahelegen, ist plausibel und wird auch in anderen Zusammenhängen anerkannt. Dieser Gedanke ist auch unabhängig davon zutreffend, ob man § 41 StGB diesbezüglich als Ausnahmevorschrift ansehen möchte.
Denn im Rahmen der Strafaussetzung gemäß § 56 StGB besteht eine Begründungspflicht bzw. es steigt der Begründungsaufwand, wenn sich das Tatgericht trotz Vorliegen tatsächlicher Gegebenheiten, wonach sich eine Strafaussetzung und damit eine Anwendung des § 56 StGB aufdrängt, gegen die Anwendung entscheidet.[83]
Selbiges gilt für den Fall, dass bei der Strafrahmenfindung gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines minder schweren Falles bestehen, das Gericht die Strafe jedoch unabhängig davon dem Regelstrafrahmen entnehmen möchte.[84] Denn Ausführungen zur Verneinung eines minder schweren Falles sind – über die Anforderungen der Verfahrensvorschrift des § 267 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 StPO hinaus – aus materiell-rechtlichen Gründen dann erforderlich, wenn der Sachverhalt gerade die Annahme eines minder schweren Falles nahelegt, etwa wenn eine Vielzahl von Strafmilderungsgründen oder wenn sonst wesentliche Milderungsgründe vorliegen.[85]
Über die Erzielung eines erheblichen Gewinns sowie den Aufbau beträchtlichen Vermögens durch die Tat hinaus muss sich das Tatgericht zur Erörterung des Angebrachtseins einer kumulativen Freiheits- und Geldstrafe gemäß § 41 StGB gedrängt sehen, wenn eine Einziehung des Wertes des Tatertrages in erheblicher Höhe erfolgt ist.[86]
Im anlassgebenden Urteil hat der BGH eine mittels Verfahrensrüge geltend gemachte analoge Anwendung des § 267 Abs. 3 S. 2, 4 StPO auf die Nichtanwendung des § 41 StGB trotz dahingehenden Antrags der Verteidigung aus nachvollziehbaren Gründen abgelehnt.
Die jeweils ersten Halbsätze des § 267 Abs. 3 S. 2, 4 StPO regeln, dass die Annahme eines minder schweren Falles, die Gewährung einer Strafaussetzung sowie die jeweilige Nichtanwendung im Urteil zu begründen sind; letztere jedoch grundsätzlich nur, wenn ein entsprechender Antrag in der Verhandlung gestellt wurde. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelungen sieht § 267 Abs. 3 S. 2 Hs. 2, S. 4 Hs. 2 StPO explizit für die Fälle des § 47 StGB, die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) sowie das Absehen von Strafe (§ 60 StGB) vor.
Aus dieser selektiven Aufzählung lässt sich eine gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer entsprechenden Anwendung der dargestellten Begründungspflicht in abschließend aufgeführten Fallkonstellationen ableiten. Hieraus folgert der BGH schlüssig das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke als Analogievoraussetzung. Der BGH nimmt im Zusammenhang mit der Prüfung der vergleichbaren Interessenlage zudem richtigerweise an, dass § 41 StGB – im Gegensatz zu §§ 56, 59, 60 StGB – eine Privilegierungsfunktion jedenfalls nicht primär zukommt.[87] Es bleibt jedoch festzuhalten, dass diese Vorschrift, wie dargestellt, mitunter eine Privilegierungswirkung entfaltet, wenn durch ihre Anwendung in Bezug auf die Freiheitsstrafe ein aussetzungsfähiges Strafmaß erreicht wird.
Darüber hinaus sieht der BGH keinen sachlich-rechtlichen Erörterungsmangel im Rahmen der Strafzumessung in dem Umstand, dass das Tatgericht § 41 StGB im Urteil nicht erörtert hat.[88] Dabei geht der BGH explizit auf die dargestellte Rechtsprechung ein, nach der bei erheblichen aus der Tat erzielten Gewinnen, die zu einem beträchtlichen Vermögen geführt haben, die Anwendung des § 41 StGB grundsätzlich nahe liegt.[89]
Die Billigung der fehlenden tatgerichtlichen Auseinandersetzung mit seiner Anwendung erfolgt jedoch unter dem kryptischen Hinweis darauf, dass im zitierten
Präzedenzfall eine unterschiedliche Verfahrenskonstellation deshalb bestanden habe, weil eine ausnahmsweise Erörterungspflicht allein auf die Revision der Staatsanwaltschaft angenommen worden sei.[90] Warum eine tatgerichtliche Erörterungspflicht gerade von diesem Umstand abhängen soll, bleibt schleierhaft. Warum sich das Tatgericht im zugrundeliegenden Urteil mit einer möglichen Anwendung des § 41 StGB nicht auseinandergesetzt hat, obwohl die beiden der E zugehörigen Angeklagten jeweils circa 2,1 Mio. Euro aus der Tat erlangt hatten und eine Einziehungsentscheidung – soweit ersichtlich[91] – nicht getroffen wurde,[92] und warum der BGH die fehlende Auseinandersetzung nicht erinnert hat, erscheint vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung zumindest zweifelhaft.
Die durch das einleitend dargestellte Urteil des BGH veranlasste Auseinandersetzung mit § 41 StGB zeigt auf, dass sowohl in materieller als auch prozessualer Hinsicht Zweifel am bisherigen Normverständnis und seiner praktischen Anwendung angezeigt sind.
Allein mit der Einordnung des § 41 StGB als Ausnahmevorschrift durch die h.M. lässt sich nicht begründen, dass diese im Fall des Vorliegens ihrer Voraussetzungen nur ausnahmsweise anzuwenden wäre. Zudem dürfte dem tatgerichtlichen Ermessen, das im Rahmen der Urteilsbegründung jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung umfangreich zu erörtern ist, kein derart hohes Gewicht zukommen, da die relevanten Umstände bereits (nahezu) vollständig auf Tatbestandsebene im Rahmen des Angebrachtseins zu berücksichtigen sind. Es ist insoweit nicht ersichtlich, in welcher Konstellation das Tatgericht trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 StGB im Rahmen des ihm nach dem Gesetzeswortlaut zustehenden Ermessens von der Verhängung einer kumulativen Geldstrafe absehen soll. Darüber hinaus erscheint in kriminalpolitischer Hinsicht fraglich, ob im Falle der Herabsenkung der Freiheitsstrafe auf ein aussetzungsfähiges Maß ausschließlich der mit Eigenbereicherungsabsicht handelnde Täter gegenüber sonstigen Tätern privilegiert werden soll, indem er von dem Vollzug einer Haftstrafe gegebenenfalls verschont bleibt.
Mit Blick auf die Umsetzung im tatgerichtlichen Urteil bleibt festzuhalten, dass die Anwendung des § 41 StGB der Begründung bedarf, seine Nichtanwendung dagegen regelmäßig nur dann, wenn der Täter aus der Tat "erhebliche Gewinne" erlangt hat, die zu einem "beträchtlichen Vermögen" geführt haben. Unabhängig davon, dass für den Fall der Nichtanwendung des § 41 StGB ein Verteidigerantrag hinsichtlich dessen Anwendung für sich genommen keine Begründungspflicht auslöst, auch nicht analog § 267 Abs. 3 S. 2, 4 StPO, überraschen sowohl das Schweigen des LG Osnabrück im Urteil zur Nichtanwendung des § 41 StGB trotz aus der abgeurteilten Straftat erlangter Gewinne in Höhe von circa 2,1 Mio. Euro als auch die dahingehende Billigung des BGH mit zumindest fragwürdiger Begründung.
[*] Dr. Tilman Reichling ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Zertifizierter Berater im Steuerstrafrecht (Fernuniversität Hagen), Partner der Kanzlei Reichling Corsten Rechtsanwälte PartG mbB in Frankfurt am Main und Lehrbeauftragter an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld. Martin Mönicke ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der Sozietät Feigen Graf Rechtsanwälte PartG mbB, Zertifizierter Geldwäschebeauftragter (TÜV) und Doktorand an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
[1] Auf weitere Sanktionierungsmöglichkeiten des StGB soll für die Zwecke dieses Aufsatzes nicht eingegangen werden.
[2] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642.
[3] LG Osnabrück, Urt. v. 18. März 2020 – 1000 Js 2125/15 2 KLs 1/19; vgl. auch LG Osnabrück, Pressemitteilung 22/20 vom 18. März 2020; BGH, HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 2 ff.
[4] BGH HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 16, 20.
[5] Der Schwerpunkt der Besprechung liegt auf den § 41 StGB betreffenden Entscheidungsgründen. Zu den übrigen Leitsätzen vgl. BGH HRRS 2022 Nr. 642.
[6] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 97.
[7] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 97.
[8] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 98.
[9] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 98.
[10] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 101 ff.
[11] Dazu sogleich unter III. 1.
[12] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 104 ff.
[13] LK/Grube, StGB, 13. Aufl. (2020), § 41 Rn. 3.
[14] BGH wistra 2016, 189, 190 Rn. 3 = HRRS 2016 Nr. 321; NStZ 2019, 601 Rn. 17 m.w.N. = HRRS 2019 Nr. 600; Fischer, StGB, 69. Aufl. (2022), § 41 Rn. 2; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl. (2019), § 41 Rn. 1; MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. (2020), § 41 Rn. 6.
[15] Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus, StGB, 5. Aufl. (2021), § 41 Rn. 5.
[16] Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus (Fn. 15), § 41 Rn. 5.
[17] Lackner/Kühl/Kühl, 29. Aufl. (2018), § 41 Rn. 1; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 1.
[18] BGHSt 32, 60, 67; SK-StGB/Wolters, Bd. 2, 9. Aufl. (2016), § 41 Rn. 2.
[19] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 7.
[20] Lackner/Kühl/Kühl (Fn. 17), § 41 Rn. 5.
[21] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 7; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 6.
[22] BGH NStZ 2003, 198; NStZ-RR 2004, 167, 168 = HRRS 2004 Nr. 177; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, 53. Edition (1. Mai 2022), § 41 Rn. 8; Matt/Renzikowski/Bußmann, StGB, 2. Aufl. (2020), § 41 Rn. 1; NK-StGB/Albrecht, 5. Aufl. (2017), § 41 Rn. 6a.
[23] Peglau wistra 2009, 124, 125; a.A. wohl OLG Celle NStZ 2008, 711 ff. noch zum Verfall nach alter Rechtslage.
[24] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 17.
[25] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 17; SK-StGB/Wolters (Fn. 18), § 41 Rn. 9.
[26] BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg (Fn. 22), § 41 Rn. 2.
[27] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 18.
[28] BGH wistra 2016, 189, 190 Rn. 3 = HRRS 2016 Nr. 321; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14) § 41 Rn. 18.
[29] LK/Grube (Fn. 13), § 41 Rn. 7; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 18.
[30] Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 3.
[31] NK-StGB/Albrecht (Fn. 22), § 41 Rn. 3.
[32] BGH NJW 1984, 2170, 2171; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus (Fn. 15), § 41 Rn. 8.
[33] BGHSt 32, 60, 64; Matt/Renzikowski/Bußmann (Fn. 22), § 41 Rn. 2; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 3.
[34] LK/Grube (Fn. 13), § 41 Rn. 9; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 20; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus (Fn. 15), § 41 Rn. 10; a. A. OLG Hamm NJW 1975, 1370, 1371: direkter Vorsatz erforderlich.
[35] BGHSt 17, 35, 38; Lackner/Kühl/Kühl (Fn. 17), § 41 Rn. 2.
[36] Fischer (Fn. 14), § 41 Rn. 4; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 21; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus (Fn. 15), § 41 Rn. 10.
[37] NK-StGB/Albrecht (Fn. 22), § 41 Rn. 3.
[38] Matt/Renzikowski/Bußmann (Fn. 22), § 41 Rn. 4.
[39] Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 4; vgl. auch BT-Drs. 7/550, S. 212: "Da es sich dabei nur um einen, wenn auch besonders gewichtigen, Gesichtspunkt handelt, der im Rahmen der gesamten Strafzumessungserwägungen beachtlich ist, fügt der Entwurf hinter den Worten "wenn dies" das Wort "auch" ein."
[40] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 24; vgl. BT-Drs. V/4095, S. 22, BT-Drs. 7/550, S. 212.
[41] BGH NStZ-RR 2014, 338, 339 = HRRS 2014 Nr. 918.
[42] BGH wistra 2016, 189, 190 Rn. 7 = HRRS 2016 Nr. 321.
[43] SK-StGB/ Wolters (Fn. 18), § 41 Rn. 9; Schönke/Schröder/ Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 5.
[44] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 24.
[45] BGHSt 26, 325, 327; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 27.
[46] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 102; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 31.
[47] BGH NStZ-RR 2004, 167, 168 = HRRS 2004 Nr. 177; Fischer (Fn. 14), § 41 Rn. 6.
[48] BGHSt 32, 60, 66; BGH NStZ-RR 2014, 338, 339 = HRRS 2014 Nr. 918.
[49] BGH NStZ-RR 2014, 338, 339 = HRRS 2014 Nr. 918; wistra 2016, 189, 190 Rn. 7 = HRRS 2016 Nr. 321; Schönke/Schröder/ Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 8.
[50] BGHSt 32, 60, 65?ff.; a. A. Horn NStZ 1984, 77, nach dem sich aus § 56 Abs. 2 StGB ergebe, dass zwei Jahre überschreitende Strafen immer zu vollstrecken seien.
[51] BGH NJW 1984, 2170, 2171; NStZ-RR 2005, 104, 105; NStZ 2019, 601 Rn. 16 = HRRS 2019 Nr. 600; dazu Kinzig StV 2019, 730, 732?f.
[52] BGH NStZ 2019, 601 Rn. 18 = HRRS 2019 Nr. 600.
[53] BGH NStZ 2019, 601 Rn. 18 = HRRS 2019 Nr. 600. Aus kriminalpolitischer Sicht kann die Anwendung der Vorschrift in dieser Konstellation insgesamt kritisch gesehen werden. Wenngleich das Herabsetzen der Freiheitsstrafe auf eine Höhe, die eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ermöglicht, nicht das alleinige Ziel bei der Verhängung einer zusätzlichen Freiheitsstrafe sein darf, wird dieses Resultat hierdurch gleichwohl in einigen Fällen herbeigeführt. Ob es wirklich angezeigt ist, auf diese Weise allein mit Eigenbereicherungsvorsatz handelnden Tätern die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zu ersparen, während uneigennützig handelnde Täter von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 41 StGB fallen und daher die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe nicht möglich ist, darf zumindest bezweifelt werden. Wie vergleichbar diese Fälle im Einzelnen sind, ist selbstverständlich ein anderer Aspekt. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass ein Teil der mit Eigenbereicherungsvorsatz handelnden Täter gerade erst aufgrund des Umstandes, dass es sich hierbei um einen für sie nachteiligen Strafzumessungsaspekt handelt, in eine Strafhöhe eingeordnet werden, die (eigentlich) bei über zwei Jahren Freiheitsstrafe liegt.
[54] Vgl. nur: BeckOK-VwVfG/Aschke, 5. Edition (1. April 2022), § 40 Rn. 42. Ein dort aufgeführtes Beispiel ist etwa § 135 Abs. 5 BauGB, nach dem die Gemeinde im Einzelfall von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen kann, wenn dies im "öffentlichen Interesse" oder zur Vermeidung "unbilliger Härten" geboten ist.
[55] BVerwG NJW 1973, 957 ff.
[56] BeckOK-VwVfG/Aschke (Fn. 54), § 40 Rn. 43.
[57] KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl. (2019), § 267 Rn. 2, 23.
[58] MüKoStPO/Wenske, 1. Aufl. (2016), § 267 Rn. 326; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. (2017), Rn. 111 f., 318.
[59] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 24; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 5; LK/Grube (Fn. 13), § 41 Rn. 11.
[60] Bei insofern lückenhafter Tatsachenfeststellung droht die Aufhebung des Straf-, ggf. auch des Schuldausspruchs im Wege der Revision, da ohne entsprechende Feststellungen die tatgerichtlich vorgenommene Subsumtion sowie Zumessung für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar sind, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 65. Aufl. (2022), § 267 Rn. 42a. Die Revision kann zudem nicht auf die kumulativ verhängte Geldstrafe beschränkt werden, da diese gemeinsam mit der verhängten Freiheitsstrafe die schuldangemessene Strafe insgesamt bilden, vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung (Fn. 58), Rn. 320; LK/Grube (Fn. 13), § 41 Rn. 26.
[61] Vgl. BGH NStZ-RR 2014, 338, 339 = HRRS 2014 Nr. 918; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 5.
[62] So BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg (Fn. 22), § 41 Rn. 11; Peglau wistra 2009, 124, 125.
[63] MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 38; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus (Fn. 15), § 41 Rn. 14; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 9.
[64] MüKoStGB/Radtke, (Fn. 14), § 41 Rn. 24.
[65] BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg (Fn. 22), § 40 Rn. 17.
[66] Stellvertretend zuletzt BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642.
[67] Vgl. BGH NStZ-RR 2014, 338, 339 = HRRS 2014 Nr. 918; BGH BeckRS 2020, 14172 Rn. 7 = HRRS 2020 Nr. 799; BGH NJW 2016, 1525, 1528 Rn. 30 = HRRS 2016 Nr. 409; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 32.
[68] Vgl. bereits oben (III. 1.).
[69] LK/Grube (Fn. 13), § 41 Rn. 16.
[70] S. nur BGH BeckRS 2020, 14172 = HRRS 2020 Nr. 799 ; BGH NStZ 2019, 601 Rn. 17 = HRRS 2019, 600.
[71] BGH BeckRS 2020, 14172 Rn. 7 = HRRS 2020 Nr. 799; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg (Fn. 22), § 41 Rn. 11.
[72] BGH BeckRS 2020, 14172 Rn. 7 = HRRS 2020 Nr. 799 ; BGH NStZ 2019, 601 Rn. 17 = HRRS 2019 Nr. 600; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg (Fn. 22), § 41 Rn. 11 .
[73] BGH NStZ 2019, 601, 602 Rn. 21 = HRRS 2019 Nr. 600: 9 Monate Freiheitsstrafe und 110 Tagessätze sowie 1 Jahr und 1 Monat Freiheitsstrafe und 220 Tagessätze.
[74] BGH NStZ 2019, 601, 602 Rn. 21 = HRRS 2019 Nr. 600.
[75] BGH NStZ-RR 2014, 338, 339 = HRRS 2014 Nr. 918.
[76] So BGH BeckRS 2020, 14172 Rn. 8 = HRRS 2020 Nr. 799.
[77] BGH NJW 1984, 2170; BGH NStZ 2019, 601 Rn. 18 = HRRS 2019 Nr. 600. Vgl. oben (III. 2. c.).
[78] So die Rspr. des BGH (Fn. 14, 67).
[79] BGH HRRS 2022 Nr. 642; BGH NJW 2016, 1525, 1528 Rn. 30 = HRRS 2016 Nr. 409 ; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 32; Matt/Renzikowski/Bußmann (Fn. 22), § 41 Rn. 8.
[80] BGH BeckRS 1990, 31084888; BGH NJW 2016, 1525, 1528 Rn. 30 = HRRS 2016 Nr. 409; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 7; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung (Fn. 58), Rn. 321.
[81] Dies steht im Einklang mit der Zielsetzung, durch die Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des
Täters eine einzelfallbezogene Prüfung zu erreichen, vgl. Peglau wistra 2009, 124, 125.
[82] BGH BeckRS 1990, 31084888.
[83] Fischer (Fn. 14), § 56 Rn. 19; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub (Fn. 14), § 56 Rn. 61.
[84] Fischer (Fn. 14), § 46 Rn. 86.
[85] BeckOK-StPO/Peglau, 43. Edition (1. April 2022), § 267 Rn. 43; MüKoStPO/Wenske (Fn. 58), § 267 Rn. 373; vgl. auch BGH NStZ-RR 2002, 140, 141.
[86] BGH BeckRS 2020, 14172 Rn. 8 = HRRS 2020 Nr. 799 (dort mehrere Hunderttausend Euro); BeckRS 2009, 8260 Rn 28 = HRRS Nr. 318; MüKoStGB/Radtke (Fn. 14), § 41 Rn. 9; Schönke/Schröder/Kinzig (Fn. 14), § 41 Rn. 5; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Claus (Fn. 15), § 41 Rn. 6.
[87] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 98.
[88] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 101 ff.
[89] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 102.
[90] BGH NJW 2022, 1759 = HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 108.
[91] Vgl. BGH HRRS 2022 Nr. 642, Rn. 1; LG Osnabrück, Pressemitteilung Nr. 22/20 vom 18. März 2020.
[92] Gemessen an diesen Umständen dürfte es sich trotz fehlender wertmäßiger Festlegung der Erheblichkeit von Gewinnen i.S.d. § 41 StGB um solche handeln.