HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2020
21. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Endlich ein perfektes Modell unionsrechts-akzessorischer Blankettstrafgesetzgebung durch dynamische Verweisung mit Entsprechungsklausel?

Zugl. Bespr. von BVerfG HRRS 2020 Nr. 549

Von Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich, Leibniz Universität Hannover[*]

I. Einleitung

Wenn das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG jemals totes Recht gewesen sein sollte,[1] muss es am 21. September 2016 von den Toten auferstanden sein. Nachdem ein beachtlicher Teil der Strafrechtslehre wegen des Seltenheitswerts bundesverfassungsgerichtlicher Aufhebungen von Strafgesetzen wegen Bestimmtheitsdefiziten[2] die Hoffnung, das BVerfG würde dem Gebot jemals in nennenswertem Umfang gesetzgebungskritische Potenz beimessen, fast schon zu Grabe getragen hatte,[3] reagierten einige Stimmen auf den am genannten Datum ergangenen Karlsruher "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss[4] angesichts der starken Verbreitung unionsrechtsakzessorischer Blankettstrafgesetze[5] mit Rückverweisungsklausel mit gewisser Vorfreude oder gar unerschütterlicher Gewissheit, dass im Schlossbezirk künftig mehr Strafgesetze aufgrund mangelnder Bestimmtheit aufgehoben werden würden.[6]

Mit diesem Beschluss erklärte das BVerfG, das zuvor im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG angerufen worden war, § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG a.F. für mit Art. 103 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG sowie Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbar und nichtig. Nach § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a.F. machte sich strafbar, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG zuwiderhandelte, soweit eine Rechtsverordnung nach § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG a.F. für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verwies. Das BVerfG erachtete dies für zu unbestimmt, weil die Vorschrift nicht klar habe erkennen lassen, welche Verhaltensgebote und -verbote strafrechtlich durchgesetzt werden sollten, und dem Bundesministerium insofern eine unzulässige pauschale Blankoermächtigung erteilt habe, die zu ahndenden Straftatbestände zu bezeichnen.[7] § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG

a.F. sei weder für sich genommen noch in Verbindung mit § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a.F. den Anforderungen gerecht geworden, die Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG an eine hinreichende gesetzliche Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Rechtsverordnungsermächtigung stelle. Die Verordnungsermächtigung lasse nicht erkennen, "in welchen Fällen und mit welcher Tendenz der Verordnungsgeber von dieser Ermächtigung und unbegrenzt an ihn delegierten Entscheidungsbefugnis Gebrauch machen wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann".[8] Auch die durch den Verweis auf § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG erfolgte Beschränkung auf Gemeinschaftsrechtsakte über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern habe das Bestimmtheitsdefizit nicht behoben.[9]

Zwar stellte das BVerfG zugleich klar, dass der Strafgesetzgeber durchaus dynamisch auf Unionsrecht verweisen dürfe, solange er der Exekutive keine pauschale Blankoermächtigung erteile, sondern sicherstelle, dass die Entscheidung darüber, welches Verhalten mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden solle, exklusiv in seinen Händen bleibe.[10] Wie das konkret aussehen könnte, sucht man im Beschluss allerdings vergebens. Dass die genannten Maßstäbe vielen Stimmen unerfüllbar erschienen, mag erklären, warum diese dazu aufriefen, von der Regelungstechnik der dynamischen Verweisung mit Rückverweisungsklausel insgesamt Abschied zu nehmen.[11] Wären die Maßstäbe tatsächlich unerfüllbar, müsste sich der Gesetzgeber im unionsrechtlich determinierten Strafrecht zwischen Skylla und Charybdis entscheiden. Denn beim alternativ zu erwägenden Modell der statischen Verweisung steht der hiermit verbundenen hohen Gesetzesbestimmtheit ein Straflückenrisiko gegenüber: Wird das Verweisungsobjekt auf europäischer Ebene durch einen neuen Rechtsakt ersetzt, werden noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Altfälle gemäß § 2 Abs. 3 StGB straflos,[12] und zwar auch dann, wenn es bei der Reform auf Unionsebene nur um technische Änderungen ging und der alte und der neue EU-Rechtsakt, soweit in Bezug genommen, inhaltlich übereinstimmen.[13] Ob die in der Literatur vorgeschlagenen Lösungswege, die bei § 2 Abs. 3 StGB ansetzen,[14] gangbar sind, ist dabei weniger eine Frage des deutschen Verfassungsrechts, das das Meistbegünstigungsgebot nicht verbürgt,[15] erscheint freilich aus europarechtlicher Sicht zweifelhaft, zumindest aber klärungsbedürftig, zumal dort das Gebot durch Art. 49 Abs. 1 S. 3 GrCh primärrechtlich verbürgt ist und die systematische Nähe zur Verbürgung des Gesetzlichkeitsgebots in Art. 49 Abs. 1 S. 1 GrCh eher für ein formales Verständnis des Meistbegünstigungsgebots spricht.

Der deutsche Gesetzgeber befände sich von daher in einem echten Dilemma, wenn die im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss formulierten Maßstäbe an verfassungsgemäße dynamische Verweisungen auf Unionsrecht mit Rückverweisungsklausel tatsächlich unerfüllbar wären. Mit dem hier zu besprechenden Beschluss hatte das BVerfG die Gelegenheit, zu klären, ob dieses Dilemma tatsächlich besteht oder ob es ein aus verfassungsrechtlicher und unionsrechtlicher Sicht perfektes Modell unionsrechtsakzessorischer Blankettstrafgesetzgebung in Gestalt der dynamischen Verweisung gibt.

Den Hintergrund dieses Beschlusses bildet ein Vorlagebeschluss des LG Stade,[16] ob § 58 Abs. 3 Nr. 2 und § 62 Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Auch § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB verweise dynamisch auf Unionsrecht, wenngleich die Vorschrift – anders als § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a.F. – eine Entsprechungsklausel beinhalte: Nach dieser Vorschrift wird bestraft, "wer einer anderen als in Absatz 2 genannten unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Absatz 1 Nummer 18 genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Absatz 1 Nummer 1 für einen bestimmten Straftatbestand auf diese Strafvorschrift verweist." § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ermächtigt das "Bundesministerium" – im Lichte der Legaldefinition in § 4 Abs. 3 LFGB ist das heutige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeint –, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die als Straftat nach § 58 Abs. 3 oder § 59 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 Buchst. a) LFGB zu ahndenden Tatbestände zu bezeichnen.

Die vom BVerfG zu klärende Frage bestand im Kern darin, ob die Entsprechungsklausel das fehlende Puzzlestück auf der Suche nach einer unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzgebung ist, bei der die mit der statischen Verweisung verbundenen Straflosigkeitsrisiken vermieden werden und das der Vorschrift zugleich die nach Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG erforderliche Bestimmtheit verleiht. Relevant war die vom Gericht zu erteilende Antwort nicht nur für die vorgelegten Normen, weil die Regelungstechnik der dynamischen Verweisung auf Unionsrecht mit Entsprechungsklausel im Nebenstrafrecht verbreitet ist.[17] Mit Spannung durfte man diese Antwort abwarten, auch wenn das BVerfG mit einem Kammerbeschluss aus dem Jahr 2001 eine inzwischen außer Kraft getretene dynamische Verweisung mit Entsprechungsklausel[18] für mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar erachtet hatte;[19] denn ob der Gesetzgeber mit einer Entsprechungsklausel eine Regelungsform gewählt hat, die die vom BVerfG im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss – wie gesagt – auch bei dynamischen Verweisungen durchaus als möglich angedeutete Strafgesetzesbestimmtheit herstellt, bedurfte, nachdem das Bestimmtheitsgebot am 21. September 2016 von den Toten auferstanden zu sein schien, möglicherweise der Entscheidung, jedenfalls aber einer Klarstellung.[20]

Angesichts der mit dem "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss genährten Hoffnungen dürfte die Antwort viele enttäuschen: Mit Beschluss vom 11. März 2020 hat der Zweite Senat des BVerfG festgestellt, dass – soweit jeweils zur Prüfung gestellt – § 58 Abs. 3 Nr. 2 und § 61 Abs. 1 Nr. 1 LFGB mit der Verfassung vereinbar sind. Das Gericht maß die Vorschriften ausschließlich am Maßstab des Grundgesetzes, namentlich an Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 und Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG.

II. Grundgesetz als alleiniger Maßstab

Obwohl die mit der Vorlage zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle gestellten Vorschriften unionsrechtlich determiniert sind, geht der Zweite Senat zutreffend davon aus, dass sie vollumfänglich und ausschließlich am Maßstab des Grundgesetzes zu überprüfen sind.[21] Das hat allerdings – entgegen dahingehender Annahmen im Vorfeld des Beschlusses – nichts damit zu tun, dass die Vorlagefrage sich in einem Spannungsfeld zwischen unionsrechtlichem effet utile einerseits und den nationalen Verfassungsnormen wie Art. 80 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG andererseits bewege und letzteren Vorrang gebühre, weil sie als rechtsstaatliches Minimum an der Verfassungsidentität der Bundesrepublik[22] teilhätten.[23] Denn mit einem solchen den Rückgriff auf Konzepte wie die unveräußerliche Verfassungsidentität der Bundesrepublik notwendig machenden Spannungsverhältnis haben wir es hier nicht zu tun. Die Effektivität des Unionsrechts hätte durch die Verfassungswidrigkeit der verfahrensgegenständlichen Strafvorschriften nicht zwangsläufig Schaden genommen, weil das Unionsrecht in den von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB erfassten Fällen nicht unbedingt die Einführung und wirksame Durchsetzung von Strafnormen vorgibt.[24]

Bekanntlich verfügt die Europäische Union (noch und auf absehbare Zeit) über keine eigene – jedenfalls keine umfassende – Strafrechtssetzungskompetenz.[25] Sieht eine EU-Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten Zuwiderhandlungen gegen die dort geregelten Verhaltensvorschriften mit Sanktionen belegen müssen, zwingt dies noch nicht, zur Kriminalstrafe zu greifen. Der Spielraum der Mitgliedstaaten bei ihrer Entscheidung, auf welchem Wege Verhaltensverstöße zu sanktionieren sind, kann sich aber, wie der EuGH erstmals in seinem "Griechischer Mais"-Urteil klarstellte, auf Kriminalstrafen verengen, nämlich dann, wenn der jeweilige Mitgliedstaat Zuwiderhandlungen gegen Verhaltensnormen seines nationalen Rechts, die nach Art und Weise mit unionsrechtlichen Verhaltensnormen vergleichbar sind, kriminalstrafrechtlich ahndet. Dann steht der Mitgliedstaat aufgrund des Diskriminierungsverbots vor der Alternative, entweder die nationale Strafnorm aufzuheben und keine Verhaltensnorm – also weder die nationale noch die unionsrechtliche – im Strafrechtswege durchzusetzen oder die Strafbarkeit auf Verstöße gegen die vergleichbare unionsrechtliche Verhaltensnorm auszudehnen.[26]

Dementsprechend erläutert der Zweite Senat am Beispiel der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die dem nationalen Gesetzgeber zukommenden Spielräume bei der Erfüllung der dort vorgesehenen Sanktionierungspflicht: Die in der Verordnung wurzelnde Pflicht der Mitgliedstaaten zur wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionierung von Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futterrecht habe zwar § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB determiniert, allerdings gebe die Verordnung weder die Art der festzulegenden Sanktion noch ihre Durchsetzung bei jedem Verstoß gegen die in der Verordnung vorgesehenen Verhaltensnormen vor;[27] da das Unionsrecht auch keine bestimmte Regelungstechnik festlege, an die sich die Mitgliedstaaten halten müssten, habe der deutsche Gesetzgeber sich im Rahmen seiner institutionellen und

verfahrensmäßigen Autonomie[28] dafür entschieden, den Verordnungsgeber mit § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB zur Rückverweisung zu ermächtigen.[29] Verfügt der deutsche Gesetzgeber aber auch aus unionsrechtlicher Sicht über Gestaltungsspielräume, muss er diese, wie der Senat zu Recht betont, unter Beachtung des Grundgesetzes nutzen und korreliert hiermit eine verfassungsgerichtliche Befugnis zur Kontrolle gesetzgeberischer Entscheidungen am Maßstab des Grundgesetzes.[30]

III. Hinreichende Bestimmtheit von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB

Das Gericht prüft die Bestimmtheit von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB richtigerweise am Maßstab von Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, weil die Bestimmtheit eines Strafgesetzes in Frage steht, das eine Freiheitsentziehung gestattet.[31] Für den Bereich materieller Strafrechtsnormen, die als Sanktion zumindest auch eine Freiheitsstrafe zulassen, sind Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nebeneinander anwendbar und sind die Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit identisch,[32] ohne dass dies, wie in der strafrechtlichen Literatur vereinzelt angenommen, Art. 104 Abs. 1 GG "nur eine deklaratorische (Alibi-)Funktion" verliehe,[33] weil Art. 104 Abs. 1 GG anders als Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur auf Strafnormen, sondern auf alle Vorschriften, die eine Freiheitsentziehung zulassen, Anwendung findet und diese nicht notwendigerweise strafrechtlicher Natur sind, sondern beispielsweise auch dem Gefahrenabwehrrecht entstammen können.

Von den Bestimmtheitsanforderungen her sind beide Verfassungsnormen allerdings identisch.[34] Auch der Gegenstand der Bestimmtheitsprüfung ist derselbe: Entgegen vereinzelt vertretener Auffassung[35] lassen sowohl Art. 103 Abs. 2 GG als auch Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nur förmliche Gesetze genügen.[36] Bei Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG ergibt sich dies unmittelbar aus seinem Wortlaut und aus dem mit dieser Vorschrift verbundenen Bestreben der Mütter und Väter des Grundgesetzes, zu verhindern, dass die Exekutive jemals wieder – wie im Nationalsozialismus zum Beispiel im Zusammenhang mit der "Schutzhaft" geschehen – ungezügelt und frei von Kontrolle über die Freiheit Einzelner entscheiden könne.[37] Diesem Befund entspricht es, wenn das BVerfG im vorliegenden Beschluss unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung hervorhebt, dass Art. 103 Abs. 2 GG die Verhängung von Strafen nur auf Grundlage eines förmlichen Gesetzes zulässt und, sollte der Straftatbestand in einer Verordnung enthalten sein, die Strafbarkeitsvoraussetzungen und die Art der Strafe vom Standpunkt der Rechtsunterworfenen "schon aufgrund des Gesetzes, nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Verordnung erkennbar sein" müssen.[38] Anders gewendet: Es mag sein, dass in einer Rechtsverordnung Geregeltes Bestandteil einer Strafnorm wird; Gegenstand der Prüfung, ob die Verfassungsgebote der Gesetzlichkeit und Bestimmtheit, die in Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG radizieren, gewahrt sind, sind allerdings allein die gesetzlichen Bestimmungen, nicht (auch) das in der Rechtsverordnung Geregelte.

1. Beschränkung der Bestimmtheitsbejahung auf den Verfahrensgegenstand

Das Wichtigste vorab: Mit dem hier besprochenen Beschluss attestiert das BVerfG der Vorschrift in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB mitnichten die generelle Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Weil der Beschluss gründlich missverstanden wäre, wenn er als generelle Billigung der Rückverweisungstechnik mit Entsprechungsklausel aufgefasst würde, sind Gesetzgebung und Rechtsanwendung gut beraten, auch in Zukunft bei auf dieser Regelungstechnik beruhenden Strafvorschriften genau hinzusehen und zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften, die Teil der Verweisungskette sind, im Zusammenspiel hinreichend bestimmt sind. Das gilt auch für die Vorschrift des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB, soweit dessen Entsprechungsklausel auf eine andere Verordnungsermächtigung als die in § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB genannte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB Bezug nimmt. Denn im konkreten Normenkontrollverfahren kann das BVerfG seine Prüfung, ob die vorgelegten Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, auf das im Ausgangsverfahren Entscheidungserhebliche beschränken, also die vorgelegten Normen nur insoweit prüfen, wie sie im Ausgangsverfahren rechtlich erheblich sind.[39] Da dem Angeklagten im Ausgangsverfahren zur Last gelegt wird, nicht hinreichend sichergestellt zu haben, dass bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen keine Knorpel des Kehlkopfes und der Luftröhre verwendet werden, geht es dort um Verstöße gegen Verhaltenserwartungen im Zusammenhang mit dem Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln. Von den Verordnungsermächtigungen, die der von der Entsprechungsklausel in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB betroffene § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB aufführt, ist also allein die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB einschlägig, die besondere Umgangs-

formen im Zusammenhang mit dem Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel zum Gegenstand hat.[40] Weil die Entsprechungsklausel des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB über § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB beispielsweise auf die Verordnungsermächtigung in § 28 Abs. 1 Nr. 2 LFGB Bezug nimmt, die ihrerseits eine Entsprechungsklausel enthält, und hierdurch die Bestimmtheit von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB reduziert wird, dürfte das BVerfG, wenn sich in Zukunft eine entsprechende Gelegenheit bietet, entscheiden, dass die Vorschrift insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

2. Feststellung noch hinreichender Bestimmtheit

Auch wenn der Senat im Ergebnis die Vereinbarkeit von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB mit dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG letztlich bejaht, und zwar sowohl hinsichtlich dessen kompetenzsichernder wie auch dessen freiheitssichernder Funktion,[41] betont er durch eine auffällig häufige Verwendung des Partikels "noch" die Knappheit seiner Entscheidung.[42] Auf den "Lösungsweg" aus der strafrechtlichen Literatur, wonach die Rückverweisungstechnik möglicherweise aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigt sein könne,[43] weil dem Gesetzgeber so im Bereich des unionsrechtlich Determinierten ein "würde- und atemloses Nacheilen" erspart werde,[44] geht der Senat nicht einmal ein und lässt so erkennen, wie fernliegend dieser Gedanke, der dem Gericht ja einen Großteil der im Beschluss angestellten Überlegungen erspart hätte, in seinen Augen ist. Der Versuch, die Rückverweisungstechnik im unionsrechtlich determinierten Strafrecht so zu rechtfertigen, führt übrigens deshalb in die Irre, weil weder Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG noch die ebenso strikt formulierte Norm des Art. 103 Abs. 2 GG eine Eingriffsrechtfertigung zulässt,[45] zumal diese Normen – anders als materielle Freiheitsgrundrechte wie zum Beispiel Art. 8 Abs. 1 GG – keinen eigenständigen Freiheitsbereich schützen und sich daher Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung hier nicht sinnvoll unterscheiden lassen,[46] wie es aber für die Prüfung einer möglichen Eingriffsrechtfertigung vorauszusetzen wäre.

Dass einige Stimmen in der Literatur im Vorfeld des Beschlusses annahmen, die Rückverweisungstechnik erhöhe die Bestimmtheit, verstoße aber gegen das Gesetzlichkeitsgebot,[47] könnte man dahin missverstehen, Bestimmtheit und Gesetzlichkeit von Strafnormen seien völlig voneinander unabhängige Maßstäbe, und ruft insofern nach einer Klarstellung. Denn es handelt sich zwar um verschiedene Verbürgungsgehalte von Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, die aber durchaus miteinander zusammenhängen. Auch im Zusammenhang mit Art. 103 Abs. 2 GG ist die dort geforderte Bestimmtheit strafrechtlicher Normen aufgrund des dortigen strengen Gesetzesvorbehalts allein eine vom Gesetzgeber zu leistende, das heißt es ist allein anhand des Strafgesetzes – nicht anhand dort in Bezug genommener nichtgesetzlicher Normen – zu beurteilen, ob das Bestimmtheitsgebot gewahrt ist oder nicht.[48] Dementsprechend beurteilt der Senat die Bestimmtheit von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB richtigerweise ausschließlich anhand der Gesetzeslage. Methodisch orientiert er sich dabei an der Doppelfunktion des Bestimmtheitsgebots: In seiner freiheitssichernden Funktion verbürgt das Gebot dem Einzelnen Orientierungssicherheit und schafft so überhaupt die Voraussetzung dafür, dass das Strafrecht seine verhaltenssteuernde Wirkung erfüllen kann;[49] nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG stellt es darüber hinaus im Rahmen seiner demokratischen Dimension sicher, dass die Entscheidung über die Voraussetzungen und Folgen der Strafbarkeit exklusiv in den Händen des unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebers liegt.[50]

a) Wahrung der demokratischen Funktion

Der demokratischen und damit kompetenzsichernden Funktion des Bestimmtheitsgebotes trage § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB noch hinreichend Rechnung, soweit dort über § 58 Abs. 1 Nr. 18 auf § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB verwiesen werde. Aus einer Gesamtschau der gesetzlichen Vorschriften in § 58 Abs. 3 Nr. 2, § 58 Abs. 1 Nr. 18 und § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB entwickelt der Zweite Senat folgendes Normskelett:

"Eine Zuwiderhandlung gegen eine unmittelbar geltende Vorschrift des Unionsrechts, die zur Sicherstellung des Verbraucherschutzes bei Lebensmitteln durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit die Verwendung bestimmter Stoffe, Gegenstände oder Verfahren beim Herstellen oder Behandeln von Lebensmitteln verbietet oder beschränkt oder die Anwendung bestimmter Verfahren vorschreibt oder für bestimmte Lebensmittel Anforderungen an das Herstellen, das Behandeln oder das Inverkehrbringen stellt, steht unter Strafe, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB für einen bestimmten Straftatbestand einen entsprechenden Rückverweis enthält."[51]

aa) Übertragung nur technischer Fragen an den Verordnungsgeber

Der in der Literatur verbreiteten Auffassung, die an eine Ermächtigungsnorm für den Verordnungsgeber anknüpfende Entsprechungsklausel in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB gebe der Exekutive zu viel Gestaltungsraum, weil es an einem gesetzlichen Maßstab für die Beurteilung des Entsprechens fehle,[52] tritt der Senat entgegen. Der Gesetzgeber habe nur insoweit von einer gesetzlichen Bestimmung abgesehen, als er es dem nationalen Verordnungsgeber überlassen habe, die konkret verbotenen Stoffe, Gegenstände oder Verfahren oder das konkret verpflichtende Verfahren beim Herstellen oder Behandeln von Lebensmitteln zu bestimmen; dasselbe gelte für "die Konkretisierung der auf die Herstellung, Behandlung sowie auf das Inverkehrbringen bezogenen Anforderungen bei näher zu bestimmenden Lebensmitteln."[53] Damit habe der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen noch hinreichend bestimmt,[54] und zwar unbeschadet des Umstands, dass er dem Verordnungsgeber durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB "eine weitreichende Regelungskompetenz mit Blick auf einzelne Tatbestandsmerkmale" verliehen habe. Inhaltlich gehe es hier nämlich "um eine von technischem Sachverstand geprägte, kurzfristige Umsetzung der für die Bewertung von Gefahrenpotentialen beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Handlungsanweisungen", eben "lediglich[…]die Konkretisierung technischer Details".[55]

Nach seiner knappen Feststellung, dass § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB – anders als § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a.F. – dem Verordnungsgeber kein vorbehaltloses Bezeichnungsrecht einräume, offenbart der Senat, dass für ihn der Schritt von der kurz zuvor konstatierten "weitreichenden Regelungskompetenz" hin zur Annahme, dem Verordnungsgeber verbleibe "kein substantieller Ausgestaltungsspielraum", nicht weit ist. Der Senat erklärt dies mit der fortschreitenden Verrechtlichung des Lebensmittelrechts auf Unionsebene: Weil europäisches Lebensmittelrecht das nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB ergangene nationale Verordnungsrecht in seinem Anwendungsbereich zurückdränge, sei der nationale Verordnungsgeber insoweit nicht mehr zur Konkretisierung von Verhaltensgeboten und Verboten im Hinblick auf einzelne Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB berufen, "sondern allein dazu, im Sinne einer (hypothetischen) Konkretisierung durch eine entsprechende Bezeichnung zu bestimmen, welche Regelungen er selbst hätte erlassen können, gäbe es die entsprechenden Bestimmungen des Unionsrechts nicht".[56] Die Entsprechungsklausel mindere nicht die Tatbestandsbestimmtheit, weil sie allein dazu diene, den Prüfungsgegenstand des Verordnungsgebers von seinen eigenen Normen auf die des europäischen Verordnungsgebers zu verlagern und der nationale Verordnungsgeber über keine freie Auswahl der strafbewehrten Verhaltensvorschriften verfüge, sondern ihm "letztlich nicht mehr als die Dokumentation seines durch die Entsprechungsklausel vorgezeichneten Prüfungsergebnisses" obliege.[57]

bb) Unionsrechtsbedingt enger Spielraum des Verordnungsgebers

Bis hierin ist die Argumentation des Senats noch schlüssig. Diese Schlüssigkeit wird durch die nachfolgenden unionsrechtlichen Erwägungen, mit denen der Senat entscheidungstragend begründet, warum die kompetenzsichernde Funktion des Bestimmtheitsgebotes noch gewahrt ist, zumindest gestört, möglicherweise sogar aufgehoben. Um dies aufzuzeigen seien die bisherigen Kernthesen des Senats zusammengefasst: Erstens genügt § 58 Abs. 1 Nr. 18 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB dem Bestimmtheitsgebot in seiner kompetenzsichernden Funktion; zweitens trägt § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB dem unionsrechtlichen Einschlag des Lebensmittelrechts Rechnung, weswegen der Verordnungsgeber im Zusammenhang mit der Entsprechungsklausel nach unionsrechtlichen Verhaltensnormen zu suchen hat, die Gegenstand einer Verordnung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 LFGB sind oder es zumindest sein könnten; drittens trägt § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB dem Bestimmtheitsgebot in seiner demokratischen Dimension bloß "noch hinreichend Rechnung". Diese Thesen stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern bauen aufeinander auf, weswegen etwa die dritte These mit der Richtigkeit der ersten steht und fällt.

Die Argumentation des Senats gerät in eine Schieflage, sobald er die Annahme, dass der Gesetzgeber die Grund-entscheidung über die Strafbarkeit getroffen habe, auch damit belegt, dass kein Risiko bestehe, dass der nationale Verordnungsgeber das Zustandekommen des Straftatbestandes durch – etwa politisch motivierte – Untätigkeit verhindere, weil er aufgrund der unionsrechtlichen Loyalitätspflicht (Art. 4 Abs. 3 EUV) zur Mitwirkung verpflichtet sei, wenn der Gesetzgeber sich mit einer Verordnungsermächtigung dazu entschieden habe, einer unionsrechtlichen Sanktionierungspflicht im Wege der Strafbewehrung nachzukommen. Mit dieser Pflicht korrespondiere der Wortlaut der Verordnungsermächtigung in § 62 Abs. 1 LFGB, wonach der Verordnungsgeber zu der Normsetzung ermächtigt werde, die zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft "erforderlich" sei.[58]

Mit diesem Gedanken reagiert der Senat auf die im Vorfeld des Beschlusses aus den Kreisen des Schrifttums geäußerte Kritik, dass bei dynamischen Verweisungen mit Rückverweisungsklausel der Verordnungsgeber es zumindest faktisch in der Hand hat, ob und inwieweit die

Blankettstrafnorm zustande kommt.[59] Im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss war das BVerfG auf den schon damals denkbaren Einwand, dass das Ermessen des in § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG a.F. nur ermächtigten Verordnungsgebers auf Null begrenzt und der Bereich des Strafbaren vor diesem Hintergrund durchaus schon gesetzlich umgrenzt sein könnte, nicht einmal eingegangen. Dabei hätte man das unionsrechtliche Argument, das der Senat in der vorliegenden Entscheidung entscheidungstragend anführt, im Prinzip schon damals fruchtbar machen können, um die Wahrung des Bestimmtheitsgebotes zu begründen. Denn sobald das EU-Recht eine Sanktionierungspflicht der Mitgliedstaaten auslöst und sich diese Pflicht im Sinne der "Griechischer Mais"-Rechtsprechung des EuGH auf eine Bestrafungspflicht verdichtet, müsste auch ein nur ermächtigtes Bundesministerium aufgrund des Grundsatzes der Unionstreue die Verordnungsermächtigung nutzen[60] und könnte man meinen, es wäre dumpfe Förmelei, dem Gesetzgeber eine präzisere Tatbestandsformulierung abzuverlangen, weil sein Entscheidungsspielraum ohnehin auf Null reduziert ist.

Es war allerdings im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss richtig, auf dahingehende Erwägungen zu verzichten, und der Senat hätte auch im hier besprochenen Beschluss darauf verzichten sollen. Denn zum einen ist weder im RiFlEtikettG noch im LFGB die Entscheidung, unionsrechtliche Sanktionierungspflichten mit Mitteln des Kriminal- oder auch nur Ordnungsstrafrechts zu sanktionieren, alternativlos. Selbst wenn bisher vergleichbare nationale Verhaltensnormen strafrechtlich geahndet werden sollten, behält der Gesetzgeber das Zepter in der Hand, weil er einer Spielraumverengung in Richtung Kriminalstrafrecht zu entgehen vermag, indem er vergleichbare nationale Verhaltensnormen künftig mit anderen Mitteln als denen des Kriminalstrafrechts durchsetzt. Zum anderen ändert die den Verordnungsgeber treffende Ermessensreduzierung nichts daran, dass das nur ermächtigte Bundesministerium es faktisch in der Hand hält, ob das Blankettstrafgesetz wirksam zustande kommt oder nicht. Das Zustandekommen muss aber exklusiv auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruhen und nicht auf der einer weiteren Rechtssetzungsinstanz. Von daher hätte es nahegelegen, dem Gesetzgeber abzuverlangen, dass er das Bundesministerium nicht nur ermächtigt, sondern selbst verpflichtet. Dass das BVerfG seinerzeit nicht darauf eingegangen ist, mag daran liegen, dass die Unsicherheiten über das Zustandekommen der Strafnorm bei bloßer Ermächtigung der Exekutive im Grunde genommen das gesamte Spektrum der Erscheinungsformen von Strafblanketten – also auch rein nationale Strafblankette – betreffen und der Einwand, die nur ermächtigte Exekutive verfüge über zu viel Entscheidungsmacht, bei folgerichtiger Fortführung des Gedankens der Strafblankettgesetzgebung insgesamt den Boden entzöge.[61]

Das Hauptproblem am Argument, dass das Unionsrecht die Spielräume des Verordnungsgebers dergestalt verengt, dass das Untätigkeitsrisiko und damit die Gefahr des Nichtzustandekommens des Strafblanketts gebannt wird, ist aber, dass diese Aussage im Zusammenhang mit der übergeordneten Feststellung getroffen wird, der Gesetzgeber habe der kompetenzsichernden Funktion des Bestimmtheitsgebots "noch hinreichend Rechnung" getragen. Denn wenn die unionsrechtlich bedingte Verengung des Handlungsspielraums des Verordnungsgebers maßgeblicher Grund für die Wahrung dieser Funktion sein soll, wäre von Interesse, welcher Rechtsgrund den Spielraum des Verordnungsgebers im rein nationalen Kontext des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB so verengt, dass die Entscheidung über die Strafbarkeit auch dort vom Gesetzgeber getroffen wird. Bülte hat in seiner Entscheidungsbesprechung darauf hingewiesen, dass die aus der unionsrechtlichen Überformung hergeleiteten Ausführungen des Senats zur Wahrung der kompetenzsichernden Funktion des Bestimmtheitsgebotes die Verfassungswidrigkeit nicht nur von § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB, sondern auch von § 17 Abs. 1 AWG, § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG oder § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG zur Folge haben.[62] Das verdient Zustimmung, da das Gericht keinen mit der unionsrechtlichen Überformung vergleichbaren Topos genannt hat, der diese Funktion im rein nationalen Kontext des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB sicherstellt, und ein solcher auch sonst nicht ersichtlich ist. Entbehrlich dürften dahingehende Ausführungen des Gerichts nicht gewesen sein, hat das Gericht seine Gedanken zuvor doch maßgeblich auch darauf abgestellt, dass § 58 Abs. 1 Nr. 18 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB dem Bestimmtheitsgebot mit Blick auf dessen kompetenzsichernden Gehalt gerecht werde.

b) Wahrung des freiheitssichernden Gehalts

Was den freiheitssichernden Gehalt des Bestimmtheitsgebotes angeht, schließt sich der Zweite Senat der im Vorfeld des Beschlusses von einem Teil der Literatur vorgebrachten Auffassung, dass angesichts der Weite des Lebensmittelbegriffs in Art. 2 VO (EU) 178/2002 und § 2 LFGB "jeder Kneipenwirt, Gewürz- oder Kräuterteehändler potentieller Adressat" von § 58 LFGB sei und von daher die Erwägung verfehlt sei, die Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit seien hier abgesenkt, weil bei den Normadressaten bestimmte Fachkenntnisse vorausgesetzt werden könnten,[63] nicht an. Auch dass die verfahrensgegenständliche Strafnorm einen deutlich erhöhten Aufwand an die Lektüre und das Nachvollziehen der "vom Wortlaut her klaren" Verweisungen mit sich bringe, mache sie noch nicht unbestimmt, weil sich die Vorschrift an im Bereich der Lebensmittelproduktion und des Lebensmittelhandels Tätige richte, die gehalten seien, sich über die sie treffenden lebensmittelrechtli-

chen Pflichten – erforderlichenfalls durch fachkundige Beratung – zu unterrichten, und die die von bestimmten Stoffen, Gegenständen oder Verfahren ausgehende Gefährlichkeit zutreffend bewerten und sich dieser Erkenntnis entsprechend verhalten könnten.[64] Wegen der in das Strafblankett hineinzulesenden Verordnungsermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB sowie des Umstandes, dass der Adressatenkreis das verwaltungsrechtliche Pflichtenprogramm sowie die spezifischen Gesundheitsgefahren im Bereich der Lebensmittelproduktion kenne, seien die sanktionsbewehrten Verhaltenspflichten hinreichend deutlich und könnten die Normadressaten erkennen, dass die verbindliche Entsprechungsprüfung vom Verordnungsgeber vorzunehmen sei. Damit komme der nationalen Rechtsverordnung eine "bestimmtheitssichernde Wirkung" zu.[65]

Soweit hiergegen der Einwand erhoben worden ist, das BVerfG erlege hier "dem Normadressaten eine – offenbar aus der Verfassung abgeleitete – Erkundigungspflicht" auf und verschiebe die Frage der Erkennbarkeit strafbaren Verhaltens dadurch "in den Bereich des höchst Hypothetischen", dass das Gericht bei der abstrakten Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit auf die Inanspruchnahme fachkundiger Beratung abstelle,[66] beruht dies auf einem Missverständnis. Es geht dem BVerfG allein um die Frage, aus wessen Perspektive – aller Rechtsunterworfener oder Fachleute, die über Sonderwissen verfügen (müssen)? – zu beurteilen ist, ob eine Strafnorm am Maßstab des Bestimmtheitsgebotes gemessen verständlich ist oder nicht. Wenn eine Strafnorm vom Alltagssprachgebrauch ausgehend nicht (hinreichend) verständlich ist, Fachleute sie aber sehr wohl verstehen können, bedarf es der Entscheidung, auf wessen Verständnishorizont es ankommt. Auch im Zusammenhang mit dem Analogieverbot, der – allerdings an die Rechtsprechung adressierten – Kehrseite des die Gesetzgebung bindenden Bestimmtheitsgebots,[67] ist die Wortlautgrenze, die das Gericht nicht zum Nachteil der Normadressaten überschreiten darf, zwar grundsätzlich am Begriffsverständnis des Alltagssprachgebrauchs und nicht an der Fachsprache zu orientieren. Etwas anderes gilt aber, wenn das Gesetz sich – wie im Nebenstrafrecht typisch – an fachkundige Kreise richtet und sich insofern allein an deren Sprachgebrauch und Verständnishorizont orientiert.[68] Insofern kann eine vom Standpunkt durchschnittlicher Rechtsunterworfener unbestimmt formulierte Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG gleichwohl hinreichend bestimmt sein, wenn sie sich ausschließlich an fachkundige Personen richtet, bei denen allgemein – und sei es aufgrund ohnehin bestehender, insofern gerade nicht in der Verfassung radizierender Erkundigungspflichten – davon ausgegangen werden kann, dass sie dank dieser Kenntnisse den Regelungsinhalt der Norm zu erfassen und ihr konkrete Verhaltensanweisungen zu entnehmen imstande sind.[69] Da sich § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB, soweit dort mittelbar auf § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB verwiesen wird, an Fachleute richtet, von denen typischerweise das für das Verständnis dieser Normen notwendige Sach- und Fachwissen vorausgesetzt werden kann, musste das BVerfG von einem fachkundigen Verständnishorizont ausgehen. Keineswegs ging es darum, aus dem Bestimmtheitsgebot eine individuelle Erkundigungspflicht abzuleiten.

IV. Hinreichende Bestimmtheit von § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB

Dass der Senat annimmt, § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB genüge den sich aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ergebenden Vorgaben, überzeugt zwar wenig, da diese Annahme sich mittelbar auch auf unionsrechtliche Verengungen des der Exekutive zukommenden Spielraums[70] stützt, ist angesichts der Ausführungen des Senats zu § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB allerdings folgerichtig. Einerseits seien die Bestimmtheitsanforderungen hoch, weil der Verordnungsgeber zur Tatbestandskonkretisierung einer strafrechtlichen Verbotsnorm beauftragt werde; andererseits zeichne sich der Bereich der Lebensmittelproduktion durch hochtechnisierte Prozesse aus, deren sachgerechte Regelung spezifischen Sachverstand und die zeitnahe Berücksichtigung des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts erfordere.[71] Zudem sei der vom nationalen Verordnungsgeber auszufüllende Rahmen durch den Verweis auf § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB sowie die dort in Bezug genommenen Vorschriften in § 58 Abs. 1 Nr. 18 sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB hinreichend bestimmt vorgegeben.[72] Den denkbaren Einwand, dass dies ja auch auf § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG a.F. zutraf, erkennt der Senat und erwidert hierauf: "Wegen der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB enthaltenen Bezugnahme auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 beziehungsweise Abs. 3 LFGB vorgegebene Zwecksetzung ist auch festgelegt, dass die Bezeichnung der Tatbestände – anders als im Falle des § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG a.F. […]– nicht bloß der erforderlichen Durchsetzung (irgendwelcher) Rechtsakte der Europäischen Union dient, sondern nur solcher in unionalen Rechtsakten enthaltener Tatbestände, die ein abstrakt oder konkret für die menschliche Gesundheit gefährliches Verhalten zum Gegenstand haben. Das Ausmaß der Ermächtigung ist dabei aufgrund der Entsprechungsklausel darauf beschränkt, solche Be-stimmungen des Unionsrechts zu bezeichnen, die der Verordnungsgeber auf Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB selbst hätte erlassen können."[73] Zudem lasse die Entsprechungsklausel – im Unterschied zu § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG a.F. – erkennen, "dass der[nationale]Verordnungsgeber von seiner Ermächtigung in den Fällen Gebrauch machen muss, in denen bei dem Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln Gefahren für die menschliche Gesundheit drohen." Zwar habe der Gesetzgeber auf eine namentliche Bezeichnung der in Bezug genommenen Rechtsakte der Union verzichtet; dieses Defizit werde aber durch die inhaltlichen Vorgaben des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB kompensiert. Aufgrund

dieser inhaltlichen Vorgaben stehe die Auswahl der mit Strafe zu bewehrenden Ge- oder Verbote nicht im Belieben des nationalen Verordnungsgebers.[74]

V. Entbehrlichkeit der Verweisungstechnik?

Bemerkenswerterweise deutet der Senat in einem obiter dictum ein alternatives Regelungsmodell an, das zumindest nach einer Literaturauffassung, möglicherweise aber auch nach der Rechtsprechung des EuGH,[75] unionsrechtswidrig wäre. Nach dieser Literaturauffassung verbietet es sich, anstelle der Verweisungstechnik die Formulierung aus einer europäischen Verordnung im nationalen Straftatbestand wortwörtlich zu wiederholen, soweit sie Bestandteil der deutschen Strafnorm werden soll, weil hierdurch der supranationale Ursprung der unionsrechtlichen Verhaltensvorschrift verschleiert würde.[76] Durch eine wörtliche Wiedergabe unionsrechtlicher Verhaltensvorschriften könnten namentlich die einschlägige Rechtsprechung des EuGH sowie europäische Auslegungsbesonderheiten verschleiert werden, insbesondere der Grundsatz des effet utile sowie die aus der Mehrsprachigkeit europäischer Normen folgenden Auslegungsbesonderheiten. Verzichtet der durch eine Verordnung zur Sanktionierung bestimmter Verhaltensweisen gehaltene nationale Gesetzgeber darauf, ausdrücklich auf Unionsrecht zu verweisen, würden die sich aus dem unionsrechtlichen Ursprung der Verhaltensnorm ergebenden Auslegungsbesonderheiten verschleiert und stiege das Risiko divergierender Interpretation der Verordnung in den Mitgliedstaaten, was wiederum auch Divergenzen in der Sanktionierungspraxis nach sich zöge.[77]

Dieser Auffassung, der sich der Senat im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss noch angeschlossen hatte, steht er nun skeptisch gegenüber. Hieß es im "Rind-fleischetikettierungsgesetz"-Beschluss noch unter Verweis auf entsprechende EuGH-Rechtsprechung, es sei "dem nationalen Gesetzgeber im Grundsatz verwehrt, unmittelbar anwendbares Unionsrecht im nationalen Recht durch gleichlautende Vorschriften zu wiederholen, da die Norm-adressaten über den Unionscharakter einer Rechtsnorm nicht im Unklaren gelassen werden dürfen",[78] schlägt der Zweite Senat nun andere Töne an: Er lässt nunmehr dahinstehen, ob dem Gesetzgeber tatsächlich verwehrt ist, unmittelbar anwendbares Unionsrecht, soweit für die nationale Strafnorm maßgeblich, dort wörtlich zu wiederholen, und hebt hervor, dass ein entsprechendes Verbot auf einer "älteren, zum Binnenmarkt ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union" beruht.[79]

Dass Karlsruhe nicht der Ort ist, an dem verbindlich entschieden wird, welche Regelungstechnik den Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer im Unionsrecht wurzelnden Sanktionierungspflichten aus unionsrechtlicher Sicht verwehrt ist, versteht sich von selbst. Gemeinsam mit dem (unnötigen) Hinweis auf das Alter der EuGH-Rechtsprechung, die derselbe Senat, wenngleich in anderer Besetzung, im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss offenbar noch als gültig und zutreffend erachtet hatte, liest sich die neue Formulierung als Einladung, das Verbot wörtlichen Wiederholens von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht in deutschen Strafnormen zu überdenken.

Bereits im Vorfeld des Beschlusses wurde im Schrifttum als alternative Regelungstechnik vorgeschlagen, den für den deutschen Straftatbestand maßgeblichen Textteil aus der EU-Verordnung wörtlich zu wiederholen und durch einen textlichen Hinweis auf dessen Ursprung – in Form eines exakten Normzitats – hinzuweisen. Im Fall eines Austauschs des Verweisungsobjekts auf Unionsebene gehe der mit dem Normzitat erteilte Hinweis auf die frühere Verordnung nicht ins Leere, weil das Zitat nur dazu diene, den unionalen Ursprung der strafbewehrten Verhaltensnorm anzuzeigen.[80] Für diesen Ansatz spricht, dass auch der EuGH das Wiederholungsverbot nie absolut formuliert hat, sondern immer mit Blick auf den dahinter stehenden Zweck, dass der Ursprung unmittelbar anwendbarer Unionsvorschriften nie verschleiert werden dürfe. Von daher dürfte sich ein wörtliches Wiederholen nur unter der Bedingung verbieten, dass es den Ursprung auch tatsächlich verschleiern kann.[81] Um mögliche Missverständnisse im Fall technischer Reformen auf Unionsebene zu vermeiden, sollte im Wortlaut der deutschen Strafnorm zum Ausdruck kommen, dass das Normzitat nur der Klarstellung des unionalen Ursprungs der Verhaltensnorm dient,[82] weil andernfalls der Straftatbestand mit Wegfall der ausdrücklich in Bezug genommenen Unionsnorm aus Sicht der Normadressaten irreführend würde.

VI. Schluss

Strafblankette wie § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB und hierauf bezugnehmende Verordnungsermächtigungen wie § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB, für die sich der Gesetzgeber im Rahmen unionsrechtlich anerkannter Spielräume entschieden hat, sind verfassungsgerichtlicher Prüfung zugänglich. Das Grundgesetz, namentlich Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG sowie Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, bildet hier den alleinigen Prüfungsmaßstab, weil der Gesetzgeber

die Spielräume, über die er aus unionsrechtlicher Sicht verfügt, grundrechtsschonend nutzen muss. Dass der Gesetzgeber insoweit im Fall von § 58 Abs. 3 Nr. 2 und § 62 Abs. 1 Nr. 2 LFGB die von der Verfassung gezogenen Grenzen eingehalten hat, hat das BVerfG – mit teils schief erscheinender Argumentation – nur entschieden, soweit § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB über § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB auf § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB verweist. Soweit die Entsprechungsklausel in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB auf andere in § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB aufgeführte Verordnungsermächtigungen bezugnimmt, hat das BVerfG das letzte Wort noch nicht gesprochen und besteht durchaus Grund zur Hoffnung auf gesetzgebungskritischere Töne aus Karlsruhe. Aus diesem Grund und insoweit sind der Gesetzgeber und die Fachgerichte weiterhin angehalten, § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB und § 62 Abs. 1 Nr. 2 LFGB darauf zu überprüfen, ob die schon im "Rindfleischetikettierungsgesetz"-Beschluss formulierten Maßstäbe an verfassungsgemäße unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel gewahrt sind. Jedenfalls für die bestehenden Normen, die diesen Maßstäben nicht gerecht werden, und für zukünftige unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze ist die vom BVerfG angedeutete Möglichkeit einer Wiederholung des Wortlauts der unionsrechtlichen Norm im deutschen Strafgesetz vorzugswürdig, allerdings unter der Voraussetzung eines textlichen Hinweises auf den europäischen Ursprung des Normzitats.


[*] Der Verfasser vertritt derzeit an der Leibniz Universität Hannover den Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht.

[1] So Rotsch ZJS 2008 , 132, 139.

[2] Ob die vier Aufhebungen durch das bald 70jährige BVerfG ( BVerfGE 17, 306, 314 f. betreffend § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 46 Abs. 2, § 60 PBefG a.F.; BVerfGE 78, 374, 383 ff. betreffend § 15 Abs. 2 Buchst. a) FAG a.F.; BVerfGE 105, 135, 158 ff. betreffend § 43a StGB a.F.; BVerfGE 143, 38, 58 = HRRS 2016 Nr. 1112 betreffend § 10 Abs. 1, 3 RiFlEtikettG a.F.) vornehmlich dessen – angesichts der Eingriffsschwere von Kriminalstrafen möglicherweise zu stark ausgeprägten – judicial restraint oder zuvörderst der Güte gesetzgeberischer Arbeit zu verdanken sind, muss wohl jeder für sich beantworten.

[3] Vgl. Schünemann, Nulla poena sine lege? (1978), S. 6 f.; Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG) (1986), S. 104 ff.; Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht (1973), S. 18 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz (1983), S. 123 ff.; Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen (2006), S. 94; Kühl, in: Festschrift für Seebode (2008), S. 61, 67; Roxin JöR 2011, 1, 24; Schmitz, in: Festschrift für Schünemann (2014), S. 235 f.; Greco ZIS 2018, 475 m.w.N.

[4] BVerfGE 143, 38 = HRRS 2016 Nr. 1112 m. Anm. Martell/Wallau ZLR 2017, 67 ff.; Hecker NJW 2016, 3653; ders. JuS 2017, 79 ff.; Bülte BB 2016, 3075 ff.; Sinn ZJS 2018, 381 ff.; Brand/Kratzer JR 2018, 422 ff.

[5] Zum Begriff, den entsprechenden Regelungsmodellen sowie ihren Risiken und Nebenwirkungen eingehend Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 8. Aufl. (2018), § 9 Rn. 61 ff.

[6] Vgl. Dannecker , in: Festschrift für Höpfel (2018), S. 577, 600; vgl. auch Dannecker/Bülte, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. (2019), 2. Teil 2. Kapitel Rn. 53; Bülte BB 2016, 3075, 3079; Honstetter NZWiSt 2017, 325, 327.

[7] BVerfGE 143, 38, 59 = HRRS 2016 Nr. 1112.

[8] BVerfGE 143, 38, 62 f. = HRRS 2016 Nr. 1112.

[9] BVerfGE 143, 38, 64 = HRRS 2016 Nr. 1112.

[10] BVerfGE 143, 38, 56 = HRRS 2016 Nr. 1112.

[11] Vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. (2020), § 1 Rn. 16a; Hecker NJW 2016, 3653; ders. JuS 2017, 79, 81; Bülte BB 2016, 3075, 3080; Dannecker ZIS 2016, 723, 728 f.; Bode/Seiterle ZIS 2016, 173, 177; Schmitz wistra 2017, 455 f.; Jahn/Brodowski ZStW 129 (2017), 363, 374 f.; Honstetter NZWiSt 2018, 325, 328.

[12] Bernd/Kratzer JR 2018, 422, 423 m.w.N.

[13] OLG Koblenz NStZ 1989, 188 f. Zwar soll nach der Rechtsprechung die Strafbarkeit auch nach dem Wegfall des Verweisungsobjekts fortbestehen, wenn dieses eine europäische Richtlinie war, vgl. etwa BGH NJW 2014, 1029 = HRRS 2014 Nr. 123; überzeugender ist es demgegenüber, in dieser Konstellation von der Straflosigkeit auszugehen, weil der mit der Verweisung erteilte Geltungsbefehl ab der Aufhebung der Richtlinie ins Leere führt und vom Standpunkt der Normadressaten aus zumindest irreführend erscheint, zumal der Gesetzgeber die Änderung der europäischen Rechtslage schlicht übersehen haben könnte und man die Gültigkeit des Verweisungsobjekts auch als eine Art "Geschäftsgrundlage" betrachten darf, mit der die Entscheidung des deutschen Strafgesetzgebers steht und fällt.

[14] Harms/Heine, in: Festschrift für Amelung (2009), S. 393, 398 und 401 ff.: pauschale Einordnung unionsrechtsakzessorischer Blankettstrafgesetze als Zeitgesetze im Sinne von § 2 Abs. 4 StGB; C. Schröder, in: Festschrift für Mehle (2009), S. 597, 604 ff., Hellmann, in: Festschrift für Krey (2010), S. 169, 189, und Gaede, in: AnwaltKommentar, StGB, 3. Aufl. (2020), § 2 Rn. 6: teleologische Reduktion von § 2 Abs. 3 StGB bei rein technischen Änderungen.

[15] BVerfGE 81, 132, 135; a.A. Dannecker, in: Leipziger Kommentar, StGB, Bd. 1, 13. Aufl. (2020), § 2 Rn. 55; Gaede, in: AnwaltKommentar, StGB, 3. Aufl. (2020), § 2 Rn. 3; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät bei Straftatbeständen (2016), S. 429 f.

[16] LG Stade wistra 2017, 451.

[17] Vgl. etwa § 48 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 51 Nr. 1 WeinG und § 49 S. 1 Nr. 7 i.V.m. § 51 Nr. 1 WeinG sowie § 27 Abs. 1 Nr. 3 ChemG.

[18] § 51 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 LMBG a.F.

[19] BVerfG NStZ-RR 2002, 22.

[20] Vgl. Bülte BB 2016, 3075, 3078; Honstetter NZWiSt 2017, 325, 327.

[21] BVerfGE 153, 310, 337 ff. = HRRS 2020 Nr. 549.

[22] Zum Begriff und den hiermit verknüpften Befugnissen des Gerichts s. BVerfGE 89, 155, 182; 123, 267, 330; 129, 124, 169; 142, 123, 191.

[23] So aber Honstetter NZWiSt 2017, 320, 328.

[24] I.E. ebenso Dannecker ZIS 2016, 723, 729 f.

[25] Der in der Literatur geführte Streit, ob Art. 325 Abs. 4 AEUV die Union dazu ermächtigt, die finanziellen Interessen der Union per Verordnung strafrechtlich zu schützen (dafür Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. (2016), Art. 325 AEUV Rn. 18; Grünewald JR 2015, 245, 251 f.; Heger ZIS 2009, 406, 416; Mansdörfer HRRS 2010, 11, 18; Rosenau ZIS 2008, 9, 16; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 8. Aufl. (2018), § 8 Rn. 24 ff.; dagegen Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen (2012), S. 27 ff.; Sturies HRRS 2012, 273, 276 ff.; Zöller, in: Festschrift für Schenke (2011), S. 579, 582 ff.), kann hier dahinstehen.

[26] EuGH, Urteil vom 21. September 1989, 68/88, EU:C:1989:339, Rn. 22 ff. – Griechischer Mais.

[27] BVerfGE 153, 310, 338 = HRRS 2020 Nr. 549.

[28] Hierzu näher Ludwigs NVwZ 2018, 1417.

[29] BVerfGE 153, 310, 338 = HRRS 2020 Nr. 549.

[30] BVerfGE 122, 1, 20 f.; 129, 78, 90 f.; 140, 317, 335 f. = HRRS 2016 Nr. 100.

[31] BVerfGE 153, 310, 341 = HRRS 2020 Nr. 549

[32] BVerfGE 29, 183, 196; 51, 60, 70; 78, 374, 383; 88, 203, 337; 96, 68, 97; 131, 268, 306; 134, 33, 81; Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. (2018), Art. 104 Rn. 10; Duttge, in: Berliner Kommentar, GG, Stand Lieferung 3/2018, Art. 104 Rn. 20; Radtke, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 15. August 2020, Art. 104 Rn. 6.

[33] So aber Bode/Seiterle ZIS 2016, 91, 101.

[34] Pohlreich, in: Bonner Kommentar, GG, Stand Juli 2019, Art. 104 Rn. 47 m.w.N.

[35] Wolff, in: HGR V, § 134 Rn. 43 f., Bode/Seiterle ZIS 2016, 91, 96, und Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl. (2021), § 1 Rn. 15 f.: Erfordernis eines förmlichen Gesetzes nur im Rahmen von Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG.

[36] Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969), S. 244 f.; Gaede, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwaltKommentar, StGB, 3. Aufl (2020), § 1 Rn. 14; Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. (2018), Art. 103 Rn. 63; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Juni 2017, Art. 103 Abs. 2 Rn. 104; Pohlreich, in: Bonner Kommentar, GG, Stand Juni 2018, Art. 103 Abs. 2 Rn. 63.

[37] Vgl. Abgeordneter Greve (SPD) in der 7. Sitzung des Rechtspflegeausschusses des Parlamentarischen Rates zu Bonn, Stenografische Protokolle S. 166 f.

[38] BVerfGE 153, 310, 344 m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549.

[39] Vgl. BVerfGE 132, 302, 316.

[40] BVerfGE 153, 310, 346 = HRRS 2020 Nr. 549.

[41] BVerfGE 153, 310, 345 = HRRS 2020 Nr. 549.

[42] BVerfGE 153, 310, 345 ff. = HRRS 2020 Nr. 549: "Die Vorschrift des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB ist eine Blankettstrafnorm[…], die sich mit den Verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes[…]im Ergebnis (noch) vereinbaren lässt[…]. Diese Regelungstechnik trägt der kompetenzsichernden Funktion des Bestimmtheitsgebotes[…]noch hinreichend Rechnung[…]. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit sind damit auf gesetzlicher Ebene noch hinreichend deutlich beschrieben."

[43] Bode/Seiterle ZIS 2016, 173; ähnlich wohl Knierim, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, Vor §§ 58-61 LFGB Rn. 7.

[44] Rührend Sackreuther , in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2017), Vor §§ 58-61 LFGB Rn. 26.

[45] Vgl. Pohlreich, in: Bonner Kommentar, GG, Stand Juni 2018, Art. 103 Abs. 2 Rn. 43 f. m.w.N.

[46] Vgl. Appel Jura 2000, 571, 577.

[47] Dannecker/Bülte , in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. (2019), 2. Teil 2. Kapitel Rn. 53.

[48] Vgl. Gaede, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwaltKommentar, StGB, 3. Aufl. (2020), § 1 Rn. 24.

[49] BVerfGE 126, 170, 195 m.w.N. = HRRS 2010 Nr. 656.

[50] Vgl. BVerfGE 47, 109, 120; 71, 108, 114; 75, 329, 341; 78, 374, 382; 87, 209, 224; 87, 399, 411; 105, 135, 153.

[51] BVerfGE 153, 310, 346 = HRRS 2020 Nr. 549.

[52] Pauly StoffR 2017, 265, 267 f.; vgl. auch Wallau LMuR 2016, 229, 232; Dannecker ZIS 2016, 723, 728; Schmitz wistra 2017, 455, 456; Honstetter NZWiSt 2017, 325, 327 f.; Dorneck, in: Stam/Werkmeister (Hrsg.), Der Allgemeine Teil des Strafrechts in der aktuellen Rechtsprechung (2019), S. 9, 29.

[53] BVerfGE 153, 310, 346 = HRRS 2020 Nr. 549.

[54] BVerfGE 153, 310, 346 f. = HRRS 2020 Nr. 549.

[55] BVerfGE 153, 310, 348 = HRRS 2020 Nr. 549.

[56] BVerfGE 153, 310, 348 f. = HRRS 2020 Nr. 549, unter Hinweis auf Boch ZLR 2017, 317, 323, und Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen, 2012, S. 336 ff.

[57] BVerfGE 153, 310, 350 = HRRS 2020 Nr. 549.

[58] BVerfGE 153, 310, 351 = HRRS 2020 Nr. 549.

[59] Moll, Europäisches Strafrecht durch nationale Blankettgesetzgebung, 1998, S. 56 ff.; Freund, in: MK-StGB, Bd. 6, 3. Aufl. (2017), Vorbemerkung vor § 95 AMG Rn. 54; Volkmann ZRP 1995, 220, 224 f.; Hoven NStZ 2016, 337, 381 f.

[60] Vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, C-263/96, EU:C:1997:629, Rn. 26, 33 ff. – Kommission ./. Belgien; Calliess/Kahl/Puttler, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl (2016), Art. 4 EUV Rn. 60; Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. (2018), Art. 4 EUV Rn. 47.

[61] Cornelius NStZ 2017, 682, 688.

[62] Bülte wistra 2020, 251, 252.

[63] Schmitz , in: Festschrift für Schünemann (2014), S. 235, 246 f.; Pfohl, in: Müller-Gugenberger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl. (2015), § 72 Rn. 55; i.E. ebenso Bode/Seiterle ZIS 2016, 91, 94.

[64] BVerfGE 153, 310, 352 f. = HRRS 2020 Nr. 549.

[65] BVerfGE 153, 310, 353 = HRRS 2020 Nr. 549.

[66] Herz NZWiSt 2020, 253, 255.

[67] Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Juni 2017, Art. 103 Abs. 2 Rn. 82.

[68] Pohlreich, in: Bonner Kommentar, GG, Stand Juni 2018, Art. 103 Abs. 2 Rn. 100 und 102, jew. m.w.N.

[69] Vgl. etwa BVerfGE 26, 186, 204; 48, 48, 57; BVerfGK 17, 273, 292 = HRRS 2011 Nr. 120.

[70] S.o. unter III. 2. a) bb)

[71] BVerfGE 153, 310, 355 f. = HRRS 2020 Nr. 549.

[72] BVerfG 153, 310, 356 = HRRS 2020 Nr. 549.

[73] BVerfGE 153, 310, 357 = HRRS 2020 Nr. 549.

[74] BVerfGE 153, 310, 357 f. = HRRS 2020 Nr. 549.

[75] Zitiert wird in diesem Zusammenhang üblicherweise EuGH, Urteil vom 10. Oktober 1973, C-34/73, EU:C:1973:101, Rn. 9 ff. – Variola; Urteil vom 2. Februar 1977, EU:C:1977:13, Rn. 4/7 – Amsterdam Bulb; Urteil vom 28. März 1985, EU:C:1985:147, Rn. 26 – Kommission ./. Italienische Republik.

[76] Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 8. Aufl. (2018), § 9 Rn. 60; ders./Langheld HRRS 2011 460, 461; Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen (2012), S. 70 f.; a.A. Harms/Heine, in: Festschrift für Amelung (2009), S. 393, 398 f.

[77] Vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 8. Aufl. (2018), § 9 Rn. 65.

[78] BVerfGE 143, 38, 57 = HRRS 2016 Nr. 1112.

[79] BVerfGE 153, 310, 343 f. = HRRS 2020 Nr. 549.

[80] Brand/Kratzer JR 2018, 422, 433.

[81] Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5.  Aufl. (2016), Art. 288 AEUV Rn. 20; Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. (2018), Art. 288 AEUV Rn. 47.

[82] Etwa so "Mit … wird bestraft, wer gegen die Verordnung … oder eine sie ersetzende Verordnung verstößt, indem er …"