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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2020
21. Jahrgang
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Von Richter am Landgericht Jan Dehne-Niemann, Mannheim[*]
Mit dem vierzehnten Geburtstag einer Person tritt deren relative Strafmündigkeit ein; ab dann ist bei Jugendlichen die Tatzeitschuldfähigkeit in jedem Einzelfall positiv festzustellen (§ 3 S. 1 JGG). Kinder unter 14 Jahren sind dagegen absolut strafunmündig (§ 19 StGB). Dies steht seit langem in der Kritik, deren Stoßrichtung freilich höchst unterschiedlich verläuft: Während die jugendkriminologische Wissenschaft teilweise dafür plädiert, 14- und 15-jährige Jugendliche durch Heraufsetzung des Strafmündigkeitsalters auf 16 Jahre dem Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts in toto oder jedenfalls der Rechtsfolge Jugendstrafe (§§ 17 f. JGG) zu entziehen[1], wird in jüngerer Zeit von manchen Praktikern und vor allem aus der Politik mit einiger Regelmäßigkeit eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf zwölf Jahre verfochten[2]. Bislang haben sich Reformansätze aber weder in die eine noch in die andere Richtung durchsetzen können. Nachdem § 19 StGB selbst nach dem Fall Mehmet unangetastet blieb, durfte man davon ausgehen, dass das Strafbarkeitseingangsalter dauerhaft bei vierzehn Jahren verbleiben würde. Mittlerweile scheint der rechtspolitische Wind jedoch gedreht zu haben. Die AfD hat sich die Absenkung des Strafmündigkeitsgrenze auf die Fahnen geschrieben und möchte "durch die konsequente Bestrafung schwerer Delikte Signale der Warnung und Prävention aussenden sowie den verloren gegangenen Respekt bei diesen jugendlichen Serientätern wiederherstellen."[3] Im Sommer des Jahres 2019 stieß der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Rainer Wendt gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Berliner CDU Falko Liecke[4] in dasselbe Horn und auf Zustimmung bei diversen Gazetten, die hierzulande als Zeitungen durchgehen.[5] So fragte die BILD, ob man mit zwölf alt genug für eine Vergewaltigung sei, aber zu jung, um bestraft zu werden.[6] Selbst im liberalen Teil des Parteienspektrums erfuhr die diskutierte Absenkung des Strafmündigkeitsalters für schwere Straftaten auf zwölf Jahre Sympathie, nämlich beim rheinland-pfälzischen Justizminister Mertin (FDP).[7]
Dem Schmerz der Grenze, wie man in Anlehnung an eine Formulierung Hellmuth Mayers[8] sagen könnte, kann man mit einer bloßen Absenkung des Eintrittsalters jedoch nie entgehen; die Absenkung der Altersgrenze auf zwölf Jahre wäre keine endgültige Problemlösung,[9] da sich stets ein skandalisierungsfähiger Fall eines noch jüngeren – etwa elfjährigen Täters – denken lässt. Dieses Grenzziehungsärgernis empfindet auch die CSU-Landesgruppe und hat sich seiner auf ihrer alljährlichen Neujahrsklausurtagung angenommen, die Anfang Januar 2020 in Klosterseeon stattfand. Das unter Federführung von Landesgruppenchef Dobrindt erstellte Programmpapier[10] der
Klausurtagung enthält neben dem bekannten konservativen Wunschkatalog ("Cyberoffensive für unsere Sicherheitsbehörden", "digitales Beleidigungsstrafrecht", Einrichtung einer "Bundeszentrale für digitale Aufklärung", "Einsatz intelligenter Videoüberwachung", Bekämpfung "krimineller Clanstrukturen", konsequente Bestrafung der "Einschüchterung von Amtsträgern") auch den markigen Programmsatz: "Wir wollen schwere Straftaten altersunabhängig sanktionieren." Dass Kinder für Verbrechen nicht bestraft werden können, empfinden die Christsozialen als unhaltbaren Rechtszustand. Um "auch Täter unter 14 Jahren in einem besonderen Verfahren einzelfallgerecht sanktionieren (zu) können", befürwortet die CSU-Bundestagsfraktion die Prüfung der "Aufhebung der Altersgrenze für schwere Verbrechen, um in besonders schwerwiegenden Fällen erzieherische Maßnahmen bis hin zu Konsequenzen beim Sorgerecht zu ermöglichen." Damit scheint die Quadratur des Weißbierglases gelungen und wird der Schmerz der Grenzziehung überwunden: "Bei schweren Gewaltverbrechen (entscheidet über) die Bestrafung allein die Einsichtsfähigkeit des Täters und die Schwere der Tat (…), nicht eine starre Altersgrenze". Im Klartext soll die relative Strafmündigkeit künftig auch für alle Personen unter 14 Jahren gelten, sofern dem Kind nur eine hinreichend schwere Tat vorgeworfen wird. Dabei fällt auf, dass die CSU von den Kriterien des § 3 S. 1 JGG nur die Unrechtseinsichtsfähigkeit, nicht aber die Steuerungsfähigkeit nennt. Ob dies auf einem – für den Wert der Position freilich symptomatischen – Versehen beruht, lässt sich nicht beurteilen.
Dass schwere Straftaten nunmehr gänzlich altersunabhängig ahndbar sein sollen, geht über die bisherigen Verschärfungsvorschläge, die einer Absenkung des Strafmündigkeitsalters das Wort redeten, weit hinaus. Inhaltlich spricht rein gar nichts für das Projekt der CSU. Noch der geringste Kritikpunkt ist, dass ein Anstieg der Kinderdelinquenz nicht zu verzeichnen ist, der zu dem Vorstoß der CSU hätte Anlass geben können. Im Gegenteil nahm von 2003 bis 2015 die Kinderdelinquenz durchweg ab, und zwar sowohl der absoluten Fallzahl der von Kindern begangenen Straftaten nach als nach deren prozentualen Anteil an der Gesamtdelinquenz.[11] Ein mit der verstärkten Zuwanderung der Jahre 2015 und 2016 einhergehender kurzzeitiger Anstieg der Fallzahlen betrifft nicht die von der CSU ins Auge gefassten schweren Straftaten, sondern beruht ganz überwiegend auf ausländerstrafrechtlichen Taten (unerlaubte Einreise, unerlaubter Aufenthalt).
Über diese numerisch-statistischen Befunde hinaus bestehen gegen die beabsichtigte Beseitigung der Strafuntergrenze durchgreifende prinzipielle Bedenken. Die folgenden Zeilen zeigen, dass auf die starre Altersgrenze von 14 Jahren schon aus organisatorischen, aber auch aus forensischen und (jugend)strafrechtstheoretischen Gründen nicht verzichtet werden kann. Ein Blick über die Grenzen bestätigt die Salonfähigkeit eines Strafrechtseintrittsalters: Im europäischen Vergleich stellt sich eine starre Strafmündigkeitsgrenze als Regelfall dar. Nur das französische Strafrecht kennt keine Strafmündigkeitsgrenze, allerdings können in Frankreich erst ab dreizehn Jahren Freiheitsstrafen verhängt werden.[12]
Die von der CSU als unbefriedigend empfundene Wirkungsweise des § 19 StGB besteht in einer generalisierenden Trennung der schon vierzehnjährigen Nichterwachsenen von denjenigen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben. Kennzeichnend für das dürftige Begründungsniveau ist die in der Diskussion bei den Unterstützern des Vorhabens anzutreffende Verwechselung von Altersreife (§ 3 JGG) und Strafmündigkeit (§ 19 StGB). Entgegen der Auffassung des rechtspolitischen Sprechers der CDU im Bundestag, Jan-Marko Luczak, hat die Strafmündigkeitsgrenze mit der "grundlegende(n) Fähigkeit, zwischen richtig und falsch, Gut und Böse zu unterscheiden"[13], für sich genommen nichts zu tun. Die von Luczak angesprochene Unrechtseinsichtsfähigkeit – zur Steuerungsfähigkeit hat sich auch Luczak nicht verhalten – ist eine im konkreten Einzelfall individuell-täterbezogen positiv festzustellende Voraussetzung für die Bestrafung eines Jugendlichen, die nach der lex lata zusätzlich zu der Strafmündigkeit des § 19 StGB gegeben sein muss. Unrechtseinsichts- und Steuerungsfähigkeit sind unter der Geltung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Schuldgrundsatzes[14] unabdingbare Anwendungsvoraussetzung des Jugendstrafrechts;[15] die Frage, ob sie beim Täter im Zeitpunkt der Tat vorgelegen habe, stellt sich aber überhaupt erst, wenn der Täter strafmündig i.S. des § 19 StGB war.
Dieser in der Diskussion nicht sauber auseinandergehaltenen Unterscheidung von generalisierender Strafmündigkeit einerseits und im konkreten Einzelfall täterindividuell zu bestimmender Unrechtseinsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit andererseits entspricht die unterschiedliche Zweckbestimmung beider Kriterien. Der generalisierenden Unterscheidung des § 19 StGB nach Altersstufen liegt aus der Perspektive der Rechtspraxis die Erwägung zugrunde, dass eine regelmäßig aufwendige Begutachtung über die Unrechtseinsichts- und Steuerungsfähig-
keit des Kindes vermieden werden soll.[16] Dieser Zweck der Vorschrift hat zunächst eine organisatorisch-fiskalische Seite: Vergegenwärtigt man sich, dass die Klärung der Unrechtseinsichts- und Steuerungsfähigkeit regelmäßig umso eher der sachverständigen Klärung bedarf, je jünger der Täter ist[17], und die entsprechende Begutachtung gemäß § 43 Abs. 2 JGG durch einen zur Untersuchung von Jugendlichen befähigten Sachverständigen – also einen Kinder- und Jugendpsychologen bzw. -psychiater – erfolgen soll, so zeigt sich, welche organisatorische und kostenmäßige Mehrbelastung mit einer altersmäßigen Öffnung des Jugendstrafrechts nach unten verbunden wären.[18] Insofern ist auch daran zu erinnern, dass in der Praxis die Vorgaben des § 3 JGG – das Erfordernis einer positiven Reifefeststellung – methodisch und inhaltlich vielfach unzureichend behandelt werden. So wird in typischen Fällen der Jugenddelinquenz verbreitet die Verantwortlichkeit schon deshalb bejaht, weil keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen[19], was mit dem gesetzlich vorgegebenen Erfordernis positiver Schuldfeststellung nicht zu vereinbaren ist.[20] Wenn künftig die Bestrafung nur noch von der Reifeentwicklung des § 3 JGG abhinge, so stünde zu befürchten, dass die Anwendungs- und Handhabungsdefizite der Praxis in den hier thematischen und besonders problematischen Bereich der Kinderdelinquenz hineingetragen werden, woraus sich ein rechtspraktisches weiteres Bedenken gegen die Streichung der Altersgrenze ergibt.
Auch wenn man der organisatorischen Mehrbelastung mit dem Vorhaben der CSU durch eine Beschränkung der Strafbarkeitsausdehnung auf schwere Straftaten zu begegnen sucht, bliebe die (Jugend-)Strafbarkeit mit den prinzipiellen Problemen der in diesem Altersbereich stets extrem schwierigen positiven Feststellung der Schuldfähigkeit[21] belastet. Damit ist die forensische Seite der aus § 19 StGB resultierenden Generalisierung angesprochen. Es mag zutreffen, dass bei einzelnen Kindern in einzelnen Fällen zum Tatzeitpunkt Einsichts- und Steuerungsfähigkeit durchaus vorliegen können;[22] die forensische Feststellbarkeit stößt bei Kindern aber auf große und insgesamt wohl praktisch unüberwindbare Hindernisse. In der Entwicklungspsychologie wird davon ausgegangen, dass Kinder bzw. Jugendliche selbst im Altersbereich zwischen 13 und 16 Jahren noch regelmäßig eine unabgeschlossene moralische Entwicklung aufweisen[23], mit der eine Minderung des Hemmungsvermögens einhergeht. Bei einer solchen entwicklungspsychologischen Ausgangslage muss in Abrede gestellt werden, dass eine den Anforderungen des § 3 S. 1 JGG genügende, hinreichend eindeutige Aussage zur Steuerungsfähigkeit i.S. des § 3 S. 1 JGG – die gerade bei schweren Straftaten besonders junger Täter besonders ernst genommen werden muss[24] – überhaupt prinzipiell möglich ist.[25] Schon deshalb ist – unabhängig von der Frage, ob sonstige Gründe für eine Streichung oder auch nur Absenkung der Altersgrenze sprechen oder ob sich nicht viel eher eine Anhebung empfiehlt[26] – das erprobte jugendstrafrechtliche Eintrittsalter gegen Auflösungstendenzen zu verteidigen. Auch insofern fällt negativ auf, dass das Programmpapier jegliche Erwägung zum eigentlichen Problem – der Steuerungsfähigkeit – vermissen lässt und sich nur mit der vielfach weniger problematischen Unrechtseinsichtsfähigkeit[27] befasst, so als ob jedes Kind stets und unter allen Umständen erkanntes Unrecht vermeiden könnte.
Gegen eine gesetzlich festgelegte Strafmündigkeitsgrenze spricht auch nicht, dass aus entwicklungspsychologischer Sicht keine feste Grenze eines bestimmten Alters gezogen werden kann, ab dem junge Menschen regelmäßig hinreichende Reife aufweisen, ja dass bereits Skepsis angebracht ist, ob sich entwicklungspsychologisch begründbare Kriterien für bestimmte altersmäßige Festlegungen überhaupt benennen lassen.[28] Es geht ja nicht um die Definition eines Regelreifealters, sondern um die Ziehung einer Grenze, ab der forensisch im Regelfall überhaupt einigermaßen verlässliche Aussagen über die Tatzeitreife möglich sind. Insoweit lässt sich mit der empirischen jugendkriminalpsychologischen Befundlage die Altersgrenze von 14 Jahren jedenfalls plausibel begründen.[29] Die populäre Annahme, Kinder seien heutzutage
generell früher reif und daher generell früher als verantwortlich anzusehen[30], geht dagegen fehl, weil sie einer rein äußerlichen Betrachtung verhaftet bleibt. Die dafür verbreitet in Bezug genommenen Erscheinungsformen einer früheren äußeren Selbständigkeit gegenüber Erziehungspersonen sind auf gesellschaftlich bedingte Entwicklungen zurückzuführen, die mit einem – gemessen an erzieherischer Sinnhaftigkeit – vorzeitigen Verlust von sozialen Schutzverhältnissen (Familie, Verwandtschaft) einhergehen. Aus diesem Verlust ergibt sich aber regelmäßig eine stärkere Entwicklungsgefährdung, weil sie vielfach eine eher größere Abhängigkeit von peer-groups mit sich bringt, die größerer Handlungsautonomie und Verantwortungsfähigkeit im Sinne der Entwicklungsreifekriterien entgegensteht.[31] Belastbaren empirischen Erkenntnisse dafür, dass einer etwa früher einsetzenden Pubertät und der heute geltenden allgemeinen Schulpflicht eine frühere emotionale, moralische und soziale Reife entspräche, existieren dementsprechend nicht.[32] Eher im Gegenteil wird die Reifung des Kindes erschwert und verzögert durch die schwieriger werdende Orientierung in einer u.a. durch Elektronisierung und Digitalisierung komplexer werdende Welt, durch häufigere Wertumbrüche sowie durch Faktoren wie "Coerziehung” in außerfamiliären Freizeitinstitutionen und interkulturelle Migration.[33] Mit Recht hält das ganz überwiegende wissenschaftliche Schrifttum deshalb an der bei 14 Jahren liegenden Strafmündigkeitsgrenze fest und sieht insbesondere gegenüber früher keine Notwendigkeit einer früheren jugendstrafrechtlichen Einwirkungsmöglichkeit.[34]
Die vorangegangenen Erwägungen haben gezeigt, dass die Erstreckung des Jugendstrafrechts auf Personen unter 14 Jahren aus organisatorisch-fiskalischen Gründen nicht machbar und schon an der je individuell erforderlichen Reifeprüfung aus prinzipiellen forensischen Gründen scheitern muss. Aber wer seine Kritik auf Mängel in der praktischen Umsetzbarkeit beschränkt, riskiert aus der konservativen und der weiter rechts befindlichen Ecke mindestens den realitätsverleugnenden Vorwurf, ein "Nicht-können" gebe es nicht, man müsse halt nur wollen. Anderseits droht aus der Ecke der tendenziell eher politisch progressiv orientierten Jugendstrafrechtswissenschaft der Einwand, forensische und erst recht organisatorische Erwägungen seien wissenschaftlich unterkomplex. Die nachfolgenden Erwägungen setzen sich daher mit dem spezifisch jugendstrafrechtlichen und straftheoretischen Gehalt der beabsichtigten Beseitigung der Strafmündigkeit auseinander. Da sich dem Positionspapier der CSU kaum eine substantielle Begründung entnehmen lässt, bleiben die Erwägungen notwendigerweise im Allgemeinen.
a) Erzieherische Einwirkung durch Bestrafung von Kindern?
aa) Aus jugendstrafrechtstheoretischer Sicht spricht alles gegen die Etablierung eines Kinderstrafrechts, auf die das Vorhaben der CSU-Landesgruppe hinausliefe. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 JGG wird das Jugendstrafrecht vom Erziehungsgedanken beherrscht, der "als Basis aller Regelungen des Jugendstrafrechts"[35] fungiert. Hieran muss sich die von der CSU beabsichtigte generelle relative Strafmündigkeit messen lassen. Insofern bestehen aber durchgreifende Zweifel daran, dass ein erzieherischer Zugriff auf einen kindlichen Beschuldigten mit den Mitteln des Jugendstrafrechts auch nur in einer nennenswerten Zahl von Fällen gelingen kann. Schon der Verfahrensgang nährt Bedenken: Über die bereits angesprochene organisatorische Belastung hinaus würde die in einer Vielzahl von Fällen erforderliche und gerade bei den hier thematischen schweren Straftaten unerlässliche Einholung eine kinder- oder jugend- bzw. entwicklungspsychologischen Sachverständigengutachtens – auch mit Blick auf den notorischen Belastungsstand der entsprechenden Sachverständigen – zu einer Verzögerung des Jugendstrafverfahrens führen, die mit dem grundsätzlich sinnvollen Desiderat einer erziehungseffektiv raschen staatlichen Reaktion nicht zu vereinbaren ist.
bb) Zudem ist ganz grundsätzlich in Abrede zu stellen, dass die Reaktionsmöglichkeiten des Jugendstrafrechts – Erziehungsmaßregeln (§§ 5 Abs. 1, 9 ff. JGG), Zuchtmittel (§§ 5 Abs. 2, 13 ff. JGG) und Jugendstrafe (§§ 5 Abs. 2, Abs. 3, 17 f. JGG) – dem Entwicklungsstand von 13-jährigen oder jüngeren Kindern gerecht werden können. Schon prinzipiell kann nicht zugegeben werden, dass die Vollstreckung der Jugendstrafe als eine längerdauernde Freiheitsentziehung in Jugendstrafanstalten, die bei den der CSU vorschwebenden schweren Verbrechen ernsthaft in Betracht kommt, sich überhaupt – von seltenen Einzelfällen abgesehen – zur bessernden erzieherischen Einwirkung auf einen in seiner Persönlichkeit nicht voll ausgebildeten jungen Menschen eignet.[36] Neben der mit der Inhaftierung einhergehenden Abstumpfung erfolgt regelmäßig auch eine Anpassung an die in den Knastsubkulturen geltenden Regeln und Umgangsformen, die für
die erzieherische Einwirkung kontraproduktiv ist.[37] Man wird vermuten müssen, dass diese vielfach als überlebensnotwendig empfundene Anpassung umso stärker ist, je jünger und damit persönlichkeitshaft unausgebildet der Gefangene ist. Für sehr junge Strafgefangene dürfte dies auf eine frühzeitige Rollenprägung hinauslaufen. Damit wirken sich die Prisonierungseffekte[38] erziehungsmäßig umso kontraproduktiver[39] aus, je jünger der Gefangene ist.[40] Selbst bei schwerer Kinderdelinquenz sollte deshalb besser von einer Kriminalisierung abgesehen werden. Insofern ist daran zu erinnern, dass es sich bei (auch schwerer) Jugendkriminalität um ein ubiquitäres Phänomen handelt – ca. 90 % aller Jugendlichen werden bei allerdings geringer Aufdeckungsrate auffällig –, das sich mit zunehmender Reife in den allermeisten Fällen von selbst "herauswächst" und bei dem weder die Schwere der Tat noch das Alter bei der Erstauffälligkeit Rückschlüsse auf das "Ob" und das "Wie" einer spätere kriminelle Karriere zulassen.[41] Die statistisch demnach wohlbegründete Aussicht auf ein "Herauswachsen" des kindlichen Delinquenten sollte nicht durch frühzeitige Kriminalisierung oder gar Prisonierung auch von Intensivtätern zunichte gemacht werden. Der delinquente Altersbereich unter 14 Jahren ist damit zu Recht die Domäne der nichtpunitiven Jugendhilfe[42] und sollte es auch bleiben.
b) Zugriff auf die elterliche Sorge als tragfähiger Grund für die Streichung der Strafmündigkeitsgrenze?
An diesem Befund ändert auch der – soweit ersichtlich einzige – Grund nichts, den die CSU-Landesgruppe für die beabsichtigte Beseitigung der Strafmündigkeitsgrenze nennt. Im Positionspapier heißt es, "die Aufhebung der Altersgrenze für schwere Verbrechen" bedürfe der Prüfung, "um in besonders schwerwiegenden Fällen erzieherische Maßnahmen bis hin zu Konsequenzen beim Sorgerecht zu ermöglichen." Bei aller gebotenen Vorsicht mit der Lektüre christsozialen Kaffeesatzes drängt sich der Eindruck auf, die CSU-Landesgruppe gehe davon aus, die staatlichen Interventionsmöglichkeiten bei kindlicher Delinquenz hänge von der Reichweite des Jugendstrafrechts ab und ein Zugriff etwa auf die Personensorge sei nur bei einer korrespondierenden strafrechtlichen Verurteilung möglich. Dieser Standpunkt des CSU-Positionspapiers ist eklatant falsch. Schon bei oberflächlicher juristischer Prüfung erschließt sich, dass insbesondere das Familienrecht (§§ 1666 BGB) und das Kinder- und Jugendhilferecht nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (Kinder- und Jugendhilfe) mannigfaltige Möglichkeiten zur Reaktion auf auffällige Kinder und auf Erwachsene bieten, die Kinder unter Missbrauch ihres Erziehungsrechts negativ beeinflussen. Nach dem Achten Buch des SGB kann Hilfe zur Erziehung gewährt werden (§ 27 SGB VIII), die in Form von Erziehungsberatung, Gruppenarbeit, sozialpädagogischer Einzelbetreuung oder Familienhilfe denkbar ist (§§ 28, 29, 31, 35 SGB VIII). In Betracht kommen auch intensivere Betreuungsmaßnahmen wie Heimerziehung oder sonstige betreute Wohnformen (§ 34 SGB VIII). Von den Sanktionen des JGG unterscheiden sich diese Reaktionsmöglichkeiten dadurch, dass Art und Umfang der jeweiligen Maßnahme(n) sich ausschließlich nach dem erzieherischen Bedarf richten (§ 27 Abs. 2 S. 2 SGB VIII) und dass den im Interesse des Kindes zu wählende Maßnahmen kein punitiver Charakter zukommt.[43]
Allerdings lässt sich über die Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht sämtlichen Fälle der Kinderdelinquenz begegnen. Denn da ein Tätigwerden der Behörden nach dem SGB VIII die Zustimmung der Personensorgeberechtigten erfordert, reicht allein die Begehung einer – auch schweren Straftat – eines Kindes noch nicht aus, um beispielsweise Heimerziehung anzuordnen. Scheitert ein Vorgehen nach dem Kinder- und Jugendhilferecht an der fehlenden Kooperationsbereitschaft des oder der Personensorgeberechtigten, so bietet § 1666 BGB – wenn auch in engerem Umfang – bei einer Kindeswohlgefährdung familiengerichtliche Eingriffsmöglichkeiten ins Personensorgerecht[44]. Insbesondere ermöglicht § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB den Entzug der Personensorge durch das Familiengericht, ohne dass es in der heutigen Gesetzesfassung noch auf ein elterliches Erziehungsversagen ankäme. Gegen diejenigen Erziehungsberechtigten, denen die CSU-Landesgruppe anscheinend das Sorgerecht aus Anlass schwerer Straftaten zu entziehen beabsichtigt, kann der Staat folglich nach Maßgabe des § 1666 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 4 BGB auf familiengerichtlichem Wege vorgehen, vorausgesetzt, es liegt eine Kindeswohlgefährdung vor, die in der schweren Straftat zum Ausdruck gekommen ist.[45] Über das letztere Erfordernis – Straftatbege-
hung als Symptom der Kindeswohlgefährdung – käme man auch bei einer Streichung der Strafmündigkeitsgrenze und einer strafrechtlichen Verurteilung des Kindes nicht hinweg; denn auch dann wäre der für flankierende familienrechtliche Maßnahmen nach der Rechtsgrundverweisung des § 34 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 JGG zuständige Jugendrichter an die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB gebunden. Auch insofern wäre also in puncto Sorgerechtszugriff durch die von der CSU propagierte strafrechtliche Verurteilung von Kindern nichts gewonnen.
Nach alledem besteht kein Anlass, um der Schaffung familienrechtlicher Reaktionsmöglichkeiten willen den Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts nach unten zu öffnen.[46] Die erwünschten Reaktionsmöglichkeiten bestehen bereits unabhängig von der jugendstrafrechtlichen Lage. Ganz in diesem Sinne verpflichtet Richtlinie Nr. 2 zu § 1 JGG den Jugendstaatsanwalt,[47] der wegen der absoluten Strafunmündigkeit eines Kindes keine Anklage erhebt, geeignetenfalls das Familiengericht oder eine andere Stelle zu benachrichtigen.
Möglicherweise ging es der CSU bei ihrem Vorstoß aber auch um präventive Strafrechtszwecke. In diese Richtung könnte jedenfalls eine der Onlinetagespresse zu entnehmende Bemerkung des innen- und rechtspolitischen Sprechers der CSU im Bundestag Volker Ullrich interpretiert werden, der zur Begründung des Vorhabens der CSU u. a. ausführte, man brauche "zum Schutz der Bürger und aus Respekt und Anteilnahme für die Opfer und ihre Angehörigen (…) einen starken Rechtsstaat, der sich wehrt", folglich "adäquate Strafen bei persönlicher Reife und vorliegender Einsichtsfähigkeit des jungen Täters."[48]
Zwar spricht tatsächlich Einiges dafür, dass der das Jugendstrafrecht prägende Erziehungsgedanke durch präventives Gedankengut gleichsam "angereichert" werden kann, da mit dem Erziehungsgedanken die Ausgestaltung des Jugendstrafrechts spezifisch als Strafrecht nicht begründet werden kann; wollte man nur erziehen, wäre schon nicht erklärbar, warum eine Reaktion nur straftatbestandsmäßiges Verhalten erfolgt. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Funktion des Jugendstrafrechts als eines echten Strafrechts wie die des Erwachsenenstrafrechts in der Bestätigung besonders bedeutsamer gesellschaftlicher Normen und in der Verteidigung des Rechtsfriedens besteht.[49] Daraus folgt aber nicht, dass die Öffnung des Jugendstrafrechts nach unten mit präventiven Erwägungen tragfähig begründet werden könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Sollten mit präventiven Erwägungen solche der Abschreckung des Täters oder anderer Jugendlicher (Prävention in Form der negativen Spezial- oder Generalprävention) gemeint sein, so könnte – unbesehen der sonstigen Einwände gegen das Abschreckungsmodell[50], von denen die fehlende empirische Validität noch der geringste ist – davon nur sinnvoll gesprochen werden, wenn in dem kindlichen Täter oder in anderen abzuschreckenden Tätern überhaupt diejenigen triebhemmenden Kräfte vorhanden sind, die der Tatbegehung entgegenstreben und an die die Strafandrohung appellieren soll. Straftaten von Kindern sind aller jugendkriminologischen Erkenntnis nach in weit höherem Umfang als bei Erwachsenen als Taten des Augenblicks anzusehen, bei der die drohende Rechtsfolge nicht in die Entscheidungsabwägung eingestellt wird.[51] Damit geht ein Versagen der den Strafvorschriften innewohnenden Verhaltensnormen und der an diese anknüpfenden sozialen Steuerungsfunktion einher.[52] Dass die damit angesprochene Steuerungsfähigkeit bei Kindern vielfach nicht gegeben, jedenfalls aber aus übergeordneten Gründen forensisch nicht feststellbar ist, stellt ja – wie gesehen – gerade einen maßgeblichen Grund dafür dar, dass man Kinder zu Recht nicht dem Anwendungsbereich des Strafrechts unterworfen hat.
Gegenüber generalpräventiv motivierten Absenkungsbestrebungen muss mit einem Blick auf die Ideologiegeschichte und die Gesetzeshistorie daran erinnert werden, in welche Richtung sich solche Vorhaben bewegen. Letztmals wurde das Strafeintrittsalter im Jahre 1943 durch das nationalsozialistische Reichsjugendgerichtsgesetz[53] (RJGG) auf zwölf Jahre abgesenkt.[54] Die Anwendung von Jugendstrafrecht auf Zwölf- und Dreizehnjähri-
ge stand gemäß § 3 Abs. 2 JGG unter der Voraussetzung, dass "der Schutz des Volkes oder die verwerfliche verbrecherische Gesinnung des Täters eine strafrechtliche Ahndung fordert", was wie eine terminologisch zugespitzte Paraphrase auf das ebenfalls generalpräventiv motivierte Anliegen des AfD-Grundsatzprogrammes klingt,[55] das "durch die konsequente Bestrafung schwerer Delikte Signale der Warnung und Prävention aussenden sowie den verloren gegangenen Respekt bei (…) jugendlichen Serientätern wiederherstellen" möchte. Als wäre diese unübersehbare Parallele nicht schon anrüchig genug, geht der Vorstoß der CSU-Landesgruppe, mit dem die Strafuntergrenze nicht nur abgesenkt, sondern gänzlich beseitigt werden soll, über den NS-Rechtszustand und die gleichlaufende Zielvorstellung der AfD noch deutlich hinaus.
Aber auch wenn man den Präventionsgedanken anders fasst und anstatt auf Abschreckung auf die Stärkung der Normtreue der Rechtsgemeinschaft (positive Generalprävention) – in Ullrichs Äußerung der Opfer und ihrer Angehörigen – setzt, lässt sich die Beseitigung des Strafeintrittsalters damit nicht rechtfertigen. Im Wesentlichen besteht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Kinder sich in einem Entwicklungsstadium befinden, in das sich erwachsene Mitbürger nicht (mehr) einfühlen können. Da Kinder wegen ihrer auch ansonsten eingeschränkten Fähigkeiten und beschränkten rechtlichen Kompetenzen (Fahrerlaubnis, Wahlrecht, Geschäftsfähigkeit) von älteren Mitbürgern nicht als "Gleiche" im Sinne von vollwertigen Sozialpartnern und damit als vollwertige Rechtsgenossen akzeptiert werden, ist ihre Herausnahme aus dem Jugendstrafrecht plausibel, weil ihnen gesellschaftlich nicht die Kompetenz zugeschrieben wird, mit ihrem Handeln die Geltung bestimmter Normen in Frage zu stellen. Daher erschüttern die Taten von Kindern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der übertretenen Norm wenig bis gar nicht und gefährden auch die Rechtstreue der Mitbürger nicht.[56] Ist also mit der Tatbegehung eines Kindes ein nennenswerter normerschütternder Effekt nicht verbunden, so besteht auch kein präventives Bedürfnis nach Normbestätigung durch Zufügung von Strafe. Sollte gleichwohl bei erwachsenen Mitbürgern – was wohl nur bei den hier thematischen schwereren Straftaten geschehen dürfte – eine affektive Identifikation mit dem Opfer eintreten, so tragen die Erziehungsmaßnahmen, denen ein kindlicher Täter in einem solchen Fall von Amts wegen unterworfen wird, dem in ausreichendem Maße Rechnung.[57]
Das Änderungsvorhaben der CSU ignoriert Grundlagenerkenntnisse der kinder- und jugendkriminologischen Forschung der letzten Jahrzehnte. Seriöse Kriminalpolitik liest sich anders. Mit der Annahme, die Justiz sei auf eine strafrechtliche Verurteilung angewiesen, um den Eltern das Sorgerecht entziehen zu können, überschreitet die CSU-Landesgruppe die Grenze zur Blamage. Eine plausible Erklärung für den erstaunlichen Jugendstrafrechtsaktionismus der CSU könnte darin liegen, dass ihr in auf dem empörungsträchtigen Gebiet der Kriminalpolitik allmählich von rechts das Wasser abgegraben wird; immerhin ist in jüngerer Zeit die AfD mehrfach mit Strafrechtserweiterungspropaganda ins Rampenlicht gespurtet. Damit wäre zu erklären, wenn auch nicht zu rechtfertigen, dass es der CSU-Landesgruppe ganz offensichtlich nicht um einen seriösen Beitrag zur Kriminalpolitik geht, sondern um die Rückeroberung der durch das Erstarken der AfD teilweise verlorenen Lufthoheit über den Stammtischen. Dennoch befremdet die Art und Weise, mit der die CSU-Landesgruppe dem empfundenen Druck nachgibt und nach dem Motto "Wir wissen zwar nicht, wohin wir laufen, aber dafür laufen wir umso schneller" die von der AfD propagierte Absenkung des Strafeintrittsalters auf zwölf Jahre durch eine gänzliche Beseitigung der Strafmündigkeitsgrenze noch zu übertreffen sucht. In welcher Weise das Erstarken neurechten Gedankenguts auf die Kriminalpolitik der etablierten konservativen Parteien Druck auszuüben scheint, zeigen denn auch die zustimmenden Töne, die nun aus der Schwesterfraktion zur Streichung des Strafmündigkeitsmindestalters zu vernehmen sind; der rechtspolitische Sprecher der CDU im Bundestag Jan-Marco Luczak wird mit den Worten zitiert, er könne sich "eine Absenkung des Alters der Strafmündigkeit in bestimmten Konstellationen vorstellen".[58] Angesichts dessen muss man hoffen, dass sich für die Klosterseeoner Zaubersprüche der CSU keine weitere Zustimmung und schon gar keine parlamentarische Mehrheit findet. Aber selbst wenn es sich bei der Streichung der Strafmündigkeitsgrenze um eine von vornherein als solche angelegte populistische Luftnummer handelt, die mit dem Zweck präsentiert wird, der Öffentlichkeit auf wählerstimmenträchtige Weise illiberale Rechtspolitik als Ernstnahme des Rechtsempfindens besorgter Bürger zu verkaufen, ist mit solchem kriminalpolitischen Desperadotum doch immer die Gefahr verbunden, dass aus gutem rechtsstaatlichen Grund herrschende und einer rationalen Kriminalpolitik verpflichtete Rechtsüberzeugungen allmählich erodieren. Hierin liegt eine der mit dem Erstarken der parlamentarischen Rechten verbundenen großen Gefahren, und hier sollten selbsternannte Rechtsstaatsparteien wie die CSU und die CDU den Verlockungen des Populismus widerstehen.
[*] Der nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasste Beitrag ist in geringfügig veränderter Version vorab im Landesinfo der Neuen Richtervereinigung Baden-Württemberg Heft 1/2020, 29 ff. veröffentlicht. – Abschluss des Manuskripts: 29.02.2020.
[1] Dazu näher Busch Zbl 1985, 396 f. m.w.N.; Nickolai NK 2006, 3 f.; Alexander Fischer, Strafmündigkeit und Strafwürdigkeit im Jugendstrafrecht, 2000, S. 146 ff; Schaffstein, in: Festschrift für Schüler-Springorum, 1993, S. 371 ff.; Wolfslast, in: Festschrift für Bemmann, 1997, S. 274, 277.
[2] Vgl. etwa – mit Unterschieden im Detail – Brunner JR 1997, 492, 494 ff.; Klosinski DVJJ-Journal 1997, 402, 406; Hinz ZRP 2000, 107, 110 ff.; Paul ZRP 2003, 204, 205.
[3] Grundsatzprogramm der AfD, S. 48 https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2018/01/Programm_AfD_Druck_Online_190118.pdf (zuletzt abgerufen am 29.02.2020). – Zu dem hierin ungeschminkt zum Ausdruck kommenden Wunsch nach erziehungsgelöst-generalpräventivem Strafen Nöding freispruch 15 (September/Oktober 2019), 35, 36.
[4] Vgl. etwa https://www.dpolg.de/aktuelles/news/absenkung-des-alters-fuer-strafmuendigkeit-auf-12-jahre/ (zuletzt abgerufen am 29.02.2020).
[5] https://www.bayernkurier.de/inland/38328-machtlos/ (zuletzt abgerufen am 29.02.2020).
[6] https://www.bild.de/news/inland/news-inland/gruppenvergewaltigung-in-muelheim-saetze-die-einfach-wuetend-machen-63178730.bild.html
[7] https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/Nach-mutmasslicher-Vergewaltigung-in-NRW-Mertin-fuer-Debatte-um-Strafmuendigkeitsalter,mertin-strafmuendigkeit-100.html (abgerufen am 29.02.2020).
[8] H. Mayer DStR 1938, 73, 75.
[9] Berechtigter Hinweis bei Hefendehl JZ 2000, 600, 606.
[10] "Unsere Politik für einen starken Staat und eine wehrhafte Demokratie – für ein neues Jahrzehnt der Souveränität", online abrufbar unter https://www.csu-landesgruppe.de/sites/default/files/2020-01/BESCHLUSS_%23seeon20_Sicherheit_Migration.pdf (zuletzt abgerufen am 29.02.2020), S. 4 (dort auch die folgenden Zitate im Text).
[11] Vgl. die Grafik bei Ostendorf, in: Dollinger/Schmidt-Semisch, Handbuch Jugendkriminalität Interdisziplinäre Perspektiven, 3. Aufl. 2018, S. 159, 165; ferner Nöding, freispruch 15 (September/Oktober 2019), 35.
[12] Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages Nr. 120/19, S. 6, unter https://www.bundestag.de/resource/blob/657526/c653898dc32a439fcef295ab9ad3475f/WD-7-120-19-pdf-data.pdf (abgerufen am 17.01.2020).
[13] Vgl. https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/strafrecht-strafmuendigkeit-alter-14-sanktionen-csu-cdu-kinder-jugendliche/ (zuletzt abgerufen am 29.02.2020).
[14] Vgl. BVerfGE 6, 389, 439; BVerfGE 9, 167, 169; BVerfGE 20, 323, 331; BVerfGE 28, 368, 391; BVerfGE 45, 187, 228; BVerfGE 50, 125, 133.
[15] Hefendehl JZ 2000, 600, 605; vgl. ferner Frehsee, in: Festschrift für Schüler-Springorum, 1993, S. 379, 381 gegen verfassungsrechtlich und jugendkriminologisch unhaltbare Ansätze, wonach nur eine tatschuldgelöste Erziehungsreife ausreichen soll.
[16] Näher MüKo-StGB/Streng, 3. Aufl. 2017, § 19 Rn. 1; ders. DVJJ-Journal 1997, 379, 381 f.; Bohnert NStZ 1988, 249, 250 ff.; Frehsee ZStW 100 (1988), 290, 322 f.; Hefendehl JZ 2000, 600, 605.
[17] Vgl. BGH bei Herlan GA 1961, 358; MüKo-JGG/Laue, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 19; Schaffstein ZStW 77 (1965), 191, 202; Bohnert NStZ 1988, 249; Brunner JR 1997, 492, 494.
[18] MüKo-StGB/Streng, § 19 Rn. 18; Müller-Luckmann DVJJ-Journal 1996, 325; Breymann DVJJ-Journal 1996, 329; Wolfslast, a.a.O. (Fn. 1), S. 283; affirmativ aber Paul ZRP 2003, 204, 205 für Intensivtäter.
[19] Exemplarisch AG Solingen, Urteil vom 03. März 2010 – 22 Ls 116/09, BeckRS 2010, 13625; AG Alsfeld, Urteil vom 22.Oktober 2009 – 4 Ds 601 Js 19356/09, BeckRS 2010, 06887.
[20] MüKo-JGG/Laue, § 3 Rn. 5, 19.
[21] Vgl. Hefendehl JZ 2000, 600, 605.
[22] Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil I, § 20 Rn. 50; Wolfslast, a.a.O (Fn. 1), S. 284. – Den Regelfall stellt dies jedoch nicht dar, vgl. Hommes/Lewand MSchrKrim 2005, 61, 68.
[23] Kohlberg, Zur kognitiven Entwicklung des Kindes, 1974, S. 74 ff.
[24] Mit Recht betont von Hefendehl, JZ 2000, 600, 605.
[25] Laubenthal, in: Dollinger/Schmidt-Semisch, Handbuch Jugendkriminalität Interdisziplinäre Perspektiven, 3. Aufl. 2018, S. 517, 518; Hommes/Lewand ZfJ 2003, 7, 8 ff.; Seeliger, Entwicklung der Kinderdelinquenz und Folgerungen im Hinblick auf eine Änderung der Strafmündigkeitsgrenze, 2003, S. 169 f.
[26] Zum Stand der Diskussion näher Streng, Jugendstrafrecht, 4. Aufl. 2016, Rn. 64 ff.
[27] Vgl. aber die Untersuchung von Pongratz/Jürgensen, Kinderdelinquenz und kriminelle Karrieren. Eine statistische Nachuntersuchung delinquenter Kinder im Erwachsenenalter, 1990, passim, wonach in 35% der untersuchten Fälle dem Kind die Normverletzungsqualität seines Verhaltens gar nicht und in 43% nur eingeschränkt bewusst war; dazu auch Pongratz/Schäfer/Weisse/Jürgensen, Kinderdelinquenz, 1975, S. 47; Kreuzer ZPäd 29 (1983), 49, 63.
[28] Vgl. Dünkel RdJB 1999, 291; Remschmidt, Adoleszenz, 1992, S. 173; Kreuzer NJW 2000, 2345, 2348.
[29] Eingehend Hommes/Lewand ZfJ 2003, 7 ff.; dies., MSchrKrim 2005, 61 ff. m.w.N. – In Studien zur moralischen Entwicklung, zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben sowie zur sozialen Informationsverarbeitung wird der Altersgrenze von 14 Jahren entwicklungspsychologische Plausibilität auch attestiert von Kohlberg, Zur kognitiven Entwicklung des Kindes, 1974, passim, und von Piaget, Das moralische Urteil beim Kinde, 1976, passim; dazu Lösel/Bliesener DVJJ-Journal 1997, 387.
[30] So Hinz ZRP 2000, 107, 110.
[31] MüKo-StGB/Streng, § 19 Rn. 17; ders., Jugendstrafrecht, Rn. 64; Frehsee, a.a.O. (Fn. 15), S. 388 ff; Müller-Luckmann DVJJ-Journal 1996, 325; Kerner/Sonnen DVJJ-Journal 1997, 339, 343 f.
[32] Maier/Knödler JAmt 2019, 299, 302; Nöding freispruch 15 (September/Oktober 2019), 35.
[33] Kreuzer, NJW 2002, 2345, 2348; Frehsee, a.a.O. (Fn. 15), S. 379; Wolfslast, a.a.O. (Fn. 1), S. 274.
[34] Vgl. etwa Erklärung von über 50 Professoren der Kriminologie und des Jugendstrafrechts 1998, ZRP 1998, 446; H.-J. Albrecht, Gutachten D für den 64. Deutschen Juristentag, 2002, supra 7.2; Hefendehl JZ 2000, 600, 605; Kreuzer UJ 1999, 56 ff.; ders. NJW 2002, 2345, 2348 f.; Walter NJW 1989, 1023; Dünkel NK 2008, 102, 105; ders., in: Festschrift für Kühne, S. 647, 648 ff.; Kilchling, in: Albrecht/Kilchling, Jugendstrafrecht in Europa, 2002, S. 475, 486 ff.; Kerner/Sonnen DVJJ-J 1997, 339, 343 f.; Streng, DVJJ-Journal 1997, 379, 384; ders., in: Festschrift für Gössel, 2002, 501, 507 f.; ders., Jugendstrafrecht, Rn. 64; Wolfslast, a.a.O. (Fn. 1), S. 282 f.; Neubacher ZRP 1998, 121, 123; Laubenthal JZ 2002, 807, 811 f.; ders., a.a.O. (Fn. 25), S. 518.
[35] BGHSt 36, 37, 42; BGH NJW 2002, 73, 76.
[36] Vgl. auch MüKo-StGB/Streng, § 19 Rn. 1, nach dem "die Verhängung von strafrechtlichen Sanktionen für eine erzieherische Beeinflussung von unter 14-jährigen Tätern im Regelfall mehr belastend als nützlich" erscheint.
[37] Zur haftbedingt sinkenden Normakzeptanz bei langen Haftstrafen vgl. Dölling, in: Urbanová, Ženská Delikvence Jako Sociální Jev, 2004, S. 88 ff.
[38] Überblick über die Prisonierungstheorien bei Ortmann, in: Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss, Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Aufl. 1993, Stichwort "Prisonierung" S. 402 ff.; zur psychosozialen Wirkung und Verarbeitung des Freiheitsentzug Bereswill, in: Dollinger/Schmidt-Semisch, Handbuch Jugendkriminalität Interdisziplinäre Perspektiven, 3. Aufl. 2018, S. 729, 730 ff., 734 ff.
[39] Zur Rückfallkriminalitätserzeugung durch Prisonierung vgl. Ortmann, Sozialtherapie im Strafvollzug, 2002, S. 283 ff.; Kury, in: Dölling, Prävention von Jugendkriminalität, 2006, S. 25 ff.; zu der regelmäßig vorgenommenen Fehlerklärung eines Rückfalls ausschließlich mit Individualdefiziten vgl. Karl F. Schumann, in: Verantwortung für Jugend – Dokumentation des 26. Deutschen Jugendgerichtstages vom 25. – 28. September 2004 in Leipzig, 2006, S. 320, 340.
[40] Prägnant jüngst Thomas Fischer Das Kind, der Verbrecher und die CSU, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/strafmuendigkeit-fuer-kinder-das-kind-der-verbrecher-und-die-csu-kolumne-a-442a6479-6031-4b74-9ebb-3c2b361f7ac2 (abgerufen am 29.02.2020): "Die Perspektive wäre ziemlich eindeutig: Eine intensive Prägung als `geborenes Opfer´ oder eine frühzeitige Entscheidung für die Täterrolle in einem Spiel, dessen Sinn, Regeln und Folgen noch gar nicht verstanden werden."
[41] Neubacher ZRP 1998, 121, 122 m.w.N.; Kreuzer ZPäd 29 (1983), 49, 63.
[42] MüKo-StGB/Streng, § 19 Rn. 17; Lempp DVJJ-Journal 1996, 323; Breymann DVJJ-Journal 1996, 329; Heinz MSchrKrim 1998, 399, 419 f.; Verrel NStZ 2001, 284, 289.
[43] Brunner, JR 1997, 492, 494.
[44] Zum Komplementärverhältnis des SGB VIII zu der Eingriffsmöglichkeit nach § 1666 BGB vgl. MüKo-BGB/Lugani, 8. Aufl. 2020, § 1666 Rn. 24.
[45] Zur Kindeswohlgefährdung wegen Kinderdelinquenz vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2015 – 9 UF 130/14, BeckRS 2015, 8413 Rn. 24; BeckOGK-BGB/Burghard, Stand 01.11.2019, § 1666 Rn. 71; Röchling FamRZ 2006, 1732, 1735; Fellenberg, FPR 2008, 125, 128 f.; Matzke/Fritsch FPR 2012, 459, 460 f; BeckOK-BGB/Veit, 52. Edit. 01.11.2019 Rn. 27 f.
[46] Gleichlautende Einschätzung bei Nöding freispruch 15 (September/Oktober 2019), 35, 36.
[47] RL 2 zu § 1 JGG lautet: "Stellt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Schuldunfähigkeit (vgl. § 19 StGB) ein, so prüft sie, wer zu benachrichtigen ist (vgl. insbesondere § 70 Satz 1, § 109 Abs. 1 Satz 2) und ob gegen Aufsichtspflichtige einzuschreiten ist."
[48] https://www.zeit.de/2020/03/strafmuendigkeit-kinder-kriminalitaet-strafrecht/komplettansicht?print (abgerufen am 29.02.2020).
[49] BVerfGE 107, 104, 118 f.; Streng ZStW 106 (1994), 60, 77 f.; ders., Jugendstrafrecht, Rn. 16 unter Hinweis darauf, dass bei strikter und ausschließlicher Erziehungsorientierung weder junge reisende Täter noch Wehrmachtssoldaten verurteilt werden könnten; im Sinne des Textes oder jedenfalls nahestehend auch Meyer-Odewald, Die Verhängung und Zumessung der Jugendstrafe gemäß § 17 Abs. 2, 2. Alt. JGG im Hinblick auf das ihm zugrundliegende Antinomieproblem, 1993, S. 176 ff.; Hackstock, Generalpräventive Aspekte im österreichischen und deutschen Jugendstrafrecht, 2002, S. 186 ff., 313 ff.; Frehsee, MSchrKrim 1988, 281, 296; Kornprobst JR 2002, 309, 310; S. Weber, Die Bedeutung des Schuldprinzips im Jugendstrafrecht, 2011, S. 167 ff.; Swoboda ZStW 125 (2013), 86, 100 ff.
[50] Näher MüKo-StGB/Joecks, 3. Aufl. 2017, Einleitung Rn. 71 f.; NK-StGB/Hassemer/Neumann, 5. Aufl. 2017, Vorbemerkungen zu § 1 Rn. 281 ff.; Dölling ZStW 102 (1990), 1 ff.
[51] Lempp DVJJ-Journal 1996, 321 ff.
[52] Vgl. Ostendorf DVJJ-Journal 1997, 375, 378, der betont, dass sich Kinder noch in weit geringerem Umfang als Erwachsene von Strafdrohungen abhalten lassen.
[53] § 3 Abs. 2 Reichsjugendgerichtsgesetz vom 6. November 1943, RGBl. I, 637.
[54] Zur Entstehungsgesichtet Klatt, Zum Verhältnis des österreichischen und deutschen Strafrechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2009, S. 298 ff. sowie S. 313 speziell zum Strafmündigkeitsalter und der Absenkung durch § 3 Abs. 2 RJGG; allgemein zur Änderung des Jugendstrafrechts im Dritten Reich Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989, S. 456 ff.
[55] Eine entsprechende Parallele des AfD-Programms zur NS-Gesetzesformulierung unter dem übergreifenden Aspekt der Generalprävention zieht auch Nöding freispruch 15 (September/Oktober 2019), 35, 36.
[56] Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil I, § 20 Rn. 50; Streng ZStW 92 (1980), 637, 654 f.; ders. DVJJ-Journal 1997, 379, 382 f.; Frehsee, a.a.O. (Fn. 15), S. 387 f.
[57] Näher zum damit angesprochen tiefenpsychologischen Zusammenhang von Generalprävention und Strafbedürfnissen in hier thematischen Kontext Streng ZStW 92 (1980), 637, 654 f.
[58] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/strafrecht-strafmuendigkeit-alter-14-sanktionen-csu-cdu-kinder-jugendliche/ (letztmals abgerufen am 29.02.2020); zustimmend zum Vorstoß der CSU nun auch der rheinland-pfälzische Justizminister Mertin, vgl. https://www.eifelzeitung.de/region/rlp/justizminister-herbert-mertin-debatte-um-strafmuendigkeitsalter-wissenschaftlich-fundiert-fuehren-237285/ (letztmals abgerufen am 29.02.2020).