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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2020
21. Jahrgang
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1. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB kann der Täter eines versuchten Delikts durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Freiwilligkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und er die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich hält, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert, noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen (st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das der Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (st. Rspr.).
2. Dass ein Angeklagten die Weiterverfolgung des Geschädigten nicht möglich war, ohne eine andere Person, der sein vorrangiges Interesse galt, aus den Augen zu lassen, steht der Freiwilligkeit nicht entgegen. Die Freiwilligkeit des Rücktritts wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte nicht aus einem sittlich billigenswerten Motiv von weiteren Angriffen auf sein Opfer absieht, sondern nur deshalb, weil er sein weiteres Opfer, nicht entkommen lassen will. Die Abstandnahme von der weiteren Tatausführung erweist sich hier als das Ergebnis einer nüchternen Abwägung, bei der der Angeklagte Herr seiner Entschlüsse blieb.
3. Zwar kann grundsätzlich nur derjenige strafbefreiend zurücktreten, der die Durchführung des kriminellen Entschlusses im Ganzen und endgültig aufgibt. Diese Erwägung betrifft aber stets nur den Entschluss, von der Vollendung eines bestimmten Verbrechens oder Vergehens im Sinne eines gesetzlich umschriebenen Straftatbestandes abzusehen. Dementsprechend steht einem Rücktritt nicht entgegen, wenn der Täter den zunächst Geschädigten nicht weiterverfolgt, um sich einem anderen Opfer zuzuwenden, dessen Tötung er für vordringlich erachtet.
4. Die Gefahr einer Entdeckung kann erst dann die Annahme einer Freiwilligkeit des Rücktritts hindern, wenn
unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei einem weiteren Handeln das Risiko, angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde. Allein die Erhöhung des Entdeckungsrisikos steht der Annahme der Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht von vornherein entgegen, da der Täter in der Zeit bis zum Eintreffen von feststellungsbereiten Dritten noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss.
1. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein. Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich handelt, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen, in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind.
2. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar. Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich der in die Gesamtbetrachtung einzustellenden gegenläufigen Umstände des Einzelfalls – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen und fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat. Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an.
3. Das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs ist regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahekommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann.
4. Auch derjenige Täter findet sich mit dem Eintritt des Todes seines Opfers ab, dem der Erfolgseintritt gleichgültig oder an sich unerwünscht ist.
1. Bei einem fehlgeschlagenen Versuch scheidet ein strafbefreiender Rücktritt auch in der Konstellation des § 24 Abs. 2 StGB aus. Fehlgeschlagen ist der Versuch jedoch erst, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält.
2. Auf den ursprünglichen Tatplan kommt es selbst dann nicht an, wenn dieser fest umrissen war. Maßgebend ist vielmehr, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs noch für möglich hält. Zum Rücktrittshorizont der Angeklagten hat das Landgericht jedoch keine genauen Feststellungen getroffen und es hat sich in der Beweiswürdigung sowie bei der rechtlichen Würdigung nicht mit der Rücktrittsfrage befasst. Lässt sich das Vorstellungsbild der Mittäter zur Zeit der letzten Ausführungshandlung, das für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, den Urteilsfeststellungen nicht in ausreichendem Maß entnehmen, so hält das Urteil sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
3. Zwar wird im Fall des Versuchs der Tatbegehung, an dem mehrere beteiligt sind, im Allgemeinen nur derjenige von Strafe befreit, der freiwillig die Vollendung verhindert (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB). Eine ausreichende Verhinderungsleistung kann aber schon darin zu sehen sein, dass die Tatbeteiligten es einvernehmlich unterlassen, weiter zu handeln.
4. Leistet der Mittäter einer Deliktserie für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten, soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt, als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer individuellen Tatförderung, erbringt der Täter im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie vielmehr Tatbeiträge, durch die mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen. Sie werden in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die anderen Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben.
5. Die Konkurrenzfrage ist für jeden Mittäter gesondert anhand seines individuellen Tatbeitrags zu bewerten.
6. Fährt ein Täter, der nicht im Besitz der Fahrerlaubnis ist, mit dem Auto zum Tatort eines Diebstahls, wartet er im Fahrzeug sitzend auf die plangemäße Tatausführung durch Mittäter und verwendet er das Fahrzeug anschließend zum Abtransport der Beute, so steht das Fahren ohne Fahrerlaubnis mit den ihm zuzurechnenden Diebstählen in Tateinheit.
7. Als Ausnahmevorschrift ist § 357 StPO eng auszulegen. Die Revisionserstreckung setzt nicht nur die Urteilsidentität und die Gleichartigkeit des Rechtsfehlers, sondern auch die Nämlichkeit der Tat voraus, auf die sich der Rechtsfehler ausgewirkt haben kann.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch darauf an, ob der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält. Wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung in zutreffender Einschätzung der durch die Tathandlung verursachten Gefährdung des Opfers den Erfolgseintritt für möglich hält, ist der Versuch beendet. Entsprechendes gilt, wenn der Täter den Erfolgseintritt in Verkennung der Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält. Ein strafbefreiender Rücktritt setzt in solchen Fällen voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt verhindert oder sich jedenfalls ernsthaft darum bemüht, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt. Rechnet der Täter nach der letzten Ausführungshandlung noch nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, und sei es auch nur in Verkennung der verursachten Gefährdung des Opfers, ist der Versuch unbeendet, sofern die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist. In Fällen unbeendeten Versuchs genügt ein bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Abzugrenzen von den Fällen des unbeendeten und beendeten Versuchs sind die Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs, in denen entweder der Erfolgseintritt, wie der Täter erkennt, nicht mehr möglich ist, oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält. Dann ist ein Rücktritt ausgeschlossen.
2. Der Rücktrittshorizont kann in engen Grenzen auch noch nachträglich korrigiert werden. Erkennt der Täter, der nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf, dass er sich geirrt hat, kann er durch Abstandnahme von weiteren möglichen Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten. Rechnet der Täter zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, ist auch eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizontes möglich, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat. In diesem Fall liegt ein beendeter Versuch vor.
1. Bei der Beteiligung mehrerer Personen ist Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, wer auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatentschlusses seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei nicht notwendig eine eigene Mitwirkung am Kerngeschehen; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Tatbeteiligter ein solch enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen.
2. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB kann das Tatgericht – ausnahmsweise ? anordnen, dass die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die verhängte Strafe ganz oder teilweise unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist. Eine Versagung der Anrechnung der Untersuchungshaft kann durch ein Verhalten des Verurteilten nach der Tat gerechtfertigt sein, das nicht seiner Verteidigung dient und entweder gerade darauf abzielt, die (angeordnete) Untersuchungshaft zu verlängern, um sich durch deren spätere Anrechnung ungerechtfertigte Vorteile im Rahmen der Strafvollstreckung zu verschaffen, oder den Zweck verfolgt, das Verfahren aus anderen Gründen böswillig zu verschleppen. Zwar können auch Fluchtvorbereitungen oder ein Fluchtversuch einen Grund für die Versagung der Anrechnung darstellen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass solche Handlungen, die selbst Haftgrund sind und dem Täter allein durch seine (erneute) Inhaftierung Nachteile erbringen, nicht zugleich eine Versagung der Anfechtung der erst durch sie veranlassten Untersuchungshaft zu rechtfertigen vermögen. Nur wenn das Verhalten des Verurteilten zu einer Verschleppung des Verfahrens geführt hat, soll dem Täter die dadurch veranlasste oder verlängerte Untersuchungshaft nicht im Wege der Anrechnung zugutekommen. Gleiches gilt für Verdunkelungshandlungen, die zu einer Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls führen.
1. Zu den Rechtsfolgen einer völkerrechtswidrigen Entführung, insbesondere für die Rechtswidrigkeit der sich anschließenden Freiheitsentziehung im Entführerstaat. (BGHSt)
2. Eine objektiv tatbestandsmäßige Freiheitsberaubung kann grundsätzlich gerechtfertigt sein, wenn sie sich als Freiheitsentziehung auf tragfähiger gesetzlicher Grundlage darstellt. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlichen Grenzen der Eingriffsgrundlage nicht überschritten werden. Dabei führt zwar nicht schon jeder Verfahrensmangel zur Rechtswidrigkeit des Vollzuges; wird indes das vorgeschriebene Verfahren zum Zwecke der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme gar nicht erst betrieben, sondern umgangen, kann sogar in den Fällen eine rechtswidrige Freiheitsberaubung vorliegen, in denen die sachlichen Anordnungsvoraussetzungen gegeben waren. (Bearbeiter)
3. Die Ausspähung und Ergreifung einer Person, deren Auslieferung die deutschen Behörden verweigert und dabei festgestellt hatten, dass eine Straftat von der Person nicht zu erkennen sei, ist bereits wegen der damit verbundenen massiven Souveränitätsverletzung regelmäßig als völkerrechtswidrig anzusehen. (Bearbeiter)
4. Das der Bundesrepublik Deutschland zustehende Recht der Gewährung territorialen Asyls begründet – nicht erst ab Asylgewährung, sondern jedenfalls bereits ab Antragstellung – für andere Staaten zusätzlich die Pflicht, den Antragssteller als Person, die in Deutschland Zuflucht gefunden hat, nicht zu verfolgen, festzunehmen und zu entführen. Die Missachtung dessen begründet einen Verstoß gegen das Völkerrecht. (Bearbeiter)
5. Rechtsfolge einer Verletzung des Völkerrechts der vorliegenden Art ist grundsätzlich, dass der daraus resultierende Schaden gegenüber dem verletzten Staat im Ganzen wiedergutzumachen ist. Bei einer völkerrechtswidrigen Entführung bedeutet dies, dass der Entführte an den Aufenthaltsstaat zumindest dann zurückzugeben ist, wenn dieser die Rückgabeverpflichtung ausdrücklich gegenüber dem Entführerstaat geltend macht. Die Rückgabe erst nach jahrelanger Haftverbüßung entspricht einer Verweigerung der geschuldeten Wiedergutmachung in Form der Naturalrestitution und stellt ein erneutes völkerrechtswidriges Delikt dar (Bearbeiter)
6. Eine völkerrechtswidrige Verbringung hindert die Durchführung eines Strafverfahrens nicht grundsätzlich, weil eine dahingehende allgemeine Regel des Völkerrechts nicht existiert. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob der Staat, dessen Souveränität verletzt worden ist, Ansprüche aus der völkerrechtswidrigen Verletzung seiner Gebietshoheit geltend macht, die einer (weiteren) Durchführung des Strafverfahrens entgegenstehen. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn der verletzte Staat Wiedergutmachung in Form der unverzüglichen Rücklieferung des Entführten verlangt. (Bearbeiter)
7. Das Tatbestandsmerkmal „gegen die Bundesrepublik Deutschland“ in § 99 StGB ist nicht eng im Sinne eines unmittelbar gegen den Bestand der Bundesrepublik oder gegen ihre staatlichen Institutionen gerichteten Handelns zu verstehen; vielmehr genügt eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Es reicht aus, wenn staatliche Belange zumindest mittelbar berührt sind und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer funktionalen Stellung als politische Macht betroffen ist. Das ist bei einer geheimdienstlichen Tätigkeit eines ausländischen Geheimdienstes auf deutschem Staatsgebiet regelmäßig der Fall. (Bearbeiter)
8. Werden ausländische Staatsangehörige Opfer der Maßnahmen eines fremden Nachrichtendienstes, kann ausnahmsweise anderes gelten. Denn das Tatbestandsmerkmal „gegen die Bundesrepublik Deutschland“ erfordert grundsätzlich eine Spionagetätigkeit, die einen inhaltlichen Antagonismus zu den Interessen der Bundesrepublik Deutschland aufweist. Insoweit können Bedenken etwa dann bestehen, wenn die Ausforschungsbemühungen sich gegen Mitglieder oder Unterstützer einer durch die Europäische Union gelisteten ausländischen terroristischen Vereinigung richten, insbesondere gegen Führungsmitglieder, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden. (Bearbeiter)
1. Ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude ist teilweise zerstört im Sinne des § 306a Abs. 1 StGB, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für beträchtliche Zeit unbewohnbar wird. (BGHR)
2. Ein Gebäude ist gemäß § 306a Abs. 1 StGB teilweise zerstört, wenn für eine nicht nur unerhebliche Zeit ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner wesentlichen Zweckbestimmungen unbrauchbar wird oder wenn einzelne seiner Bestandteile, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, vernichtet werden. Im Einzelnen:
a) Eine teilweise Zerstörung liegt vor, wenn durch die Brandlegung das Gebäude im Ganzen zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen kann, etwa indem ein oder mehrere Zimmer eines Wohnhauses unbewohnbar werden und hierdurch dessen Nutzung zum Zweck des Aufenthalts, der Nahrungsversorgung und des Schlafens insgesamt in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird; die bloße Unbenutzbarkeit z.B. eines Kinderzimmers reicht insoweit nicht aus.
b) Eine teilweise Zerstörung liegt auch dann vor, wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Tatobjekts zerstört wird, etwa indem eine Wohnung als „Untereinheit“ eines Mehrfamilienhauses für beträchtliche Zeit für Wohnzwecke insgesamt ungeeignet wird.
c) In einer Flüchtlingsunterkunft stellt das Zimmer im Hinblick auf den Gesetzeszweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der primär darin besteht, das Wohnen als „Mittelpunkt menschlichen Lebens“ zu schützen, ebenso eine selbständige, zum Wohnen bestimmte „Untereinheit“ dar wie eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Nutzung und Zweckbestimmung des Zimmers in einer Flüchtlingsunterkunft gehen über diejenigen von einzelnen Zimmern eines Wohnhauses, die – wie ein Kinderzimmer – für sich genommen nicht als wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Tatobjekts anzusehen sind, hinaus. Denn das Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft stellt für seinen Bewohner unter dem Gesichtspunkt des Wohnens den Mittelpunkt menschlichen Lebens dar. (Bearbeiter)
3. Ob ein Zerstörungserfolg eingetreten ist, muss das Tatgericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Nutzungszwecke beurteilen. Es hat objektiv anhand des Maßstabs eines „verständigen Wohnungsinhabers“ zu bewerten, ob die Zeitspanne der Nutzungseinschränkung oder -aufhebung für eine teilweise Zerstörung durch Brandlegung ausreicht. Der Zeitraum muss beträchtlich sein; wenige Stunden oder ein Tag reichen nicht aus. (Bearbeiter)
1. Ein Gebäude ist teilweise zerstört i.S.d. § 306a Abs. 1 StGB, wenn für eine nicht nur unerhebliche Zeit ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner wesentlichen Zweckbestimmungen unbrauchbar wird oder wenn einzelne seiner Bestandteile, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, vernichtet werden. Das ist zum einen dann gegeben, wenn das Gebäude im Ganzen zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen kann. Zum anderen liegt eine teilweise Zerstörung auch dann vor, wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Gebäudes nicht mehr bestimmungsgemäß nutzbar ist.
2. Ob ein solcher Zerstörungserfolg eingetreten ist, muss das Tatgericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Nutzungszwecke beurteilen. Es hat objektiv aus verständiger Sicht zu bewerten, ob die Zeitspanne der Nutzungseinschränkung oder -aufhebung für eine teilweise Zerstörung ausreicht. Der Zeitraum muss beträchtlich sein; wenige Stunden oder ein Tag reichen nicht aus. Die Unbrauchbarkeit eines funktionell selbständigen Gebäudeteils (hier: einer Krankenstation in einem Krankenhausgebäude) für zwei Tage kann hierfür ausreichen.
1. Ein Rache- und Bestrafungsmotiv muss seinerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen, damit hieraus auf einen sonst niedrigen Beweggrund geschlossen werden darf.
2. Bei einem Motivbündel beruht die Tat nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, die der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen
1. Die §§ 211, 212 StGB und § 218 Abs. 1 StGB stehen zueinander in Idealkonkurrenz gemäß § 52 StGB. Beim Tötungsdelikt gegen die Schwangere und ihr ungeborenes Kind sind zwei unterschiedliche höchstpersönliche Rechtsgüter betroffen. Geht die Tötung der werdenden Mutter mit dem Abbruch ihrer Schwangerschaft einher, ist das dadurch verwirklichte zusätzliche Unrecht im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen.
2. Das Regelbeispiel des § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB geht im Unrechtsgehalt über ein etwaiges Tötungsdelikt an der werdenden Mutter hinaus. Soweit der Senat in
einer früheren Entscheidung ausgesprochen hat, dass diese Strafzumessungsregel nicht auf den Fall der vorsätzlichen Tötung einer Schwangeren zugeschnitten sei, weil die Strafbarkeit gemäß den §§ 211, 212 StGB das über den Schwangerschaftsabbruch hinausgehende Unrecht bereits voll erfasse (BGH, Beschluss vom 3. Januar 1996 – 3 StR 588/95, BGHR StGB § 218 Konkurrenzen 1), hält er daran nicht fest.
3. Jedenfalls das versuchte Tötungsdelikt an der werdenden Mutter deckt nicht vollständig das Unrecht ab, welches dadurch verwirklicht ist, dass der Täter ihre Schwangerschaft gegen ihren Willen beendet oder dies versucht. Denn der Grund für die Normierung des Regelbeispiels liegt nicht allein in der Verletzung eines weiteren Rechtsguts, sondern in der gesteigerten Verwerflichkeit der Tat.
4. Die versuchte Tötung (auch) der Schwangeren steht der Anwendung des § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB nicht entgegen. Derjenige, der bei der Fremdabtreibung die Gefahr des Todes oder der schweren Gesundheitsschädigung der werdenden Mutter vorsätzlich herbeiführt, verwirklicht deshalb das Regelbeispiel erst recht. Das versuchte Tötungsdelikt an der Schwangeren ist auch ohne die in § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aufgeführte konkrete Gefahr für ihr Leib und Leben vorstellbar. Tritt die Gefahr – wie in der vorliegenden Konstellation – ein, liegt hierin ein zu ihrer versuchten Tötung zusätzliches Unrecht, welches in der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann
1. Zwar kann der Tatrichter nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor allem in Fällen gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte seine Überzeugung von täuschungsbedingten Fehlvorstellungen auf der Grundlage eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf Indizien stützen und etwa bei einem regelhaften Vorstellungsbild durch Vernehmung einzelner Zeugen auf einen Irrtum auch bei anderen Geschädigten schließen. Der Tatrichter bleibt jedoch selbst in Konstellationen, in denen gegebenenfalls auf eine Befragung von Geschädigten ganz verzichtet und der erforderliche Irrtum nur aus Beweisschlüssen aufgrund von äußeren Umständen festgestellt werden kann, verpflichtet, seine diesbezügliche Überzeugungsbildung im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar und unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials darzulegen.
2. Zwar dienen die Urteilsgründe nicht dazu, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren; sie sollen vielmehr das Ergebnis der Hauptverhandlung und die zusammenfassende Würdigung lediglich der entscheidungserheblichen Beweismittel durch den Tatrichter darstellen. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht.
1. Täter kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Die Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will.
2. Der Täter muss mithin neben der dauernden Enteignung des Berechtigten, für die bedingter Vorsatz genügt, die Aneignung der Sache beabsichtigen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass er diese auf Dauer behalten will. Jedoch muss er die – wenn auch möglicherweise nur vorübergehende – Aneignung zum Wegnahmezeitpunkt mit unbedingtem Willen erstreben. Deshalb liegt eine Aneignungsabsicht nicht vor, wenn der Täter die Sache – ohne sie behalten zu wollen – an sich bringt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“ oder „zu beschädigen“.
3. Das bedeutet indes nicht, dass es immer dann an der Aneignungsabsicht fehlt, wenn der Täter die weggenommene Sache irgendwann vernichten oder wegwerfen will. Vielmehr handelt dieser nur dann ohne Zueignungsabsicht, wenn er die Sache entsorgen will, bevor er sie seinem Vermögen einverleibt. Ist die Aneignung abgeschlossen, wirkt es sich auf die Zueignungsabsicht nicht mehr aus, wie der Täter sodann mit dem erlangten Gegenstand verfährt. Mithin kommt es auch in Fällen, in denen der Täter die Entsorgung der Sache erstrebt, darauf an, ob er diese zunächst körperlich oder wirtschaftlich seinem Vermögen einverleiben will, er also beabsichtigt, sie – möglicherweise auch nur vorübergehend – für sich zu haben oder wirtschaftlich zu nutzen.
4. Eine körperliche Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters kann etwa dadurch bewirkt werden, dass er sie unter Ausschluss des wahren Berechtigten von der Ausübung der Sachherrschaft der eigenen eigentümerähnlichen Verfügungsgewalt unterwirft. Ein eigenmächtiges Verfügen über die Sache begründet allein allerdings gerade in den Fällen, in denen diese weggeworfen oder zerstört werden soll, eine Aneignung noch nicht. Dass der Täter erstrebt, den Besitz an der Sache für den für die Zerstörung erforderlichen Zeitraum zu erlangen, bedeutet noch nicht das Vorliegen eines Aneignungswillens.
5. Die Frage, ob bei einer der geplanten Entsorgung vorausgehenden Nutzung der entwendeten Sache diese – wenn auch vorübergehend – dem Vermögen des Täters zugeführt werden soll, kann nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Dabei ist jeweils insbesondere von Bedeutung, ob er in irgendeiner Weise im weitesten Sinne wirtschaftlich von dem Gebrauch profitieren will und damit aus der Nutzung mittelbar oder unmittelbar einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen oder jedenfalls materiellen Vorteil ziehen will. Davon ist nicht ohne Weiteres auszugehen, wenn der Täter seiner Expartnerin das Mobiltelefon wegnimmt, um einen möglichen Kontakt mit anderen Männern zu unterbinden und um es nach Kontaktdaten auszulesen, die ihm Aufschluss über solche Beziehungen geben könnten.
1. Eine Sache ist weggenommen und ihr Raub ist vollendet, wenn der Gewahrsam des bisherigen Inhabers aufgehoben und die Sache in die tatsächliche Verfügungsmacht des Räubers gelangt ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens; die Erlangung gesicherten oder gefestigten Gewahrsams ist nicht erforderlich.
2. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen.
3. Die Anwendung des § 21 StGB bei Beschaffungsdelikten eines Rauschmittelabhängigen hängt nicht in jedem Fall davon ab, dass er zur Tatzeit unter aktuellen körperlichen Entzugserscheinungen gelitten hat. Es ist vielmehr nicht ausgeschlossen, dass die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen erheblich beeinträchtigen kann.
Eine unrechtmäßige Bereicherung strebt der Täter nicht an, wenn er sich einen Anspruch auf die erstrebte Leistung gegen das Opfer zumisst, der von der Rechtsordnung anerkannt wird und den er demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte. Hierbei ist allein die Vorstellung des Täters über die materielle Rechtslage, nicht aber seine Einschätzung der Beweislage maßgebend (vgl. BGHSt 48, 322, 328 f.).
Einem abverlangten Verhalten, das sich in der Begehung strafbarer Handlungen erschöpft, kommt im Vermögen des Genötigten kein wirtschaftlicher Wert zu, sodass die erzwungene Vornahme solcher Handlungen keinen Vermögensschaden beim Nötigungsopfer begründen kann.
Nach § 355 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung wird bestraft, wer unbefugt Verhältnisse eines anderen, die ihm als Amtsträger in einem Verwaltungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen bekannt geworden sind, offenbart oder verwertet. Daraus folgt, dass die strafbewehrte Geheimhaltungspflicht hier, anders als bei dem weiter gefassten Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses, nur entsteht, wenn der Täter die Kenntnis der fremden Verhältnisse in seiner Eigenschaft als Amtsträger und im Zusammenhang mit einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren erlangt hat. Dagegen genügt es nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes nicht, wenn der Täter seine Amtsstellung dazu missbraucht, um Kenntnis von ihm sonst nicht zugänglichen Behördenunterlagen nehmen zu können. Dann erfolgt die Kenntnisnahme nur „gelegentlich“ seiner Diensterfüllung, aber nicht „als Amtsträger“.