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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2019
20. Jahrgang
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Von Wiss. Mit. Henning Lorenz, M.mel., Halle (Saale)[*]
"Im Ergebnis hat das Urteil für den konkreten Fall zweifellos Recht gesprochen, aber gleichzeitig den Weg für viele künftige Fehlentscheidungen auf diesem Gebiet eröffnet."[1]
Vor rund 35 Jahren schrieb der Freiburger Professor Rudolf Schmitt diese Worte. Anlass war die berühmte Entscheidung des BGH im Fall Wittig.[2] Damals hatte eine 76 Jahre alte, schwer kranke Witwe sich entschlossen, ihr Leben durch die Einnahme tödlich wirkender Medikamente zu beenden. Der angeklagte Hausarzt namens Wittig hatte sie hiernach bei einem Hausbesuch bewusstlos vorgefunden. Er wusste aus früheren Gesprächen von ihrer Suizidabsicht und deren Hintergründen. Die Frau
hielt zudem ein Stück Papier in der Hand mit der Aufschrift: "Erlösung! 28.11.81". Auf einer anderen Notiz in der Wohnung stand: "ich will zu meinem Peterle" – ihrem zuvor verstorbenen Ehemann. Wittig entschied sich dazu, keine Maßnahmen zur Lebenserhaltung[3] einzuleiten, um den Willen seiner Patientin zu respektieren. Dabei hielt er die Verhinderung des Todes noch für möglich, allerdings verbunden mit irreversiblen Schäden.
Im landgerichtlichen Verfahren erging ein Freispruch. Eine vollendete Tötung auf Verlangen durch Unterlassen kam bereits aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht, weil im Nachhinein – wie so oft im Medizinstrafrecht[4] – nicht festgestellt werden konnte, dass die Einleitung von Maßnahmen den Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte.[5] Eine entsprechende Versuchsstrafbarkeit sowie eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung hatte das Landgericht aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft war hiergegen in Revision gegangen.
Doch auch das Revisionsverfahren vor dem BGH endete mit einem Freispruch. Allerdings bestätigte der 3. Strafsenat das erstinstanzliche Urteil nur im Ergebnis. Im Unterschied hierzu erklärte er das Unterlassen der lebenserhaltenden Maßnahmen für rechtswidrig. Ein Garant, wie z.B. der Hausarzt Wittig, sei grundsätzlich nicht dazu berechtigt, sich dem freiverantwortlich gebildeten Willen des Suizidenten zu beugen.[6] In außergewöhnlichen Grenzsituationen könne sich die Straflosigkeit jedoch aus der Unzumutbarkeit der Einleitung von Maßnahmen ergeben.[7] Grund und Voraussetzung für diese Ausnahme sollte der Konflikt zwischen der Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der Achtung des Selbstbestimmungsrechts sein. Dieser Konflikt könne mit einer, von Rechts wegen als nicht unvertretbar anzusehenden ärztlichen Gewissensentscheidung aufgelöst werden.[8] Nach Meinung des Senats habe gerade eine solche Situation im Fall Wittig wegen des erklärten Willens der Dame, nicht am Leben gehalten zu werden, und den bei der Einleitung von Maßnahmen drohenden Schäden vorgelegen. Deshalb erklärten die Richter die Unterlassung des Arztes für straflos. Zudem sei ein freiverantwortlicher Suizid zwar ein Unglücksfall i.S.d. § 323c StGB. Allerdings sei das Ergreifen von Maßnahmen in Extremsituationen der zuvor bezeichneten Art unzumutbar und daher bereits tatbestandlich nicht gefordert.
In der Rechtswissenschaft ist die Entscheidung – jedenfalls in der Begründung – auf z.T. heftigen Widerstand gestoßen. Auch in der Rechtswirklichkeit ist sie lange Zeit bedeutungslos geblieben. Gerichte und Staatsanwaltschaften verweigerten dem BGH zu Hauf die Gefolgschaft.[9] Das änderte sich im Jahr 2016, in dem sich zunächst das OLG Hamburg[10] und dann das KG Berlin[11] der Thematik erneut annahmen. Die Gerichte eröffneten entgegen der Auffassung der zuständigen Landgerichte und nach sofortiger Beschwerde der Staatsanwaltschaften die Hauptverhandlungen gegen zwei Ärzte. Ihnen wurde u.a. – wie im Fall Wittig – vorgeworfen, sie hätten bei Suizidentinnen, die freiverantwortlich[12] tödliche Medikamente eingenommen hatten, nach Eintritt der Bewusstlosigkeit keine lebenserhaltenden Maßnahmen eingeleitet. Nachdem die LG Hamburg[13] und Berlin[14] die Angeklagten freigesprochen hatten, entschied nun der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig über die von den Staatsanwaltschaften eingelegten Revisionen.[15] Am 3.7.2019 bestätigte er die Freisprüche der Vorinstanzen. Im Ergebnis ist das erfreulich und überzeugend. Inzwischen liegen auch die schriftlichen Urteilsgründe vor. Sie sollen in dieser Entscheidungsbesprechung einer ersten Analyse unterzogen werden.
Es muss zunächst geklärt werden, was in tatsächlicher Hinsicht geschehen war. Die beiden Fälle haben Gemeinsamkeiten, unterscheiden sich jedoch auch in einigen Punkten. Das hat – wie noch zu zeigen sein wird – Einfluss auf die rechtliche Bewertung der Fälle.
In dem Fall aus Hamburg war ein Arzt für Neurologie und Psychiatrie namens Spittler angeklagt.[16] Dieser hatte für zwei über 80 Jahre alte, suizidwillige Damen Gutachten über deren Freiverantwortlichkeit erstellt. Sie hatten sich von dem Verein "Sterbehilfe e. V.", mit dem der Angeklagte zusammenarbeitete und welcher als Negativbeispiel in der Debatte galt, die in der Einführung des § 217
StGB endete,[17] Medikamente für ihren Suizid beschafft. Am Tag des Suizids hatte der Angeklagte mit den Damen die Einzelheiten der Medikamenteneinnahme besprochen, ihnen Beistand im Sterben zugesichert und geholfen, die Tabletten zu zerkleinern und in Wasser aufzulösen. Nach der freiverantwortlichen Einnahme in Anwesenheit des Arztes verloren sie rasch das Bewusstsein und verstarben. Spittler hatte Maßnahmen zur Verhinderung des Todes unterlassen, um den Willen der beiden Frauen zu respektieren.
Im Berliner Fall leistete der Hausarzt Turowski seiner 44 Jahre alten Patientin Hilfe zum freiverantwortlichen Suizid.[18] Diese litt an mehreren Krankheiten, die nicht lebensgefährlich waren, allerdings ihr Arbeits- und Privatleben massiv einschränkten. Sie wandte sich daher mit der Bitte an den Angeklagten, er möge sie bei ihrer Selbsttötung unterstützen. Um die Kranken- und Leidensgeschichte seiner Patientin wissend, sagte er seinem ärztlichen Selbstverständnis folgend die benötigte Hilfe zu. Daraufhin hatte der Angeklagte der Patientin die notwendigen Medikamente zum Teil selbst besorgt, zum Teil die erforderlichen Rezepte ausgestellt. Einige Tage später nahm die Frau die Tabletten ein und schrieb ihm zum Abschied eine SMS. Der Angeklagte begab sich wenig später wie verabredet in ihre Wohnung. Die Frau befand sich mittlerweile in einem tief komatösen Zustand. Er überprüfte Puls, Pupillenreflexe und Atmung. Diesen Vorgang wiederholte er in den nächsten Tagen verabredungsgemäß. Erst am frühen Morgen des dritten Tages stellte er ihren Tod fest. Über den ganzen Zeitraum hatte der Angeklagte es unterlassen, Maßnahmen zur Abwendung des Todes einzuleiten, um den Willen seiner Patientin zu respektieren. Zudem hatte er der bewusstlosen Frau in dieser Phase – den landgerichtlichen Feststellungen zufolge[19] – das Antibrechmittel Metoclopramid gespritzt. Damit sollte der gewählte Sterbeverlauf durch Medikamentenintoxikation gewahrt und das Ersticken an Erbrochenem verhindert werden. Außerdem hatte der Angeklagte seiner Patientin auch das krampflösende, in der Palliativmedizin zur Vermeidung von Schmerzen eingesetzte Buscopan injiziert. Schließlich stellte das LG Berlin auch fest, dass Turowski einen Tag vor dem Versterben seiner Patientin mit deren Mutter und deren Sohn telefoniert hatte. Er teilte ihnen dabei mit, dass ihre Angehörige im Sterben liege und nichts entgegen ihres Sterbewillens unternommen werden solle.
Für den 5. Strafsenat galt es, für den Hamburger und den Berliner Fall die verschiedenen aktiven und passiven Verhaltensweisen der Angeklagten im Zusammenhang mit den freiverantwortlichen Suiziden der Frauen strafrechtlich zu bewerten.
Dabei wandte er sich in beiden Entscheidungen zunächst den aktiven Verhaltensweisen zu. Hier ging der Senat in chronologischer Reihenfolge vor und differenzierte.
Deshalb stand zunächst das Verhalten der Angeklagten vor der Medikamenteneinnahme durch die Frauen und dem Eintritt der Bewusstlosigkeit im Blickpunkt. Dieses konnte entweder als straflose "Beihilfe"[20] zum Suizid oder strafbare (täterschaftliche) Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) eingestuft werden. Der Senat bewegt sich mit den schriftlichen Urteilsgründen beider Entscheidungen in bekanntem Fahrwasser st. Rspr. des BGH. Eine straflose "Beihilfe" zum Suizid kommt danach schon nicht mehr in Betracht, wenn nicht der Sterbewillige, sondern der Beteiligte das zum Tod führende Geschehen i.S.d. Tatherrschaft zuletzt beherrscht.[21] Er ist dann unmittelbarer Täter eines Tötungsdelikts.[22] Die drei suizidwilligen Frauen hatten die todbringenden Medikamente selbst eingenommen, sodass diese Bewertung des Geschehens als unmittelbares täterschaftliches Tötungsdelikt – wie der 5. Strafsenat jeweils kurz bemerkte – ausschied. Allerdings könnten den Angeklagten – so der
Senat – eben diese Selbsttötungshandlungen der Frauen nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft zugerechnet werden.[23] Ein Begehen der Tat mittels der Suizidentinnen als "Werkzeuge" setzt jedoch voraus, dass diese ihren Selbsttötungsentschluss nicht freiverantwortlich gebildet haben. Anderenfalls scheidet eine mittelbare Täterschaft aufgrund des Verantwortungsprinzips aus.[24] Der zentrale Begriff ist in diesem Zusammenhang demnach die Freiverantwortlichkeit. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde in diesem Zusammenhang bislang kein klares Verantwortungskonzept entwickelt, während sich in der Rechtswissenschaft im Wesentlichen zwei Positionen gegenüberstehen: die Exkulpations-[25] und die Einwilligungslösung[26].[27] Diesen Umstand verdeutlichen die beiden Entscheidungen erneut. Der Senat benennt die verschiedenen, aus seiner Sicht maßgeblichen Voraussetzungen für die Freiverantwortlichkeit[28] und sieht sie anschließend für die konkreten Fälle als verwirklicht an. Lediglich ergänzend weist er im Anschluss darauf hin, auch die von der Literatur aufgestellten Anforderungen seien erfüllt. Im Ergebnis liegt er damit richtig. Während im Hamburger Fall ein gut dokumentierter, lange geplanter und von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie begleiteter Bilanzsuizid stattfand, lag der Berliner Fall etwas anders. Der 5. Strafsenat weist denn auch darauf hin, dass das LG Berlin möglicherweise seiner Kognitionspflicht nicht genügt hätte, wenn die Annahme von Freiverantwortlichkeit allein auf die Aussage des, in den Bereichen Psychiatrie und Psychologie nicht ausgebildeten, angeklagten Hausarztes gestützt gewesen wäre. Da es sich zudem aber auch mit der Krankheitsgeschichte der Suizidentin und den Aussagen von Angehörigen und Bekannten zur Krankheits- und seelischen Zustandsentwicklung befasst habe, genüge es den Anforderungen der Kognitionspflicht. Letztlich sei zwar nicht ausgeschlossen, dass die Suizidentin aufgrund der langwierigen Krankheit zermürbt und daher psychisch beeinträchtigt gewesen sei. Die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils reichten indes nicht zur Ablehnung der Freiverantwortlichkeit der Selbsttötungsentschlüsse. Dieser Einschätzung des Senats ist zuzustimmen. Allein bloße Zweifel an der Freiverantwortlichkeit können eine Strafbarkeit Dritter nicht begründen.[29] Zu Recht hat er daher die Strafbarkeit beider Angeklagter wegen vollendeter Tötungsdelikte durch ihr aktives Tun vor der Medikamenteneinnahme abgelehnt. Eine Strafbarkeit wegen geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) schied aus, weil die Vorschrift zu den Zeitpunkten der Geschehnisse noch nicht in Kraft getreten war.
Für den Angeklagten im Berliner Fall stand zudem noch sein aktives Verhalten nach der Medikamenteneinnahme zur Bewertung durch den BGH aus. Dabei handelte es sich um die Injektionen der Medikamente und die Telefonate. Er nahm sie vor, nachdem seine Patientin bewusstlos worden war. Das LG Berlin hatte eine Strafbarkeit wegen Tötung auf Verlangen abgelehnt.[30] Das war im Ergebnis zutreffend, in der Begründung aber in weiten Teilen problematisch.[31] Der 5. Strafsenat weist hinsichtlich des Verabreichens der muskelentspannenden Medikamente darauf hin, dass es für den eingetretenen Todeserfolg nicht kausal gewesen ist, d.h. den Sterbeprozess weder beschleunigt, noch einen neuen tödlichen Kausalverlauf in Gang gesetzt habe.[32] Das mag richtig sein. Dann war das Verabreichen vollständig irrelevant für den Zeitpunkt und die konkrete Gestalt des tatbestandlichen Erfolgs.[33] Der von der Suizidentin in Gang gesetzte Kausalverlauf, die auf den Tod hinauslaufende Intoxikation, hat sich im Erfolg verwirklicht. Auch ohne die Injektion wäre es so gekommen. Ein Erbrechen und ein damit verbundenes Ersticken als eine andere konkrete Gestalt des Todes[34] war somit objektiv nicht zu befürchten. Wie aber sah es subjektiv aus? Für eine versuchte Tötung auf Verlangen kommt es auf den Tatentschluss des Angeklagten, genauer seinen Vorsatz an. Das Urteil des 5. Strafsenats schweigt in diesem Punkt. Das LG Berlin meinte noch, die Medikamentengabe habe "nach seiner Vorstellung nicht den Tod herbeiführen, ermöglichen, beschleunigen oder in sonstiger Weise fördern, sondern der Verstorbenen unerwünschtes Leid ersparen soll[en]."[35] Soweit man auf den Tod in seiner konkreten Gestalt abstellt, überzeugt das nicht. Die Verabreichung des Antibrechmittels ist doch gerade nur damit zu erklären, dass der Hausarzt den Erstickungstod als Folge eines Erbrechens für möglich gehalten hat. Um das zu verhindern hat er die Injektion verabreicht. Er muss es dann – sonst wäre sein Handeln subjektiv aussichtslos gewesen – als möglich angesehen und billigend in Kauf genommen haben, dass sein Verhalten kausal wurde für den Eintritt des
tatbestandlichen Erfolgs in seiner konkreten Gestalt, d. h. für den von seiner Patientin gewollten Vergiftungstod.[36] Insofern ließe sich die Straflosigkeit des Angeklagten dann – wie an anderer Stelle schon dargelegt[37] – nur über den Gedanken der (subjektiven) Risikoverringerung, ein restriktives Tatherrschaftsverständnis bei der Tötung auf Verlangen oder einen rechtfertigenden Notstand begründen.
Schließlich hat sich der 5. Strafsenat den Telefonaten des Angeklagten mit Mutter und Sohn der Verstorbenen gewidmet. Das LG Berlin hatte dieses Verhalten unter dem Stichwort Verhinderung aktiver Rettungsbemühungen Dritter diskutiert. Es war aber zu der Auffassung gelangt, dass darin nur "die legitime und neutrale Information der Beteiligten über den Zustand und den Sterbewunsch der später Verstorbenen" liege.[38] In dogmatischen Kategorien gedacht, ist der Hinweis auf die Legitimität und Neutralität der Information nicht weiterführend.[39] Der 5. Strafsenat wird hier präziser und teilt mit, dass kein rettender Kausalverlauf in Gang gesetzt war, der ohne die Telefonate zu einer Rettung der Suizidentin geführt hätte.[40] Das ist richtig. Wenn schon Maßnahmen des Arztes den Tod der Patientin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet hätten,[41] muss das erst recht für die später von den Angehörigen hypothetisch eingeleiteten Maßnahmen gelten.[42] Zudem ist auch unklar, ob die Telefonate überhaupt zur anschließenden Unterlassung entsprechender Maßnahmen geführt haben oder sie ohnehin unterblieben wären. Während also ein vollendetes Tötungsdelikt mangels Kausalität nicht in Betracht kommt, hätte zumindest ein Versuch in Betracht gezogen werden können. Der 5. Strafsenat schweigt auch in diesem Punkt. Jedenfalls nach seinen eigenen Maßstäben aus dem Urteil zum sog. Göttinger Organallokationsskandal kann ein Vorsatz des Angeklagten nicht überzeugend angenommen werden. Danach müsste der Hausarzt davon ausgegangen sein, dass hypothetisch eingeleitete Maßnahmen der Angehörigen den Tod der Suizidentin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet hätten.[43] Angesichts der schon objektiv fehlenden Chance zur Verhinderung des Todes liegt es indes nahe, dass der Angeklagte als fachkundiger Mediziner die Lebenserhaltung seiner Patientin zum Zeitpunkt der Telefonate nicht einmal für möglich gehalten hat.[44] Letztlich aber bestehen ohnehin schon nicht auszuräumende Zweifel an einer Täterschaft des Angeklagten. Dieser hat – so ist der Hinweis des LG Berlin auf die Legitimität und Neutralität zu verstehen – nicht mit den Mitteln der mittelbaren Täterschaft (Täuschung, Zwang) auf die Angehörigen eingewirkt und befand sich nicht in einer Position überlegenen Wissens. Sie waren keine Werkzeuge in seinen Händen, derer er sich bediente. Sein Verhalten wäre vielmehr, bestünde Kausalität, eine straflose "Anstiftung" zum straflosen[45] Unterlassen lebenserhaltender, dem Willen der Suizidentin widersprechender Maßnahmen.[46]
Im Anschluss hat der 5. Strafsenat die ganz zentrale Frage des Verfahrens in den Blick genommen: Bestand i.R.d. unechten Unterlassungsdelikte – entsprechend der Rspr. im Fall Wittig – eine grundsätzliche Verpflichtung der Ärzte, den Tod der suizidalen, aber freiverantwortlichen Frauen durch Einleitung geeigneter Maßnahmen abzuwenden? Im Raum stand mangels nachweisbarer Wahrscheinlichkeit der Lebenserhaltung[47] nur eine Strafbarkeit wegen versuchter Tötung auf Verlangen durch Unterlassen (§§ 216, 13 Abs. 1 StGB). Der Senat hat das Verhalten der Angeklagten auch in diesem Punkt für straflos befunden. Eine grundsätzliche Verpflichtung den Tod der Suizidentinnen zu verhindern, habe nicht bestanden, denn der Gutachter sei kein Garant, der Hausarzt nicht mehr Garant für deren Leben gewesen.[48]
Im Hamburger Fall weist der 5. Strafsenat zu Recht darauf hin, dass eine Garantenstellung für das Leben kraft Übernahme einer ärztlichen Behandlung nicht begründet werden konnte. Der Angeklagte war lediglich Gutachter, weshalb das erforderliche Arzt-Patienten-Verhältnis nie bestand.[49]
Daneben lehnte der Senat auch eine Garantenstellung aus vorangegangenem, pflichtwidrigem und gefährlichem
Tun (sog. Ingerenz) ab.[50] Dabei betont er zunächst, dass nicht festgestellt worden sei, dass der Angeklagte den Suizidentinnen die Medikamente überlassen hatte. Dies scheide daher als tauglicher Anknüpfungspunkt aus. Das ist richtig, aber auch selbstverständlich und daher überflüssig zu erwähnen. Von tatsächlichem Interesse ist die Frage, ob eine wirklich stattgefundene Medikamentenüberlassung eine Garantenstellung aus Ingerenz begründet hätte. In früheren Fällen pflichtwidriger Überlassung von Heroin (vgl. § 29 BtMG) wurde eine Garantenstellung jedenfalls bei und trotz eigenverantwortlicher Selbstgefährdung angenommen.[51] Auch in jüngeren Entscheidungen zum Missbrauch von GBL als Rauschmittel[52] wurde eine Garantenstellung kraft Herrschaft über eben jenes als Gefahrenquelle angenommen, obwohl der Konsument sich eigenverantwortlich selbst gefährdet hatte.[53] Ergänzend wurde dort jedoch – nicht entscheidungserheblich – darauf hingewiesen, dass Fälle eines freiverantwortlichen Suizids möglicherweise anders zu entscheiden seien.[54] Als Grund wurde angeführt, dass sich im Falle der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung die Preisgabe des eigenen Rechtsguts gerade darin erschöpfe, dieses einem Risiko auszusetzen, dessen Umfang in seinem wesentlichen Grad zutreffend erkannt wurde. Die Entscheidung für die bloße Gefährdung des Rechtsguts umfasse damit aber nicht die Hinnahme des als möglich erkannten Erfolgs und sei kein Verzicht auf Maßnahmen zum Erhalt des nunmehr in Gefahr geratenen Rechtsguts.[55] Der 5. Strafsenat hat im nunmehr ergangenen Urteil an späterer Stelle genau diesen Aspekt aufgegriffen und ihn für den Suizid ausformuliert. Mit Blick auf die beratende Tätigkeit sowie die Hilfe beim Zerkleinern und Auflösen der Tabletten bezweifelt er zwar bereits die Begründung oder Erhöhung der Gefahr des Erfolgseintritts. Ungeachtet dessen liege aufgrund der freiverantwortlichen Tabletteneinnahme das Risiko für die Verwirklichung der – ggfs. durch das Vorverhalten des Angeklagten erhöhten – Gefahr allein im Verantwortungsbereich der Suizidentinnen.[56] Dem stehe die gerade dargestellte, abweichende Bewertung bei eigenverantwortlichen Selbstgefährdungen nicht entgegen. Ein Suizident vertraue eben nicht darauf, dass sich die von ihm geschaffene Gefahr für seine Rechtsgüter nicht realisiert, im Gegenteil: Genau auf den Eintritt der Rechtsgutsbeeinträchtigung komme es ihm vielmehr gerade an.
Dieser Vorstoß des BGH ist zu begrüßen. Damit stellt er insgesamt klar, dass die Verantwortung für den Tod eines Suizidenten nicht aus dem Vorverhalten eines "Teilnehmers" hergeleitet werden kann, wenn es sich um einen freiverantwortlichen Suizid[57] handelt. Es muss danach auch egal sein, ob das Verhalten für sich genommen pflichtwidrig ist, z.B. eine strafbare Überlassung von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. b) i.V.m. § 13 Abs. 1 BtmG)[58]. Wäre das anders, würde eine Garantenstellung aus Ingerenz in solchen Fällen begründet, obwohl hier – dazu später[59] – eine Lebenserhaltung wider Willen von vornherein rechtswidrig ist. Das könnte wenig überzeugen. Es kommt damit in der Sache auch nicht darauf an, ob die Erstellung der Gutachten wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 BÄO oder gegen Regelungen ärztlicher Berufsordnungen der Landesärztekammern[60] pflichtwidrig war. Gegen ihre Geeignetheit zur Begründung einer Garantenstellung lassen sich – wie der 5. Strafsenat es tut – gewichtige Einwände ins Feld führen, ohne dass entschieden werden muss, ob sie durchgreifen.[61] Denn jedenfalls – darauf weist der Senat zu Recht hin – hat das Standesrecht keine strafbegründende Wirkkraft, wenn der Arzt entsprechend dem autonomen und damit verbindlichen Willen des Suizidenten (vgl. § 1901a BGB) handelt und Maßnahmen zur Lebenserhaltung unterlässt.
Damit bleibt zuletzt noch die Frage, ob aus einem Verstoß gegen das Verbot des § 217 StGB eine Garantenstellung aus Ingerenz hergeleitet werden kann. Der 5. Strafsenat hat natürlich Recht, wenn er darauf hinweist, dass das Geschehen sich vor Inkrafttreten der Norm ereignete und sie daher die Pflichtwidrigkeit nicht begründen kann. Bemerkenswert ist in diesem Punkt, dass der Senat das Verhalten des Gutachters, der für einen Sterbehilfeverein tätig wurde, der Vorschrift nach eigenem Bekunden subsumieren würde, den § 217 StGB im Urteil des Berliner Hausarztes hingegen nicht einmal erwähnt. Das ist angesichts der oft kritisierten Weite des Begriffs der Geschäftsmäßigkeit, wie er im Gesetzentwurf verstanden wurde,[62] überraschend. Eine entsprechend restriktive Lesart, die das Strafbarkeitsrisiko von Ärzten verringert, wäre zu begrüßen. Insgesamt lässt der Senat jedenfalls mangels Entscheidungserheblichkeit offen, ob ein Verstoß gegen § 217 StGB eine Garantenstellung begründen kann. Mit Blick auf die praktische Bedeutung dieser Frage wären einige Worte in Gestalt eines obiter dictum wünschenswert gewesen. Das LG Berlin war hier noch mutiger. Es hielt eine Unterlassungsstrafbarkeit hinsichtlich eines freiverantwortlichen Suizids auch bei vorangegangenem Verstoß gegen § 217 StGB für ausgeschlossen.[63] Für diese Sichtweise spricht einiges. Wer anders entscheiden will, würde den geschäftsmäßigen "Suizidförderer" i.S.d. § 217 StGB unter Strafandrohung dazu ver-
pflichten, eine medizin-ethisch[64] und in anderen Kontexten auch rechtlich stets als inakzeptabel eingestufte Zwangsbehandlung entgegen den Willen des freiverantwortlichen Suizidenten einzuleiten. Um dem zu entkommen, könnten sich in praktischer Hinsicht Vermeidungsstrategien entwickeln, die einem würdevollen, selbstbestimmten Lebensende zuwiderlaufen.[65] Überzeugender Weise wird man auch kaum sinnvoll darlegen können, dass die Statuierung einer strafbewährten Lebenserhaltungspflicht über den Umweg des § 217 StGB dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Dieses "Folgeproblem" wurde im Gesetzgebungsprozess nicht erörtert. Bedenkt man die enorme Strafrahmendifferenz zwischen der Vorschrift und §§ 216, 13 Abs. 1 StGB, wäre – sofern die Voraussetzungen vorliegen – eine derart begründete Unterlassungsstrafbarkeit aber die entscheidende Neuerung der Rechtslage gewesen. Auch das LG Berlin meint daher mit Recht, "der Fokus der Entscheidung des Gesetzgebers" habe nicht "auf der Verschiebung[...]der Auswirkungen der Freiverantwortlichkeit auf die Strafbarkeit von Dritten" gelegen. Schließlich muss eine Garantenstellung auch aus einem anderen Grund ausscheiden: Der Gesetzgeber hat mit § 217 StGB die Vermutung aufgestellt, dass bei entsprechendem Verhalten die personale Eigenverantwortlichkeit beeinflusst und damit zumindest abstrakt die Rechtsgüter des menschlichen Lebens und der Autonomie des Individuums gefährdet sind.[66] Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt ist das – inhaltliche Bedenken außen vor gelassen – grundsätzlich möglich. Das entbindet aber nicht davon zur Begründung der Ingerenz die konkrete Gefährdung dieser Rechtsgüter festzustellen. Auch der 5. Strafsenat meint, dass "die Pflichtwidrigkeit in der Verletzung eines Gebotes bestehen[muss], das gerade dem Schutz des konkret gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist[...]."[67] Das Leben und die Autonomie, genauer die Entscheidung über ein selbstbestimmtes Sterben, sind bei einem freiverantwortlichen Suizid aber nicht gefährdet! Wollte man die Dinge so verstehen, dass aus einer Suizidförderung i.S.d. § 217 StGB ein konkreter Mangel an Freiverantwortlichkeit abgeleitet werden könnte, wären die Folgen weitreichend und vom Gesetzgeber wohl kaum bezweckt. Der Suizidförderer würde zugleich Täter einer fahrlässigen Tötung oder der unterstützte Suizident gar zum Werkzeug in seiner Hand als mittelbarer Täter.
Im Berliner Fall hatte der Angeklagte als langjähriger Hausarzt eine Garantenstellung für Leib und Leben seiner Patientin kraft Übernahme der ärztlichen Behandlung inne. Der 5. Strafsenat weist jedoch darauf hin, dass diese Pflichtenstellung sich spätestens dann hin zu einer Verpflichtung, Leiden oder Schmerzen während des Sterbens zu lindern oder zu verhindern, änderte, als die Patientin ihn bat, sie nach der Tabletteneinnahme beim Sterben zu betreuen.[68]
Dem ist zuzustimmen.[69] Die Begründung des Senats stützt sich – wie die Vorinstanzen beider Fälle – auf die in jüngerer Vergangenheit gestiegene Bedeutung der (Patienten-)Autonomie. Diese Entwicklung zeige sich in der verfassungs-, konventions-, und bundesgerichtlichen Rspr. sowie in der Einführung des § 1901a BGB. Im Einzelnen muss auf die Begründung nicht näher eingegangen werden. Denn bereits zwei Überlegungen machen die Richtigkeit des Ergebnisses deutlich: Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, was die beiden Ärzte zur Erfüllung ihrer, nach der Rspr. im Fall Wittig grundsätzlich bestehenden Rettungspflicht hätten tun müssen. Bei den Medikamentenintoxikationen wäre es notwendig gewesen, die Frauen entweder zum Erbrechen zu bringen oder ihnen den Magen auszupumpen. Im Anschluss wären wohl Infusionen zu legen gewesen. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich allerdings um ärztliche Heilbehandlungen, die nach ständiger Rechtsprechung den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen und ggf. durch eine Einwilligung des Patienten gerechtfertigt sind.[70] Diese Sichtweise soll in besonderer Weise dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Rechnung tragen und ihn vor eigenmächtigem, ärztlichen Handeln schützen.[71] Schon im Jahr 1894 hieß es im maßgeblichen Urteil des Reichsgerichts:
"In jedem Falle ist es der Wille des Kranken [...], welcher gerade diesen Arzt beruft, die Heilbehandlung dieses Patienten zu übernehmen.[...]Es ergibt sich die Folgerung von selbst, daß Inhalt und Umfang der dem Arzte solchergestalt eingeräumte Befugnisse[...]sich nicht minder regeln muß als durch den Rechtswillen des Kranken."[72]
Bei einem freiverantwortlichen Suizid fehlt es an einer wirksamen Einwilligung in Rettungsmaßnahmen. Weiß der vermeintlich Rettungspflichtige um den freiverantwortlichen Selbsttötungsentschluss, wie in den Fällen Wittig, Spittler und Turowski, scheidet ebenso der Rückgriff auf eine mutmaßliche Einwilligung aus. Der Suizident ist damit als (potentieller) Patient berechtigt, aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts jegliche Behandlung zu untersagen.[73] Die Rechtsprechung zur ärztlichen Heilbehandlung war im Jahr 1984 bei Entscheidung des Falles Wittig schon 100 Jahre alt und längst gefestigt. Warum also hat der 3. Strafsenat das Selbstbestimmungsrecht des Patienten lediglich in Konflikt mit der vermeintlichen Rettungspflicht gesehen? Eigentlich
müsste diese Pflicht ausgeschlossen sein, wäre der Arzt doch anderenfalls zu einer tatbestandlichen, rechtswidrigen und, sofern die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit nicht vorliegen, sogar schuldhaften und strafbaren Körperverletzung in Gestalt einer Zwangsbehandlung verpflichtet. Dieses unerträgliche Dilemma, Strafbarkeit bei Handeln und Unterlassen,[74] zeigt deutlich auf, welchen Irrweg der BGH damals beschritten hat. Eine mögliche Erklärung dafür wird man in der gedanklichen Unterscheidung zwischen "Normalpatient" und Suizident finden können. Der BGH hat diese Differenzierung seinerzeit zwar nicht ausdrücklich in den Urteilsgründen vorgenommen. Allerdings bezeichnete Kutzer, der damals als Richter in der Funktion des Berichterstatters am Verfahren mitwirkte, in einem späteren Beitrag diesen Aspekt als ausschlaggebend.[75] Der Fehler dieser Sichtweise liegt jedoch darin, dass einem Suizidenten damit pauschal die wirksame Ausübung des Selbstbestimmungsrechts beim Suizid abgesprochen bzw. dessen Wille für unbeachtlich erklärt wird.[76] Es ist aber vielmehr in jedem Einzelfall anhand der Kriterien der Freiverantwortlichkeit zu entscheiden, inwieweit der Wille des Suizidenten als maßgeblich zu beachten ist.[77] Handelt der Suizident freiverantwortlich, darf er wie jeder andere Patient eine ärztliche Heilbehandlung als eigenmächtige Verletzung seines Selbstbestimmungsrechts untersagen.
Für Behandlungen am Lebensende ist die Rechtsprechung eigentlich schon vor geraumer Zeit zu der Einsicht gelangt, dass die Durchführung lebenserhaltender Maßnahmen gegen den Willen des (potentiellen) Patienten unzulässig ist. Für deren Einleitung und Fortführung gilt das schon wegen der fehlenden Einwilligung. Es kommt dann, sofern vorher bestehend, zum Entfallen der Garantenstellung. Das Unterlassen der Maßnahmen ist daher tatbestands- und straflos (sog. passive Sterbehilfe).[78] Darüber hinaus hatte die Rechtsprechung sich allerdings mit Fällen auseinanderzusetzen, bei denen eine lebenserhaltende Maßnahme bereits eingeleitet wurde, später hingegen abgebrochen werden sollte und die gemeinhin unter dem Begriff des sog. technischen Behandlungsabbruchs zusammengefasst wurden. Phänomenologisch ist hier ein aktives Tun notwendig (z.B. Abschalten des Beatmungsgeräts), um dem, der Behandlung entgegenstehenden Willen des Patienten zu entsprechen. Das kann als strafbare Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) angesehen werden. Auch die Einwilligung des Patienten in den Abbruch hilft hier wegen der in § 216 StGB enthaltenen Einwilligungssperre nicht weiter. Um das entstandene Dilemma – Strafbarkeit bei Weiterbehandlung und Abbruch –, das sich wie gezeigt auch beim freiverantwortlichen Suizid ergibt, zu umgehen, wurden einige dogmatische Anstrengungen unternommen. Sie sollen an dieser Stelle nicht tiefer behandelt werden. Mit der häufig bemühten Figur des "Unterlassens durch Tun" wurde etwa das äußerlich aktive Tun normativ als Unterlassen, der Abbruch also als Nichtweiterbehandlung begriffen.[79] Eine Unterlassungsstrafbarkeit konnte dann durch das Entfallen der Garantenstellung nach Maßgabe des beachtlichen Patientenwillens abgewendet werden. Man sprach auch in diesen Konstellationen deshalb von sog. passiver Sterbehilfe.[80] Dieser Lösungsansatz ist im Jahr 2010 vom BGH abgelehnt worden. Mit seiner Entscheidung im sog. Fall Putz hat er die Einordnung als aktives bzw. passives Verhalten für unerheblich erklärt und die verschiedenen Konstellationen unter dem Oberbegriff des Behandlungsabbruchs zusammengefasst.[81] Danach sei das (objektiv und subjektiv) behandlungsbezogene Verhalten von Ärzten und deren Hilfspersonen kraft Einwilligung gerechtfertigt,[82] sofern es dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht. Zur Begründung verwies der BGH auf die gestiegene Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts, die auch gesetzlich in den im Jahr 2009 eingeführten Vorschriften der §§ 1901a ff. BGB[83] – auch der 5. Strafsenat stützt sein Ergebnis nun u.a. darauf – Ausdruck gefunden hat. Durch die gesetzlichen Ergänzungen sollte gewährleistet werden, dass das Selbstbestimmungsrecht von Patienten auch im Zustand der Einwilligungsunfähigkeit Beachtung findet. Das gilt selbst dann, wenn der erklärte oder mutmaßliche Patientenwille auf die Nichteinwilligung oder den Widerruf einer Einwilligung in lebenserhaltende Maßnahmen gerichtet ist. Auch ein technischer Behandlungsabbruch, der zum Tod des Patienten führt, ist danach zulässig. Für den Fall der Betreuung ist dies explizit in § 1904 Abs. 2 BGB festgehalten.[84] Der BGH wies zur Begründung seiner Lösung darauf hin, dass diese Wertungen "unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung[...]bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von kausal lebensbeendenden Handlungen berücksichtigt werden[müssen]."[85]
Mit dieser Entscheidung des BGH ist die Rspr. im Fall Wittig nicht mehr in Einklang zu bringen. Die LG Ham-
burg und Berlin weisen hierauf zutreffend hin.[86] Warum das Selbstbestimmungsrecht eines (potentiellen) Patienten maßgeblich dafür sein soll, ob eine Behandlung gerechtfertigt und für den Arzt verpflichtend ist, das Selbstbestimmungsrecht des Suizidenten hingegen unbeachtlich sein soll, ist nur mit der kategorialen Unterscheidung zwischen "Normalpatient" und Suizident zu erklären. Diese ist – wie gezeigt – entschieden zurückzuweisen. Auf der Grundlage der Annahme von Gleichwertigkeit autonom gefasster Entschlüsse, ist dann sogar festzuhalten, dass die Rechtsprechung zum Behandlungsabbruch dem Selbstbestimmungsrecht eine weit größere Bedeutung und Wirkkraft beimisst, als dies bei Abkehr von der Rechtsprechung im Fall Wittig notwendig ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung im Fall Putz expressis verbis die Möglichkeit eröffnet, eine Tötung auf Verlangen durch aktives Tun zu rechtfertigen.[87] Die Einwilligungssperre des § 216 StGB wäre damit unter den im Urteil aufgeführten Voraussetzungen aufgehoben. Das ist mit dem Wortlaut nicht zu vereinbaren. In der Literatur wird die Entscheidung daher auch als teleologische Reduktion der Einwilligungssperre des § 216 StGB gedeutet.[88] Mit der Abkehr von seiner Rechtsprechung im Fall Wittig musste der BGH indes nur das Selbstbestimmungsrecht einer freiverantwortlichen Person als beachtliche und limitierende Größe hinsichtlich einer Verpflichtung zur Lebenserhaltung anerkennen. Das hat der 5. Strafsenat mit seinen beiden jüngsten Urteilen getan.
Schließlich musste in beiden Fällen noch darüber befunden werden, ob die beiden Angeklagten sich wegen unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Die beiden LG hatten die Strafbarkeit abgelehnt und standen damit – jedenfalls im Ergebnis – im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH im Fall Wittig.
Die Begründungen für dieses Ergebnis fielen allerdings unterschiedlich aus. Während das LG Hamburg bezweifelte, ob ein Unglücksfall vorlag, jedenfalls aber die Notwendigkeit und die Zumutbarkeit der Hilfeleistung ablehnte,[89] sah das LG Berlin im freiverantwortlichen Suizid bereits keinen Unglücksfall[90]. Der BGH hingegen nimmt mit jedem Suizid einen Unglücksfall an, erachtet allerdings die Hilfeleistung – im Ergebnis auf der Linie der Rspr. im Fall Wittig – als unzumutbar.[91]
Dabei konnte der 5. Strafsenat sich auf einige frühere Entscheidungen stützen.[92] Er sah sich auch nicht veranlasst, trotz erhobener Einwände aus dem Schrifttum, hiervon abzukehren. Die noch vor der Entscheidung im Fall Wittig erhobene, höchstgerichtliche Begründung, die Selbsttötung verstoße gegen das Sittengesetz und sei deswegen ein Unglücksfall, ließ der Senat zwar außen vor.[93] Gleichwohl meint er, die "mit einem Suizid verbundene Zerstörung des grundrechtlich geschützten Rechtsguts Leben" sei, von "gravierenden Ausnahmefällen abgesehen" und "bei natürlicher Betrachtungsweise" ein "Unglücksfall im Rechtssinne".[94] Während die Tötungs- und Körperverletzungsdelikte Individualschutz verfolgen würden, folge § 323c StGB dem Erfordernis menschlicher Solidarität. Die Freiverantwortlichkeit des Suizids schließe diese allerdings nicht aus. Außerdem begründe die Annahme eines Unglücksfalls auch keinen Widerspruch zur Straflosigkeit des Teilnehmers an einer Selbsttötung.
Diese Begründung überzeugt nicht. Die Solidarpflicht aus § 323c StGB besteht nur zur Erhaltung bedrohter Individualrechtsgüter. Sie richtet sich konkret an denjenigen, der mit einem Unglücksfall in Berührung kommt. Entscheidend ist deshalb, wie sich die Situation für aus einer (objektivierten) ex-ante Sicht darstellt.[95] Bei dem Merkmal der Erforderlichkeit hat der 5. Senat dies noch kürzlich selbst herausgestellt.[96] Warum das beim Unglücksfall anders sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Entscheidend muss daher sein, ob gerade für den potentiell Handlungspflichtigen ein Unglücksfall vorliegt. Die "Zerstörung[...]des Lebens" und eine "natürliche Betrachtungsweise" können hier richtigerweise keine entscheidenden Aspekte sein, die den Unglücksfall generell begründen. Der 5. Strafsenat hat sich mit seiner Argumentation in diesem Punkt Kutzer – dem damaligen Berichterstatter im Fall Wittig – angeschlossen.[97] Dieser führt über das in den Urteilen Mitgeteilte hinausgehend aus: "Wenn ein Mensch sich das Leben nimmt, so ist dies nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich ein Unglück, da ein grundrechtlich geschütztes Leben vorsätzlich zerstört wird."[98] An dieser Aussage muss zunächst befremden, dass die selbstbestimmte Aufgabe eines Rechtsguts durch dessen Inhaber als "Zerstörung" bezeichnet wird. Jedenfalls sprachlich bewegt man sich damit auf der Grundlage des überholten Dogmas der – z.B. aus religiösen Gründen – Unverfügbarkeit des eigenen Lebens. Vor allem aber fehlt jegliche Begründung dafür, warum unterschiedslos jede Selbsttötung ein ethisches und rechtliches Unglück sein soll. Während bei der Diskussion i.R.d. Tötungsdelikte anerkanntermaßen und nun auch höchstrichterlich für das Unterlassen bestätigt, danach differenziert wird, ob der Selbsttötungsentschluss freiverantwortlich gebildet wurde, sollen die dahinterstehenden Überlegungen für die Bewertung als Unglücksfall nach dieser Sichtweise keine Rolle spielen. Das ist kaum plausibel – insbesondere, wenn sie für Kutzer dann auf Ebene der
Erforderlichkeit doch entscheidend sein sollen.[99] Befindet man in Fällen freiverantwortlicher Selbsttötung die individualrechtsschützenden Tatbestände für nicht einschlägig, muss sich das auch auf § 323c Abs. 1 StGB und das Merkmal des Unglücksfalls auswirken. Entscheidend ist insofern, ob der potentiell Handlungspflichtige aus seiner Sicht die Freiverantwortlichkeit sicher erkennt.[100] Auch im Urteil des BGH im Fall Wittig wurde die Problematik der Erkennbarkeit eines freiverantwortlichen Suizids angesprochen[101] – freilich ohne die Ziehung der sich daraus ergebenden Konsequenz einer differenzierenden Betrachtung. Selbstredend ist die am häufigsten auftretende Situation die, dass ein Hinzutretender nicht sicher erkennen kann, ob ein Suizid freiverantwortlich geschieht. Er ist dann sub specie § 323c Abs. 1 StGB zum Eingreifen verpflichtet. Gleichwohl kann es Situationen geben, in denen die Freiverantwortlichkeit vom potentiell Handlungspflichtigen sicher beurteilt werden kann. Genau so lag es in den beiden, vom 5. Strafsenat entschiedenen Fällen. Beide Angeklagte hatten Kenntnis von der Freiverantwortlichkeit der Frauen. Bezeichnet man diese Situation für sie gleichwohl als Unglücksfall, ist das mit dem Wortsinn des Gesetzes nicht mehr vereinbar[102]: Die rechtlich anerkannte Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts würde zum Unglück! Diese Annahme setzt sich dann – anders als der 5. Strafsenat meint – in der Tat in Widerspruch zur Straflosigkeit der "Teilnahme" am freiverantwortlichen Suizid.[103]
Die Entscheidung im Fall Wittig war lange Zeit für praktisch bedeutungslos und überholt gehalten worden. Durch das OLG Hamburg hat sie jedoch ein Revival erlebt, dass mit der Entscheidung des KG Berlin sogar Nachahmung erfuhr. Damit hat sich gezeigt, dass dieses Judikat jahrzehntelang als Ausgangspunkt eines realen Strafbarkeitsrisikos und "Fallbeil" drohend über Ärzten und anderen in Suizidsituationen involvierte Personen schwebte.[104] Dabei konnte die Geringschätzung des Selbstbestimmungsrechts von freiverantwortlichen Suizidenten schon im Jahr 1984 nicht überzeugen. Bedenkt man zudem die in der Zwischenzeit eingetretenen Stärkungen des Selbstbestimmungsrechts durch Rechtsprechung und Gesetzgebung, befremdete die "Rückkehr" der Wittig-Rechtsprechung. In der modernen Medizin muss der Grundsatz voluntas aegroti suprema lex die zentrale Rolle einnehmen.[105] Zwangsbehandlungen gegen den freiverantwortlichen Willen sind medizin-ethisch unvertretbar.[106] Es war daher zu begrüßen, dass die LG Hamburg und Berlin mit ihren umfangreichen und bestimmten Ausführungen eine Abkehr von dieser Rechtsprechung forciert haben. Der 5. Strafsenat hat nun Stellung bezogen. Er hat dabei im Ergebnis jeweils "für den konkreten Fall[…]Recht"[107] gesprochen. Es verwirrt jedoch, wenn der Senat im Berliner Fall darauf hinweist, dass er vom 3. Strafsenat nicht in einer Weise abgewichen ist, die ein Anfrageverfahren erforderlich gemacht hätte. Der aufgezeigte Unterschied, dass dort eine "abschließende Abrede über Fortbestand und Art des Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht getroffen worden war"[108], rechtfertigt keine andere Bewertung. Auch im Fall Wittig wusste der Hausarzt um die Freiverantwortlichkeit seiner Patientin und deren Sterbewunsch. Dieser wurde durch ihre schriftlichen Erklärungen in der Wohnung zum Ausdruck gebracht. Das muss für ein Entfallen der Garantenstellung – auch beim Behandlungsabbruch ist keine schriftliche Erklärung erforderlich – genügen. "[D]en Weg für viele künftige Fehlentscheidungen auf diesem Gebiet"[109] hat der 5. Strafsenat damit jedoch nicht eröffnet. Allerdings wäre wünschenswert gewesen, dass er sich klärend zur Bedeutung des § 217 StGB im Zusammenhang mit der Unterlassungsstrafbarkeit geäußert hätte. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Rspr. in Zukunft positioniert.
* Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht, Prof. Dr. Henning Rosenau.
[1] Schmitt JZ 1984, 866, 868.
[2] BGHSt 32, 367 = JZ 1984, 893 ff.
[3] Auf den Begriff der Rettungsmaßnahmen wird bewusst verzichtet, wenn den Maßnahmen der Wille der Betroffenen entgegensteht. Die Verwendung der Begrifflichkeit Rettung suggeriert ein positiv zu bewertendes Ergebnis. Damit wird verschleiert, dass dabei die Selbstbestimmung missachtet wird und in der Sache eine Zwangsbehandlung stattfindet, vgl. auch Lorenz FAZ Einspruch v. 4. Juli 2019, online abrufbar unter: https://www.faz.net/einspruch/bgh-zu-strafbarkeit-der-suizidassistenz-keine-rettung-wider-willen-16268725.html (Stand: 5.9.2019).
[4] Vgl. den sog. "Göttinger Organallokationsskandal" (dazu Rosenau/Lorenz JR 2018, 168, 169, 179) oder den sog. "Bottroper Apothekerfall" (dazu Ast/Lorenz medstra 2018, 135, 136).
[5] BGHSt 32, 367, 369.
[6] BGHSt 32, 367, 370 ff., 380.
[7] Die dogmatische Einordnung der Lösung beim BGH ist unklar, Neumann, in: Nomos Kommentar StGB, Bd. 2, 5. Aufl. (2017), Vor §§ 211 ff. 81. Für eine Verortung auf Schuldebene Schmitt JZ 1984, 866 ff.; für Rechtfertigung über § 34 StGB, Herzberg NJW 1986, 1639 ff.
[8] BGHSt 32, 367, 381.
[9] Nachweise im Einzelnen bei Rosenau medstra 2017, 54, 55 Rn. 16.
[10] OLG Hamburg medstra 2017, 45 ff.
[11] KG Berlin medstra 2017, 180 ff.
[12] Freilich hatten die Staatsanwaltschaften zunächst Zweifel an der Freiverantwortlichkeit der Selbsttötungsentschlüsse. In der Hauptverhandlung konnte sich das Gericht jedoch hiervon überzeugen.
[13] LG Hamburg medstra 2018, 109 ff.
[14] LG Berlin medstra 2019, 108 ff.
[15] BGH, Urteile v. 3. Juli 2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18 = HRRS 2019 Nr. 1052 und 1059.
[16] Zum Sachverhalt BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 3-10.
[17] Siehe dazu Saliger medstra 2015, 132 f.
[18] Zum Sachverhalt BGH HRRS 2019 Nr. 1059 Rn. 3-8.
[19] Dieser Umstand – d. h. überhaupt irgendeine Injektion vorgenommen zu haben – wurde vom Angeklagten bestritten. Vielmehr wurde darauf hingewiesen, dass die Verstorbene gelernte Arzthelferin gewesen ist und sie sich wegen der mit ihrem Reizdarmsyndrom verbundenen Bauchkrämpfe schon früher wiederholt selbst Buscopan injizierte hatte. Tatsächlich kann aus medizinischer Sicht auch bezweifelt werden, ob das Spritzen des Antibrechmittels Metoclopramid im tief komatösen Zustand, in dem der Angeklagte seine Patientin vorfand, überhaupt sinnvoll gewesen wäre. Bei einer solch extrem hohen Giftdosis, wie sie von der Patientin eingenommen wurde, funktioniert der Brechreflex nicht mehr. Warum der Angeklagte, als Mediziner um diesen Umstand wissend, trotzdem entsprechend gehandelt haben sollte, ist kaum verständlich. Eine alternative Erklärung ist, dass die später Verstorbene sich das Mittel selbst injiziert hat, um ein Erbrechen unmittelbar nach der Einnahme der ca. 150 Tabletten Luminal zu verhindern.
[20] Der Suizid ist weder tatbestandliches noch rechtswidriges Verhalten, sodass eine Teilnahme denknotwendig bereits aus Akzessorietätsgesichtspunkten ausscheidet und eine "Beihilfe" i.S.d. § 27 StGB daher nicht möglich ist, vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 211 ff. Rn. 33 m.w.N.; Hillenkamp ZMGR 2018, 289, 293; Rosenau medstra 2017, 54, 55; a.A. Schmidhäuser, in: Festschrift für Welzel (1974), S. 801 ff.; Überblick zu abw. Ansichten Bottke, Suizid und Strafrecht, 1982, S. 33 f. Zum Grundsatz der Straflosigkeit der Teilnahme am Suizid auch Roxin GA 2013, 313 ff. und aus der Rspr. BGHSt 2, 159 ff.; 16, 162 ff.; 24, 342 ff., 32, 367 ff. Der Begriff "Beihilfe" ist im Zusammenhang mit dem Suizid daher nicht im strafrechtlich-spezifischen Sinne zu verstehen.
[21] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 17 und 1059 Rn. 3 m.w.N.
[22] Er ist unter den privilegierenden Voraussetzungen nach § 216 Abs. 1 StGB, unter den strafschärfenden Voraussetzungen nach § 211 Abs. 2 StGB oder sonst nach § 212 Abs. 1 StGB strafbar. Die Freiverantwortlichkeit spielt in dieser Konstellation nur insofern eine Rolle, als sie für die Privilegierung aus § 216 Abs. 1 StGB zwingend erforderlich ist.
[23] So schon im berühmten "Sirius"-Fall BGHSt 32, 38, 42 f.: "[…]ein Verbrechen der versuchten mittelbaren Fremdtötung[…]". Gegen die Anwendung der mittelbaren Täterschaft in Zwei-Personen-Konstellation (d.h. bei Opfermitwirkung), Ingelfinger, in: Dölling/Duttge/König/Rössner (Hrsg.), Gesamtes Strafrecht Handkommentar, 4. Aufl. (2017), § 25 Rn. 11, 32. f. m.w.N.
[24] Vgl. nur Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder (Fn. 20), Vor §§ 25 ff. Rn. 75 m.w.N. und zu denkbaren Ausnahmen beim sog. "Täter hinter dem Täter" § 25 Rn. 22 ff.
[25] Statt aller Roxin, Strafrecht AT II (2003), § 25 Rn. 54 ff. m.w.N.
[26] Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 20), Vor §§ 211 ff. Rn. 36; Fischer, StGB, 66. Aufl. (2019), Vor §§ 211 ff. Rn. 28; Neumann, Nomos Kommentar StGB (Fn. 7), Vor §§ 211 ff. Rn. 65 m.w.N.
[27] Zu dieser Einschätzung kommt auch Schneider, in: Münchener Kommentar StGB, Bd. 4, 3. Aufl. (2017), Vor §§ 211 ff. Rn. 37.
[28] Darunter auch – was umstritten ist – die Festigkeit des Sterbewillens, krit. Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 20), Vor §§ 211 ff. Rn. 36 und Duttge medstra 2018, 124, 125.
[29] Neumann, Nomos Kommentar StGB (Fn. 7), Vor §§ 211 ff. Rn. 63 mit Hinweis auf den Grundsatz "in dubio pro reo"; ebenso LG Gießen NStZ 2013, 43.
[30] LG Berlin medstra 2019, 108, 113 Rn. 37, 114 Rn. 55.
[31] Vgl. dazu ausführlich Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 153 ff. und dies. jurisPR-StrafR 18/2018 Anm. 1.
[32] BGH HRRS 2019 Nr. 1059 Rn. 22.
[33] Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 155 f.
[34] Zur Kausalität bei Abänderung der konkreten Gestalt des Todes, vgl. Roxin, Strafrecht AT I, 4. Aufl. (2006), § 11 Rn. 21.
[35] LG Berlin medstra 2019, 108, 114 Rn. 51.
[36] In Betracht käme auch Absicht, vgl. Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 155 f.
[37] Siehe Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 155 ff.
[38] LG Berlin medstra 2019, 108, 114 Rn. 53.
[39] Krit. schon Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 153.
[40] BGH HRRS 2019 Nr. 1059 Rn. 23.
[41] Hierzu gleich unter III. 2).
[42] Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 153 f.
[43] BGH NJW 2017, 3249, 3254 = HRRS 2017 Nr. 968; zust. noch Rosenau/Lorenz JR 2018, 168, 179 ff. m.w.N; anders inzwischen Ast/Lorenz medstra 2018, 135, 142.
[44] Zu dieser Vorsatzanforderung beim Abbruch bzw. der Verhinderung eines rettenden Kausalverlaufs: Ast HRRS 2017, 500, 501 f. Insgesamt fehlte es im Urteil des LG Berlin an Feststellungen zum Vorsatz hinsichtlich der eigenen Unterlassungen des Angeklagten ("vorher" wurde die Garantenpflicht bereits abgelehnt) als auch der vermeintlich bedingten fremden Unterlassungen der Angehörigen.
[45] Hierzu gleich unter III. 2) und 3).
[46] Eine unmittelbare Täterschaft wird in einer solchen Konstellation ganz einhellig abgelehnt, vgl. nur Roxin, Strafrecht AT II (Fn. 25), § 31 Rn. 101. In diese Richtung nun allerdings, dogmatisch unhaltbar Bornhauser, Die Strafbarkeit von Listenplatzmanipulationen, 2017, S. 96 ff.
[47] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 26 ff. und Nr. 1059 Rn. 24.
[48] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 29 und Nr. 1059 Rn. 25.
[49] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 31; ebenso schon Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 149; zweifelnd bereits LG Hamburg medstra 2018, 109, 122 Rn. 255 ff.
[50] Zur Argumentation im Folgenden BGH 2019 HRRS Nr. 1052 Rn. 32 ff. Auch im Berliner Fall wurde eine Ingerenz in aller Kürze verneint BGH 2019 HRRS Nr. 1059 Rn. 35.
[51] Exemplarisch BGH NStZ 1984, 452.
[52] Näher zu diesen Fällen Lorenz NStZ 2017, 226 f.
[53] BGHSt 61, 21, 23 f. = HRRS 2017 Nr. 39.
[54] BGHSt 61, 21, 27, wo auf BGH NStZ 2012, 319, 320 = HRRS 2012 Nr. 333 verwiesen wird.
[55] BGHSt 61, 21, 26 f.; zust. später BGH NStZ 2017, 219, 221 f. = HRRS 2017 Nr. 76.
[56] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 41 f.
[57] Suizid wird hier in dem Sinne verstanden, dass der Suizident auch die Herrschaft über den unmittelbar lebensbeenden Akt hat.
[58] Dieser Vorwurf stand ursprünglich gegen den Gutachter im Hamburger Fall im Raum.
[59] Siehe unter III. 2) b).
[60] Missverständlich ist der Verweis des 5. Strafsenats auf § 16 S. 3 der MBO-Ärzte, die ohnehin nur ein Muster ist und keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet.
[61] Siehe dazu auch Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 150; Hillenkamp MedR 2018, 379, 382.
[63] LG Berlin medstra 2019, 108, 116 f. Rn. 70 ff.
[64] Vgl. nur Birnbacher Ethik in der Medizin 2015, 315, 323.
[65] Vgl. nur Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 151.
[67] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 39, die Hervorhebung stammt vom Autor.
[68] BGH HRRS 2019 Nr. 1059 Rn. 26.
[69] Dabei macht es keinen Unterschied, ob man eine Garantenstellung des Arztes annimmt und die Garantenpflicht durch den Sterbewillen als begrenzt ansieht oder aber – wie der BGH – davon spricht, die Garantenstellung für das Leben sei entfallen. Zu diesem Aspekt auch Hillenkamp MedR 2018, 379, 381.
[70] Vgl. nur Fischer, StGB, 66. Aufl. (2019), § 223 Rn. 17.
[71] Duttge, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht, 5. Aufl. (2019), § 223 Rn. 8.
[72] RGSt 25, 375, 381.
[73] Hierzu Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 20), Vor §§ 211 ff. Rn. 46.
[74] Lorenz/Dorneck jurisPR-StrafR 18/2018 Anm. 1; Duttge, in: Prütting (Hrsg.) (Fn. 71), § 212 Rn. 29.
[75] Kutzer, MDR 1986, 710 ff; distanzierend allerdings nun Kutzer, in: Festschrift für Schöch (2010), S. 481, 489 ff.
[76] Hillenkamp ZMGR 2018, 289, 292 f.
[77] Ulsenheimer, in: Ulsenheimer (Hrsg.), Arztstrafrecht in der Praxis, 5. Aufl. (2015), Rn. 718.
[78] Zur Nichtaufnahme der Behandlung wegen Behandlungsverzichts Rosenau, in: Leipziger Kommentar, 12. Aufl. (2019), Vor §§ 211 ff. Rn. 55 f., 57.
[79] Als Vertreter exemplarisch Roxin, in: Handbuch des Medizinstrafrechts, 4. Aufl. (2010), S. 75, 95.
[80] Kritisch zu Begrifflichkeit und dogmatischer Herleitung Rosenau, in: Leipziger Kommentar (Fn. 78), Vor §§ 211 ff. Rn. 53 ff.
[81] BGHSt 55, 191 ff. = HRRS 2010 Nr. 704.
[82] Die dogmatische Einordnung des Urteils ist strittig. Teilweise wird es als teleologische Reduktion des Tatbestands des § 216 StGB (Walter ZIS 2011, 76, 82), teilweise als Tatbestandsausschluss (Rissing-van Saan ZIS 2011, 544) und teilweise als Notstandslösung gemäß § 34 StGB (Rosenau, in: Festschrift für Rissing-van Saan (2011), 547 ff.) gedeutet. Angesichts der klaren Worte des 2. Strafsenats ("Eine durch Einwilligung gerechtfertigte Handlung der Sterbehilfe[...]", BGHSt 55, 191, 204) ist eine teleologische Reduktion der Einwilligungssperre des § 216 StGB naheliegend, so wohl auch ZStW 2012 (124), 612, 626 und Joerden, in: Festschrift für Roxin II, Bd. 1, 2011, 593, 595 f. Näher auch Lorenz, JR 2019 (im Erscheinen).
[83] Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009, BGBl. I 2009, S. 2286 f.
[84] Dort ist zudem ein betreuungsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt vorgesehen.
[85] BGHSt 55, 191, 200.
[86] LG Hamburg medstra 2018, 109, 123, Rn. 270 f.; LG Berlin medstra 2019, 108, 116 Rn. 65 ff.
[87] Zur Einordnung, s. o. Fn. 82.
[88] Z.B. Ast ZStW 124 (2012), 612, 626; wohl auch Joerden, in: Festschrift für Roxin II, Bd. 1, 2011, 593, 595 f.; ebenso Lorenz, JR 2019, (im Erscheinen).
[89] LG Hamburg medstra 2018, 109, 123 Rn. 279 f.
[90] LG Berlin medstra 2019, 108, 117 Rn. 74 ff.
[91] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 46 mit Begründung und Nr. 1059 Rn. 37 allein mit Verweis auf den Hamburger Fall.
[92] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 44.
[93] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 45; im Fall Wittig zuvor offengelassen, vgl. BGHSt 32, 367, 375.
[94] BGH HRRS 2019 Nr. 1052 Rn. 45.
[95] Freund, in: Münchener Kommentar StGB, Bd. 5, 3. Aufl. 2019, § 323c Rn. 58.
[96] BGH NStZ 2016, 153 = HRRS 2015 Nr. 1032.
[97] Kutzer ZRP 2012, 135, 136 f.
[98] Kutzer ZRP 2012, 135, 136.
[99] Kutzer ZRP 2012, 135, 136 f.
[100] Freund, in: Münchener Kommentar StGB (Fn. 94), § 323c Rn. 60; Lorenz/Dorneck ZfL 2018, 146, 152 f.
[101] BGHSt 32, 367, 376.
[102] In diese Richtung Seebode, in: FS Kohlmann (2003), S. 279, 286.
[103] Freund, in: Münchener Kommentar StGB (Fn. 94), § 323c Rn. 61.
[104] Hillenkamp ZMGR 2018, 289, 293.
[105] Beauchamp/Childress , Principles of Biomedical Ethics, 7. Aufl. (2013), S. 101 ff.; Joerden MedR 2018, 764; Joppich/Elsner/Radbruch Anaesthesist 2006, 502; Oduncu MedR 2005, 437. Für den Bereich Sterbehilfe und Suizid aus jüngerer Zeit Hillenkamp ZMGR 2018, 289, 290.
[106] Statt aller und in aller Deutlichkeit Bruns/Gather/Henking/Vollmann, in: Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen, 2015, S. 95. Hierzu auch Jox Ethik Med (2018) 30, 1, 2: "Nun ist[…]juristisch und ethisch unstrittig, dass medizinische Maßnahmen unterbleiben müssen, sofern sie[…] nicht dem autonomen Patientenwillen entsprechen." Birnbacher Ethik in der Medizin 2015, 315, 323: "Von dem Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen bliebe so gut wie nichts übrig."
[107] Schmitt JZ 1984, 866, 868.
[108] BGH HRRS 2019, Nr. 1059 Rn. 36.
[109] Schmitt JZ 1984, 866, 868.