HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2019
20. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

1047. BGH 1 StR 620/18 – Urteil vom 11. Juli 2019 (LG Lübeck)

BGHSt; Steuerhinterziehung (Einziehung: Erlangung wirtschaftlicher Vorteile durch ersparte Steuern, hier: Hinterziehung von Tabaksteuern durch Verbringen von Zigaretten ohne Steuerzeichen ins Steuergebiet; Steuerhinterziehung durch Unterlassen als mitbestrafte Nachtat einer pflichtwidrigen Unterlassung der Verwendung von Steuerzeichen).

§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 AO; § 73 Abs. 1 StGB; § 73c StGB

1. Ein der Einziehung unterliegender wirtschaftlicher Vorteil liegt bei einer Hinterziehung von Tabaksteuer nur vor, soweit sich die im Wert der Tabakwaren verkörperte Steuerersparnis im Vermögen des Täters widerspiegelt. (BGHSt)

2. Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr). Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt. Offene Steuerschulden begründen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt. (Bearbeiter)

3. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF ist jeder Vermögenswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (st. Rspr.). Der Umfang des „erlangten Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF ist nach dem „Bruttoprinzip“ zu bemessen, d.h., dass grundsätzlich alles, was der Täter durch oder für die Tat erhalten oder was er durch diese erspart hat, ohne gewinnmindernde Abzüge einzuziehen ist. Der Einziehung unterliegen damit nicht nur bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder dingliche und obligatorische Rechte, sondern auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen, sowie konkrete Chancen auf einen Vertragsabschluss bzw. die Verbesserung einer Marktposition. Beim „Erlangen“ handelt es sich dabei um einen tatsächlichen Vorgang; auf die zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse zwischen mehreren Tatbeteiligten kommt es nicht an (vgl. BGHSt 56, 39 Rn. 19). (Bearbeiter)

4. Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO tritt als mitbestrafte Nachtat hinter § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO zurück. Bei der Nichtabgabe einer Steuererklärung über unversteuerte Tabakwaren handelt es sich um ein regelmäßig auftretendes Begleitgeschehen zur Sicherung der Vorteile aus der vorangegangenen pflichtwidrigen Unterlassung der Verwendung von Steuerzeichen (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO), das keinen zusätzlichen Unrechtsgehalt aufweist, sich gegen dasselbe Schutzgut – den staatlichen Steueranspruch – und denselben Geschädigten richtet und daher kein zusätzliches Strafbedürfnis begründet. (Bearbeiter)


Entscheidung

947. BGH 1 StR 81/18 – Urteil vom 24. April 2019 (LG Lübeck)

BGHR; Hinterziehung von Tabaksteuer (keine Strafbarkeit wegen Hinterziehung von Tabaksteuer, wenn Besitz an Tabakwaren erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs begründet wurde; europarechtlich gebotene effektive Durchsetzung des Steueranspruchs); Steuerhehlerei (Begriff der Absatzhilfe).

§ 370 Abs. 1 AO; § 374 Abs. 1 AO, § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG

1. Nur der vor Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz an unversteuerten Tabakwaren kann die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG begründen; der nach Beendigung des Verbringungsvorgangs begründete Besitz an unversteuerten Tabakwaren wird durch den Tatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 AO) strafrechtlich erfasst (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – 1 StR 635/09 zu § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nF). (BGH)

2. Der Grundsatz der europafreundlichen Auslegung gebietet strafrechtlich keine Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG, die dem erst nach der Neuregelung der Voraussetzungen für die Steuerschuldnerschaft in § 23 Abs. Satz 2 TabStG entwickelten Verständnis des Europäischen Gerichtshofs vom Begriff des „Besitzes“ i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 TabStG aF entspricht. Eine lückenlose strafrechtliche Verfolgung von vorsätzlich steuerrechtswidrigem Verhalten und damit eine effektive Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs ist durch die Strafbarkeit der Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 1 AO gewährleistet. (Bearbeiter)

3. Das Merkmal der Absatzhilfe im Sinne des § 374 Abs. 1 Variante 4 AO erfasst nur solche Handlungen, mit denen sich der Täter an den Absatzbemühungen des Vortäters der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) oder eines Zwischenhehlers in dessen Interesse und auf dessen Weisung unselbständig beteiligt. Der Helfer muss dabei „im Lager“ des Vortäters oder des Zwischenhehlers

stehen und diesen unmittelbar beim Absetzen unterstützen, wobei ein einvernehmliches Handeln von Absatzhelfer und Vortäter erforderlich ist (vgl. BGHSt 43, 110). Wird dagegen nicht der Vortäter, sondern ein Absatzhehler unterstützt, liegt lediglich eine Beihilfe zu dessen Tat vor. (Bearbeiter)


Entscheidung

949. BGH 1 StR 479/18 – Beschluss vom 23. Mai 2019 (LG Stuttgart)

Einziehung (Erlangtes Etwas bei der Hinterziehung von Tabaksteuer: erforderliches Erlangen eines wirtschaftlichen Vorteils).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 370 Abs. 1 AO

Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.). Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Im Hinblick auf die Struktur der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils. Offene Steuerschulden begründen hingegen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die Abschöpfung nach §§ 73 ff. StGB setzt mehr voraus als die bloße Erfüllung des Steuerstraftatbestandes. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.


Entscheidung

1031. BGH 1 StR 44/19 – Beschluss vom 24. Juli 2019 (LG Hagen)

Steuerhinterziehung (Berechnung des Steuerschadens: Kompensationsverbot, wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen unrichtiger Erklärung der geschuldeten Umsatzsteuer und nicht geltend gemachtem Vorsteuervergütungsanspruch; Tatmehrheit bei Abgabe mehrerer Steuererklärungen für verschiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen äußeren Akt).

§ 370 Abs. 1, Abs. 4 Satz 3 AO; § 53 StGB

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGH DStR 2018, 2380, 2382) ist eine für die Begründung von Tateinheit erforderliche Teilidentität der Ausführungshandlungen bei Abgaben mehrerer Steuererklärungen für verschiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen äußeren Akt, etwa des Versendens per Post in einem Brief, hinsichtlich der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich nicht gegeben.

2. Die tatbestandliche Handlung, die Umsatzsteuer auf einen steuerpflichtigen Ausgangsumsatz nicht zu erklären, zieht die Nichtgeltendmachung eines an sich bestehenden Vorsteueranspruchs regelmäßig nach sich. Es besteht daher ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz, der zur Folge hat, dass der Vorsteuervergütungsanspruch im Rahmen der Steuerverkürzungsberechnung von Rechts wegen zu berücksichtigen ist.


Entscheidung

1045. BGH 1 StR 556/18 – Beschluss vom 25. Juli 2019 (LG Arnsberg)

Umsatzsteuerhinterziehung (unterlassene Umsatzsteuervoranmeldung als mitbestrafte Vortat einer unvollständigen Umsatzsteuerjahreserklärung); Selbstanzeige (Sperrgrund der Umsatzsatzsteuernachschau: Entfallen bei Nichtentdeckung der Tat im Rahmen der Nachschau).

§ 370 Abs. 1 AO; § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AO; § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. e) AO

1. Das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung ist auch für die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) und die Abgabe einer unvollständigen und daher unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat.

2. Diese Umsatzsteuernachschau ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 1e AO für die Wirksamkeit von Selbstanzeigen ein Sperrgrund. Der Sperrgrund entfällt nur dann, wenn die Taten des Angeklagten bei dieser Nachschau nicht entdeckt wurden.


Entscheidung

1010. BGH 2 StR 381/17 – Beschluss vom 20. August 2019 (LG Frankfurt am Main)

Untreue (Vermögensbetreuungspflicht: Voraussetzungen, Bestehen bei faktischer Herrschaft über Vermögensinteressen, ausnahmsweises Bestehen bei Darlehensverhältnissen; Vermögensnachteil: Werthaltigkeit von Rückzahlungsansprüchen); gerichtliche Hinweispflicht.

§ 266 StGB; § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO

1. Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine innerlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht hinausgeht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Dabei muss dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen bleiben und ihm eine gewisse Selbständigkeit belassen werden.

2. Zwar kann eine faktische Herrschaft über Vermögensinteressen eines anderen im Einzelfall ausreichen. Da der Treubruchtatbestand sich jedoch nur gegen Angriffe „aus dem eigenen Lager“ des Geschädigten richtet, ist ferner erforderlich, dass der Täter nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers eine Einwirkungsmöglichkeit auf dessen, mithin dem Täter fremdes Vermögen hat.

3. Bei Darlehensverhältnissen oder sonstigen Kreditvereinbarungen ist der Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber grundsätzlich nicht treupflichtig. Denn

der Darlehensnehmer handelt nicht in fremdem, sondern im eigenen Interesse. Über die Einzelheiten des Mitteleinsatzes entscheidet der Darlehensnehmer selbst, weil er mit dem zur Verfügung gestellten Darlehen ein zeitlich befristetes Kapitalnutzungsrecht erwirbt.

4. Bei einem zweckgebundenen Darlehen kann jedoch durch die Einbeziehung auftragsähnlicher Elemente im Einzelfall eine derartige Vermögensbetreuungspflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber begründet werden. Erforderlich ist dabei, dass das Vertragsverhältnis Elemente einer Geschäftsbesorgung aufweist und die dadurch festgelegte Verpflichtung zur fremdnützigen Vermögenssorge einen wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmacht und nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Dies wird bei einem Darlehen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn durch die besondere Zweckbindung und die sich daraus ergebende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur zweckgerechten Verwendung der Valuta Vermögensinteressen des Darlehensgebers geschützt werden und diese wirtschaftlich im Mittelpunkt des Vertrages stehen. Demgegenüber können allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen des Darlehensgebers keine Vermögensbetreuungspflicht begründen.

5. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht nur, wenn die Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht und gegebenenfalls gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind. Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht nämlich kein Schaden, wenn und soweit der Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und diese – ohne dass der Schuldner dies vereiteln könnte – mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind.


Entscheidung

1043. BGH 1 StR 427/18 – Beschluss vom 25. April 2019 (LG Augsburg)

Untreue (Vermögensbetreuungspflicht: Maßstab für kommunale Entscheidungsträger beim Abschluss von Finanzgeschäften; Vermögensschaden: Gefährdungsschaden, geboten bilanzielle Betrachtung, Ermittlung des Schadens bei Anlage- und Derivatgeschäften, erforderliche Darstellung im Urteil); tatrichterlicher Beweiswürdigung (erforderliche Darstellung bei Anschluss an ein Sachverständigengutachten).

§ 266 Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 261 StPO

1. Nach der Rechtsprechung des Senats konkretisiert sich der Maßstab der Sorgfaltspflicht, den ein kommunaler Entscheidungsträger bei Abschluss von Finanzgeschäften zu beachten hat, aufgrund der kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen wie folgt: Ein Finanzgeschäft einer Kommune muss zunächst einen sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag dergestalt aufweisen, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird (Konnexität). Darüber hinaus ist der Abschluss eines Finanzgeschäfts dann pflichtwidrig, wenn das Risiko des Kapitalverlustes die Chance des Kapitalgewinns deutlich übersteigt und dadurch die kommunale Aufgabenbindung und -erfüllung nicht unerheblich gefährdet wird, wenn die Abwägungsentscheidung infolge von Informationsdefiziten oder Mängeln bei der Sachverhaltserfassung nicht richtig erfolgen konnte, wenn sachfremde Gesichtspunkte in die Entscheidungsfindung einfließen sowie wenn konkrete Anweisungen der Aufsichtsbehörde zu den Geschäftskonditionen zu Gunsten einer Chance auf höhere Kostenreduzierung missachtet werden.

2. Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, dass dies schon zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (vgl. BVerfGE 126, 170, 221 ff.). Unter diesen Voraussetzungen kann bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen.

3. Da der Vermögensnachteil ein selbstständiges, neben der Voraussetzung der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal darstellt, ist er – von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen – eigenständig zu ermitteln, anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren und zu beziffern (st. Rspr.).

4. Nach bilanzieller Betrachtungsweise liegt dabei beim Abschluss von Zinsswap-Verträgen ein Nachteil in Höhe der zu bildenden Drohverlustrückstellungen (§ 249 HGB) vor, die nach dem Marktwert des Derivats zu bewerten sind. Der Marktwert eines Anlage- oder Derivatgeschäfts ist auf Grundlage der Höhe des konkreten Ausfallrisikos sowie des Wahrscheinlichkeitsgrades einer Gewinnerzielung – auch unter Berücksichtigung der den Vertragspartnern jeweils eingeräumten Kündigungsmöglichkeiten – unter Anwendung finanzmathematischer Berechnungen bzw. betriebswirtschaftlicher Bewertungskriterien zu ermitteln. Ein Vermögensnachteil kann dabei einerseits dann vorliegen, wenn die seitens des Vermögensinhabers eingeräumte Gewinnmarge marktunüblich ist und daher den Wert des Vertragsschlusses übersteigt, und andererseits, wenn der Wert des abgeschlossenen Finanzderivats hinter dem Wert der dadurch abgelösten Zahlungspflicht zurückbleibt. Für das Vorliegen eines Vermögensnachteils im erstgenannten Sinn reicht es nicht aus, dass die Bank überhaupt eine Gewinnmarge vereinnahmt; vielmehr muss diese gemessen am üblichen Marktpreis überhöht sein. Die Marktüblichkeit bestimmt sich nach den konkreten zeitlichen und örtlichen Verhältnissen und nach der jeweiligen Handels- und Umsatzstufe.

5. Folgt das Tatgericht der Beurteilung eines Sachverständigen hat es dessen Ausführungen im Urteil zumindest in gedrängter Form zusammenfassend unter Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen Grundlagen (Anknüpfungstatsachen) und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) darzustellen, damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.). Dies gilt in besonderem Maß, wenn es sich dem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen will und allein auf die Sachkunde des Gutachters vertraut. Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt.


Entscheidung

967. BGH 4 StR 36/19 – Beschluss vom 4. Juli 2019 (LG Halle)

Betrug (Vermögensschaden: Prinzip der Gesamtsaldierung, Schadensbestimmung bei Darlehensverträgen, Schadensbestimmung bei Bestehen eines Sicherungsrechts an Bankguthaben); Urteilsgründe (Darlegung des Inhalts eines Sachverständigengutachtens).

§ 263 Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 1 StPO

1. Ein Vermögensverlust als Schaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich ist jeweils der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung. Die gleichen Grundsätze gelten für die Bestimmung des Nachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bei einer pflichtwidrigen Tathandlung zu Lasten des vom Täter betreuten Vermögens, wobei für den Vermögensvergleich auf die Vermögenslage vor und nach der pflichtwidrigen Handlung abzustellen ist.

2. Liegt dem Täter zur Last, durch Täuschung den Abschluss eines Darlehensvertrages erreicht zu haben, ist zur Bestimmung des Schadens (§ 263 Abs. 1 StGB) ein Wertvergleich zwischen der vom Darlehensgeber ausgezahlten Valuta und der Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs vorzunehmen. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der dem Darlehensgeber etwaig bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht, wenn und soweit eine Möglichkeit zur Rückzahlung des Darlehens nicht besteht und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind.

3. Bei durch Täuschung erschlichenen Leasingverträgen ist für die Gesamtsaldierung des Geldwerts der erworbenen Ansprüche gegen den Leasingnehmer und der vom Leasinggeber eingegangenen Verpflichtungen festzustellen, ob der Kaufpreiszahlung des Leasinggebers ein werthaltiger Anspruch gegen den Leasingnehmer gegenübersteht, der den Vermögensabfluss gleichwertig kompensiert. Neben dem Ausfallrisiko hinsichtlich der Leasingraten ist dabei grundsätzlich, sofern der Leasingnehmer nicht von vornherein beabsichtigt, dem Leasinggeber den Gegenstand gänzlich zu entziehen, auch der Wert des dem Leasinggeber übereigneten Gegenstands unter Beachtung seiner Verpflichtung zu berücksichtigen, das Leasinggut dem Leasingnehmer zur Nutzung zu überlassen.

4. Macht sich der Tatrichter das Gutachten eines Sachverständigen zu eigen, hat er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind.

5. Ist das Guthaben der Gesellschaft mit einem Sicherungsrecht belastet, ist dies für die Bestimmung eines Vermögensnachteils im Zeitpunkt der Vornahme der Überweisungen von Bedeutung, weil das Sicherungsrecht die Gefahr einer späteren Inanspruchnahme in sich trägt. Der Grad der hieraus resultierenden zukünftigen Verlustgefahr, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unabhängig von ihrer Realisierung bei dem belasteten Gegenstand wertmindernd auswirkt, hängt maßgeblich von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalls ab. Dies bedeutet für den Wert eines Gegenstands, eines Rechts oder einer Forderung, an dem sein Inhaber einem Dritten ein Sicherungsrecht eingeräumt hat, dass sich sein Wert im Vermögen des Sicherungsgebers umso mehr verringert, je wahrscheinlicher der Eintritt des Sicherungsfalls ist.


Entscheidung

1061. BGH 5 StR 649/18 – Urteil vom 18. Juli 2019 (LG Frankfurt [Oder])

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (Arbeitgeber; Arbeitnehmer; selbständige Subunternehmer; nichtselbständige Dienste; Verhältnis persönlicher Abhängigkeit; Direktionsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Dienstleistung; freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit; gelebte Beziehung; wertende Gesamtbetrachtung; Transportgewerbe; enge Bindung des Frachtführers durch gelebte vertragliche Vereinbarungen; Konkurrenzklausel; zeitliche Vorgaben).

§ 266a StGB; § 407 HGB

1. Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht, das weitgehend auf das Dienstvertragsrecht der §§ 611 ff. BGB abstellt. Arbeitgeber ist danach derjenige, dem der Arbeitnehmer nichtselbständige Dienste gegen Entgelt leistet und zu dem er in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit steht. Dieses drückt sich vor allem durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers und durch dessen Direktionsrecht aus, das Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Dienstleistung umfasst. Demgegenüber ist entsprechend der allgemeinen gesetzgeberischen Wertung, die § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält, selbständig, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

2. Entscheidend sind für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit – ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten – die tatsächlichen Gegebenheiten ihrer „gelebten Beziehung“. Diese sind einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Ob jemand bei Tätigkeiten, die sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbständigkeit ausgeübt werden können, abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

3. Transportfahrer können jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen sein, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bindungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, welche die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen. Die Vorgabe eines festen Zeitschemas und die damit einhergehende stärkere Einbindung in die betrieblichen Abläufe der Auftraggeberin kann ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sein, insbesondere dann, wenn rechtlich oder faktisch keine realistischen Möglichkeiten bestanden haben sollten, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein.

4. Der Umstand, dass Transportfahrer verpflichtet sind, bei der Zustellung von Paketen als (einzige) Terminvorgabe die Auslieferung innerhalb eines Tages einzuhalten, bedeutet keinen aussagekräftigen Hinweis auf ein Arbeitsverhältnis. Darin liegt vielmehr eine bei vielen „freien” Auftragsverhältnissen anzutreffende Abrede über den zeitlichen Rahmen, bei der, soweit sie bereits vertraglich konkretisiert ist, für ein Weisungsrecht des Auftraggebers kein Raum bleibt. Ohnehin können in Dienst- und Werkvertragsverhältnissen von dem Dienstberechtigten Termine für die Erledigung der Arbeit vorgegeben werden, ohne dass daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für ein Arbeitsverhältnis regelmäßig kennzeichnend ist.


Entscheidung

1051. BGH 3 StR 413/18 – Beschluss vom 5. März 2019 (OLG Düsseldorf)

Gewerbsmäßige Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften (mittelbares Zurverfügungstellen; Handeln auf Weisung einer gelisteten Organisation; Gewerbsmäßigkeit).

§ 18 AWG; Art. 7 Abs. 3 Iran-Embargo-VO

1. Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen will. Der erstmalige Verstoß kann ausreichend sein, auch wenn es entgegen der Intention des Beteiligten nicht zu weiteren entsprechenden Straftaten kommt; freilich muss sich seine Vorstellung gerade auf die nicht nur vorübergehende Einnahmequelle aus solchen Taten beziehen. Gewerbsmäßiges Handeln in diesem Sinne wird jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der mit Gewinnerzielungsabsicht handelnde Täter lediglich damit rechnet, auch weiterhin dasselbe Strafgesetz zu verletzen. Neben dem zielgerichteten Willen zu wiederkehrenden Einnahmen genügt hinsichtlich der übrigen Deliktsvoraussetzungen bedingter Vorsatz.

2. Der Empfänger einer Lieferung handelt ggf. auch dann „auf Weisung“ einer Organisation, der gem. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates der Europäischen Union vom 19. April 2007 keine wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen, wenn der Empfänger in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu der gelisteten Einrichtung steht, ein eigenes erwerbswirtschaftliches Interesse an der Lieferung sowie der Produktion aufweist und das unternehmerische Risiko hierfür getragen hat. Eine solche Lieferung kann daher als mittelbare Zurverfügungstellung an die gelistete Organisation selbst gelten.


Entscheidung

1002. BGH 2 StR 268/19 – Beschluss vom 16. Juli 2019 (LG Bonn)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Konkurrenzen: mehrere Anbauvorgänge auf einer Plantage; Subsidiarität von § 73a StGB).

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 73d StGB a.F.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind gesonderte Anbauvorgänge auf einer Plantage, die auf die gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich materiellrechtlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten, sofern sich nicht – was sich hier den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt – einzelne Ausführungshandlungen teilweise überschneiden. Sie stellen deshalb regelmäßig auch mehrere prozessuale Taten dar.

2. § 73a StGB ist wie seine Vorgängervorschrift § 73d StGB a.F. gegenüber § 73 StGB subsidiär und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind. Dies schließt es aus, Gegenstände der erweiterten Einziehung zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind.


Entscheidung

976. BGH 4 StR 211/19 – Beschluss vom 18. Juli 2019 (LG Zweibrücken)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Eigennützigkeit: Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; § 25 Abs. 2 StGB; § 27 Abs. 1 StGB

Eigennützig handelt der Täter, dem es auf seinen persönlichen Vorteil, insbesondere auf die Erzielung von Gewinn ankommt. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte finanzielle oder sonstige persönliche Vorteile aus seiner Mitwirkung versprach, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Wer aber nicht selbst eigennützig handelt, sondern lediglich den Eigennutz eines anderen unterstützen will, ist Gehilfe.


Entscheidung

988. BGH 4 StR 461/18 – Beschluss vom 9. April 2019 (LG Dessau-Roßlau)

Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Begriff; Mitführen einer Waffe oder eines sonstigen Gegenstandes bis zur Vollendung).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

1. Der Begriff des Sichverschaffens in § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfasst anders als in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG auch den Erwerb, also die rechtsgeschäftliche, einverständliche Erlangung der Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel.

2. Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist zwar auch dann erfüllt, wenn der Täter die Waffe oder den sonstigen Gegenstand erst in der Schlussphase des Betäubungsmittelerwerbs vor dessen Beendigung mit sich führt, auch wenn das Grunddelikt bereits vollendet ist. Der Erwerb ist allerdings dann rechtlich beendet, wenn der Täter gesicherte Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel erlangt hat.


Entscheidung

1017. BGH 4 StR 62/19 – Beschluss vom 17. Juni 2019 (LG Dortmund)

Anwendung des allgemeinen Strafrechts im Jugendstrafrecht (keine jugendstrafrechtliche Überformung der Vorschriften über die Einziehung); Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe (kein jugendstrafrechtlich begründetes Ermessen).

§§ 73 ff. StGB; § 73c StGB; § 2 Abs. 2 JGG; § 8 Abs. 3 JGG

1. Die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB sind über die Verweisung in § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendstrafrecht anwendbar. Deshalb gelten die sich aus diesen Normen ergebenden Anwendungsgrundsätze. Für eine jugendstrafrechtliche Überformung ist kein Raum.

2. Soweit in § 8 Abs. 3 Satz 1 JGG davon die Rede ist, dass die jeweiligen Folgen neben den genannten jugendrechtlichen Sanktionen angeordnet werden „können“, wird dadurch im Hinblick auf die nach dem allgemeinen Recht zwingend anzuordnenden Maßnahmen kein besonderes jugendstrafrechtlich begründetes Ermessen eröffnet.

3. Dass eine Einziehung von Wertersatz gemäß § 73c Satz 1 StGB bei Anwendung von Jugendstrafrecht aufgrund einer zu treffenden Ermessensentscheidung nicht oder nur eingeschränkt in Betracht kommen kann, ergibt sich auch nicht aus übergeordneten jugendstrafrechtlichen Gesichtspunkten. Zwar können auch nicht ausdrücklich untersagte Sanktionen im Jugendstrafrecht ausgeschlossen sein oder einer teleologischen Reduktion unterliegen, weil sie gegen übergeordnete Strukturprinzipien des Jugendstrafrechts verstoßen. Dies ist aber bei der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB nF nicht der Fall.


Entscheidung

964. BGH 2 ARs 172/19 2 AR 103/19 – Beschluss vom 6. August 2019

Abgabe und Übergang der Vollstreckung (Erfassung der Abgabe der Vollstreckung einer Vermögensabschöpfungsentscheidung).

§ 85 Abs. 5 JGG

Von § 85 Abs. 5 JGG wird auch die Abgabe der Vollstreckung einer Vermögensabschöpfungsentscheidung erfasst. Der Anwendungsbereich des § 85 Abs. 5 JGG ist nicht auf jugendrichterliche Sanktionen im engeren Sinne beschränkt, sondern gilt auch für die Vollstreckung von Nebenstrafen, Maßregeln und Nebenfolgen, worunter auch die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB fällt.