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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2018
19. Jahrgang
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1. Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 325 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Nichtabführung der gemäß der Jahressteuererklärung für ein bestimmtes Steuerjahr geschuldeten Mehrwertsteuer innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen nur
dann eine mit einer Freiheitsstrafe bewehrte Straftat darstellt, wenn die Höhe der nicht entrichteten Mehrwertsteuer einen Schwellenwert von 250 000 Euro für die Strafbarkeit übersteigt, während für die Strafbarkeit der Nichtabführung von an der Quelle einbehaltener Einkommensteuer ein Schwellenwert von 150 000 Euro vorgesehen ist. (EuGH)
2. Nach Art. 325 Abs. 1 AEUV haben die Mitgliedstaaten Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen mit Maßnahmen zu bekämpfen, die wirksam und abschreckend sind. Dabei umfassen die finanziellen Interessen der Union u. a. die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. (Bearbeiter)
3. Die von den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Verstößen gegen die harmonisierten Vorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer eingeführten Sanktionen fallen unter ihre verfahrensrechtliche und institutionelle Autonomie. Diese ist durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Äquivalenzgrundsatz (wonach die Sanktionen denjenigen ähneln müssen, die bei nach Art und Schwere gleichartigen Verstößen gegen das nationale Recht und Verletzungen der nationalen finanziellen Interessen gelten) und den Effektivitätsgrundsatz (wonach diese Sanktionen wirksam und abschreckend sein müssen) beschränkt. (Bearbeiter)
4. Die Mitgliedstaaten können frei wählen, welche Sanktionen sie anwenden, um die Erhebung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in ihrer Gesamtheit und damit den Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten. Dabei kann es sich um verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen oder um eine Kombination aus beiden handeln. Um schweren Mehrwertsteuerbetrug wirksam und abschreckend zu bekämpfen, sind die Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet verpflichtet, wirksame und abschreckende strafrechtliche Sanktionen zu erlassen. (Bearbeiter)
5. Den Mitgliedstaaten steht es insbesondere frei, die Anwendung der Sanktionen auf den Steuerpflichtigen selbst oder, wenn es sich bei diesem um eine juristische Person handelt, auf deren Geschäftsführer oder aber sowohl auf den einen als auch auf den anderen anzuwenden, solange dadurch die wirksame Bekämpfung des in Rede stehenden Verstoßes gegen das Unionsrecht nicht gefährdet wird. (Bearbeiter)
6. In schweren Betrugsfällen, d. h. in Fällen, die einen von den Mitgliedstaaten auf nicht über 50 000 Euro festzusetzenden Mindestbetrag zum Gegenstand haben, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 1 PIF-Übereinkommen verpflichtet, Freiheitsstrafen vorzusehen, die zu einer Auslieferung führen können. (Bearbeiter)
7. Ein Betrug iSv Art. 325 AEUV liegt nicht vor, wenn – wie im Ausgangsverfahren – der Steuerpflichtige eine vollständige und ordnungsgemäße Umsatzsteuererklärung abgibt und in der Folge die Mehrwertsteuer nicht abführt, unabhängig davon, ob diese Unterlassung vorsätzlich erfolgt oder nicht. Somit kommt es in einem solchen Fall nicht auf den in Art. 2 Abs. 1 des PIF-Übereinkommens vorgesehenen Betrag von 50 000 Euro an. (Bearbeiter)
8. Auch Fälle der bloßen Nichtabführung trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Umsatzsteuererklärung stellen „rechtswidrige Handlungen“ dar, durch die die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Art. 325 Abs. 1 AEUV beeinträchtigt werden und auf die daher effektive und abschreckende Sanktionen anzuwenden sind; dies gilt insbesondere, wenn der Steuerpflichtige die den nicht abgeführten Beträgen entsprechenden Mittel zulasten der Staatskasse für seine eigenen Belange verwendet. Die Wendung „sonstige … rechtswidrige Handlungen“ in Art. 325 Abs. 1 AEUV bezieht sich nicht allein auf nach Art und Schwere betrugsähnliche Handlungen. (Bearbeiter)
9. Der Grundsatz der Effektivität steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der die Nichtabführung der gemäß der Jahressteuererklärung für ein bestimmtes Steuerjahr geschuldeten Mehrwertsteuer innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen nur dann eine mit einer Freiheitsstrafe bewehrte Straftat darstellt, wenn die Höhe der nicht entrichteten Mehrwertsteuer einen Schwellenwert von 250 000 Euro für die Strafbarkeit übersteigt. (Bearbeiter)
10. Im Lichte des Äquivalenzgrundsatzes ist zu beurteilen, ob die Nichtabführung von an der Quelle einbehaltener Einkommensteuer als ein nach Art und Schwere gleichartiger Verstoß gegen das nationale Recht anzusehen ist wie die Nichtabführung von Mehrwertsteuer, für die bereits eine Erklärung abgegeben wurde. (Bearbeiter)
11. Unterscheiden sich zwei Arten von Verstößen durch verschiedene Umstände, die sowohl die Tatbestandsmerkmale des Verstoßes als auch seine mehr oder weniger leichte Aufdeckung betreffen, so bringen es diese Unterschiede namentlich mit sich, dass der betreffende Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, beide Kategorien von Verstößen ein und derselben Regelung zu unterwerfen. (Bearbeiter)
1. Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein nationales letztinstanzliches Gericht hat eine entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts dem EuGH vorzulegen, sofern nicht die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder die richtige Anwendung des Unionsrechts offenkundig ist.
2. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob ein Fachgericht die unionsrechtliche Vorlagepflicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt hat. Dies ist der Fall, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht trotz Zweifeln an der Rechtsauslegung eine Vorlage nicht in Betracht zieht (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht) oder wenn es ohne Vorlagebereitschaft bewusst von der Rechtsprechung des EuGH abweicht.
3. In den Fällen der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des EuGH verletzt das letztinstanzliche Hauptsachegericht mit einer Nichtvorlage das Recht auf den gesetzlichen Richter, wenn es seinen Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet. Dies ist der Fall, wenn es willkürlich davon ausgeht, die Rechtslage sei entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“).
4. In der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ist nicht abschließend geklärt, welche konkreten Mindestanforderungen im – unionsrechtlich determinierten – Auslieferungsverfahren auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls mit Blick auf die Haftbedingungen im ersuchenden Staat aus Art. 4 GRCh abzuleiten sind und nach welchen Maßstäben die Haftbedingungen unionsgrundrechtlich zu bewerten sind. Insbesondere ist offen, inwieweit bei der Bestimmung des Gewährleistungsgehalts von Art. 4 GRCh die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zu berücksichtigen ist und ob diese vollständig übertragbar ist.
5. Ein Oberlandesgericht verletzt das Recht auf den gesetzlichen Richter, wenn es eine Auslieferung nach Rumänien ohne Vorlage an den EuGH für zulässig erklärt und dabei ohne weitere Begründung und ohne Auswertung der einschlägigen und von dem Verfolgten in Bezug genommenen Rechtsprechung des EuGH davon ausgeht, die in Rumänien konkret zu erwartenden Haftbedingungen entsprächen den menschenrechtlichen Mindeststandards (Hauptsacheentscheidung zur einstweiligen Anordnung vom 12. Januar 2018 [= HRRS 2018 Nr. 205]).
6. Die strengen Voraussetzungen für eine Aktivierung der Identitätskontrolle im Auslieferungsverkehr der Bundesrepublik mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union schlagen sich in erhöhten Zulässigkeitsanforderungen an entsprechende Verfassungsbeschwerden nieder. Mit Blick auf die Haftraumgröße muss im Einzelnen substantiiert und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR dargelegt werden, weshalb die Menschenwürde des Verfolgten im Falle seiner Auslieferung gefährdet wäre.
1. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, wonach für vor dem 3. Juli 2016 begangene Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz keine „Ahndungslücke“ bestanden hat (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 5 StR 532/16 – [= HRRS 2017 Nr. 190]), verstößt nicht gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.
2. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein striktes Bestimmtheitsgebot für die Gesetzgebung sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie. Ausgeschlossen ist jede Rechtsanwendung, die tatbestandsausweitend über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist.
3. Mit Verweisungen in sogenannten Blankettgesetzen verzichtet der Gesetzgeber regelmäßig nur darauf, den vollen Wortlaut der in Bezug genommenen Vorschrift in die Verweisungsnorm aufzunehmen. Die Verweisungsnorm bestimmt damit eine Rechtsfolge autonom und unabhängig von der Bezugsnorm, ohne dass es darauf ankommt, ob diese bereits anwendbar ist. Sie muss dem Normadressaten lediglich durch eine vorherige ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sein.
4. § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, welcher Verstöße gegen die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) durch Tätigen von Insidergeschäften entgegen Art. 14 Buchstabe a der Verordnung bestraft, erlaubt auch die Ahndung vor dem 3. Juli 2016 begangener Verstöße, wenngleich die in Bezug genommene Vorschrift am 2. Juli 2016 zwar bereits in Kraft getreten, europarechtlich allerdings noch nicht anwendbar war. Eine Strafbarkeitslücke für Altfälle (§ 2 Abs. 3 StGB) besteht damit nicht.
5. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber zu einem späteren Zeitpunkt eine Übergangsvorschrift geschaffen hat, mit welcher er die vorzeitige Anwendbarkeit der strafbewehrten Vorschriften der Marktmissbrauchs-
verordnung klarstellend bekräftigt hat, um in der Literatur vorgebrachte Zweifel an der Wahrung des Analogieverbots auszuräumen; denn die verfassungsrechtliche Wortlautgrenze ist aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen.
6. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der europäische Verordnungsgeber durch die Bestimmung des europarechtlichen Anwendbarkeitszeitpunktes des Art. 14 MAD im Sinne eines „umgekehrten Anwendungsvorrangs“ den Mitgliedstaaten eine vorzeitige Anwendung der Vorschrift verwehren wollte.
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.
2. Dabei ist ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung anzuerkennen, der Eingriffen der öffentlichen Gewalt selbst bei schwerwiegenden Interessen der Allgemeinheit schlechthin entzogen ist. Für die Zuordnung zu diesem Kernbereich kommt es neben dem subjektiven Willen zur Geheimhaltung maßgeblich darauf an, ob ein Sachverhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.
3. Die Verwertung privater Aufzeichnungen, die nicht zum absolut geschützten Kernbereich gehören, bedarf der Rechtfertigung durch ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht darf dabei nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes und nur insoweit eingeschränkt werden, als dies zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist. Die Gesetze sind ihrerseits unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auszulegen und anzuwenden.
4. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird nicht dadurch verletzt, dass ein Gericht eine Datenverarbeitung im Maßregelvollzug grundsätzlich auch dann für zulässig erachtet, wenn sie lediglich abstrakt dem Schutz der Allgemeinheit dient, etwa, weil sie Diagnose-, Therapie- und Kriminalprognosemöglichkeiten gegenüber untergebrachten Personen verbessert.
5. Entsprechend den für das strafrechtliche Erkenntnisverfahren geltenden Maßstäben ist es zulässig, dass die Vollzugseinrichtung eine Textdatei mit autobiografischem Inhalt, welche ein im Maßregelvollzug Untergebrachter versteckt auf einem Klinikrechner gespeichert hat, daraufhin durchsieht, ob sie der Verwertung zugängliche Informationen wie etwa Fluchtpläne enthält.
6. Die weitere Verwertung der Textdatei durch Ausdruck, Aufnahme in die Krankenakte und Weiterleitung an einen externen Sachverständigen ist jedoch verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, wenn der Text dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, etwa weil er die verfassungsrechtlich besonders geschützte Innenansicht des Beschwerdeführers auf sein Leben und die Umstände wiedergibt, die zu seiner Erkrankung und die dadurch ausgelöste schwerwiegende Lebenskrise führten.
7. Die Verwertung des Textes greift auch dann in verfassungswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, wenn es das Gericht an einer auf den Einzelfall bezogenen Darlegung und Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen des Betroffenen mit konkreten und hinreichend gewichtigen Allgemeinwohlinteressen fehlen lässt und insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Aufnahme des Textes in die Krankenakte, wo sie dem Zugang des therapeutischen Personals unterliegt, und die Weitergabe eines Ausdrucks an einen externen Gutachter, ein erhebliches Gewicht aufweisen.
1. Die Wertung der Fachgerichte, wonach die in einem Internet-Blog veröffentlichte Bezeichnung vollverschleierter muslimischer Frauen als „verpacktes Vieh“ sowie die Äußerung, muslimische Kopftuchträgerinnen seien nicht als Frauen, sondern als „es“ oder „er“ anzusprechen, dem Straftatbestand der Volksverhetzung unterfallen, ist verfassungsrechtlich vertretbar und verletzt nicht die Meinungsfreiheit des Beschuldigten.
2. Eine Durchsuchungsanordnung, die auf den Anfangsverdacht gestützt ist, der Beschuldigte sei Urheber der genannten herabwürdigenden Veröffentlichungen, ver-
stößt nicht gegen das Wohnungsgrundrecht. Die Beurteilung der Frage, ob eine Untersuchung der beschlagnahmten elektronischen Speichermedien zur Erhärtung des Verdachts technisch geeignet ist, liegt im ermittlungstaktischen Ermessen der Strafverfolgungsorgane.
3. Das Kooperationsangebot eines Beschuldigten, alle gewünschten Gegenstände freiwillig herauszugeben, lässt mangels gleicher Eignung die Erforderlichkeit der Durchsuchung regelmäßig nicht entfallen; denn sofern es sich nicht um einen einzelnen, eindeutig zu identifizierenden Gegenstand handelt, ist nicht auszuschließen, dass der Betroffene lediglich einen Teil der bei ihm vorhandenen Gegenstände herausgibt.
4. Wie lange eine richterliche Durchsuchungsanordnung die Durchführung einer konkreten Durchsuchungsmaßnahme trägt, richtet sich nach der Art des Tatverdachts, der Schwierigkeit der Ermittlungen sowie nach der Dauerhaftigkeit der tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Durchsuchungsmaßnahme.
5. Die Durchführung einer Durchsuchung wegen des Verdachts der Volksverhetzung knapp zweieinhalb Monate nach ihrer Anordnung ist im Einzelfall auch dann noch verhältnismäßig, wenn sie zeitlich mit der Nominierung des Beschuldigten für ein politisches Amt zusammentrifft und auch der Presse mitgeteilt wird, nachdem die Einleitung von Ermittlungen bereits fünf Monate vor der Durchsuchung öffentlich bekannt war.
1. Die Auswertung der bei einer Durchsuchung sichergestellten Datenträger verletzt den Beschuldigten möglicherweise in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wenn das Beschwerdegericht die allein auf den Tatverdacht eines 20 Jahre zurückliegenden sexuellen Kindesmissbrauchs gestützte Durchsuchungsanordnung mangels ausreichender Auffindeerwartung für rechtswidrig erklärt, zugleich jedoch die Durchsicht der Datenträger mit Blick auf kinderpornographische Schriften gestattet, obwohl es insoweit an einem durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht fehlt.
2. Bei der Folgenabwägung im Rahmen des § 32 Abs. 1 BVerfGG hat das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an einer sofortigen Auswertung der sichergestellten Datenträger hinter dem Interesse des Beschuldigten zurückzustehen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.