Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2018
19. Jahrgang
PDF-Download
1. Das Unverzüglichkeitsgebot des § 25 Abs. 2 Satz 1 StPO findet für die Ablehnung von Sachverständigen keine Anwendung. Die Vorschrift des § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO verweist nur hinsichtlich der Gründe auf die Ablehnung eines Richters, nicht aber hinsichtlich der für das Verfahren geltenden Vorschriften. (BGH)
2. Anders als bei der Ablehnung eines Richters prüft das Revisionsgericht bei der Ablehnung eines Sachverständigen nicht selbständig, ob die Voraussetzungen für die Besorgnis einer Befangenheit im konkreten Fall vorliegen. Es hat vielmehr allein nach revisionsrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden, ob das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung zurückgewiesen worden ist. Dabei ist es an die vom Tatgericht festgestellten Tatsachen gebunden und darf keine eigenen Feststellungen treffen. (Bearbeiter)
3. Aus diesem Grunde muss das Tatgericht in seinem Beschluss darlegen, von welchen Tatsachen es ausgeht (vgl. BGH NStZ 1994, 388). Die gemäß § 34 StPO erforderliche Begründung des Beschlusses muss im Übrigen so ausführlich sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob das Tatgericht die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt hat; daneben muss sie die Verfahrensbeteiligten in die Lage versetzen, ihr weiteres Prozessverhalten darauf einzurichten. (Bearbeiter)
Begründet ein bestellter Pflichtverteidiger die Revision nicht, liegt darin ein „offenkundiger Mangel“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK. In dieser Situation verlangt Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK „positive Maßnahmen seitens der zuständigen Behörden“ in Gestalt der Beschleunigung eines neuen Pflichtverteidigers, um diesem Zustand abzuhelfen.
Ein Verstoß gegen § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. dem nemo-tenetur-Grundsatz liegt nicht vor, wenn die Strafkammer ihre Überzeugung von der Identität des Angeklagten und seinem für die Straffrage bedeutsamen Lebensalter allein auf die von ihr hierzu erhobenen Beweise gestützt hat, während sie die von dem die Einlassung zur Sache verweigernden Angeklagten bei der Vernehmung zur Person gemachten Pflichtangaben zu seinem Namen
und seinem Lebensalter dafür nicht herangezogen, sondern ausdrücklich als widerlegt angesehen hat.
Die durch § 247 StPO ermöglichte Verhandlung ohne den Angeklagten und seine hierdurch behinderte Verteidigung sind nur hinzunehmen bei Unterrichtung über das in seiner Abwesenheit Geschehene, bevor weitere Verfahrenshandlungen erfolgen. Sobald der Angeklagte wieder anwesend ist, hat der Vorsitzende ihn daher vom wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Das gilt auch, wenn die in seiner Abwesenheit durchgeführte Vernehmung nur unterbrochen war.
1. Stützt der Tatrichter nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung seine Überzeugung auf die Identifizierung einer abgebildeten Person auf dem Lichtbild einer Überwachungskamera, müssen sich die Urteilsgründe dazu verhalten, ob das Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.
2. Dies kann dadurch geschehen, dass im Urteil auf das bei den Akten befindliche Foto verwiesen wird. Macht der Tatrichter von der Möglichkeit einer solchen Verweisung, durch welche das Lichtbild selbst Bestandteil der Urteilsgründe wird, keinen Gebrauch, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird.
Wird der Angeklagte in der Revisionsinstanz durch zwei Rechtsanwälte verteidigt, von denen einer die Sachrüge fristgerecht erhoben, der andere aber die Frist zur Geltendmachung von Verfahrensbeschwerden versäumt hat, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand insgesamt unzulässig. Denn es handelt sich bei der Revision unabhängig von der Zahl der Verteidiger um ein einheitliches Rechtsmittel mit einer einheitlichen Begründungsfrist, die in der genannten Konstellation nicht versäumt wurde.
Eine in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobene Aufklärungsrüge erfordert eine bestimmte Beweisbehauptung, die konkrete Angabe des erwarteten Beweisergebnisses, die Angabe, auf welchem Wege das Tatgericht die vermisste Aufklärung hätte versuchen sollen, insbesondere welche Beweismittel es zur weiteren Erforschung der Wahrheit hätte benutzen müssen, sowie die in den Akten enthaltenen Hinweise, aus denen sich die Anhaltspunkte für die Notwendigkeit und Möglichkeit weiterer Aufklärung ergeben.
§ 247a Abs. 1 S. 1 StPO verlangt für die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen einen Gerichtsbeschluss. Dieser Beschluss bedarf zwar, da er nicht anfechtbar ist (§ 247a Abs. 1 Satz 2 StPO), grundsätzlich keiner Begründung (§ 34 StPO); erforderlich ist jedoch, dass das Gericht kenntlich macht, auf welchen Ausnahmetatbestand des § 247a Abs. 1 S. 1 StPO es die Anordnung stützt. Fehlt ein solcher Beschluss, begründet dies in der Regel die Revision, weil das Revisionsgericht nicht überprüfen kann, ob die Voraussetzungen des § 247a StPO vorgelegen haben.
1. Die Anwendungsvoraussetzungen einer Verfahrensverbindung nach § 4 StPO liegen nicht vor, da eine solche – wie sich aus § 4 Abs. 2 StPO ergibt – unter anderem voraussetzt, dass für mehrere Strafsachen Gerichte verschiedener Ordnung sachlich zuständig sind. Sind hingegen mehrere Verfahren bei Gerichten gleicher Ordnung an verschiedenen Orten anhängig, so handelt es sich bei ihrer Verbindung um eine Zusammenfassung der örtlichen Zuständigkeit, für die § 13 Abs. 2 StPO gilt.
2. Eine Entscheidung über eine Zusammenfassung der örtlichen Zuständigkeit kommt nur dann in Frage, wenn das auf eine Vereinbarung über die Verbindung abzielende Verfahren trotz übereinstimmender Anträge der beteiligten Staatsanwaltschaften zu keinem Ergebnis geführt hat. Der Herbeiführung einer Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts muss daher stets zunächst jenes Verfahren vorausgegangen sein; eine Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag eines der Gerichte ist nicht zulässig.
Ein Sachverständiger ist als völlig ungeeignetes Beweismittel anzusehen, wenn es an den Grundlagen für eine Gutachtenerstattung mangelt, weil die erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlen, auf denen die sachverständige Beurteilung aufbauen muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Sachverständige nach Inhalt oder Sinn des Beweisantrags auf Tatsachen stützen müsste, die das Gericht bereits als Beweisgrundlage ausgeschlossen hat. Hat das Gericht die entsprechenden Tatsachen hingegen zu Grunde gelegt, aus ihnen jedoch andere Schlüsse gezogen, scheidet eine Ablehnung wegen Ungeeignetheit demgegenüber in der Regel aus.
Das Fehlen der Unterschrift führt nicht zur Unwirksamkeit der Anklage und damit der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses, wenn die Anklage mit Wissen und Wollen des zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft zu den Akten gereicht worden ist (vgl. RGSt 37, 407, 408).