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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2018
19. Jahrgang
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1. Dem zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil kommt im Rahmen der Strafzumessung bei Taten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, die gleiche Bedeutung zu wie bei anderen Straftaten.
2. Die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen gehört zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher grundsätzlich dem Tatrichter anvertraut. Die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens ist nur dann geboten, wenn der Sachverhalt oder die Person des Zeugen solche Besonderheiten aufweist, dass Zweifel daran aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts auch zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 242 f.). Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nicht schon deshalb vor, weil zwischen Tat und Urteil lange Zeit vergangen ist, der Zeuge zur Tatzeit noch ein Kind war und seine Angaben in bestimmten Punkten keine Konstanz aufweisen.
1. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift des Art. 316h EGStGB zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 mit Inkrafttreten des Gesetzes für bereits laufende Verfahren grundsätzlich die neuen materiellrechtlichen Regelungen Anwendung. Allerdings sind gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB die neuen Vorschriften nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Dies gilt gemäß § 14 EGStPO auch für Verfahren, in denen festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF entgegenstehen. Nichts anders kann gelten, wenn das Gericht nach Prüfung von einer Verfallsanordnung absieht, weil es die tatbestandlichen Voraussetzungen für nicht gegeben erachtet.
2. Ausgangspunkt von § 73 Abs. 3 StGB aF ist der Gedanke, dass der Drittbegünstigte als Rechtssubjekt über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Vermögen des Täters zu unterscheiden ist (vgl. BVerfG StV 2004, 409, 411). Kommt das aus der Tat unmittelbar erlangte „etwas“ ausschließlich dem Drittbegünstigten zugute, scheidet eine Verfallsanordnung gegenüber dem Täter, der keinen unmittelbaren Tatvorteil erlangt hat, aus. Dies gilt auch bei einer (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts und auch dann, wenn der Täter die (legale) Möglichkeit hat, auf das Vermögen des Drittbegünstigten zuzugreifen (vgl. BGHSt 52, 227, 256).
3. Lediglich in Ausnahmefällen kommt auf Grund wertender Betrachtung eine Verfallsanordnung gegen den Täter nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF in Betracht; nämlich insbesondere dann, wenn der Dritte (insbesondere in Form einer juristischen Person) nur als formaler Mantel genutzt wird und eine Trennung zwischen Täter– und Gesellschaftsvermögen tatsächlich nicht existiert oder jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird.
Bedrohungen sind nicht von vornherein als unerhebliche Taten i.S.d. § 63 StGB einzustufen. Namentlich Todesdrohungen, die den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen vermögen, können schwerwiegende Störungen des Rechtsfriedens verursachen. Jedoch ist mit Blick auf das Gewicht der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die naheliegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt. Anhaltspunkte hierfür können etwa eine Neigung des Bedrohenden zu Gewalttätigkeiten oder das Mitführen gefährlicher Gegenstände sein.
Gemäß § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten nur dann, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Dies kann auch bei einer Vielzahl von Einzelfällen mit insgesamt hohem Schaden der Fall sein. In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt dabei die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen auch in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe.
1. Ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, im Rahmen dessen das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein. Bloß einseitige Bemühungen des Täters ohne den Versuch einer Einbindung des Opfers sind dagegen nicht ausreichend.
2. Auch soweit es § 46a Nr. 1 StGB genügen lässt, dass der Täter die Wiedergutmachung seiner Tat ernsthaft erstrebt, kommt es darauf an, inwieweit der Täter das Opfer an einem kommunikativen Prozess beteiligt und es sich auf freiwilliger Grundlage hierzu bereitfindet. Lässt sich der Verletzte auf einen solchen kommunikativen Prozess nicht ein, so hat dies der Täter prinzipiell hinzunehmen. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung des Verfahrens für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs - zumindest im Grundsatz - nicht angenommen werden. Allein auf die Sicht „eines vernünftigen Dritten“ kommt es nicht an.
3. Der kommunikative Prozess setzt keine persönliche Begegnung des Täters mit seinem Opfer voraus. Eine Verständigung über vermittelnde Dritte, etwa den Verteidiger und die gesetzlichen Vertreter, genügt und wird insbesondere bei schwerwiegenden Sexualdelikten vielfach als opferschonendes Vorgehen ratsam sein. Ein solcher vermittelter kommunikativer Prozess setzt aber zumindest voraus, dass die Erklärungen des Täters das Opfer erreichen. Das gilt jedenfalls dann auch bei minderjährigen Verletzten, wenn diese über die nötige Verstandesreife für einen Täter-Opfer-Ausgleich verfügen. Eine Vertretung des Minderjährigen durch die gesetzlichen Vertreter findet insoweit nicht statt.
4. Findet Kommunikation statt, äußert sich das Opfer indes nicht zu einem vereinbarten Ausgleich oder Bemühungen des Täters, so kann daraus nicht in jedem Fall, insbesondere nicht im Rahmen von persönlichen Beziehungen, auf eine Zurückweisung durch das Opfer mit der Konsequenz eines nicht erfolgreichen Ausgleichs geschlossen werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Schweigen des Verletzten bei umfassender Würdigung aller Umstände als eine solche inhaltliche Ablehnung zu beurteilen ist.
Die Anordnung des erweiterten Verfalls gemäß §§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 73d Abs. 1 S. 1 StGB a.F. kommt nur in Betracht, wenn das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, dass der Angeklagte die von der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt hat, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssten. Begründen dagegen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, steht dies der Anordnung des erweiterten Verfalls der Gegenstände entgegen.
Uneinsichtigkeit kann aber nur dann ausnahmsweise zum Nachteil eines Täters berücksichtigt werden, wenn daraus ungünstige Schlüsse auf dessen Persönlichkeit, vor allem auf seine Einstellung zur Tat zu ziehen sind.
1. Wenn die Voraussetzungen des § 55 StGB vorliegen sind Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art grundsätzlich durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen, sodass über sie, sofern ihre Voraussetzungen auch in Bezug auf die Taten bestehen, die dem späteren Urteil zugrunde liegen, grundsätzlich durch den neuen Gesamtstrafenrichter, der sich dabei auf den Standpunkt des früheren Tatrichters zu stellen hat, neu zu entscheiden ist.
2. Einer solchen einheitlichen Anordnung steht – hier – indes Art. 316h Satz 2 EGStGB entgegen. Zwar finden ausweislich der einschlägigen Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Art. 316h Satz 1 EGStGB) mit Inkrafttreten des Gesetzes auch für bereits laufende Verfahren grundsätzlich ausschließlich die neuen materiellrechtlichen Regelungen Anwendung. Allerdings sind gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.
3. Der eindeutig und umfassend formulierte Art. 316h Satz 2 EGStGB knüpft lediglich daran an, dass bis zum 1. Juli 2017 bereits „eine Entscheidung“ über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, Art. 316h Satz 2 EGStGB in Fällen des § 55 Abs. 2 StGB einschränkend auszulegen.
Ist der Täter vom Versuch der Tat strafbefreiend zurückgetreten, aber wegen eines anderen vollendeten Delikts zu bestrafen, darf der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz nicht strafschärfend berücksichtigt werden.