HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 114
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 467/17, Beschluss v. 22.11.2017, HRRS 2018 Nr. 114
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 3. Juli 2017 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 4 der Urteilsgründe,
b) in den Fällen II. 1, II. 2, II. 5 und II. 6 der Urteilsgründe jeweils im Strafausspruch sowie
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung, wegen Freiheitsberaubung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision der Angeklagten, mit der sie allgemein die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zu den Schuldsprüchen in den Fällen II. 1, II. 2, II. 3, II. 5 und II. 6 der Urteilsgründe keinen die Angeklagte benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Die Verurteilung im Fall II. 4 begegnet indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe die Voraussetzungen eines versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB nicht hinreichend belegen.
1. Nach den Feststellungen begab sich die nicht ausschließbar in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich verminderte Angeklagte im Fall II. 4 der Urteilsgründe zum Haus der Pflegeeltern ihres Sohnes, der Eheleute F., öffnete die Kellertür an der Gebäuderückseite mit einem Hebelwerkzeug und drang in die Wohnräume ein. Im Haus „spielte sich die Angeklagte als Eigentümerin auf“. Zuerst duschte sie im Badezimmer, entnahm sodann einem Kleiderschrank im Schlafzimmer verschiedene Damenkleidungsstücke und zog sie an, um sie für sich zu behalten. Ferner packte sie Schmuckstücke, Kosmetikartikel und Nahrungsmittel in Zueignungsabsicht in eine Umhängetasche, die sie zum Abtransport in der Küche bereitstellte. Als die Zeugin F. nach Hause kam, versteckte sich die Angeklagte zunächst im Gäste-WC, wo sie die Zeugin entdeckte und zum Verlassen des Hauses aufforderte. Nach einem Gerangel mit der Zeugin, in dessen Verlauf die Angeklagte diese beleidigte und so heftig würgte, dass sie keine Luft mehr bekam und nicht mehr schlucken konnte, gelang es dem herbeigeeilten Ehemann, die Angeklagte zu überwältigen.
2. Mangels ausreichender Feststellungen zu den Vorstellungen der Angeklagten zu dem insoweit entscheidungserheblichen Zeitpunkt ihres Eindringens in das Wohnhaus der Eheleute F. lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob diese „zur Ausführung der Tat“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB gehandelt hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Juni 1982 - 2 StR 56/82).
Nach den zum Verhalten der Angeklagten vor deren Entdeckung durch die heimkehrende Zeugin F. getroffenen Feststellungen bestand ferner Anlass zu erörtern, ob die Angeklagte vom Versuch des Diebstahls mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist. Denn die Angeklagte entfaltete keine Bemühungen, mit dem Diebesgut zu entkommen, sondern hielt sich weiterhin im Haus auf.
Ferner halten die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1, II. 2, II. 5 und II. 6 rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. In den Fällen II. 1 und II. 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Unerlässlichkeit der Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen von jeweils drei Monaten (§ 47 StGB) unter anderem damit begründet, die Angeklagte habe in der Hauptverhandlung „in provokanter Weise jedwede Unrechtseinsicht vermissen“ lassen. Uneinsichtigkeit kann aber nur dann ausnahmsweise zum Nachteil eines Täters berücksichtigt werden, wenn daraus ungünstige Schlüsse auf dessen Persönlichkeit, vor allem auf seine Einstellung zur Tat zu ziehen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1986 - 1 StR 564/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 5 mwN). Bei der Angeklagten, die sich zu den Tatvorwürfen lediglich dahin eingelassen hat, sie verstehe nicht, warum sie sich vor Gericht verantworten müsse, sie wolle doch nur ihre Kinder wiederhaben, und die im Fall II. 2 der Urteilsgründe zudem nicht ausschließbar auf Grund einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ erheblich vermindert schuldfähig war, hätte dies eingehender als geschehen begründet werden müssen.
2. Im Fall II. 5 der Urteilsgründe ist die Strafkammer, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. September 2017 zutreffend ausgeführt hat, bei der Zumessung der Strafe rechtsfehlerhaft von einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe statt - wie in § 113 Abs. 1 StGB bestimmt - von einem solchen bis zu drei Jahren oder Geldstrafe ausgegangen. Nach der vom Landgericht gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommenen Strafrahmenverschiebung beträgt die Strafrahmenobergrenze mithin zwei Jahre drei Monate statt der angenommenen drei Jahre neun Monate. Auch unter Berücksichtigung der verhängten Einzelstrafe von lediglich neun Monaten vermag der Senat anders als der Generalbundesanwalt ein Beruhen hier nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen.
3. Schließlich hätte sich das Landgericht angesichts der zum Fall II. 6 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen dazu gedrängt sehen müssen, auch hier die Frage zu erörtern, ob die Angeklagte bei der Tatausführung möglicherweise unter dem Einfluss einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ handelte und deshalb erheblich vermindert schuldfähig war.
Die insoweit sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass die Persönlichkeitsstörung unter anderem dazu führe, dass die Angeklagte ihre Bedürfnisse triebhaft ausagiere. Die Störung könne auch zu bedrohlichem oder aggressivem Verhalten führen. Da die Angeklagte am Tattag ohne jeden äußeren Anlass eine Marmorplatte auf den Pkw eines ihr Unbekannten warf und dadurch einen Sachschaden von etwa 8.000 € verursachte, weil es ihr nicht passte, dass das Fahrzeug dort parkte und ihrer Ansicht nach „den Bus behinderte“, erweist sich die Nichterörterung dieser Frage als durchgreifender Erörterungsmangel, der sich indes auf den Strafausspruch beschränkt, da die Voraussetzungen des § 20 StGB auszuschließen sind.
Über die Gesamtstrafe ist danach ebenso neu zu befinden.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 114
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner