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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2016
17. Jahrgang
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1. Macht ein Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch, so erfordern die Einführung des Inhalts einer früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des Richters, vor dem der Zeuge im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens ausgesagt hat, und die Verwertung des dadurch gewonnenen Beweisergebnisses, dass der Richter den Zeugen gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat; einer weitergehenden Belehrung bedarf es nicht. (BGHSt)
2. § 252 StPO enthält kein umfassendes Verwertungsverbot, das die Vernehmung eines Richters über den Inhalt der Aussage eines Zeugen ausschließt, den der Richter in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vor der Hauptverhandlung vernommen hat. (Bearbeiter)
3. Der Große Senat für Strafsachen weist darauf hin, dass mit dieser Entscheidung nur ein Teil der sich bei der Anwendung des § 252 StPO ergebenden Fragen geklärt ist. Wie dargelegt bestehen über die Vorlagefrage hinaus in dem derzeitigen Normengefüge Wertungswidersprüche. Strafverfahren, bei denen der Regelungsbereich der §§ 52, 252 StPO betroffen ist, gehören häufig zu denjenigen, bei denen einerseits die Beweissituation typischerweise besonders schwierig ist und andererseits die persönlichen Interessen der Beteiligten in besonderer Weise berührt werden. Hinzu kommt, dass der verstärkte Einsatz technischer Vernehmungshilfen im Ermittlungsverfahren und der Transfer der so gewonnenen Beweisergebnisse in die Hauptverhandlung derzeit im Fokus von die Strafprozessordnung betreffenden Änderungsvorschlägen stehen. Mit Blick auf diese Umstände und vor dem Hintergrund der außerordentlich hohen Praxisrelevanz des hier bedeutsamen Regelungskomplexes erscheint dem Großen Senat für Strafsachen ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Ziel, ein in sich stimmiges Gesamtgefüge zu entwickeln, unabdingbar. (Bearbeiter)
4. Sowohl im Falle einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG als auch bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage nach § 132 Abs. 4 GVG ist es für die Zulässigkeit der Vorlage über den jeweiligen Gesetzeswortlaut hinaus erforderlich, dass die Beantwortung der streitigen Rechtsfrage für die abweichende Vorentscheidung und die beabsichtigte Entscheidung ergebnisrelevant und deshalb erheblich ist. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob das Ergebnis des konkreten Revisionsverfahrens als solches durch die Beantwortung der Vorlagefrage durch den Großen Senat für Strafsachen beeinflusst wird. (Bearbeiter)
5. Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage bereits dann, wenn die eine Ansicht zwar zur Aufhebung des Schuldspruchs, nicht aber der tatgerichtlichen Feststellungen führt, während eine andere Ansicht eine umfängliche Aufhebung des Urteils zur Folge hätte. (Bearbeiter)
1. Eine Sitzgruppe eines anfragenden Senats ist nicht gehindert, während der Dauer des von einer anderen Sitzgruppe desselben Senats beschlossenen Anfrageverfahrens auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden. (BGHSt)
2. Eine Bindungswirkung entsteht erst durch den Antwortbeschluss des angefragten Senats, wenn dieser seine Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung erteilt. (BGHSt)
3. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung, Erpressung und Betrug begangen werden (vgl. BGH NJW 2006, 72). (Bearbeiter)
4. Die Rückabwicklung eines Betäubungsmittelgeschäfts wegen mangelhafter Qualität gegenüber dem in aller Regel vorangegangenen Erwerbsvorgang kann nicht als eigenständige Tat des Handeltreibens verfolgt werden, weil insoweit ein einheitliches Geschäft vorliegt (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 24). (Bearbeiter)
1. Eine Zuständigkeit des Landgerichts, welche zur Verweisung gemäß § 270 StPO führt, ergibt sich nicht daraus, dass nach Scheitern von Verständigungsgesprächen beim Amtsgericht (Schöffengericht) dieses einen beson-
deren Umfang der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) annimmt. (BGHSt)
2. Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ist grundsätzlich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. BGHSt 60, 248, 251). Sie bleibt im weiteren Verfahrensgang regelmäßig konstant (vgl. BGH NStZ 2013, 181 f.). Der Umfang der Sache als relativ unbestimmtes Zuständigkeitskriterium kann nicht laufend der aktuellen Prozesslage angepasst werden. Deshalb tritt mit der Zuständigkeitsentscheidung beim Eröffnungsbeschluss insoweit eine Perpetuierung ein. (Bearbeiter)
3. Die Regeln der §§ 6, 270 StPO über die Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unterliegen insoweit einer teleologischen Reduktion. Nur die Zuständigkeitsmerkmale der besonderen Deliktsart (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG) oder einer Straferwartung oberhalb des Strafbanns der Amtsgerichte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG) gestatten eine Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht, nicht aber die normativen Kriterien der Bedeutung und des Umfangs der Sache. Die Zuständigkeitsprüfung im Hinblick auf die Merkmale gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ist auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens beschränkt; das Tatgericht bleibt anschließend an seine Zuständigkeitsannahme gebunden. (Bearbeiter)
4. Zuständigkeitsverschiebungen aufgrund einer geänderten Einschätzung der Sach- oder Rechtslage sind daher auf Fälle zu beschränken, in denen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung unverzichtbar ist. Mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind dagegen Zuständigkeitsverschiebungen nur wegen Veränderung der Prognose des Verhandlungsaufwands unvereinbar. (Bearbeiter)
5. Die Frage, ob in der Hauptverhandlung eine Verständigung erfolgt, ist für die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit unerheblich. Zur Zeit des Eröffnungsbeschlusses sind das Zustandekommen einer Verständigung in der Hauptverhandlung (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) und deren spätere Auflösung (§ 257c Abs. 4 StPO) ungewiss. Auf die vorherigen Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemäß § 202a StPO kommt es nicht an. Das Gericht darf bei seiner Eröffnungsentscheidung für die Einschätzung des Umfangs der Sache als Kriterium der sachlichen Gerichtszuständigkeit nicht die Erwartung einer Abkürzung der Hauptverhandlung aufgrund einer Verständigung zu Grunde legen. (Bearbeiter)
6. Den Prüfungsmaßstab bildet eine vollständige Sachaufklärung, wenn es für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit auf den Umfang der Sache ankommt. Schließlich bleibt die Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO durch eine Verständigung unberührt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). (Bearbeiter)
7. Eine die Zuständigkeitsbestimmung im Eröffnungsbeschluss „korrigierende Verweisung“ ist nur zulässig, wenn sich schon aus dem Anklagesatz eindeutig ergibt, dass die ursprüngliche Zuständigkeitsannahme im Eröffnungsbeschluss rechtsirrig. (Bearbeiter)
8. Die jüngere Rechtsprechung geht aus Gründen der Prozessökonomie davon aus, dass selbst objektive Willkür bei einer Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht gemäß § 270 StPO nicht zur Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses, sondern nur zum Wegfall seiner Bindungswirkung führt. Eine Rückgabe der Sache kommt trotz willkürlicher Verweisung nicht in Frage, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts tatsächlich eindeutig gegeben ist (vgl. BGHSt 45, 58, 60 f.). (Bearbeiter)
9. Die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 270 StPO beschränkt die Prüfung des Revisionsgerichts auf die Frage, ob höherrangiges Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde (vgl. BGHSt 29, 216, 219). Dafür genügt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten bei der Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen gezogenen Grenzen (vgl. BVerfGE 87, 282, 284). Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters liegt aber unter anderem vor, wenn ein Gericht, das über die Zuständigkeitsfrage entscheidet, die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung grundlegend verkannt hat (vgl. BVerfGE 131, 268, 312). (Bearbeiter)
1. Auswirkungen einer fehlerhaften Verfahrensverständigung im strafgerichtlichen Verfahren auf die Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils für das berufsgerichtliche Verfahren. (BGHSt)
2. Ein Berufsgericht ist verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den berufsrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn es ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müsste. Deshalb entfällt die Bindungswirkung des § 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG unter anderem bei Strafurteilen, die in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung zentraler Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. (Bearbeiter)
3. Dies kommt grundsätzlich in Betracht, wenn das strafrechtliche Urteil auf einer Verständigung beruht, die hieran zu stellenden wesentlichen Anforderungen nicht gerecht wird (vgl. BVerwGE 128, 189). (Bearbeiter)
4. Die Einbeziehung eines „verfahrensfremden“ Ermittlungsverfahrens in eine Verständigung ist nicht zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies deswegen, weil bei so genannten „Gesamtlösungen“ eine wirksame Kontrolle der Verständigung – insbesondere durch die Öffentlichkeit und die Revisionsgerichte – nicht gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 214 Rn. 79). (Bearbeiter)
5. Gegen einen schwerwiegenden Verfahrensfehler unter dem Blickwinkel der Verletzung des Transparenzgebots bei einer Gesamtlösung, der das Gebot der Rechtsstaatlichkeit insgesamt und damit die Bindungswirkung nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG in Frage stellen könnte, spricht es aber, wenn der Inhalt der Verständigung in öffentlicher Hauptverhandlung in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter erörtert worden wäre. (Bearbeiter)
6. Durch die Einbeziehung verfahrensfremder Tatvorwürfe in die Verständigung kann freilich Einfluss auf die Aussage- und Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten genommen werden. Infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wegen der verfahrensfremden Tatvorwürfe befinden kann, besteht im Grundsatz eine erhöhte Fehleranfälligkeit des abgegebenen Geständnisses (vgl. BVerfGE 133, 168, 208 Rn. 68). (Bearbeiter)
7. Indessen kann die Bindungswirkung nicht schon aufgrund einer bloß theoretischen Gefahr im vorgenannten Sinne entfallen. Im Hinblick auf die Bandbreite denkbarer Tatvorwürfe kann es so liegen, dass deren Einbeziehung in die Verständigung nur zur „Abrundung“ erfolgt ist und in Bezug auf deren Zustandekommen aus Sicht aller Verfahrensbeteiligter ohne Weiteres verzichtbar gewesen wäre. Dann würde es schon an einer „Anreiz- bzw. Verlockungssituation“ fehlen, die die Gefahr eines unrichtigen Geständnisses begründen könnte. Vor diesem Hintergrund obliegt es dem Beschwerdeführer, zumindest den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens in einer Weise mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung unter diesem Aspekt ermöglicht wird. (Bearbeiter)
8. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung setzt keine gelungene Täuschung mit hervorgerufenem Irrtum beim zuständigen Finanzbeamten voraus. Nach ständiger Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesfinanzhof genügt es, dass unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für den Taterfolg ursächlich werden (vgl. BGHSt 51, 356, 361). (Bearbeiter)
1. Postunternehmen können betreffend sich nicht mehr in deren Gewahrsam befindlicher Postsendungen weder gemäß § 99 StPO, noch gemäß § 94 StPO zur Auskunft verpflichtet werden. (BGH)
2. Die Vorschrift des § 99 StPO enthält als weniger einschneidende Maßnahme zur Beschlagnahme einer Postsendung einen Auskunftsanspruch gegen das Postunternehmen. Liegen die Voraussetzungen der Postbeschlagnahme vor, so kann statt dieser Auskunft über Sendungen verlangt werden, die an den Beschuldigten gerichtet sind oder bei denen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sie von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind. (Bearbeiter)
3. Gesetzliche Regelungen, die zu Eingriffen in das Postgeheimnis aus Art. 10 GG ermächtigen, müssen dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit genügen, d. h. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 110, 33, juris Rn. 102). Die analoge Anwendung des § 99 StPO über seinen Wortlaut hinaus würde diese Grundsätze leerlaufen lassen. (Bearbeiter)
4. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften zur Beschlagnahme gemäß §§ 94 ff. StPO verbietet sich aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen und des Vorranges des § 99 StPO. (Bearbeiter)
1. Der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat nochmals über den Antrag, die Bundesregierung zu ersuchen, unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S. in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann, abzustimmen und ihm – sollte er weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden zumindest mehrheitlich – zuzustimmen.
2. § 17 Abs. 2 PUAG gibt grundsätzlich nur das Recht, zu bestimmen, ob, nicht wie ein Beweis erhoben wird. Anderes gilt jedoch, wenn der Beweis nur auf einem Wege erhoben werden kann.
3. Allein aufgrund der Möglichkeit, die Ladung eines Zeugen könne aus Rechtsgründen nicht möglich sein, ist der Zeuge noch nicht unerreichbar im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG.
Zwar entbindet die gesetzliche Ausgestaltung der Beweiserhebung als Minderheitenrecht nach § 17 Abs. 2 PUAG den Ausschuss nicht von der Beachtung verfassungsrechtlicher Grundprinzipien, insbesondere der Grundrechte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Ausschuss a priori von einem Amtshilfeersuchen absehen muss, bei dem die Möglichkeit besteht, dass die ersuchte Stelle die Amtshilfe aus Rechtsgründen ablehnen könnte und insoweit eine vollständige Vorabprüfung vornehmen muss. Eine Pflicht des Ausschusses, von einem Amtshilfeersuchen abzusehen, könnte allenfalls dann bestehen, wenn der Gegenstand desselben eine Handlung darstellte, die augenscheinlich rechtswidrig ist, ohne dass es hierzu auf eine weitere Prüfung oder Einschätzung der ersuchten Stelle ankommt.
4. Die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 4 PUAG besteht nicht lediglich, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch wenn ein Beweisbeschluss nicht vollzogen wird.
5. Eine Frist für die gerichtliche Geltendmachung des Minderheitenrechts aus § 17 Abs. 2 PUAG sieht das Parlamentarische Untersuchungsausschussgesetztes nicht vor. Die Übertragung einer Fristenregelung aus einem anderen Gesetz würde die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 3 PUAG in unzulässiger Weise beschränken. Insbesondere sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antrags zum Ermittlungsrichter dabei insgesamt weniger restriktiv als die Voraussetzungen des § 64 BVerfGG. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers darf nicht durch die isolierte Übertragung der Fristenregelung des § 64 Abs. 3 BVerfGG umgangen werden.
1. § 244 Abs. 2 StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der – auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten – Überzeugung wecken müssen (vgl. BGH NStZ 2015, 36 mwN). Ob die vom Gericht auf Grund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder ob zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurteilen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen (vgl. BGH NStZ 2013, 725). Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Auslandszeuge Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (vgl. BGH NStZ 2007, 349, 351).
2. Auch das Übergehen eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten, dort aber nicht wiederholten und daher nicht nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu verbescheidenden Beweisantrags kann nach den Umständen des Einzelfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht darstellen (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 65, 68). Insoweit ist die Entscheidung des Tatgerichts über einen lediglich außerhalb der Hauptverhandlung gestellten schriftlichen Antrag am gleichen Maßstab zu messen, wie die Entscheidung über einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen, die gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht erfolgt (vgl. BGHSt 40, 60, 62).
1. Eine stillschweigende Zustimmung zur vernehmungsersetzenden Verlesung kommt nur in Betracht, wenn auf Grund der vorangegangenen Verfahrensgestaltung davon ausgegangen werden darf, dass sich alle Verfahrensbeteiligten der Tragweite ihres Schweigens bewusst waren.
2. Wird eine auf § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO gestützte oder durch Einverständnis legitimierte Verlesung nicht thematisiert, die Anordnung entgegen § 251 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO vom Gericht nicht beschlossen und der Grund der Verlesung nicht bekanntgegeben, kann dem Angeklagten und dem Verteidiger unter keinen Umständen bewusst sein, dass es entscheidend auf ihre Zustimmung ankommen könnte. Allein ihr Schweigen auf eine Verlesung kann dann nicht dahin gedeutet werden, dass sie mit der Verlesung einverstanden gewesen wären.
1. Die verspätete bzw. unzureichende Mitteilung des Vorsitzenden über ausschließlich die Mitangeklagten betreffende Verständigungsgespräche kann ein in diese Erörterungen nicht einbezogener Mitangeklagter regelmäßig nicht rügen.
2. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO schreibt seinem Wortlaut nach keinen Zeitpunkt für die Mitteilung über während des Laufs der Hauptverhandlung in Bezug auf die Mitangeklagten geführte Verständigungsgespräche vor. Zwar ist nach dem Zweck des Gesetzes regelmäßig eine umgehende Information im Anschluss an Verständigungsgespräche geboten, doch sind davon auch Ausnahmen möglich.
1. Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht, das über keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme verfügt. Da ihm gleichwohl die volle Überprüfung der angefochtenen Entscheidung obliegt, muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen. Es hat alle Voraussetzungen für den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft festzustellen und ist nicht auf die Überprüfung der Haftgründe und der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beschränkt.
2. Um die angemessene Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen, muss das erstinstanzliche Gericht das Ergebnis seiner bisherigen Beweiserhebungen zumindest in zusammenfassender knapper Form zur Kenntnis bringen, damit das Beschwerdegericht in eigener Verantwortung aus einer Zusammenschau des bisher erzielten Ergebnisses der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung mit den noch nicht in diese eingeführten, nach den Ermittlungen aber zur Verfügung stehenden weiteren Beweisen beurteilen kann, ob der dringende Tatverdacht weiter zu bejahen ist. Ist die Beweiserhebung bereits vorgeschritten, genügt es regelmäßig nicht, wenn das Tatgericht auf frühere Haftfortdauerentscheidungen oder das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen verweist und lediglich festhält, dass der dort beschriebene Tatverdacht durch die Beweisaufnahme nicht entkräftet worden sei.
3. § 112 Abs. 3 StPO ist wegen eines sonst darin enthaltenen offensichtlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne die Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann insoweit die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Wenn allerdings nach den Umständen des Einzelfalles gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen.
Die Pflichtverteidigerbestellung setzt nach § 141 Abs. 1 StPO das Nichtbestehen eines Wahlmandates voraus (vgl. auch § 143 StPO). Entsprechend enthält der Antrag des Wahlverteidigers, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen, die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung enden. Wird dem Antrag stattgegeben, endet das zivilrechtliche Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis (§ 675 BGB) des Rechtsanwaltes, der in der Folge seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger allein auf der Grundlage der öffentlichrechtlichen Bestellung ausführt. Das Ende des Vertragsverhältnisses hat das Erlöschen der zuvor erteilten Strafprozessvollmacht zur Folge.
1. Die Kostenentscheidung dient nicht der Unterstützung von Strafzwecken.
2. Ist der Angeklagte Heranwachsender, kann davon abgesehen werden, ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Dies kann namentlich dann angezeigt sein, wenn die Kostenentscheidung zu nicht unerheblichen Kostenbelastungen führen würde, die einem sozial eingegliederten Leben des Angeklagten in der Zukunft entgegenstehen könnten.
3. Die insoweit regelmäßig erforderliche Ermessensentscheidung des Tatrichters muss sich in den Urteilsgründen wiederfinden. Ist dies nicht der Fall, ist die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung statthaft.
Bei der Beurteilung, ob von einer bereits im erstinstanzlichen Urteil konkretisierten Straferwartung ein Fluchtanreiz (vgl. § 112 StPO) ausgeht, ist die sog. Nettostraferwartung maßgebend, so dass von dem festgelegten Strafmaß neben der vollzogenen Untersuchungshaft eine wahrscheinlich zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe in
Abzug zu bringen sein kann. Das gilt jedoch dann nicht, wenn aufgrund von konkreten Umständen nicht mit einer Reststrafenaussetzung zu rechnen ist.
Nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl ist Gegenstand der Haftprüfung. Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebenssachverhalt, aus dem sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat, nicht dagegen auf dessen rechtliche Würdigung.