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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2016
17. Jahrgang
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1. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu. Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 336 f.).
2. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 74). Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedoch auf zu verantwortender Trunkenheit, so spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (vgl. BGHSt 49, 239).
3. Dabei ist als allgemeinkundig vorauszusetzen, dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt. Weiß der Täter oder muss er damit rechnen, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt und trinkt er trotzdem Alkohol, so spricht dies in der Regel gegen die Annahme einer Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 238). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es insoweit nicht. Die genannten Umstände erhöhen die Schuld und können zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen.
4. Bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogenen Handlungen kommt es für das Vorliegen einer sexuellen Handlung auf die Motivation des Täters nicht an (vgl. BGHSt 29, 336, 338). Gleichgültig ist deshalb, ob er die sexuelle Handlung aus Wut, als Akt der Bestrafung, aus Sadismus oder aus anderen Gründen vornimmt (. Der ausdrücklichen Feststellung einer sexuellen Absicht des Täters bedarf es bei objektiv sexualbezogenen Handlungen, anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen, nicht. Insoweit genügt es, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 339, 340).
5. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung sind strafmildernd, das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht strafschärfend zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 40). Es wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfende Bedeutung beizumessen
1. Wenn sich der Tatrichter für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 2015, 394, 395).
2. Dies gilt auch in Fällen paranoider Schizophrenie. Allein die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 305, 306). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung
bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 305, 306).
1. Für einen Hang gemäß § 64 StGB ausreichend ist eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten. Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus. Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist.
2. Bei der Maßregelentscheidung ist zu berücksichtigen, ob bei dem grundsätzlich therapiebereiten Angeklagten die Bereitschaft, sich auf eine Behandlung im Rahmen der Unterbringung nach § 64 StGB einzulassen, durch therapeutische Maßnahmen im Maßregelvollzug geweckt werden kann.
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen.
Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang, Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren und der Tat liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 113), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 75).
1. In Fällen der Einziehung ist zwingend zu prüfen, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme hätte getroffen werden können, durch die der Zweck der Einziehung gleichermaßen hätte erreicht werden können.
2. Kommt bei einer Verurteilung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen eine Rückgabe von Geräten bzw. Speichermedien mit den betreffenden Bilddateien an den Angeklagten nicht in Betracht, ist zu prüfen, welche Dateien auf den Geräten die entsprechenden Aufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch in einer Weise möglich ist, die ihre Wiederherstellung dauerhaft verhindert. Steht damit ein milderes, im Vergleich zur sonst gebotenen Einziehung gleichermaßen geeignetes Mittel zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen.
Die Entscheidung über einen Härteausgleich ist dem Urteil des Tatgerichts nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten.