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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2015
16. Jahrgang
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1. Lässt der Täter von schweren Gewalthandlungen nicht freiwillig ab, kann das demnach gewollte weitere Tun den Schluss nahelegen, dass ihm die Folgen seines Handelns bis hin zum Tod des Opfers gleichgültig sind. Dies würde für den Tötungseventualvorsatz ausreichen, weshalb eine lückenhafte Beweiswürdigung gegeben sein kann, wenn das Tatgericht diesen Umstand nicht erörtert.
2. Eine Verneinung des Tötungseventualvorsatzes unter Berufung auf eine spontane Tatbegehung sowie eine gruppendynamische Situation („aus dem Ruder laufende Schlägere“) liegt regelmäßig nicht nahe, wenn die Täter sich schon im Vorfeld der Tat äußerst aggressiv verhalten und das Opfer – mit Ausnahme von Schutzwehr – keine nennenswerte Gegenwehr leistet.
3. Bejaht das Tatgericht eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung, so geht es davon aus, dass die Tat in der Vorstellung des Täters auf eine Lebensgefährdung „angelegt” ist. In diesem Fall bedarf es regelmäßig tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter dennoch darauf vertraut haben könnte, das Opfer werde nicht zu Tode kommen. Eine Gewalterfahrenheit des Täters genügt hier für sich genommen i.d.R. nicht, da bei Vornahme einer potentiell lebensgefährlichen Handlung grundsätzlich dem Zufall anheim gegeben bleibt, ob die Lebensgefahr sich konkretisiert und letztlich zum Tod führt.
1. Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allerdings Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH NStZ-RR 2012, 239).
2. Ein Diebstahlsversuch ist nicht schon dann fehlgeschlagen, wenn die Täter mit den noch für einen Diebstahl aufgefundenen fremden Sache nicht zufrieden sind., jedoch weiter Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen einen solchen Fehlschlag nicht. Zwar ergibt sich aus dem entfalteten Vandalismus am Ende der Tatausführung, dass der Angeklagte und seine Mittäter den Versuch, weitere stehlenswerte Gegenstände auf dem Gelände des Containerdienstes zu finden, für gescheitert hielten. Aus welchem Grund dies aber auch für den zu Beginn der Tat aus dem Führerhaus des aufgebrochenen Lkws entnommenen Koffer mit Werkzeug gelten soll, belegen die Ausführungen des Landgerichts nicht. Angesichts der Anwesenheit mehrerer Mittäter am Tatort ist der festgestellte Umstand, dass der Angeklagte den Werkzeugkoffer verletzungsbedingt nicht fortschaffen konnte, für sich allein genommen nicht tragfähig.
Die tatrichterliche Wertung, dass die mit dem kräftigen Schütteln eines Säuglings verbundene Gefahr der Körperverletzung einem Angeklagten mit erheblich eingeschränkter und verlangsamter kognitiver Leistungsfähigkeit nicht ins Bewusstsein gedrungen ist, ist jedenfalls dann möglich und vom Revisionsgericht hinzunehmen, wenn dem eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände (hier u.a. Person des Täters sowie dessen Wunsch nach Obduktion des verstorbenen Säuglings) zu Grunde liegt.
1. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur BGHSt 39, 221, 227).
2. Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber „nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums“ von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
3. Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt (vgl BGH NStZ-RR 2002, 73, 74).
1. Für den Gehilfenvorsatz ist nicht erforderlich, dass der Gehilfe alle Einzelheiten der Haupttat kennt. Vielmehr ist entscheidend, dass der Gehilfe die Dimension des Unrechts der ins Auge gefassten Tat erfassen kann. Der Gehilfenvorsatz unterscheidet sich insofern vom Anstiftervorsatz, da der Anstifter eine konkrete Tat vor Augen haben muss, während der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag erbringt (BGH NStZ 1997, 272, 273).
2. Bei einer Strafaussetzung auf Bewährung ist eine substantiellere Auseinandersetzung mit der Frage der Verteidigung der Rechtsordnung geboten, wenn im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls eine Strafaussetzung für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich oder gar unerträglich wäre, und die Strafaussetzung das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschüttern könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46).
1. Der Vorsatz des Gehilfen muss sich auf sämtliche Merkmale des Untreuetatbestands beziehen, also auch die Verursachung eines Nachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB umfassen. Dabei handelt es sich um ein selbständiges Tatbestandsmerkmal, das die Strafgerichte nicht mit der Pflichtwidrigkeit des Handelns „verschleifen“ dürfen (vgl. BVerfGE 126, 170, 211).
2. Die Zurückweisung einer Sacheinlassung durch Verlesung eines Manuskripts durch den Angeklagten ist rechtsfehlerhaft. Zwar erfolgt gemäß § 243 Abs. 5 Satz 2 StPO die Vernehmung eines Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also durch mündlichen Bericht, mündliche Befragung und diesbezügliche Antworten. Die Verlesung einer schriftlichen Erklärung durch das Gericht würde dieser Verfahrensweise nicht entsprechen. Dem Angeklagten ist es aber gestattet, seine mündliche Äußerung unter Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts abzugeben.
1. Ein Frachtcontainer ist ein umschlossener Raum i.S.v. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB. Dass er nicht zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist, steht dem nicht entgegen, da es nicht auf den Aufenthalt von Menschen, sondern nur darauf ankommt, ob das räumliche Gebilde jedenfalls auch dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden.
2. Dem Umstand, dass ein entwendetes Fahrzeug in einer anderen Stadt mit einem falschen Kennzeichen abgestellt wird, wo es dem Zugriff Dritter preisgegeben ist, lässt sich regelmäßig entnehmen, dass es an einem
Rückführungswillen fehlt und jedenfalls ein – für die Verwirklichung des subjektiven Diebstahlstatbestandes ausreichender – bedingter Enteignungsvorsatz vorliegt.
Eine Tateinheit zwischen § 211 und § 218 StGB stellt die bejahte Absicht zur Ermöglichung einer „anderen Straftat“ nicht in Frage.
Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst und in feindlicher Willensrichtung ausnutzt. Arglos ist dabei, wer sich bei der Tat, d.h. bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriffs, keines Angriffs des Täters versieht. Wehrlos ist, wer keine oder nur eine reduzierte Möglichkeit zur Verteidigung besitzt (st. Rspr.). Die Wehrlosigkeit kann trotz einer Bewaffnung des Opfers vorliegen.
1. Der Tatbestand der Bedrohung in § 241 Abs. 1 StGB, der in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens des Einzelnen dient (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777), setzt das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person voraus, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint, den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken. Ob einer Erklärung oder einem schlüssigen Verhalten die objektive Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens zukommt, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines durchschnittlich empfindenden Beobachters, wobei auch Begleitumstände der Tatsituation Bedeutung erlangen können.
2. Eine Bedrohung kann auch in der Weise erfolgen, dass die Begehung des Verbrechens vom künftigen Eintritt oder Nichteintritt eines weiteren Umstands abhängen soll (vgl. BGHSt 16, 386, 387).
3. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (st. Rspr).
4. Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 243, 244).