Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2015
16. Jahrgang
PDF-Download
1. Die Übereinkunft über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist nicht mit Art. 6 Abs. 2 EUV und dem Protokoll (Nr. 8) zu Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union über den Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vereinbar (EuGH).
2. Die geplante Übereinkunft über den Beitritt der Europäischen Union zur EMRK
- ist geeignet, die besonderen Merkmale und die Autonomie des Unionsrechts zu beeinträchtigen, da sie nicht sicherstellt, dass Art. 53 EMRK und Art. 53 der Charta aufeinander abgestimmt werden, keine Vorkehrungen enthält, um der Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten im
Unionsrecht zu begegnen, und keine Regelung des Verhältnisses zwischen dem durch das Protokoll Nr. 16 geschaffenen Mechanismus und dem in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren vorsieht;
- ist geeignet, Art. 344 AEUV zu beeinträchtigen, da sie die Möglichkeit nicht ausschließt, den EGMR mit Rechtsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten oder zwischen ihnen und der Union zu befassen, die die Anwendung der EMRK im materiellen Anwendungsbereich des Unionsrechts betreffen;
- sieht keine Modalitäten des Mitbeschwerdegegner-Mechanismus und des Verfahrens der Vorabbefassung des Gerichtshofs vor, die gewährleisten, dass die besonderen Merkmale der Union und des Unionsrechts erhalten bleiben;
- verstößt gegen die besonderen Merkmale des Unionsrechts in Bezug auf die gerichtliche Kontrolle der Handlungen, Aktionen oder Unterlassungen der Union im Bereich der GASP, da sie die gerichtliche Kontrolle einiger dieser Handlungen, Aktionen oder Unterlassungen ausschließlich einem unionsexternen Organ anvertraut (EuGH).
3. Die Unionsgrundrechte sind integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts. Der Gerichtshof lässt sich dabei von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind (Rn. 37, Bearbeiter).
4. Das in Art. 218 Abs. 11 AEUV geregelte Gutachtenverfahren dient dazu, sowohl unionsinterne wie auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen angesiedelte Komplikationen zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn nachträglich die Vereinbarkeit völkerrechtlicher Übereinkünfte, die die Union verpflichten, mit den Verträgen vor Gericht bestritten würde (Rn. 145 f., Bearbeiter). Damit sich der Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Bestimmungen einer geplanten Übereinkunft mit den Regeln der Verträge gutachterlich äußern kann, muss er über hinreichende Angaben zum Inhalt dieser Übereinkunft verfügen (Rn. 147, Bearbeiter). Der Gerichtshof muss sich dabei vergewissern, dass eine völkerrechtliche Übereinkunft nicht gegen eine Vorschrift des Primärrechts verstößt und dass sie alle gegebenenfalls primärrechtlich erforderlichen Bestimmungen enthält (Rn. 150).
5. Die Gründungsverträge der Union haben, im Unterschied zu gewöhnlichen völkerrechtlichen Verträgen, eine neue, mit eigenen Organen ausgestattete Rechtsordnung geschaffen, zu deren Gunsten die ihr angehörenden Staaten in Bereichen von immer größerem Umfang ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben und deren Rechtssubjekte nicht nur diese Staaten, sondern auch ihre Bürger sind (Rn. 157, Bearbeiter).
6. Die Verfassungsstruktur der EU spiegelt sich in dem in Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV aufgestellten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung sowie dem in den Art. 13 EUV bis 19 EUV festgelegten institutionellen Rahmen wider (Rn., 165, Bearbeiter). Hinzu kommen die das Wesen des Unionsrechts selbst betreffenden besonderen Merkmale, insbesondere die Autonomie, der Vorrang und die unmittelbare Wirkung des Unionsrechts (Rn. 166, Bearbeiter).
7. Die „Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“ (Art. 1 Abs. 2 EUV) beruht auf der grundlegenden Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt; diese wiederrum impliziert und rechtfertigt die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden (Rn. 168, Bearbeiter).
8. Maßnahmen, die mit den Unionsgrundrechten nicht vereinbar sind, sind in der Union nicht zulässig (Rn. 169, Bearbeiter). Nicht nur die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union müssen die Unionsgrundrechte beachten, sondern auch die Mitgliedstaaten, wenn sie das Recht der Union durchführen (Rn. 171, Bearbeiter).
9. Der Integrationsprozess stellt die Daseinsberechtigung der Union selbst dar (Rn. 172, Bearbeiter).
10. Es ist Sache der nationalen Gerichte und des Gerichtshofs, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen (Rn. 175, Bearbeiter). Insbesondere besteht das Schlüsselelement des so gestalteten Gerichtssystems in dem in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren (Rn. 176, Bearbeiter).
11. Im Falle eines EMRK-Beitritts würde die Union einer externen Kontrolle unterliegen, deren Gegenstand die Beachtung der Rechte und Freiheiten wäre, zu deren Einhaltung sich die Union nach Art. 1 EMRK verpflichten würde. In diesem Zusammenhang würden die Union und ihre Organe, einschließlich des Gerichtshofs, den in der EMRK vorgesehenen Kontrollmechanismen und insbesondere den Entscheidungen und Urteilen des EGMR unterliegen (Rn. 181, Bearbeiter). Zwar ist eine internationale Übereinkunft, die die Schaffung eines mit der Auslegung ihrer Bestimmungen betrauten Gerichts vorsieht, dessen Entscheidungen für die Organe, einschließlich des Gerichtshofs, bindend sind, nicht grundsätzlich mit dem Unionsrecht unvereinbar (Rn. 182, Bearbeiter). Allerdings darf, um die Autonomie der Unionsrechtsordnung nicht zu beeinträchtigen, eine solche Übereinkunft nicht dazu führen, dass der Union und ihren Organen bei der Ausübung ihrer internen Zuständigkeiten eine bestimmte Auslegung der Regeln des Unionsrechts verbindlich vorgegeben wird (Rn. 183 f. Bearbeiter).
12. Die Feststellungen des Gerichtshofs zum materiellen Anwendungsbereich des Unionsrechts, namentlich zur Klärung der Frage, ob ein Mitgliedstaat die Grundrechte der Union beachten muss, dürfen vom EGMR nicht in Frage gestellt werden können (Rn. 186, Bearbeiter).
13. Durch die Anwendung der EMRK darf weder das in der GRC vorgesehene Schutzniveau noch der Vorrang, die
Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden (Bearbeiter, angelehnt an Rn. 187 ff.). Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten hat im Unionsrecht fundamentale Bedeutung, da er die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglicht. Dieser Grundsatz verlangt, namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, von jedem Mitgliedstaat, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. Bei der Durchführung des Unionsrechts können die Mitgliedstaaten somit unionsrechtlich verpflichtet sein, die Beachtung der Grundrechte durch die übrigen Mitgliedstaaten zu unterstellen, so dass sie weder die Möglichkeit haben, von einem anderen Mitgliedstaat ein höheres nationales Schutzniveau der Grundrechte zu verlangen als das durch das Unionsrecht gewährleistete, noch – von Ausnahmefällen abgesehen – prüfen können, ob dieser andere Mitgliedstaat in einem konkreten Fall die durch die Union gewährleisteten Grundrechte tatsächlich beachtet hat (Rn. 191 f., Bearbeiter). Da die EMRK, indem sie vorschreibt, dass die Union und die Mitgliedstaaten nicht nur in ihren Beziehungen zu den Vertragsparteien, die nicht Mitgliedstaaten der Union sind, sondern auch in ihren gegenseitigen Beziehungen – selbst wenn für diese Beziehungen das Unionsrecht gilt – als Vertragsparteien anzusehen sind, von einem Mitgliedstaat verlangen würde, die Beachtung der Grundrechte durch einen anderen Mitgliedstaat zu prüfen, obwohl das Unionsrecht diese Mitgliedstaaten zu gegenseitigem Vertrauen verpflichtet, ist der Beitritt geeignet, das Gleichgewicht, auf dem die Union beruht, sowie die Autonomie des Unionsrechts zu beeinträchtigen (Rn. 194, Bearbeiter).
14. Eine internationale Übereinkunft darf die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Union, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, nicht beeinträchtigen; dieser Grundsatz ist insbesondere in Art. 344 AEUV verankert (Rn. 201, Bearbeiter). Der Übereinkunftsentwurfs lässt aber die Möglichkeit für die Union oder die Mitgliedstaaten bestehen, den EGMR nach Art. 33 EMRK mit einem Ersuchen zu befassen, das den Vorwurf einer Verletzung der EMRK durch einen Mitgliedstaat oder durch die Union im Zusammenhang mit dem Unionsrecht zum Gegenstand hat. Schon die Existenz einer solchen Möglichkeit steht nicht im Einklang mit dem in Art. 344 AEUV aufgestellten Erfordernis (Rn. 207 f., Bearbeiter).
1. Eine Revisionsentscheidung (hier: BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - 1 StR 200/13 - [= HRRS 2014 Nr. 94]) verkennt Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Verständigung im Strafprozess, wenn sie das Beruhen eines Urteils auf einem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO allein unter dem Gesichtspunkt einer Einwirkung auf das Aussageverhalten des Angeklagten prüft und die von dem Verstoß in erster Linie betroffene, auch dem Schutz des Angeklagten dienende Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit außer Acht lässt.
2. Der vom Rechtsstaatsprinzip erfasste Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen soll die durch die Gerichte handelnde Staatsgewalt einer Kontrolle unterziehen und dient damit auch dem Schutz der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Angeklagten, gegen eine im Verborgenen handelnde „Geheimjustiz“.
3. Durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verfahrensverständigungen erhält die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz zusätzliches Gewicht. Die Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit ist daher auch ein zentrales Anliegen der vom Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz verfolgten Regelungskonzeption (Bezugnahme auf BVerfGE 133, 168 <214 f., Rn. 81 f.> [= HRRS 2013 Nr. 222, Rn. 94 f.]).
4. Die gesetzliche Pflicht zur öffentlichen Dokumentation von Verständigungsgesprächen würde unzulässigerweise zur bloßen Ordnungsvorschrift degradiert, wenn man ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß generell verneinen würde, weil sich ein Kausalzusammenhang kaum jemals feststellen lasse. Die Beruhensprüfung ist hier vielmehr auf normative, auf den Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht bezogene Aspekte zu erweitern. Dabei können auch Art und Schwere eines Verstoßes berücksichtigt werden.
5. Ein Beruhen des Urteils auf einer gesetzeswidrig unterlassenen Dokumentation von Verständigungsgesprächen kann verneint werden, wenn sich ausnahmsweise sicher ausschließen lässt, dass die Gespräche auf eine inhaltlich unzulässige Absprache gerichtet gewesen sind.
1. Eine Revisionsentscheidung (hier: BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 169/14 - [= HRRS 2014 Nr. 791]) verkennt Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Verständigung im Strafprozess, wenn sie das Beruhen eines Urteils auf einem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO allein unter dem Gesichtspunkt einer Einwirkung auf das Aussageverhalten des Angeklagten prüft und die von dem Verstoß in erster Linie betroffene, auch dem Schutz des Angeklagten dienende Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit außer Acht lässt.
2. Der vom Rechtsstaatsprinzip erfasste Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen soll die durch die Gerichte handelnde Staatsgewalt einer Kontrolle unterziehen und dient damit auch dem Schutz der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Angeklagten, gegen eine im Verborgenen handelnde „Geheimjustiz“.
3. Durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verfahrensverständigungen erhält die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz zusätzliches Gewicht. Die Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit ist daher auch ein zentrales Anliegen der vom Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz verfolgten Regelungskonzeption (Bezugnahme auf BVerfGE 133, 168 <214 f., Rn. 81 f.> [= HRRS 2013 Nr. 222, Rn. 94 f.]).
4. Die gesetzliche Pflicht zur öffentlichen Dokumentation von Verständigungsgesprächen würde unzulässigerweise zur bloßen Ordnungsvorschrift degradiert, wenn man ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß generell verneinen würde, weil sich ein Kausalzusammenhang kaum jemals feststellen lasse. Die Beruhensprüfung ist hier vielmehr auf normative, auf den Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht bezogene Aspekte zu erweitern.
1. Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt für die Rechtsprechung ein Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie. Ausgeschlossen ist danach jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei deren möglicher Wortlaut die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation bildet.
2. Die nach Art. 103 Abs. 2 GG gebotene Bestimmung des Tatbestands umfasst auch die Tatbestandsmerkmale von Strafbarkeitsbedingungen und Strafausschließungsgründen. Hierunter fällt auch der in Umsetzung des Art. 31 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) geschaffene persönliche Strafaufhebungsgrund des § 95 Abs. 5 AufenthG, wonach die Flüchtlingseigenschaft in Verbindung mit einer Meldung bei den zuständigen Behörden des Gastlandes die Strafbarkeit wegen unerlaubter Einreise entfallen lässt.
3. Der Status als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention entfällt trotz vorherigen Aufenthalts in einem sicheren Drittstaat ausnahmsweise dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik nicht davon ausgegangen werden konnte, dass im Drittstaat (hier: Griechenland) die Schutzmechanismen der Genfer Flüchtlingskonvention umgesetzt werden und die Bundesrepublik daher von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin II-Verordnung Gebrauch gemacht hat.
4. Es ist völkerrechtlich regelmäßig nicht geboten, die strafbefreiende Wirkung des § 95 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 31 Abs. 1 GFK auch auf Begleitdelikte zu erstrecken, die tateinheitlich mit einreise- oder aufenthaltsrechtlichen Straftaten begangen werden (hier: eine Urkundenfälschung in Form des Gebrauchens unechter Personaldokumente bei der Einreise). Insbesondere besteht unter den Konventionsstaaten weder eine entsprechende spätere Übereinkunft noch eine ständige Übung.
5. Eine Ausdehnung der Strafbefreiung kann allenfalls bei einer notstandsähnlichen Lage geboten sein, die dem Flüchtling die Erfüllung der Einreiseformalitäten angesichts einer aktuellen Verfolgungssituation unmöglich oder unzumutbar macht. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Schutz vor Verfolgung auch in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung des Gastlandes hätte erlangt werden können. Dies ist in der Bundesrepublik regelmäßig der Fall, weil ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen (gültigen) Einreisepapiere ist, bereits an der Grenze um Asyl nachsuchen kann, ohne die Grenzkontrolle zu passieren.
1. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergibt sich für die Fachgerichte die Verpflichtung, auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wirksame Kontrolle – hier: einer Disziplinarmaßnahme im Strafvollzug – zu gewährleisten.
2. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ist verletzt, wenn ein Gericht die Gewährung von Eilrechtsschutz entscheidungstragend mit der Erwägung ablehnt, die besonderen Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache seien nicht erfüllt, obwohl es sich überhaupt nicht um einen Fall der Vorwegnahme der Hauptsache handelt.
3. Um eine Vorwegnahme der Hauptsache handelt es sich nur dann, wenn die vorläufige Entscheidung einer endgültigen gleichkäme, nicht hingegen, wenn es lediglich um die vorübergehende Aussetzung einer Maßnahme geht, die als solche nicht rückgängig gemacht werden könnte. Letzteres ist gerade der typische Gehalt des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen.
4. Begehrt ein Strafgefangener die einstweilige Aussetzung einer Disziplinarmaßnahme, so ist es dem Gericht verwehrt, den Eilantrag zurückzuweisen, ohne eine Abwägung zwischen Aussetzungs- und Vollzugsinteresse vorzunehmen. Diesem Abwägungserfordernis ist nicht genügt, wenn das Gericht lediglich feststellt, dem Gefangenen drohe kein irreparabler, über den belastenden Charakter der Maßnahme selbst hinausgehender Nachteil.
5. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung kann auch eine Rolle spielen, ob nach einer summarischen Prüfung der Antragsteller mit seinem Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang nicht befugt, die dem Gefangenen vorgeworfene Handlung auszutauschen und darauf abzustellen, der Gefangene habe das Schreiben eines anderen Gefangenen zum Zweck der Gewährung von Schreibhilfe angenommen und besessen, während die Disziplinarverfügung ihm vorwirft, das Schreiben abgegeben zu haben.
Hat eine Strafvollstreckungskammer dargelegt, dass von einem Beschwerdeführer aufgrund konkreter Umstände die Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten ausgeht, so überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit regelmäßig die mit dem Tragen einer „elektronischen Fußfessel“ für den Betroffenen verbundenen Beeinträchtigungen, so dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zugunsten des Betroffenen nicht in Betracht kommt.
1. Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist der (Anfangs-)Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen und über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen.
2. Dem mit einer Durchsuchung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich und mit Blick auf den verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein und in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der vorgeworfenen Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen.
3. Bei einem nur vagen Anfangsverdacht ist die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung im Durchsuchungsbeschluss eingehend zu begründen. Dies gilt umso mehr für Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern, wenn von einer geplanten Beschlagnahme auch Daten betroffen sein können, die von dem beruflich begründeten Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sind.
4. Der Verdacht gegen einen Arzt, seinen früheren Kollegen anonym und offensichtlich haltlos des sexuellen Missbrauchs einer Patientin bezichtigt zu haben, wiegt nur sehr gering, wenn er allein auf einem möglichen Motiv zur Schädigung des betreffenden Kollegen fußt und wenn bei den Ermittlungen weitere für eine Täterschaft in Betracht kommende Personenkreise wie psychisch kranke Patienten oder andere Mitarbeiter außer acht gelassen worden sind.
5. Eine Durchsuchung setzt in derartigen Fällen regelmäßig voraus, dass zuvor andere, grundrechtsschonendere Ermittlungsschritte vorgenommen worden sind, um den Tatverdacht zu erhärten oder endgültig zu zerstreuen.