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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2014
15. Jahrgang
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1. Regelmäßig keine notwendige Verteidigung im Ermittlungsverfahren schon vor einer verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten nach dessen Ergreifung aufgrund eines Haftbefehls wegen Mordverdachts. (BGHSt)
2. Der Senat sieht keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abzurücken, der zufolge nach geltendem Recht (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO) auch mit Bedacht auf Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK keine Pflicht besteht, dem Beschuldigten stets bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren, etwa beginnend mit dem dringenden Verdacht eines (auch schweren) Verbrechens, einen Verteidiger zu bestellen. Das gilt auch dann, wenn ein Haftbefehl besteht. (Bearbeiter)
3. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274) den Zeitpunkt der rechtlich zwingenden Bestellung eines Pflichtverteidigers in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO in Kenntnis der bestehenden Rechtsprechung bewusst auf den Beginn der Vollstreckung der Untersuchungshaft festgelegt. Den gesetzlichen Vorgaben wird daher mit der sofortigen Verteidigerbestellung nach Anordnung des Vollzugs der Untersuchungshaft entsprochen. (Bearbeiter)
4. Verstoßen Polizeibeamte gegen § 115 Abs. 1 StPO, indem sie die Angeklagte nach ihrer Ergreifung nicht unverzüglich dem zuständigen Gericht vorführen, sondern die Vorführung zum Zweck der Durchführung polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen aufschieben, führt
dieser Verfahrensfehler nicht dazu, dass der der Staatsanwaltschaft in § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO übertragene Beurteilungsspielraum betreffend das Hinwirken auf sofortige Verteidigerbestellung verengt würde. (Bearbeiter)
5. Ein Verwertungsverbot für eine unter Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des § 115 Abs. 1 StPO erlangte Aussage besteht dann, wenn die Polizeibeamten die gebotene Vorführung bewusst unterlassen, um die Verteidigerbestellung durch den Haftrichter zu umgehen. (Bearbeiter)
6. Die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts; einem Revisionsführer steht es wegen seiner Dispositionsbefugnis zu, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen Verfahrensverstoß aber hinzunehmen. (Bearbeiter)
1. Ermüdung im Sinne von § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO bei seelischer und körperlicher Erschöpfung. (BGHSt)
2. Hat eine Person außergewöhnlich lange nicht geschlafen (hier: mindestens 38 Stunden) und zudem eine extreme psychische und physische Belastung hinter sich (hier: Geburt eines Kindes unter schwierigsten Umständen ohne ärztliche Hilfe), liegt auf der Hand, dass sie einer „immer wieder und immer energischer“ geführten konfrontativen Befragung wegen ihres Erschöpfungszustands nicht mehr in freier Willensbetätigung würde standhalten können. Der Verwertung eines auf diesem Wege erlangten Geständnisses steht § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO entgegen. (Bearbeiter)
Eine Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die dazu führt, dass ein Senat nach der Anberaumung eines Termins auch dann mit einer Sache befasst bleibt, wenn sich nach diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit eines nach demselben Geschäftsverteilungsplan gebildeten Spezialspruchkörpers herausstellt, richtet sich nach allgemeinen Merkmalen und entzieht dem Angeklagten nicht seinen gesetzlichen Richter (vgl. BGH NStZ 1984, 181)
1. Zumindest bei der als Bewährungsweisung erteilten Anweisung der Anzeige jedes Wohnsitzwechsels erfordern es weder das Fairnessgebot noch sonstige Rechtsgrundsätze, dass das Gericht vor einer Verständigung (§ 257c StPO) offenlegt, solches anweisen zu wollen.
2. Die Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zu den aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens resultierenden tatgerichtlichen Offenlegungspflichten bei Verfahrensverständigungen, bei denen eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt wird (BGH NJW 2014, 3173, 3174), steht nicht entgegen. Diese bezieht sich ausschließlich auf im Rahmen der Verständigung nicht offengelegte Bewährungsauflagen. Sie lässt sich nicht auf die nach ihrer Zwecksetzung und ihrer rechtlichen Natur völlig verschiedene Anweisung der Anzeige des Wohnsitzwechsels übertragen. Bewährungsweisungen dienen – anders als Bewährungsauflagen – nicht dem Ausgleich für das vom Täter schuldhaft verursachte Unrecht. Wie sich aus § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB ergibt, kommt ihnen die Aufgabe zu, dem zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe Verurteilten zu helfen, zukünftig ein straffreies Leben zu führen.
3. Es kann offen bleiben, ob der Rechtsprechung des 4. Strafsenats uneingeschränkt zu folgen wäre.
Die Informationspflicht gemäß § 243 Abs. 4 StPO soll dazu dienen, außerhalb der Hauptverhandlung stattgefundene Gespräche in der Hauptverhandlung zur Sprache zu bringen, so dass die Möglichkeit eines informellen und unkontrollierbaren Verfahrens ausgeschlossen wird (vgl. BGHSt 58, 310, 312 f.). An dem Erfordernis einer Erörterung von Geschehnissen außerhalb der Hauptverhandlung in der Hauptverhandlung fehlt es aber, wenn die Führung von Verständigungsgesprächen in öffentlicher Hauptverhandlung, mithin für alle Verfahrensbeteiligten und für die Öffentlichkeit transparent, angeregt worden ist.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder Satz 2 StPO entfernten Angeklagten also regelmäßig geeignet, den absoluten
Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zu begründen (vgl. BGHSt 55, 87, 92).
2. Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vorschriften bezwecken unter anderem, dem Angeklagten eine uneingeschränkte Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung. Das wird ihm durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem Anschluss an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Verfahrensausgang beeinflussen können. Gemessen daran kommt der ergänzenden Vernehmung einer Opferzeugin grundsätzlich erhebliche Bedeutung für das Verfahren zu, sodass der Angeklagte nach einer solchen ebenfalls stets die Möglichkeit haben muss, ergänzende Fragen oder Anträge zu stellen.
Nach den bisherigen Erkenntnissen operieren im syrisch-irakischen Grenzgebiet verschiedene selbständige terroristische Vereinigungen im Sinne der §§ 129a, 129b StGB, die dabei häufig die gleichen Zwecke und Ziele verfolgen. Darüber hinaus kommt es bei den dort operierenden Organisationen nicht nur zu gemeinsamen Aktionen, sondern einerseits auch zu personellen Annäherungen bis zu Zusammenschlüssen oder völligen Verschmelzungen, andererseits zu Abspaltungen und neuen Koalitionen. Diese – durch die Ermittlungen nur schwer zu entwirrende – Gemengelage führt dazu, dass die Frage, in welcher Vereinigung konkret sich ein Angeschuldigter mitgliedschaftlich betätigt hat, das Tatbild in wesentlich geringerem Umfang prägt, als in sonstigen Verfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung. Jedenfalls wenn die eigentlichen mitgliedschaftlichen Betätigungsakte unverändert bleiben, hat all dies zur Folge, dass die Haft wegen derselben Tat im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO aufrechterhalten wird, selbst wenn in der Anklage auf eine andere Organisation Bezug genommen wird als im Haftbefehl.
Der Tatrichter muss Angaben eines Angeklagten zum Alkoholgenuss, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen (vgl. BGHSt 34, 29, 34). Hält er diese dennoch für glaubhaft oder unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes für nicht widerlegbar, so hat er, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration zu berechnen und seiner weiteren Beweiswürdigung zugrunde zu legen.