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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2014
15. Jahrgang
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Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung können ebenso wie die Tatverstrickung durch Dritte strafmildernd zu Buche schlagen; ihr Fehlen berechtigt allerdings nicht, dies zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen.
1. Bei der Prüfung der besonderen Schuldschwere hat sich das Tatgericht an den für die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 46 StGB geltenden Regeln zu orientieren. Demnach kann auch das Nachtatverhalten bei der Frage zu berücksichtigen sein, ob Umstände von Gewicht (die Annahme besonderer Schuldschwere indizieren, wenn ein innerer Zusammenhang mit dem Schuldvorwurf besteht und sichere Schlüsse auf die Einstellung des Täters zur Tat möglich sind.
2. Dem Angeklagten kann ein Verhalten gegenüber Zeugen oder Mitangeklagten ausnahmsweise dann angelastet werden, wenn es eindeutig die Grenzen angemessener Verteidigung überschreitet und Rückschlüsse auf eine rechtsfeindliche Haltung zulässt; dies kann etwa dann anzunehmen sein, wenn der Angeklagte einen völlig Unschuldigen – hier: den durch die Tötung der Mutter ohnehin schwer traumatisierten Sohn – der Tatbegehung bezichtigt.
Gelangt das die Sicherungsverwahrung anordnende Tatgericht zu der Einschätzung, dass es sich bei dem Täter nicht um einen „typischen Hangtäter“ handelt, muss es erörtern, worin genau sich die Persönlichkeit des Angeklagten von derjenigen eines „typischen Hangtäters“ unterscheidet und warum trotz dieser Unterschiede ein Hang des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zu bejahen ist. Insbesondere in einem solchen Fall bedarf die Aussagekraft rein statistischer Prognoseinstrumente schon für sich besonders gründlicher Prüfung, vor allem aber der kritischen Gegenüberstellung mit der konkreten Analyse der Persönlichkeit des Angeklagten und seinen früheren Taten.
1. Wenn sich der Tatrichter darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr).
2. Dies gilt auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie; denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 306, 307). Diese Darlegungsanforderungen hat der Tatrichter auch dann zu beachten, wenn der Angeklagte eine Exploration abgelehnt hat.