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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2014
15. Jahrgang
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1. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 39, 221, 227).
2. Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist allerdings in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber „nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums“ von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 273, 274).
3. Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt (BGH NStZ-RR 2002, 73, 74). So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 335, 336).
1. Ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB scheidet aus, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (st. Rspr). Ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, ist für jedes im Versuchsstadium stecken gebliebene Delikt ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Bewertung gesondert zu prüfen (vgl. BGH NStZ 2012, 562).
2. Von einem fehlgeschlagenen Versuch ist auszugehen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Gleiches gilt, wenn eine Tatvollendung objektiv zwar noch möglich ist, der Täter diese aber subjektiv nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (st. Rspr). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das zur revisionsrechtlichen Prüfung unerlässliche Vorstellungsbild des Angeklagten nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 273, 274).
1. In einer Notwehrlage muss der Angegriffene auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann mithin durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers allerdings in der Regel anzudrohen.
2. Eine Einschränkung der Notwehr und dem Gesichtspunkt der Gebotenheit der Verteidigung liegt schon bei der dem Angegriffenen bekannten massiven alkoholischen Beeinträchtigung des Opfers nahe.
1. Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags.
2. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr).
1. Die Qualifikation der Körperverletzung gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB wird nicht von § 212 StGB verdrängt.
2. Neben der körperlichen Unversehrtheit wird mithilfe des § 225 StGB – über § 223 StGB hinaus – auch die psychische Integrität einer unter besonderen Schutzverhältnissen stehenden Person geschützt.
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt Gesetzeseinheit nur vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine – wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform des anderen Tatbestandes sein (vgl. BGHSt 39, 100, 108).
4. Vor- und Nachtatverhalten sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, wenn ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 170, 171). Die fehlende Berücksichtigung entsprechenden relevanten Verhaltens im Rahmen der Strafzumessung stellt einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler dar (vgl. BGH NStZ 2011, 512, 513).
Erlangt der Täter unter dem Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel die Zugriffsmöglichkeit auf eine EC-Karte des Opfers, so begründet das nur dann den Eintritt eines Vermögensnachteils i.S.d. §§ 253, 255 StGB, wenn er auch über die zutreffende PIN-Nummer verfügt. Ist dies nicht der Fall (hier: aufgrund der Angabe einer falschen PIN-Nummer durch das Opfer), kommt alleine eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht.
1. Nur wenn die Besitzverschaffung zur Erfüllung eines Gutachtenauftrags erforderlich war, wurde sie gemäß § 184b Abs. 5 StGB vom Tatbestand des § 184b Abs. 2 StGB ausgeschlossen; denn § 184b Abs. 5 StGB ist eine eng auszulegende Ausnahme von dem auch zum Schutz der Intimsphäre der abgebildeten Kinder (vgl. BVerwGE 111, 291, 294) umfassenden Verbot des Unternehmens der Besitzverschaffung an kinderpornographischen Schriften. Diese Ausnahme betrifft „ausschließlich“ solche Handlungen, welche der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.
2. Zwar ist der Ausnahmetatbestand nicht auf die Tätigkeit der Behörden bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beschränkt, sondern kann auch Strafverteidiger und Sachverständige betreffen (vgl. BT-Drucks. 12/4883 S. 8). Zu Verteidigungszwecken kann der Strafverteidiger das Aktenmaterial, das kinderpornographische Schriften enthält, auswerten und dazu auch Berufshelfer einschalten. Die Besitzverschaffung an Dritte innerhalb dieses Personenkreises ist aber nach der Regelungskonzeption eines umfassenden Verkehrsverbots bezüglich kinderpornographischer Schriften auch dem Strafverteidiger nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist.
1. Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise i.S.d. § 211 StGB ist in subjektiver Hinsicht, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür muss er die Umstände, welche die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur äußerlich wahrgenommen, sondern auch in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst haben; ihm muss mithin bewusst geworden sein, dass er einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen überrascht.
2. Die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters können hierbei Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte; psychische Ausnahmezustände können auch unterhalb der Schwelle des § 21 StGB der Annahme des Bewusstseins des Ausnutzens entgegenstehen.
3. Die Feststellung des Ausnutzungsbewusstseins erfordert insoweit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles. Diese ist einer Überprüfung durch das Revisionsgericht in demselben (eingeschränkten) Umfang zugänglich, wie die Beweiswürdigung im Allgemeinen.
Das Mordmerkmal der Habgier setzt eine Verknüpfung zwischen dem geplanten Tod des Opfers und einer Bereicherung des Täters voraus. Eine unmittelbare Vermehrung des Vermögens des Täters in dem Sinn, dass durch die Tat direkt ein Vermögenszuwachs beim Täter entsteht, ist hingegen nicht erforderlich.
1. Art. 43 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (ZP I) statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern.
2. Das Kombattantenprivileg steht grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf den militärischen Kampf der kurdischen PKK gegen das türkische Militär nicht vor.
Ist die mit einem Leben in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen verbundene Einschränkung der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten konkret geeignet, ihren Widerstand gegen Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung herabzusetzen, genügt dies regelmäßig zur Erfüllung des Merkmals der „Zwangslage“ i.S.d. § 232 StGB. Es ist demgegenüber nicht erforderlich, dass zu den schlechten sozialen Verhältnissen in Bezug auf das jeweilige Opfer noch weitere erschwerende Umstände hinzukommen.
Eine Lähmung im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist die erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähigkeit eines Körperteiles, wenn sie die Integrität des gesamten Körpers aufhebt. Die Versteifung etwa des Handgelenks oder einzelner Finger genügt insoweit nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine Bande im Sinne des § 244a StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, von denen jede auf der Grundlage einer ausdrücklichen oder konkludenten Abrede den Willen hat, mit den anderen Bandenmitgliedern in Zukunft für eine gewisse Dauer eine unbestimmte Zahl von Straftaten zu begehen (vgl. BGHSt 46, 321, 328 ff.).