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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2014
15. Jahrgang
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1. Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht. (BGHR)
2. Jedenfalls bei einem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten, bei dem eine Vielzahl von Therapieabbrüchen bzw. Rückfällen nach Absolvierung von Therapien zu verzeichnen ist, und der zudem „primär“ eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) „sekundär“ eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln aufweist, besteht bei einer (sachverständig) prognostizierten Therapiedauer von vier bis fünf Jahren i.d.R. keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht i.S.d. § 64 S. 2 StGB. (Bearbeiter)
3. Der Senat hält aber – obgleich hier nicht entscheidungserheblich – an seiner Auffassung fest, wonach eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegensteht (BGH v. 6. Februar 1996 – 5 StR 16/96; a.A. zuletzt etwa BGH HRRS 2014 Nr. 298; BGH HRRS 2012 Nr. 988). (Bearbeiter)
1. Der Senat bezweifelt, dass die Schuldfähigkeitsbeurteilung teilbar ist, wenn der Täter durch eine Handlung mehrere Betäubungsmitteldelikte – hier: Anbau von Drogen zum gewinnbringenden Weiterverkauf einerseits und zur Deckung des Eigenbedarfs andererseits – verwirklicht (vgl. bereits BGH HRRS 2011 Nr. 997).
2. Die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB liegen nicht vor, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich nicht innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (ebenso zuletzt etwa BGH HRRS 2014 Nr. 298; vgl. aber dagegen die in dieser Ausgabe abgedruckte Entscheidung BGH v. 10. April 2014 – 5 StR 37/14).
Die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB liegen nicht vor, wenn die Entzugsbehandlung voraussichtlich nicht innerhalb der in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Maßregel vorgesehenen Höchstfrist von zwei Jahren zum Erfolg führen kann (ebenso zuletzt etwa BGH HRRS 2014 Nr. 298; vgl. aber dagegen die in dieser Ausgabe abgedruckte Entscheidung BGH v. 10. April 2014 – 5 StR 37/14).
1. „Die Tat“ im Sinne von § 31 BtMG, zu der Aufklärungshilfe geleistet werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur der dem Angeklagten im einzelnen Strafverfahren vorgeworfene einheitliche geschichtliche Lebensvorgang. Der „eigenständige“ – weil von § 264 StPO losgelöste – Tatbegriff im Sinne von § 31 BtMG umfasst vielmehr auch die Betäubungsmitteltaten anderer Personen, die als rechtlich selbständig zu werten und nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sind. Denn Zweck der Vorschrift ist gerade auch die Aufklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens Dritter jenseits der dem „Kronzeugen“ angelasteten Tat im prozessualen Sinne; es soll ein Anreiz zur Mithilfe bei der Aufklärung und Verfolgung auch anderer gewichtiger Betäubungsmitteldelikte geboten werden, weshalb auch diejenigen die Vergünstigung einer Strafmilderung erhalten sollen, die zur Aufdeckung weiterer Straftaten beitragen.
2. Zwischen der aufgedeckten Tat und den Taten des Angeklagten muss allerdings über den Wortlaut von § 31 BtMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung hinausgehend ein Zusammenhang bestehen. Diese Einschränkung soll sicherstellen, dass die Privilegierung des „Kronzeugen“ mit dem Grundsatz schuldangemessenen Strafens (§ 46 StGB) dadurch in einem nachvollziehbaren Einklang steht, dass der Bezug zwischen der offenbarten Tat und der Tat des „Kronzeugen“ geeignet ist, zumindest mittel-
bar das Maß des Vorwurfs zu reduzieren, der dem „Kronzeugen“ für dessen eigene Tat zu machen ist.
3. Ein solcher Zusammenhang, d.h. ein innerer und verbindender Bezug zwischen der eigenen und der offenbarten Tat besteht, wenn der „Kronzeuge“ das tatbestandliche Handeln eines Mittäters aufdeckt, wenn sich die aufgedeckte Tat als Teil einer fortgesetzten Handlung des Mittäters erweist, an der der „Kronzeuge“ jedenfalls in anderen Handlungsabschnitten beteiligt war oder wenn es sich um weitere Geschäfte eines Betäubungsmittellieferanten des „Kronzeugen“ handelt. Er wird auch angenommen für weitere Taten eines Betäubungsmittelkuriers im Auftrag desselben Hintermannes oder für den Fall, dass neben einer Vielzahl von Taten mit geleisteter Aufklärungshilfe bei zwei Taten der erforderliche Aufklärungserfolg nicht eingetreten ist.
4. Die Anwendung der allgemeinen Kronzeugenregelung nach § 46b StGB ist durch die bereichsspezifische Kronzeugenregelung in § 31 BtMG nicht ausgeschlossen. Der Vorrang der Spezialregelung hindert nicht, auf die allgemeine Regelung zurückzugreifen, wenn deren Anwendung für den „Kronzeugen“ im Einzelfall günstiger ist.
An die Feststellung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB dürfen keine überspannten Maßstäbe angelegt werden, wenn neben der Unterbringung in der Entziehungsanstalt auch diejenige in der Sicherungsverwahrung in Frage steht. Sofern nämlich der Hang zur Begehung erheblicher Straftaten (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) vom Hang des Täters zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln im Sinne von § 64 Satz 1 StGB verursacht ist, bietet die erfolgreiche Suchttherapie die einzige Möglichkeit für den Angeklagten, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu vermeiden.
1. § 20 StGB ist anzuwenden, wenn die Fähigkeit des Täters zur Unrechtseinsicht bei der Begehung der Tat aufgrund eines Eingangsmerkmals fehlte. In diesem Fall kommt es auf die Frage der Vorwerfbarkeit eines tatsächlichen Fehlens von Unrechtseinsicht nicht an.
2. Anders ist es, wenn bei der Begehung der Tat die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht zwar vorhanden, aber eingeschränkt ist. In diesem Fall kann tatsächliche Einsicht gegeben sein oder nicht; daher ist hier zu differenzieren: Der Täter, der trotz verminderter Einsichtsfähigkeit tatsächlich Einsicht in das Unrecht der Tat gehabt hat, ist voll schuldfähig. Fehlt ihm dagegen die Einsicht in das Unrecht der Tat, so wird - zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gegenüber § 17 Satz 2 StGB - § 21 StGB angewendet, wenn ihm das Fehlen der Unrechtseinsicht vorzuwerfen ist (vgl. BGH RuP 2006, 101).
1. Für die Anwendbarkeit des § 55 StGB kommt es auf die letzte tatrichterliche Sachentscheidung zur Schuld- oder Straffrage an (vgl. BGHSt 15, 66, 69 f.). Anders hingegen ist es bei der Vollstreckungssituation: für deren Beurteilung ist der Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verurteilung maßgeblich, da dem Angeklagten der einmal erlangte Rechtsvorteil der nachträglichen Gesamtstrafenbildung durch sein Rechtsmittel nicht genommen werden soll (st. Rspr.).
2. Zwar handelt es sich bei der Frage der Unterbringungsanordnung – isoliert betrachtet – um eine vom eigentlichen Strafausspruch getrennte Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Diese betrifft aber wegen der vom Tatgericht in der Folge zu prüfenden Frage, wie die Vollstreckungsreihenfolge geregelt werden soll (§ 67 Abs. 1 und 2 StGB), zwangsläufig den Strafausspruch; dies wird insbesondere in den Fällen deutlich, in denen eine Entscheidung über den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB zu treffen ist, bei der es wegen der Orientierung am Halbstrafenzeitpunkt entscheidend auf die Dauer der (Gesamt-)Freiheitsstrafe ankommt. Insoweit, aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Sollvorschrift ist daher noch eine Entscheidung über den Strafausspruch zu fällen, zu der gegebenenfalls gesonderte Feststellungen (Therapiedauer) getroffen werden müssen. Solange diese Entscheidung noch aussteht, ist über die Straffrage gerade nicht abschließend tatrichterlich entschieden und eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung möglich.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 75, 76). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren
Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
2. Dabei kann sich – wie in der Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 337, 338). In der Rechtsprechung ist aber ebenfalls anerkannt, dass selbst Verbrechen in Ausnahmefällen, etwa wenn sie aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes von der Allgemeinheit als eher harmlos oder als nur belästigend wahrgenommen werden und überdies nur zu geringen Beeinträchtigungen des Tatopfers geführt haben, trotz ihres Deliktcharakters die in § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht zu begründen vermögen (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 303, 304). Dies gilt auch für zu erwartende Vergehen aus dem Bereich der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte.
1. Einer Festsetzung der Tagessätze bedarf es auch dann, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (st. Rspr).
2. Zwar kommt bei unterbliebener Festsetzung regelmäßig eine Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der Bestimmung der Tagessatzhöhe in Betracht (vgl. BGHSt 30, 93, 97). Allerdings kann das Revisionsgericht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in geeigneten Fällen auch selbst die Festsetzung vornehmen und etwa die Tagessatzhöhe auf das gesetzliche Mindestmaß festsetzen (vgl. BGH WM 2010, 1957, 1964).