HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2014
15. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

512. BGH 1 StR 13/13 - Beschluss vom 25. April 2014 (LG Potsdam)

BGHSt; konkludente Täuschung über subventionsrechtlich erhebliche Preisbestandteile durch Einreichung eines Subventionsantrags (tatsächlich entstandene Kosten; verdeckte Zahlungsrückflüsse [kick-backs] beim Einsatz von Subunternehmern); Vermögensschaden bei Subventionsbetrug (schadensgleiche Vermögensgefährdung beim Erlass eines Zuwendungsbescheides: Erreichung und Bestimmung des Förderzwecks; Mittelabruf; Beendigung und Verjährung bei sukzessivem Subventionsabruf); Geschäftsverteilung bei Wirtschaftsstrafsachen (Konzentrationsgebot; Bildung mehrerer Wirtschaftsstrafkammern; gesetzlicher Richter); Besorgnis der Befangenheit (Besuchsüberwachung und Postbeschlagnahme bei Verteidiger im Hintergrund; rechtzeitige Ablehnung).

§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB; § 264 StGB; § 78 StGB; § 78a StGB; § 35 GmbHG; § 43 GmbHG; § 181 BGB; Art. 103 Abs. 2 GG; § 74c Abs. 1 GVG; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 338 Nr. 1 und Nr. 3 StPO; § 24 StPO; § 25 StPO; § 148 StPO

1. Die Aufteilung der Wirtschaftsstrafsachen eines Landgerichts auf zwei Wirtschaftsstrafkammern (§ 74c Abs. 1 GVG) erfordert nicht zwingend, dass der Geschäftsanfall an Wirtschaftsstrafsachen für jede der beiden Wirtschaftsstrafkammern mehr als 50 Prozent beträgt. (BGHSt)

2. Mit der Einreichung eines Subventionsantrags gibt der Antragsteller zugleich die Erklärung ab, dass die geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden sind und keine verdeckten Zahlungsrückflüsse oder sonstige nicht näher angegebene Provisionen enthalten. (BGHSt)

3. Diese konkludente Täuschung kann sich aus Pflichten ergeben, die dem Antragsteller gesellschaftsrechtlich gegenüber eingesetzten Subunternehmern bei der internen Preisbildung obliegen und deren Verletzung zu schädigenden Zahlungsflüssen zulasten des Subventionsgebers führen. (Bearbeiter)

4. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für das Vorliegen eines Vermögensschadens bei täuschungsbedingter Erlangung von Subventionen darauf an, ob der Subventionszweck erreicht wurde. Bei zweckwidriger Verwendung der Fördermittel entsteht beim Subventionsgeber ein Schaden, der sich daraus ergibt, dass die zweckgebundenen Mittel verringert werden, ohne dass der erstrebte sozialpolitische Zweck erreicht wird. Wird der Subventionszweck jedoch erreicht, führt ein sonstiger Verstoß gegen haushaltsrechtliche Grundsätze nicht ohne weiteres zu einem Vermögensschaden. Allein der Umstand, dass der Antragsteller über die Höhe des angefallenen Aufwandes täuscht, führt nicht zu einem Schaden in Höhe der vollen Subventionssumme. Als Betrugsschaden ist lediglich der Anteil der Fördersumme anzusehen, der von dem Subventionsgeber zu viel geleistet wurde (BGH NStZ 2006, 624). (Bearbeiter)

5. In Fällen, in denen das Gericht über ein Ablehnungsgesuch in fehlerhafter Besetzung entschieden hat und dadurch das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt worden ist, ist allein deswegen der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO gegeben. Ein solcher Fall liegt bei einem Verstoß gegen eine Zuständigkeitsregelung aber nur dann vor, wenn die Auslegung der Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie grundlegend verkannt hat. (Bearbeiter)

6. In welcher Reihenfolge über mehrere Ablehnungsgesuche zu entscheiden ist, die sich gegen verschiedene Richter eines Spruchkörpers richten, ist nicht eindeutig geklärt. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass mehrere nacheinander angebrachte und auf unterschiedliche Gründe gestützte Ablehnungsgesuche nacheinander zu bescheiden sind. Bei der Ablehnung eines erkennenden Richters und der darauffolgenden Ablehnung der übrigen erkennenden Richter für die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch neigt der Senat zu der Auffassung, dass folgendes Rangverhältnis zwischen den Ablehnungsgesuchen besteht: Es ist stets vorrangig eine Entscheidung hinsichtlich der nur für die Entscheidung über das zunächst angebrachte Ablehnungsgesuch abgelehnten Richter herbeizuführen. (Bearbeiter)

7. Die Besorgnis der Befangenheit lässt sich nicht schon allein mit einer fehlerhaften Sachbehandlung begründen. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Entscheidungen abwegig sind oder den Anschein der Willkür erwecken (st. Rspr.). (Bearbeiter)

8. Das Öffnen von als Verteidigerpost gekennzeichneten Sendungen ist, auch wenn es nur der Prüfung des Bestehens eines Verteidigungsverhältnisses dienen soll, selbst in Fällen des Missbrauchsverdachts unzulässig. (Bearbeiter)


Entscheidung

471. BGH 1 StR 336/13 - Beschluss vom 13. Februar 2014 (LG Mannheim)

Vernehmung eines Auslandszeugens (Erforderlichkeit: Gesamtwürdigung des Tatrichters, Darstellung im Ablehnungsbeschluss); Bedeutungslosigkeit einer Beweistatsache; Bestechung ausländischer Amtsträger im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichen Verkehr (autonome Auslegung des Amtsträgerbegriffs i.S.d. Art. 2 § 1 Nr. 2 Buchst. a IntBestG und sonstiger Tatbestandvoraussetzungen nach dem OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr; Bestimmung der Pflichtwidrigkeit: Recht des entsprechenden ausländischen Staates); Verletzung der Buchführungspflicht (erforderlicher Zusammenhang zwischen tatbestandsmäßigem Verhalten und der objektiven Bedingung der Strafbarkeit); Wertersatzverfall (Unterscheidung der Erlangung „aus“ und „für“ die Tat); Verfall bei Handeln für einen anderen (Erlangung durch den Täter selber).

§ 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 StPO; § 331 Abs. 1 StGB; Art. 2 § 1 Nr. 2 Buchst. a IntBestG; Art. 1 Abs. 4 Buchst. c des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr; § 283b Abs. 1, Abs. 3 StGB; § 283 Abs. 6 StGB; § 73 Abs. 1, Abs. 3 StGB; § 73a StGB

1. Der Amtsträgerbegriff gemäß Art. 2 § 1 Nr. 2 Buchst. a IntBestG ist nicht im Sinne der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, sondern autonom auf der Grundlage des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17. Dezember 1997 (BGBl. 1998 II, 2329) auszulegen (vgl. BGHSt 52, 323, 345 f. Rn. 65 f.).

2. Art. 1 Abs. 4 Buchst. c des OECD-Übereinkommens legt fest, dass die in der Übereinkunft verwendete Formulierung „im Zusammenhang mit der Ausübung von Dienstpflichten eine Handlung vornehmen oder unterlassen“ jede Nutzung der Stellung des Amtsträgers innerhalb oder außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs bedeutet. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Bestechung ausländischer Amtsträger im geschäftlichen Verkehr kommt es daher nicht darauf an, dass der bestochene Amtsträger für die Vornahme der fraglichen Diensthandlung aufgrund der ihnen in ihrem Staat übertragenen Aufgaben konkret zuständig war.

3. Erfolgt die Gewährung von Vorteilen für zukünftige pflichtwidrige Diensthandlungen gegenüber ausländischen Amtsträgern bzw. diesen im Rahmen von Art. 2 § 1 IntBestG gleichgestellten Personen, etwa ausländischen Soldaten, bestimmt sich die Pflichtwidrigkeit nach insoweit allgemeiner Auffassung im Grundsatz nach dem Recht des entsprechenden ausländischen Staates.

4. Um die Pflichtwidrigkeit der zugesagten künftigen Diensthandlung nach diesem Maßstab beurteilen zu können, bedarf es aber regelmäßig keiner bis in die Einzelheiten gehenden Beschreibung der konkreten Pflich-

tenstellung des betroffenen ausländischen Amtsträgers nach den beamtenrechtlichen oder ähnlichen maßgeblichen Rechtsvorschriften des ausländischen Staates. Es genügt grundsätzlich eine Heranziehung der rechtlichen Rahmenbedingungen des ausländischen Staates, die die Aufgaben des bestochenen Amtsträgers zu Gegenstand haben. Dabei kommt den von dem ausländischen Staat im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Korruption übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen und deren Umsetzungen im nationalen Recht zumindest indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit der Diensthandlungen der konkret betroffenen Amtsträger zu. Eine Verschleifung der Tatbestandsmerkmale (vgl. BVerfGE 126, 170, 198 mwN) der pflichtwidrigen Diensthandlung einerseits und der Gewährung etc. eines Vorteils andererseits ist damit nicht verbunden. Vielmehr wird die dargestellte Rechtslage in dem betroffenen ausländischen Staat als Grundlage für den Rückschluss auf die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung herangezogen.

5. Gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann die Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn sie nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Maßgeblich ist damit, ob die Erhebung des Beweises ein Gebot der Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO ist (vgl. BGHSt 40, 60, 62). Seiner Beurteilung, ob die Amtsaufklärungspflicht die Vernehmung des Zeugen gebietet, darf und muss der Tatrichter das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde legen. Das ansonsten im Beweisantragsrecht geltende Verbot der Beweisantizipation gilt im Rahmen des Ablehnungsgrundes aus § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht (vgl. BGHSt 40, 60, 62). Diese Auslegung des Ablehnungsgrundes aus § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO steht mit dem Verfassungsrecht in Einklang (vgl. BVerfG NStZ 1997, 94 f.).

6. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Tatgericht die Beurteilung, ob die Amtsaufklärungspflicht die beantragte Vernehmung von Auslandszeugen gebietet, anhand einer Gesamtwürdigung vorzunehmen. In diese darf der Tatrichter auch die voraussichtliche Unergiebigkeit der Zeugenaussage und Schwierigkeiten der Erreichbarkeit des Zeugen einbeziehen (vgl. BGH NStZ 2002, 653, 654 mwN). Ebenso können Auskunftsverweigerungsrechte aus § 55 StPO in der Gesamtwürdigung Berücksichtigung finden (vgl. BGH NStZ 2014, 51).

7. Im Rahmen der für die anhand der Amtsaufklärungspflicht auf Grund einer Gesamtwürdigung zu treffenden Entscheidung über den Antrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen darf der Tatrichter grundsätzlich sowohl berücksichtigen, dass ein solcher Zeuge kaum zu einer ihn der Gefahr der Strafverfolgung im Inland aussetzenden Aussage bereit sein wird, als auch, dass der zu erwartende Beweiswert einer dennoch erfolgenden Aussage gerade wegen der möglicherweise eigenen Strafverfolgung gering wäre.

8. Um dem Revisionsgericht bei Verfahrensrügen, mit denen die Ablehnung der Vernehmung von Auslandszeugen beanstandet wird, die Überprüfung der entsprechenden Beschlüsse zu ermöglichen, müssen deren Begründungen die Grundlagen der bisherigen Beweisergebnisse und die darauf beruhende Überzeugungsbildung in einer nachvollziehbaren Weise darlegen.

9. Eine Tatsache ist i.S.v. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung, wenn sie weder allein noch in Verbindung mit weiteren Tatsachen geeignet ist, unmittelbar ein Tatbestandsmerkmal des dem Angeklagten vorgeworfenen Delikts auszufüllen oder für den Rechtsfolgenausspruch direkt Relevanz zu gewinnen.

10. Bei der Ausgestaltung des Zusammenhangs zwischen tatbestandsmäßigem Verhalten und der objektiven Bedingung der Strafbarkeit ist jedenfalls für § 283b StGB zu bedenken, dass es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei dem der Gesetzgeber bereits die Verletzung der dem Straftatbestand zugrunde gelegten kaufmännischen Pflichten als für die geschützten Rechtsgüter generell gefährliche Verhaltensweisen bewertet hat. Das von § 283b StGB erfasste Verhalten ist daher unabhängig von der späteren – durch den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit ausgedrückten – wirtschaftlichen Krise des pflichtigen Täters rechtswidrig und im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift strafwürdig. Unter Berücksichtigung des von § 283b StGB verfolgten Schutzzwecks, nämlich die mit den Buchführungs- und Bilanzierungspflichten angestrebte Selbstinformationsmöglichkeit für den pflichtigen Kaufmann sowie die Dokumentations- und Informationsfunktion für seine Gläubiger strafrechtlich zu gewährleisten, ist der erforderliche Zusammenhang regelmäßig gegeben, wenn beide Elemente vorliegen (vgl. BGH NJW 2009, 3383, 3384).

12. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind „aus der Tat“ alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 10, 11). Um Vorteile „für die Tat“ handelt es sich demgegenüber, wenn Vermögenswerte dem Täter oder Teilnehmer für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, die nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 10, 11).

13. Diese in § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB enthaltene Unterscheidung ist aber auch für den Wertersatzverfall des § 73a StGB von Bedeutung. Dessen Anordnung setzt voraus, dass der Tatbeteiligte etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat. Bei dem Verfall greift der Ausschlussgrund des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB lediglich dann ein, wenn der Täter oder Teilnehmer etwas „aus“ der Tat, nicht dagegen, wenn Tatbeteiligte etwas „für“ die Tat erlangt haben (st. Rspr.).

14. Bewirkt der Täter in den Fällen des § 73 Abs. 3 StGB als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen Person einen Vermögenszuwachs bei dem Vertretenen, kann der handelnde Vertreter selbst grundsätzlich lediglich dann etwas aus der Tat erlangt haben, wenn er Verfügungsgewalt über das Erlangte innehat (vgl. BGHSt 52, 227, 256 Rn. 126). Im Hinblick auf die Trennung der Vermögen der Gesellschaft einerseits und des Gesellschafters und/oder Geschäftsführers andererseits genügt dafür die aus dieser Stellung resultierende Zugriffsmög-

lichkeit auf das Gesellschaftsvermögen für die Begründung der erforderlichen Verfügungsgewalt regelmäßig nicht; vielmehr bedarf es tatsächlicher Umstände, aus denen sich ergibt, dass der die begünstigte juristische Person vertretende Täter selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Solche Umstände sind in der Rechtsprechung etwa dann angenommen worden, wenn der Täter entweder die juristische Person lediglich als formalen Mantel nutzt, eine Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen tatsächlich mithin gerade nicht vornimmt oder wenn jeder aus der Tat folgende Zufluss an die juristische Person sogleich an den Täter weitergeleitet wird (vgl. BGH NStZ 2014, 89, 93 Rn. 47 mwN).


Entscheidung

519. BGH 3 StR 28/14 - Beschluss vom 20. März 2014 (LG Verden)

Rechtsfehlerhafte Anordnung des Wertersatzverfalls bei der Bestechung (entgegenstehende Ansprüche von Verletzten; Geschäftsherr als Verletzter bei der Bestechung).

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 299 StGB; § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO; § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB; § 681 Satz 2 BGB; § 667 BGB

1. Nimmt ein Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil als Gegenleistung dafür an, dass er einen anderen im Wettbewerb bevorzuge, so ist er dem Geschäftsherrn nach § 687 Abs. 2 Satz 1, § 681 Satz 2, § 667 BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Der Geschäftsherr des Bestochenen ist auch Verletzter der Bestechlichkeit bzw. der Bestechung im geschäftlichen Verkehr, denn die Gewährung von Sondervorteilen für einen bestimmten Wettbewerber lässt regelmäßig eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Geschäftsherrn besorgen.

2. Eine solche Besorgnis besteht auch dann, wenn der Bestochene dem Wettbewerber absprachegemäß das „günstigste Angebot“ ermöglicht, denn damit eröffnet er diesem zugleich einen Rahmen, in dem sich, losgelöst von der tatsächlichen kaufmännischen Kalkulation, ein annahmefähiges Angebot noch bewegen kann. Der Anspruch auf Herausgabe der Schmiergelder dient letztlich der Kompensation für eine solche Beeinträchtigung der Interessen des Geschäftsherrn (BGH aaO); dass der Geschäftsherr durch das Handeln des Bestochenen keine - zum Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) führende - Vermögenseinbuße erlitten hat, bleibt ohne Belang.


Entscheidung

470. BGH 1 StR 336/13 - Beschluss vom 13. Februar 2014 (LG Mannheim)

Ausschluss des Verfalls wegen einer unbilligen Härte (Voraussetzungen: Verhältnis zu § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB; Beurteilungsprärogative des Tatrichters: revisionsrechtliche Überprüfbarkeit); Ausschluss des Verfalls wegen Nichtmehrvorhandensein des Erlangten im Vermögen des Täters (Voraussetzungen).

§ 73c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 StGB

1. Wegen der Beurteilungsprärogative des Tatrichters ist zwar die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S.d. § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB maßgeblichen Umstände der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht zugänglich. Allerdings kann mit der Revision die rechtsfehlerhafte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbillige Härte“ beanstandet werden. Um dem Revisionsgericht die Überprüfung der Auslegung der Härteklausel zu ermöglichen, bedarf es – soweit nicht auf die Ausführungen zu § 73c StGB überhaupt verzichtet werden kann (vgl. BGHSt 56, 191, 195 f.) – Ausführungen im Urteil, die die revisionsgerichtliche Überprüfung, ob das Tatgericht den Begriff der unbilligen Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB richtig angewandt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 340), erlauben.

2. Eine „unbillige Härte“ ist erst dann gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen (st. Rspr.). Maßgeblich für das Vorliegen einer „unbilligen Härte“ gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB ist, wie sich die Verfallsanordnung auf das davon betroffene Vermögen auswirken würde (vgl. BGH wistra 2001, 388, 389). Das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen kann nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen.

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich zudem aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann (vgl. BGH NStZ 2010, 86).

4. Gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind vgl. BGHSt 33, 37, 39 f). Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat „erlangt“ hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüber zu stellen (vgl. BGH NStZ 2010, 86, 87). Wenn hiernach auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen.