HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2012
13. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

1083. BGH 4 StR 348/12 – Beschluss vom 26. September 2012 (LG Konstanz)

Rechtsfehlerhafte Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (hinreichende Feststellung eines dauerhaften Zustands ausgeschlossener oder verminderter Schuldfähigkeit: Bezugnahme auf Sachverständigengutachten; Gefährlichkeitsprognose: Darlegungsanforderungen insbesondere bei

Grenzfällen, vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr); Anwendung des Verschlechterungsverbots nach Aufhebung einer Maßregelanordnung.

§ 63 StGB; § 62 StGB; § 316 StGB; § 353 StPO; § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO

1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose führt nicht zwangsläufig zu der Feststellung einer generellen oder über längere Zeiträume andauernden gesicherten Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit. Es ist daher stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind.

2. Will das Tatgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgehen, dass bei dem Angeklagten ein auf seiner Schizophrenie beruhendes psychotisches Erleben mit Fremdbeeinflussungsgedanken im Vordergrund gestanden habe, müssen hierzu die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs-und Befundtatsachen wiedergegeben werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das in diesem Zusammenhang mitgeteilte Wahnerleben mit dem festgestellten Motiv für die Tat unvereinbar ist.

3. Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar. An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt.

4. Eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB kann nicht ohne weiteres der mittleren Kriminalität zugeordnet werden. Sie ist erst bei einer zu erwartenden besonderen Häufung oder bei außergewöhnlichen Tatumständen erheblich.


Entscheidung

1090. BGH 2 StR 180/12 – Beschluss vom 9. Oktober 2012 (LG Trier)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Gefährlichkeitsprognose; Anforderungen an die Begründung).

§ 63 Abs. 1 StGB

1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt.

2. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn neben weiteren Anordnungsvoraussetzungen eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 198).