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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2012
13. Jahrgang
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Von Priv.-Doz. Dr. Michael Lindemann / Wiss. Mit. Thomas Wostry[*]
Die ärztliche Tätigkeit ist nicht nur durch medizinische, sondern auch durch organisatorische Anforderungen geprägt [1] – zwei Felder, auf denen der Arzt jeweils einem eigenständigen straf- und zivilrechtlichen Haftungsrisiko unterliegt.[2] In der Gesamtschau nach wie vor eher selten,[3] jedoch zuletzt mit zunehmender Tendenz[4] sehen sich Ärzte in Strafverfahren mit dem Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung oder Tötung konfrontiert. Nachdem der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2003
einen Fall gravierender Pflichtverletzungen organisatorischer und medizinischer Art im Bereich der stationären operativen Nachsorge zu entscheiden hatte,[5] war Gegenstand der aktuellen Entscheidung HRRS 2011 Nr. 978 ein ärztlich-organisatorisches Fehlverhalten im Rahmen der ambulanten postoperativen Patientenversorgung. Beide Fälle gaben dem BGH Anlass zur Erörterung der Vorsatzfrage, weisen darüber hinaus jedoch noch weitere Berührungspunkte auf: Der Entscheidung BGH HRRS 2011 Nr. 978 lag ebenso wie dem vorausgegangenen Judikat sowohl medizinisches wie organisatorisches Fehlverhalten zugrunde, und auch in der aktuellen Entscheidung standen besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen des angeklagten Arztes im Raum. Während jedoch im Bereich stationärer Krankenbehandlung regelmäßig die Zuständigkeit für wirtschaftlich-organisatorische Entscheidungen von der kurativen Kompetenz getrennt ist,[6] zeigt sich in der ambulanten medizinischen Praxis ein uneinheitliches Bild. So kann einerseits Kompetenzpluralität für medizinische Versorgungszentren konstatiert werden, andererseits gibt es zahlreiche Praxisstrukturen, bei denen medizinische und organisatorische Leitung in Personalunion wahrgenommen werden.
Die beiden eingangs erwähnten höchstrichterlichen Entscheidungen lassen eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Grundlagen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für organisationsbedingte Behandlungsfehler im Rahmen ambulanter und stationärer Operationstätigkeit angezeigt erscheinen. Für eine vergleichende Erörterung der in diesem Kontext geltenden organisatorischen und medizinischen Sorgfaltsanforderungen spricht zunächst, dass deren (dokumentierte) Beachtung es dem verantwortlichen Arzt erleichtern dürfte, dem Verdacht eines (fahrlässigen oder gar vorsätzlichen) Fehlverhaltens zu begegnen. Darüber hinaus beugt eine möglichst präzise Bestimmung der in Rede stehenden Sorgfaltspflichten der allfälligen Gefahr vor, dass das ärztliche Verhalten unter dem Eindruck eines schwerwiegenden Schadensereignisses aus der ex post-Perspektive einer unangemessen strengen Beurteilung unterzogen wird.[7] Schließlich fördert eine Skizzierung des Katalogs organisatorischer und medizinischer Pflichten die Herausbildung von Risiko-Management-Strukturen, die letztlich allen behandelten Patienten zugute kommen. Spätestens seit dem sog. "Schwarze Kassen"-Urteil des Bundesgerichtshofs[8] ist überdies bekannt, dass die Rechtsprechung aus bestehenden Compliance-Regelungen rechtliche Folgerungen ableitet.[9] Vor diesem Hintergrund soll die nachfolgende Untersuchung auch zur Bestimmung der Bedeutung von Compliance-Strukturen im Bereich der strafrechtlichen Arzthaftung beitragen.
Zur Einführung in das Problemfeld sollen allerdings vorab Sachverhalt und Gründe der Entscheidung HRRS 2011 Nr. 978 einer knappen Bewertung und Einordnung unterzogen werden. Der zunächst im März 2006 vom LG Berlin[10] entschiedene Ausgangsfall weist gleich zwei relevante Handlungsabschnitte auf, an die für eine strafrechtliche Bewertung angeknüpft werden kann: die Durchführung der Operation und das Verhalten des Arztes in der postoperativen Phase.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen hatte der angeklagte Chirurg, der in der von ihm betriebenen Tagesklinik plastische chirurgische Eingriffe durchführte, eine komplexe mehrstündige Operation an einer 49jährigen Patientin[11] vorgenommen, dabei allerdings die im Aufklärungsgespräch zugesagte Hinzuziehung eines Anästhesisten unterlassen. Während des Eingriffs, der unter einer vom Angeklagten gesetzten Periduralanästhesie durchgeführt wurde, kam es zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand der Patientin. Durch die Reanimation und anschließende (grob behandlungsfehlerhafte) Versorgung gelang es dem Angeklagten, die Patientin zu stabilisieren; diese erlangte jedoch das Bewusstsein nicht wieder. Die dringend gebotene Verlegung der (transportfähigen) Patientin auf eine Intensivstation veranlasste der Angeklagte erst sechs Stunden später und selbst dann nicht mit der gebotenen Dringlichkeit. Die Patientin verstarb knapp zwei Wochen später im Krankenhaus an den Fol-
gen einer globalen Hirnsubstanzerweichung. Wann genau die irreversible, zum Tode führende Hirnschädigung eingetreten war, konnte nicht sicher geklärt werden; fest steht hingegen, dass die Patientin bei einer sofortigen Verlegung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt, zumindest eine nicht unerhebliche Zeit länger gelebt hätte.
Das LG Berlin verurteilte den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und erkannte darüber hinaus auf ein vierjähriges Berufsverbot (§ 70 StGB) als niedergelassener Chirurg, Sportmediziner und Arzt im Rettungsdienst. Auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers (des Ehemannes der verstorbenen Patientin) hob der 5. Strafsenat des Bundesgerichthofs das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen auf; davon ausgenommen blieben u.a. die Feststellungen zu den objektiven Tatumständen und zu deren Verwirklichung durch den Angeklagten als Körperverletzung mit Todesfolge.
Den Umstand, dass der Angeklagte zunächst im Rahmen der Patientenaufklärung, in deren Zuge die Patientin auch ihre schriftliche Einwilligung in Eingriff und Anästhesie erteilte, wahrheitswidrig angegeben hatte, ein Anästhesist werde den operativen Eingriff begleiten, wertete der Senat unter Hinweis auf die sog. "Gammastrahlen-Entscheidung"[12] als Aufklärungsmangel.[13] Der Angeklagte habe es jedenfalls unterlassen, auf die medizinische Notwendigkeit der Anwesenheit eines Anästhesisten bei der Operation hinzuweisen.[14] Der Senat führt sodann weiter aus, mit dem Wegfall der Einwilligung sei der Eingriff durch den Angeklagten als Körperverletzung zu werten.[15] Dies ist dogmatisch jedenfalls unscharf formuliert, wird doch – wie auch die vorliegende Entscheidung durch erneuten Verweis auf BGHSt 43, 306 (308) belegt – in ständiger Rechtsprechung jeder ärztliche Heileingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung bewertet.[16] Folglich kann es für die "…Bewertung des Eingriffs als Körperverletzung"[17] nicht darauf ankommen, ob die Einwilligung der Patientin vorlag.
Nach Auffassung des Senats liegt der Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Strafbarkeit des Operateurs wegen versuchten Totschlags nicht – wie vom LG Berlin angenommen – darin, dass der Patientin zunächst eine mangelhafte Anästhesie und nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand eine unzureichende Reanimationsleistung zuteil wurde, sondern in der unterlassenen sofortigen Einleitung von Intensivrettungsmaßnahmen ("zerebrale Reanimation") im Nachgang der Wiederbelebungsbemühungen.[18] In dieser – für den Angeklagten bedeutsamen (§ 13 Abs. 2 StGB) – Unterscheidung zeigt sich, dass die hinlänglich bekannte Frage nach der Abgrenzung von Tun und Unterlassen ein das Medizinstrafrecht nach wie vor beherrschender Aspekt ist.[19] Hier lag der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nach dem Dafürhalten des Senats in der zeitlich deutlich nachgelagerten unterlassenen Rettungseinleitung.[20]
An die Verortung des tatbestandlichen Verhaltens knüpfen Fragen des Vorsatzes an. Der Senat bemängelt zunächst die Lückenhaftigkeit der landgerichtlichen Feststellungen zuungunsten des Angeklagten.[21] Das LG Berlin habe den Tötungsvorsatz des Angeklagten aus einer einseitigen Betrachtung gewonnen und lediglich aus "Vertuschungshandlungen" das Motiv hergeleitet, die Aufdeckung des eigenen ärztlichen Fehlverhaltens zu verhindern. Gegenläufige Umstände, die zu einem Vorsatzausschluss mangels voluntativer Komponente hätten führen können, habe das Tatgericht hingegen nicht berücksichtigt. Der Revision sei darin zuzustimmen, dass ein rational verankerter Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Angeklagten und dem angenommenen Motiv der Verschleierung vorausgegangener Fehler schwerlich bestehen könne. So sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass der Umstand einer mängelbehafteten Operation im Rahmen einer späteren Obduktion der Patientin nicht zu verbergen gewesen wäre; ferner lasse das Verhalten des Angeklagten den Schluss zu, dass er eine Rettung der Patientin noch für möglich gehalten habe, und schließlich hätte auch die vom Landgericht im Rahmen der Prüfung niedriger Beweggründe
konstatierte "Eigenüberschätzung und Verbohrtheit" des Angeklagten als mögliches Handlungsmotiv in Betracht gezogen werden müssen. Die Annahme, das dem Angeklagten vorgeworfene Verhalten sei von einem Eventualvorsatz getragen gewesen, finde daher in den tatgerichtlichen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand keine hinreichende Stütze.[22]
Lediglich auf den ersten Blick erscheint paradox, dass daneben auch die Revision des Nebenklägers (begrenzten) Erfolg hatte, mit der dieser eine Verurteilung wegen versuchten Mordes anstrebte: Der Senat weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass nach der Bejahung des Tötungsvorsatzes durch das Landgericht mit Blick auf die Vertuschung der zuvor begangenen Körperverletzung die Erörterung von Verdeckungsabsicht i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB nahe gelegen hätte.[23] Hier hatte sich die Lückenhaftigkeit der landgerichtlichen Feststellungen mithin (vorläufig) zugunsten des Angeklagten ausgewirkt.[24] Die Bedeutung präziser Feststellungen zum subjektiven Umstand erhellt auch aus dem ergänzenden Hinweis des Senats, dass nach ständiger Rechtsprechung[25] bereits die Möglichkeit eines schon im Laufe der Reanimationsanschlussbehandlung gefassten bedingten Tötungsvorsatzes der Verurteilung gemäß §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB entgegenstünde.[26]
Auch wenn der Senat im Fall HRRS 2011 Nr. 978 deutliche Zurückhaltung bei der Zuschreibung des Tötungsvorsatzes erkennen lässt und überdies auf die Geltung des Zweifelssatzes hinweist,[27] dürfte allein die Möglichkeit, sich in einem Strafverfahren gegen den Vorwurf des Totschlags oder gar des Mordes verteidigen zu müssen, in der Ärzteschaft für einige Verunsicherung sorgen. Nimmt man hinzu, dass bereits das Ruchbarwerden eines entsprechenden Verdachts erhebliche wirtschaftliche und soziale Nachteile für den betroffenen Mediziner mit sich bringen kann,[28] so geraten organisatorische Maßnahmen der Risikovorsorge in den Fokus, deren Implementierung nicht nur zu einer effektiveren Gefahrabschirmung beitragen könnte, sondern für den Fall, dass es dennoch zu einem schädigenden Ereignis kommt, auch der Annahme eines strafrechtlichen Anfangsverdachts gemäß § 152 Abs. 2 StPO entgegenstehen könnte. Während die Relevanz eines umsichtig konzipierten und im Praxisalltag "gelebten"[29] Compliance-Systems für die Feststellung eines Sorgfaltspflichtverstoßes i.S.d. §§ 222, 229 StGB gleichsam auf der Hand liegt, bedarf ihre Berücksichtigung im Rahmen der – für die Entscheidung HRRS 2011 Nr. 978 zentralen – Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts eingehenderer Erörterung.
Schon lange wird in der Praxis nicht mehr um den "richtigen" Vorsatzbegriff gerungen. Stattdessen dominiert in den Revisionsentscheidungen – kaum dass die bekannte Formel vom "billigenden Inkaufnehmen" verklungen ist – eine Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Feststellungen, welche die Annahme einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung tragen.[30] Entsprechend weist der Senat auch im Fall HRRS 2011 Nr. 978 darauf hin, dass der Vorsatz des Täters im Wege einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände zu beurteilen ist.[31] Mit dieser Prämisse ist eine Suche nach Indizien angesprochen, die auch Bemühungen des Täters um eine Abwendung des tatbestandlichen Erfolges einzubeziehen hat;[32] schließlich obliegt es dem Richter, die den Vorsatz
als naheliegend kennzeichnenden Anhaltspunkte in gleichem Maße zu berücksichtigen, wie jene Umstände, die den Vorsatz in Frage stellen können.[33] Soweit dem Angeklagten im Fall HRRS 2011 Nr. 978 Charakterzüge der "Eigenüberschätzung und Verbohrtheit" zugeschrieben werden, dürfte es sich allerdings – so ist jedenfalls zu hoffen – um eine Sonderkonstellation handeln, so dass entsprechende Überlegungen kaum als allgemeine Arbeitsgrundlage für die Beurteilung arztstrafrechtlich relevanter Sachverhalte dienen können.[34] Und obwohl durchaus einiges dafür spricht, bei der Beurteilung schädigender Behandlungsverläufe zunächst zu unterstellen, das ärztliche Handeln sei grundsätzlich von einer am Patientenwohl orientierten Willenslage getragen gewesen,[35] findet diese Ausgangshypothese jedenfalls keine ausdrückliche Erwähnung in den Gründen der Entscheidung des 5. Strafsenats.[36]
Berücksichtigt man, dass regelmäßig auch die objektive Gefährlichkeit einer Handlung für die Vorsatzbetrachtung herangezogen wird,[37] so liegt es nahe, gerade in der – im Fall HRRS 2011 Nr. 978 freilich nicht im Ansatz erkennbaren – Etablierung der Schadensvermeidung dienender organisatorischer Strukturen eine Gegenanzeige für die billigende Inkaufnahme von Rechtsgutsverletzungen zu sehen. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die herrschende Auffassung für den Vorsatz im Bereich der Tötungsdelikte die Überschreitung einer "Hemmschwelle" voraussetzt,[38] dürfte in einem die organisatorischen Vorgaben zur effektiven Abschirmung medizinischer Risiken konkretisierenden Verhalten des Arztes ein gewichtiges Indiz gegen den Tätervorsatz zu sehen sein.[39] Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass für eine Verurteilung des Angeklagten ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit verlangt wird, das "vernünftige und nicht bloß auf denktheoretischen Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht aufkommen lässt".[40] Vernünftige Zweifel werden sich jedoch gerade dann einstellen, wenn die Organisationsstrukturen, aus denen heraus behandelt wird, die aus der haftungsrechtlichen Rechtsprechung destillierten Sorgfaltsanforderungen abbilden und der Nachweis erbracht wird, dass sie in der täglichen Praxis "gelebt werden".[41]
Mit Blick auf die Bedeutung organisatorischer Maßnahmen der Risikovorsorge für die Vorsatzfeststellung im Arztstrafrecht ist nach alldem festzuhalten: Legt eine medizinische Einrichtung in Handlungsanweisungen Sorgfaltsstandards medizinisch-organisatorischer Art nieder, so darf unterstellt werden, dass dieses Vorgehen gerade auf die Vermeidung straf- und haftungsrechtlich relevanter Erfolge ausgerichtet ist.[42] Ist sodann auch das Verhalten des behandelnden Arztes erkennbar von dem Bemühen geleitet, den abstrakt festgelegten Handlungsanweisungen zu entsprechen, so offenbart sich hierin wiederum der Wille, einen schädigenden Erfolg nach Möglichkeit zu vermeiden. In der Terminologie des Strafrechts: Der Handelnde vertraut fest darauf, dass sein Verhalten nicht zum tatbestandlichen Erfolg führen werde. Indes kann es damit nicht sein Bewenden haben, ist doch für die Kontraindikation des Vorsatzes zudem erforderlich, dass der Täter berechtigt auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut hat; die Annahme des festen Vertrauens muss eine Plausibilitätsprobe bestehen.[43] Die besondere Bedeutung von Compliance-Richtlinien liegt darin, dass sie – sofern das in ihnen festgeschriebene Verhalten dem anerkannten Sorgfaltsstandard entspricht – zugleich eine sachlich fundierte Grundlage dafür bieten, dem Vertrauen auf den ausbleibenden Erfolg die Berechtigung zuzusprechen, selbst wenn durch die ärztli-
che Behandlung im konkreten Fall ein rechtlich missbilligtes Risiko für das Patientenwohl geschaffen wurde.
Das hier vorgestellte Modell wird nicht durch die Überlegung infrage gestellt, dass bei sorgfaltsgemäßem Verhalten schon kein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen wird und sich somit die Frage nach dem Tatbestandsvorsatz gar nicht erst stellt. Denn es sind durchaus Fälle denkbar, in denen der behandelnde Arzt zwar medizinisch sorgfaltswidrig aber gleichwohl in dem Bemühen handelt, organisatorischen Vorkehrungen der Risikovorbeugung zu genügen; dies ist gerade der Standardfall eines "klassischen" Behandlungsfehlers.[44] Ebenso ist die umgekehrte Konstellation vorstellbar.[45]
Während der Begriff "Compliance" im Ausgangspunkt nichts anderes als die Beachtung des geltenden Rechts bedeutet,[46] geht der heutzutage maßgebliche Terminus weit über diesen Ausgangspunkt hinaus.[47] Im Wesentlichen werden vier relevante Kompetenzbereiche unterschieden, die eine Compliance-Struktur ausfüllen: Informationsmanagement, Risikohandhabung, Unternehmens- und Verantwortungsorganisation.[48] Im Folgenden sollen daher diese Bereiche näher auf den in ihnen angelegten – und nach den vorstehenden Ausführungen auch für die strafrechtliche Bewertung relevanten – Beitrag zur Risikovorsorge hin untersucht werden.
Weil das Informationsmanagement primär präventive Maßnahmen zur Vermeidung von informationsbezogenen Haftungsrisiken umfasst, die sich vor allem aus einer asymmetrischen Allokation von Wissen innerhalb der Organisation ergeben,[49] kann es für die Feststellung des Vorsatzes auf den ersten Blick keinen Beitrag leisten. Zwar können Grundsätze der Wissenszurechnung Auskunft darüber geben, ob ein von der Kognition abhängiges Merkmal des objektiven Tatbestandes erfüllt ist (so etwa das Merkmal "Irrtum" im Rahmen des § 263 StGB)[50], nicht jedoch die Vorsatzfrage a limine entscheiden; denn der Vorsatz wird nicht interpersonal zugerechnet.[51] Der Einwand, dass mit einer gut organisierten Wissensverteilung jedenfalls ein Indiz dafür geschaffen werde, dass der Täter den Erfolgseintritt aufgrund seines organisatorisch aufbereiteten Kenntnisstandes für möglich gehalten hat, kann dadurch entkräftet werden, dass dieser Umstand nach ständiger Rechtsprechung gerade nicht für den Vorsatz ausreicht; neben ein "für möglich Halten" tritt stets das voluntative Element des "billigenden Inkaufnehmens", das anderweitig begründet werden muss. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass Wissenszurechnung auch auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes fußt.[52] So kann organisatorischen Standards zur Gewährleistung der Verfügbarkeit und Aktualität von Patienteninformationen auch eine "drittschützende Komponente" dergestalt beigemessen werden, dass deren Einhaltung dazu beiträgt, Gesundheitsrisiken für den Patienten besonders in arbeitsteiligem Behandlungsumfeld zu vermeiden.[53] Ein funktionierendes Informationsmanagement in der operativen Nachsorge wäre daher gerade im Fall HRRS 2011 Nr. 978 besonders wichtig gewesen, in dem der Angeklagte erst mit erheblicher Verspätung und unter Androhung der Herbeiziehung der Polizei die zur Notfallbehandlung erforderlichen Patientenunterlagen übermittelte.[54] Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der betroffene Arzt unter Umständen in einem "Spannungsverhältnis zwischen Selbstbelastungsfreiheit und ärztlicher Kooperationspflicht mit dem Notarzt"[55] befindet; das Interesse an einer effektiven Compliance-Struktur darf vor diesem Hintergrund nicht dazu führen, dass der behandelnde Arzt ein regelrechtes Fehleranerkenntnis leisten müsste.[56] Das Informationsmanagement muss folglich dem Grundsatz der Selbstbe-
lastungsfreiheit Rechnung tragen und kann lediglich die Verfügbarkeit der Patientendokumentation für beteiligte Angehörige anderer Fachrichtungen oder nachfolgende Behandler gewährleisten.[57]
Als aussichtsreiche Kandidaten für die Widerlegung des Vorwurfs eines (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Behandlungsfehlers erscheinen naturgemäß jene Regelungen, die der Risikohandhabung dienen. Geht man allerdings von dem klassischen Verständnis des Risikomanagements aus, so liegt dessen Bedeutung darin, zur Wertsteigerung des Unternehmens "strategische und operative Chancen und Risiken" früh zu erkennen.[58] Insbesondere im Recht der Aktiengesellschaften hat der Gesetzgeber diesbezügliche Vorgaben geschaffen. So gibt das Aktiengesetz in § 91 Abs. 2 dem Vorstand einer AG die Implementierung eines Überwachungssystems zur Erkennung der den Bestand der Gesellschaft gefährdenden Risiken auf,[59] belässt dem Vorstand im Übrigen jedoch vermittels § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG einen Ermessensspielraum zur Unternehmensleitung.[60] Zwar kann im Bereich des Gesundheitswesens auf keine derart spezifische gesetzgeberische Vorgabe zurückgegriffen werden,[61] doch sind die Leistungserbringer nach § 135a Abs. 1 S. 1 SGB V zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet. Die Verpflichtung zur Etablierung des Qualitätsmanagementsystems folgt aus § 135a Abs. 2 SGB V.[62] Die dafür maßgebliche Richtlinie (QM-RL) stellt gemäß § 137 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss auf.[63] In der QM-RL sind neben den Vorgaben zur Qualitätssicherung (§§ 4 ff. QM-RL) auch Vorschriften enthalten, die das Praxismanagement und die Einhaltung des fachlichen Standards (§ 3 QM-RL) als Bestandteile eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements identifizieren.[64] Indes dient das in § 135a SGB V vorgesehene Qualitätsmanagement vornehmlich einer durch Evaluation und Gestaltung bewirkten Steigerung der allgemeinen medizinischen Versorgungsqualität;[65] konkrete organisatorische Vorgaben zur Risikovermeidung macht die QM-RL nicht. Compliance im Gesundheitswesen beruht daher nach wie vor maßgeblich auf dem Bestreben, Haftungsrisiken und strafrechtliche Sanktionen zu vermeiden.[66] Folglich wirken die Tatbestände des Straf- und Haftungsrechts als treibende Kräfte hinter den Compliance-Strukturen, so dass die Etablierung eines Risikomanagements direkt auf die Verhinderung straf- und haftungsrechtlich relevanter Erfolge ausgerichtet ist.[67] Aus der Perspektive der Vorsatzfeststellung betrachtet, kann risikobezogenen Compliance-Regeln mithin durchaus eine gewisse Bedeutung zukommen, wenn und soweit der Beweggrund für die in ihnen festgelegten Regeln gerade der Wille zur Vermeidung straf- und haftungsrechtlich relevanter Erfolge war.
Wird eine Compliance-Struktur auch auf den Bereich der Unternehmensorganisation erstreckt, so geschieht dies zuvörderst um der unternehmerischen Effizienz willen, etwa indem Verhaltensstandards zur Optimierung von Prozessabläufen aufgestellt werden.[68] Dennoch ist zu konstatieren, dass die Organisation des eigenen betrieblichen Umfelds auch bei der Beurteilung strafrechtlicher Verantwortlichkeit einen bedeutsamen Stellenwert erlangt. So haftet etwa der Geschäftsherr[69] bzw. der Compliance Officer[70] als Garant für betriebsbezogene Delikte und gewinnt bereits daraus die Motivation, organisatorische Vorkehrungen zur Erfolgsvermeidung zu treffen. Zu beachten ist allerdings, dass der organisationsbezogene Compliance-Begriff im Bereich der medizinischen Versorgung primär eine organisierte Verteilung von Zuständigkeiten und Verantwortung umfasst, die weniger Verhaltensvorgaben für die konkrete Behandlungssituation vorsieht, sondern vielmehr auf eine zur Fehlervermeidung geeignete Koordination klinischer Abläufe ausgerichtet ist.[71] Dieser Aspekt kann für die Haftung der sog. "patientenfernen Entscheider"[72] aus den Reihen der Leitungsebene des jeweiligen Unternehmens als auch der Ärzteschaft Relevanz entfalten;[73] für die Feststellung des Vorsatzes zum Zeitpunkt der konkreten Handlung (§ 8 Satz 1 StGB) ergeben sich hier regelmäßig keine Anknüpfungspunkte. Anders wird dies nur dann zu beurteilen sein, wenn organisatorische Vorgaben zum Zwecke der Risikovermeidung in Gestalt von Handlungsabläufen aufgestellt werden.[74] Diese Abweichung gegenüber der sog. "Corporate Compliance" ergibt sich daraus, dass der ärztlichen Tätigkeit stets ein gewisses Risiko für den Patienten innewohnt,[75] das durch Organisation vermindert und abgewendet werden kann.
Nach alldem ist zu konstatieren, dass mittlerweile differenzierte gesetzliche Vorgaben zur Einführung eines medizinischen Qualitätsmanagements existieren. Dieses ist jedoch nicht ausschließlich auf die Haftungsvermeidung (und damit implizit auch auf die Erfolgsvermeidung) zugeschnitten. Die Betrachtung der einzelnen Elemente einer herkömmlichen Compliance-Struktur hat ferner deutlich werden lassen, dass insbesondere die Übergänge zwischen Risikohandhabung und betrieblicher Organisation fließend sind.[76] Umso wichtiger erscheint es daher, nach der Ratio der jeweiligen Compliance-Maßnahme[77] zu urteilen: dient sie der Handlungsleitung in der konkreten Behandlungssituation, so kann sie für die Beurteilung eines Behandlungsfehlervorwurfs eine Rolle spielen – werden hingegen rein prozessoptimierende Vorgaben getroffen, so muss das entsprechende Segment als Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche Bewertung ausscheiden. Für das Verhältnis von Compliance-Vorschriften und Vorsatzfeststellung ist festzuhalten, dass dem billigenden Inkaufnehmen des (Körperverletzungs- oder Todes-)Erfolges dann eine vorsatzausschließende Alternativhypothese entgegensteht, wenn das Verhalten des Arztes Ausdruck eines auf aktuellen Sorgfaltsanforderungen gegründeten risikobezogenen Programms ist, welches er nachweislich in seine routinemäßigen Handlungsabläufe übernommen hat. Der in der Compliance-Regelung ex ante manifestierte "Gefahrvermeidungswille" aktualisiert sich, soweit sich der Arzt bestrebt zeigt, in Übereinstimmung mit diesen Regelungen zu handeln. Er bringt damit eine vorab festgelegte Intention zur Abwendung von Rechtsverstößen und Gefahrschaffungen zum Ausdruck.
In einem nächsten Schritt sollen nunmehr die Anforderungen an organisatorisches Verhalten im Bereich ambulanter und stationärer Operationstätigkeit und damit gleichzeitig die den Beschuldigten in einem Arztstrafverfahren potentiell entlastenden "Verhaltensprogramme" skizziert werden.[78]
Bekanntlich schuldet der Arzt im Rahmen der Behandlung den Facharztstandard, der durch den Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft konkretisiert wird.[79] Aus dem Umstand, dass dieser Standard einer ständigen Fortentwicklung unterliegt, folgt eine Pflicht
des Arztes zur Weiterbildung.[80] Zentraler Bestandteil des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements iSd. §§ 135a, 137 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V i.V.m. der QM-RL des Gemeinsamen Bundesausschusses (vgl. § 3 Nr. 1 lit. a QM-RL) ist die Ausrichtung der Patientenversorgung an fachlichen Standards und Leitlinien. Zwar prägen auch die Leitlinien der Medizinischen Fachgesellschaften den Facharztstandard, doch darf sich der Arzt auf diese – trotz des fachlichen Gewichts[81] – angesichts ihres Charakters als bloße Entscheidungshilfen[82] nicht ohne weiteres verlassen.[83] Schon aus diesem Grund reicht es für die Organisation der Behandlungsumgebung unter Compliance-Gesichtspunkten nicht aus, die Leitlinien der Fachgesellschaften unbesehen in die Praxis zu übernehmen. Darüber hinaus geriete eine detaillierte Festlegung des Facharztstandards in einem Compliance-Regelwerk schnell zum gleichermaßen ausufernden wie inhaltsleeren Formalismus. Vor diesem Hintergrund erscheint es vorzugswürdig, organisatorische Maßnahmen dafür zu treffen, dass der Facharztstandard personell und apparativ gewährleistet ist.[84] Ferner ist die Aufklärung des Patienten sicherzustellen[85] und auf die Bereitstellung und Kommunikation von Anweisungen für die Mitarbeiter hinsichtlich der Praxishygiene zu achten.[86] Weiterhin sind organisatorische Vorkehrungen im Bereich der Ausstattung mit diagnostischem und der Behandlung dienendem Gerät und Material zu treffen.[87] Organisatorischen Bemühungen zugänglich ist insbesondere auch die Koordination arbeitsteiliger Behandlungsabläufe.[88] Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche können an der üblichen Unterscheidung von horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung orientiert abgegrenzt werden.[89]
Aus dem zwischen dem Patienten und dem niedergelassenen Arzt zustande gekommenen Behandlungsvertrag[90] ergibt sich auch die Zuständigkeit des behandelnden Arztes für die Praxisorganisation. Er hat (regelmäßig in eigener Person) den Facharztstandard[91] sicherzustellen sowie die bereits angesprochenen Vorkehrungen zur angemessenen apparativen und materiellen Ausstattung zu treffen. Regelmäßig werden diese Anforderungen mit einem gewissen Organisationsaufwand zu bewältigen sein; zu beachten ist allerdings, dass der Patient nicht wie im stationären Bereich durchgängig "verfügbar" ist, so dass eine gewisse Logistik hinsichtlich der Aufklärung und präoperativen Einstellung des Patienten sowie der Koordination des Operationsablaufes erforderlich wird.[92] Auch hier bieten sich klare Regelungen an, die ein Verhalten festlegen, das als Ausdruck berechtigten Vertrauens auf das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolges gewertet werden kann.
Werden ambulante Operationen durchgeführt, so ist besonderes Augenmerk auf den Aspekt der operativen Nachsorge zu legen. Die Organisation der Nachbetreuung ist wesentlicher Bestandteil der Behandlung[93] und obliegt dem behandelnden Arzt.[94] Zwar kann für das ambulante Operieren nicht in gleichem Maße eine apparative Ausstattung für Notfall- und Intensivbehandlungen gefordert werden, wie sie in der stationären Klinik anzutreffen ist.[95] Doch vermag eine Kooperation mit
Einrichtungen, welche dem Facharztstandard entsprechen, und eine entsprechende Patientenaufklärung[96] unter Umständen die Pflicht zur Vorhaltung einer eigenen intensivmedizinischen Ausstattung zu suspendieren. Dieses Modell der "Kooperation statt Apparat" kann besonders bei kleineren Praxiseinheiten Bedeutung erlangen und sollte in jedem Fall in einem Compliance-Regelwerk näher dokumentiert werden.[97] Auf diese Weise imprägniert der zuständige Arzt gleichsam sein Handeln und jenes der Mitarbeiter im Vorhinein mit dem Willen zur Gefahrvermeidung, so dass er im Moment eines Notfalls jedenfalls noch die organisatorischen Abläufe in Gang setzen kann, um die Gesundheitsrisiken für den Patienten zu minimieren.
Nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V können auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen; der Behandlungsvertrag wird zwischen Patient und MVZ geschlossen.[98] MVZ werden in § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V als "fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen" bezeichnet, "in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind". Sie sind ärztlich geleitet (§ 95 Abs. 1 S. 3 SGB V), so dass die den medizinischen Betrieb betreffenden Abläufe von Ärzten festzulegen sind;[99] der ärztliche Leiter des Versorgungszentrums rückt mithin in die Nähe des Ärztlichen Direktors eines Krankenhauses.[100] Weiterhin ist allerdings zu beachten, dass MVZ fachübergreifend tätig sind (§ 95 Abs. 1 S. 2 SGB V),[101] so dass eine Koordination der Verhaltensvorgaben über verschiedene Fachgebiete hinweg, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der apparativen Ressourcen erforderlich werden kann.[102] Die Notwendigkeit einer Koordination ergibt sich weiterhin auch daraus, dass dem ärztlichen Leiter kein fachspezifisches Weisungsrecht gegenüber einer Fachrichtung, der er nicht angehört, eingeräumt wird.[103] Soweit keine Möglichkeit zur Notfallbehandlung vor Ort besteht, ist auch hier wiederum denkbar, dass die wesentlichen Verfahrensschritte im Vorhinein festgehalten werden, um im Ernstfall – etwa mit Blick auf die Einleitung von Rettungsmaßnahmen – durch das eigene Verhalten einen Gefahrvermeidungswillen zu dokumentieren.
Im zunehmend von Sparzwängen und Ärztemangel geprägten Alltag der stationären Patientenversorgung erweist sich vor allem die Pflicht zur durchgehenden personellen Gewährleistung des Facharztstandards als neuralgischer Punkt einer am Gedanken der Risikovorsorge ausgerichteten Organisation der Behandlungsabläufe.[104] Probleme werfen in diesem Zusammenhang etwa die schrittweise Heranführung von Berufsanfängern an die eigenverantwortliche Durchführung von Operationen (sog. Anfängeroperation), die Delegation anästhesiologischer (Teil-)Leistungen auf nichtärztliches Personal (sog. Parallelnarkose) und die Sicherstellung des Facharztstandards im Nacht- und Wochenendbetrieb (bedeutsam etwa bei der Frage nach der Zulässigkeit fachübergreifender Bereitschaftsdienste) auf.[105] Gemeinsam ist den vorerwähnten Problemfeldern, dass die Konturen eines angemessenen Risikomanagements im Wege einer Interessenabwägung zu bestimmen sind, in die auf der einen Seite stets die Gefahren für die körperliche Integrität der Patienten und auf der anderen Seite als berechtigt anzuerkennende Interessen der Institution respektive der in das Behandlungsgeschehen involvierten Ärzte und der Allgemeinheit einzustellen sind.[106] Während danach etwa bei der sog. Anfängeroperation das Interesse der Allgemeinheit an der praktischen Ausbildung des medizinischen Nachwuchses die Eingehung kontrollierter Risiken in Abhängigkeit vom Ausbildungsgrad des Assistenzarztes und der Schwierigkeit des in Rede stehenden Eingriffs zu legitimieren vermag,[107] erscheint bei der sog. Parallelnarkose größere Zurückhaltung angebracht,[108] und eine
fachübergreifende Organisation des Bereitschaftsdienstes stößt angesichts der Gefahr von Diagnosefehlern des fachfremden Arztes, der bestimmte Symptome unter Umständen gar nicht erkennt oder fehldeutet, auf durchgreifende Bedenken.[109] Flankierend sollten zu den Maßnahmen zur organisatorischen Sicherstellung des Facharztstandards nach Möglichkeit Instrumente des Risiko-Managements und -Controllings[110] hinzutreten, zu denen etwa Systeme der Fehlermeldung (sog. Critical Incident Reporting System, kurz CIRS[111]) sowie der Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA[112] ) zählen. Empirische Studien belegen eine zunehmende Verbreitung entsprechender Ansätze in der deutschen Kliniklandschaft, zeigen jedoch auch nach wie vor bestehenden Optimierungsbedarf auf.[113] Vor diesem Hintergrund sieht der Entwurf eines Patientenrechtegesetzes ein Maßnahmenbündel vor, welches einen weiteren Ausbau von Maßnahmen der Qualitätssicherung fördern soll.[114]
Anders als die Praxis der zivilrechtlichen Arzthaftung, die seit jeher auch den Krankenhausträger in den Blick nimmt und diesen für Pflichtverletzungen von Organen, Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen (vgl. §§ 278, 931, 31, 89 BGB) sowie für eigenes Organisationsverschulden (§ 823 Abs. 1 BGB) in Anspruch nimmt,[115] konzentriert sich die strafrechtliche Aufarbeitung von Behandlungsfehlern im stationären Kontext bislang überwiegend auf die "patientennahe" Behandlungsebene und blendet ein etwaiges Organisationsverschulden der "patientenfernen" nichtärztlichen Leitungsebene des Krankenhauses regelmäßig aus.[116] Ungeachtet der eingangs erwähnten grundsätzlichen Trennung von kurativer und organisatorisch-wirtschaftlicher Kompetenz im Krankenhaus[117] ließen sich hier durchaus Ansatzpunkte für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsleitung bzw. der Geschäftsführung finden, wenn sich ein durch organisatorische Missstände geschaffenes Risiko für die Patientensicherheit in einem schädigenden Behandlungsverlauf realisiert hat.[118] Der Prüfung im Einzelfall bedürfte dann allerdings, ob und inwieweit der Geschäftsleiter die für eine Einschätzung der Schadensträchtigkeit der Organisationsstruktur erforderlichen medizinischen Kenntnisse und Informationen besaß; erleichtert würde der Nachweis durch nachdrückliche (und dokumentierte) Hinweise der ärztlichen Leitung auf den Ernst der Lage.[119]
Während in der eingangs skizzierten Entscheidung HRRS 2011 Nr. 978 zu Recht die besonderen Umstände des Falles Berücksichtigung gefunden haben, kann in der überwiegenden Zahl derjenige Sachverhalte, in denen ein
Fehlverhalten von Ärzten und organisatorisch Zuständigen in Rede steht, der Implementierung von Compliance-Regeln durchaus Bedeutung bei der Beurteilung möglicher Behandlungsfehler zukommen. Ist der handelnde Arzt bestrebt, Vorgaben des Risikomanagements umzusetzen, so äußert sich darin sein Vertrauen auf das Ausbleiben strafrechtlich relevanter Erfolge. Dieses Vertrauen ist berechtigt, wenn und soweit die in Rede stehenden Instrumente die im Arzthaftungsrecht etablierten Sorgfaltsstandards abbilden. Fehlen Compliance-Regeln, so bleibt lediglich die Bewertung der übrigen tat- und täterbezogenen Umstände. Mittlerweile haben sich Rahmenvorgaben und Anwendungsmodelle für das ärztliche Qualitätsmanagement etabliert; diese sind jedoch nicht allein auf Risikovermeidung angelegt. Mithin ist das Strafrecht weiterhin eine treibende Kraft für die Compliance. Die Zuständigkeit für die Regelung des Behandlungsgeschehens und -umfeldes ist abhängig von der Organisationsform der ärztlichen Tätigkeit, so dass im Rahmen fachübergreifender Zusammenarbeit eine Koordination bei der Erstellung und Fortentwicklung von Verhaltensvorgaben erforderlich ist.
[*] Privatdozent Dr. Michael Lindemann ist Akademischer Rat a.Z. an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht, Prof. Dr. Helmut Frister. Thomas Wostry ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Lehrstuhl.
[1] Vgl. Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht (2011), Kapitel 1 Rn. 113.
[2] Zu den damit verbundenen Problemen der Haftpflichtversicherung in risikoträchtigen Fachbereichen Katzenmeier MedR 2011, 201 ff.; Schlösser MedR 2011, 227 ff.; s. auch Petry Der Gynäkologe 43 (2010), 257 ff.
[3] Knauer/Brose, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht (2011) § 212 Rn. 14.
[4] H.Wostry, in: RPMED 7/2011, Nr. 1, abzurufen unter: http://www.rpmed.de/pdf/newsletter/Newsletter-7-2011-Beitrag-1.pdf.; siehe auch Kudlich NJW 2011, 2856; zu den "patientenfernen Entscheidern" in diesem Zusammenhang vgl. Kudlich/Schulte-Sasse NStZ 2011, 241 ff.
[5] Vgl. BGH NStZ 2004, 35.
[6] Eingehend zu den Organisations- und Leitungsstrukturen im Krankenhaus Bergmann et al. in Bergmann/Kienzle (Hrsg.), Krankenhaushaftung, 3. Auflage (2010), Teil D Rn. 171 ff.
[7] Empirisch gut belegt ist etwa der sog. Rückschaufehler, der darin besteht, dass die Vorhersehbarkeit eines tatsächlich eingetretenen Schadens auf der Grundlage des ex post verfügbaren Wissensstandes systematisch überschätzt wird. Zur Bedeutung dieses Phänomens für die Beurteilung medizinischer Behandlungsfehler vgl. Arkes/Schipani Oregon Law Review 73 (1994), 587, 591 ff.
[8] BGHSt 52, 323 ff. = HRRS 2008 Nr. 1100. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass es sich bei den Compliance-Vorschriften (welche die verfahrensgegenständlichen korruptiven Praktiken ausdrücklich untersagten) um bloße "Fassade" gehandelt habe; der Senat ließ dieses Argument indes unter Hinweis auf die Feststellungen der Vorinstanz nicht gelten, vgl. BGHSt 52, 323, 335. Dies verwundert, wenn man bedenkt, dass das LG Darmstadt (Urteil v. 14.05.2007, Az. 712 Js 5213 04, Juris, dortige Rn. 175) jedenfalls im Rahmen der Anordnung des – später vom BGH aus rechtlichen Gründen aufgehobenen – Wertersatzverfalls von 38 Mio. € zu Lasten der Siemens AG feststellte, dass "[…]die Bestechungszahlungen auch dadurch ermöglicht wurden, dass die S. AG außer der schriftlichen Ermahnung zur Einhaltung der Compliance-Vorschriften in der damaligen Zeit keine sich aufdrängenden wirksamen Maßnahmen zur Unterbindung der Bildung oder Aufdeckung von schwarzen Kassen und von Bestechung getroffen hat". Ungeachtet dieser leichten Unstimmigkeiten erscheint jedenfalls der Schluss gerechtfertigt, dass Compliance-Vorschriften – sofern sie nicht als "Fassade" enttarnt werden – Ausstrahlungswirkung für die strafrechtliche Beurteilung zukommen soll; vgl. dazu auch Grützner BB 2012, 150, 152.
[9] Vgl. dazu etwa Rau, Compliance und Unternehmensverantwortlichkeit, Diss. iur. (2009), S. 81 ff., die das Handeln des Täters in Kenntnis der Compliance-Anforderungen zur Grundlage einer "Schlussfolgerung auf den Vorsatz" (aaO. S. 82) machen will.
[10] LG Berlin, Urteil v. 01.03.2010, Az.: (535) 1 Kap Js 721/06 Ks (15/08).
[11] Konkret: Eine Bauchdeckenstraffung, verbunden mit einer Fettabsaugung, Entfernung einer Blinddarmoperationsnarbe und Versetzung des Bauchnabels.
[12] BGHSt 43, 306, 309.
[13] BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 21. Allgemein zu den Anforderungen an die ärztliche Aufklärung vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage (2009), Kapitel V Rn. 1 ff.; aus strafrechtlicher Sicht Frister/Lindemann /Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 20 ff. In der "Gammastrahlen-Entscheidung" ging es um eine Fallkonstellation, in der eine Strahlenbehandlung nicht der lex artis entsprach, und aus diesem Grund die Einwilligung keine rechtfertigende Kraft im Hinblick auf die nicht der medizinischen Kunst entsprechende überdosierte Bestrahlung entfaltete, vgl. BGHSt 43, 306, 309. Nach der durch den Senat in Bezug genommenen Sachverhaltsschilderung des LG Berlin lag der Aufklärungsmangel vorliegend hingegen darin, dass der Angeklagte "…der Wahrheit zuwider zu[gesichert hatte], dass am Tag der Operation ein Anästhesist zugegen sein werde" (vgl. die Wiedergabe durch den BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 5). Dies deutet eher auf einen Wegfall der rechtfertigenden Wirkung der Einwilligung wegen Täuschung hin (vgl. dazu BGHSt 16, 309, 310; BGH NStZ 2004, 442 = HRRS 2004 Nr. 193; Frister/Lindemann/Peters [o. Fn. 1 ], Kapitel 1 Rn. 17 ff.). Auch Kraatz NStZ-RR 2012, 1, 3 stellt in seiner Besprechung auf die Täuschung des Arztes ab.
[14] BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 21.
[15] BGH a.a.O.
[16] Vgl. dazu Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 1 ff.
[17] BGH a.a.O.
[18] Vgl. BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 28 f.
[19] Dazu Frister, in: FS Samson, 2010, S. 19 ff.; siehe auch Dölling ZIS 2011, 345 ff.; Hirsch JR 2011, 37 ff., ergänzend Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 155.
[20] So auch Sternberg-Lieben/Reichmann, MedR 2012, 97, 99. Siehe zu dieser Fragestellung auch die Anmerkung von Kudlich NJW 2011, 2856, 2857 f., der aus objektiver Perspektive auch die Durchführung einer "[...]komplexen Operation mit schwieriger Narkosesituation unter defizitären Umständen" (a.a.O.) als den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in Betracht zieht, diesen Ansatzpunkt jedoch aufgrund des fehlenden Tötungsvorsatzes für diesen Teilabschnitt verwirft.
[21] Krit. zur Konturlosigkeit und mangelnden Prognostizierbarkeit des Zugriffs der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung auf Feststellungen und Beweiswürdigung der Tatgerichte Barton, in: FS Fezer (2008), S. 333 ff.
[22] Vgl. zum Vorstehenden BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 22 ff.
[23] Vgl. BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 32 ff. Zur Relevanz von Indizien im Hinblick auf das Merkmal der Verdeckungsabsicht vgl. BGH NJW 2011, 2223 m. Anm. Brand NStZ 2011, 698 ff.; Theile ZJS 2011, 405, 407, der nachgängigen Indizien ein höheres Gewicht in Bezug auf die Verdeckungsabsicht einräumt.
[24] Vgl. dazu Kudlich NJW 2011, 2856, 2857; Lindemann, in: Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV/Institut für Rechtsfragen der Medizin Düsseldorf (Hrsg.), Brennpunkte des Arztstrafrechts (2012), im Erscheinen.
[25] Gemeinhin wird hier argumentiert, allein das Hinzutreten der Verdeckungsabsicht als eines weiteren Tötungsmotivs mache die zuvor begangenen Einzelakte nicht zu einer anderen Tat; vgl. BGH NStZ 2002, 253, 254; 2003, 259, 260; BGH, Urteil vom 14.12.2006 – 4 StR 419/06 –, Juris Rn. 11, insoweit in NStZ-RR 2007, 111 = HRRS 2007 Nr. 89 nicht abgedruckt.
[26] Vgl. BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 37 unter Hinweis auf Fischer, StGB, 58. Auflage (2011), § 211 Rn. 72 f., welcher der in Rede stehenden Rechtsprechungslinie allerdings selbst kritisch gegenübersteht. Siehe zum Vorstehenden erneut Lindemann (o. Fn. 24 ).
[27] Krit. Kudlich NJW 2011, 2856, 2858, der in Situationen, in denen – wie hier – zur Untätigkeit des Arztes in gefahrgeneigter Situation Handlungen zur Vertuschung eigenen Fehlverhaltens hinzutreten, durchaus einen "beherzteren" strafrechtlichen Zugriff für denkbar erachtet.
[28] Dazu etwa Bergmann, in: FS Krämer (2009), S. 107, 113; Lilie/Orben ZRP 2002, 154, 156 ff.; Peters MedR 2003, 219, 221; zu aktuellen Fällen mit besonderem Augenmerk auf ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften H. Wostry, in: Lindemann/Ratzel (Hrsg.), Brennpunkte des Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen (2010), S. 55 ff.
[29] Dass eine Compliance-Struktur nicht nur auf dem Papier bestehen darf, sondern auch "gelebt" werden muss, um einen haftungsvermeidenden Effekt zu entfalten, wird etwa auch von Spindler, in: BeckOK-BGB (Stand: 01.03.2011), § 823 Rn. 710 hervorgehoben.
[30] Vgl. Hassemer, in: GS Armin Kaufmann (1989), S. 289, 306; siehe auch Frisch, in: GS Karlheinz Meyer (1990), S. 533, 550, der für die Wissenschaft den entgegengesetzten Befund konstatiert; vgl. auch Vest ZStW 103 (1991), 584 ff., der die Rückwirkung von Beweisschwierigkeiten auf das materielle Recht untersucht. Krit. zu einer "Theorie der Vorsatzindikatoren" ohne konkrete Erläuterung des materiellen Vorsatzbegriffs aber Puppe, GA 2006, 65, 75, und insb. 78 f.
[31] BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 23. Zu dem zugrunde liegenden Verfahren der vorsatzbegründenden Hypothesenbildung durch Ausschluss gegenläufiger Alternativhypothesen vgl. Schneider, in: MünchKomm-StGB, 1. Aufl. (2003), § 212 Rn. 46; Heinke NStZ 2010, 119, 123 f.; ferner Frisch, in: GS Karlheinz Meyer (1990), S. 533, 555 Fn. 98.
[32] Vgl. auch Vogel, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2007), § 15 Rn. 65, der "Gefahrvermeidebemühungen" anspricht, sich freilich auf die konkrete Tatsituation bezieht. Ausgeklammert bleibt damit die hier erörterte Frage, ob vorgefasste Organisationsstrukturen in die Tatsituation vorsatzrelevant hineinwirken.
[33] BGH NStZ 2001, 475, 476.
[34] So auch Kudlich NJW 2011, 2856, 2858. Vgl. aber auch den Fall VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 16.01.2012 – 7 L 11/12 –, Juris: Erfolgreicher Antrag einer wegen Totschlags angeklagten Ärztin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Anordnung des Ruhens der Approbation. Das Gericht sah zwar gewisse Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihr Können im Hinblick auf Risikogeburten überschätze; dies begründe jedoch nicht ohne Weiteres die Unzuverlässigkeit für den Arztberuf.
[35] Dazu Kraatz NStZ-RR 2012, 1, 3; Kudlich NJW 2011, 2856, 2857; BSG MedR 2011, 456, 460 zu § 1 OEG; in der Tendenz ebenso BGH NStZ 2004, 35, 36: "Allerdings wird die Annahme, dass die Art und Weise der Behandlung eines Patienten durch einen Arzt nicht am Wohl des Patienten orientiert war, auch bei medizinisch grob fehlerhaftem Verhalten des Arztes häufig fernliegen, so dass die ausdrückliche Erörterung der Frage, ob der Arzt den Patienten vorsätzlich an Leben oder Gesundheit geschädigt hat, nur unter besonderen Umständen geboten ist".
[36] BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 22 ff. Ebenso wohl (mit zw. Verweis auf BGH NStZ 2004, 35) OLG Bamberg NJOZ 2010, 2385, 2386, wenn dort davon abgesehen wird, "…zu Gunsten des Angekl. von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat".
[37] Vgl. BGH NStZ 2009, 629, 630 = HRRS 2009 Nr. 724; NStZ-RR 2012, 77 ff.; Steinberg JZ 2010, 712 ff., insb. 715 ff. mwN.
[38] Vgl. BGH NStZ 1983, 407; StV 1984, 187 f.; BGHSt 36, 1, 15 sowie Frister, Strafrecht AT, 5. Aufl. (2011), Rn. 11/29 mwN.; krit. Verrel NStZ 2004, 309 ff. mit dem Vorschlag, fallgruppenspezifisch zu argumentieren.
[39] Vgl. in ähnlicher Stoßrichtung auch Ragués GA 2004, 257, 268 f. mit dem Hinweis auf die Unterscheidung zwischen "spezifisch geeigneten Verhaltensweisen, um bestimmte Erfolge zu erzielen" und solchen, die "in der gesellschaftlichen Wertung nicht unbedingt mit dem Eintreten[des Erfolges, die Verf.]verbunden sind" (aaO. S. 269).
[40] BGH NStZ 2010, 102, 103 = HRRS 2009 Nr. 948; so auch BGH, Urteil vom 4.12.2008 – 4 StR 371/08 –, Juris Rn. 9 = HRRS 2009 Nr. 206. Vgl. ferner Stuckenberg, in: KMR, (19. April 1999), § 261 Rn. 23 ff.; siehe ebenfalls BGH NStZ 2004, 35, 36.
[41] Vgl. auch den Vorschlag von Kleb-Braun JA 1986, 310, 318, die "Risikoverantwortlichkeit des Täters[…]durch eine spezifisch strafrechtliche Ausprägung der diligentia quam in suis bei unbedingtem Erfolgsvermeidungswunsch systemgerecht zu erfassen". Diese Initiative weist in die Richtung, das Täterverhalten auf seine Plausibilität hinsichtlich des "Erfolgsvermeidungswunsches" zu untersuchen. Siehe ferner das Resümee bei Köhler JZ 1981, 35, 36, wonach es für den Beweis des dolus eventualis darauf ankomme, dass "alle Erfahrungsregeln für den Eintritt der tatbestandlichen Verletzung sprechen". Dass gerade sozialtypisches Handeln den fehlenden Vorsatz untermauern könne, klingt auch bei Philipps ZStW 85 (1973), 27, 34 an; vgl. auch Prittwitz JA 1988, 486, 488 ff. zu weiteren Ansätzen im Umfeld von "Vorsatz und Risiko".
[42] Vgl. etwa Hauschka, in: ders. (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. (2010), § 1 Rn. 24: "Anders formuliert heißt das Ziel Einhaltung des allgemein geltenden Rechts, vor allem des Strafrechts".
[43] Vgl. die Nachweise in Fn. 40 .
[44] Da die zahlreichen Fälle hier naturgemäß nicht skizziert werden können vgl. die Übersicht bei Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl. (2009), Kapitel B Rn. 34.
[45] Übersicht wiederum bei Geiß/Greiner (o. Fn. 44 ), Kapitel B Rn. 18 ff.
[46] Vgl. Hauschka (o. Fn. 42 ), § 1 Rn. 21.
[47] Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. (2011), § 109 Rn. 1; Gebauer/Kleinert, in: Krieger/Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, § 20 Rn. 1; Rau, Compliance und Unternehmensverantwortlichkeit, Diss. iur. (2009), S. 21 f.; Rotsch, in: Achenbach/Ran-siek (Hrsg.), Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl. (2012), 1. Teil 4. Kapitel Rn. 2 ff.; Schneider ZIP 2003, 645, 646; zu den Funktionen der Compliance vgl. auch Lösler NZG 2005, 104 ff.; Kort NZG 2008, 8.
[48] Übersicht bei Hauschka, (o. Fn. 42 ), § 1 Rn. 24 ff.; vgl. darüber hinaus für Unternehmen des Gesundheitssektors Dieners/Lembeck, in: Dieners (Hrsg.), Handbuch Compliance im Gesundheitswesen, 3. Aufl. (2010), Kapitel 7 Rn. 45 ff.
[49] Vgl. Buck-Heeb, in: Hauschka (o. Fn. 42 ), § 2 Rn. 1; s. zu einschlägigen Fällen im Strafrecht Eisele ZStW 116 (2004), 15, 16 ff.; Brand/Vogt wistra 2007, 408 ff.; zur Zurechnung innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen vgl. Freitag, Ärztlicher und zahnärztlicher Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen, Diss. iur. (2008), S. 104 ff. Zu dem Umstand, dass die Informationspflichtverletzung ursprünglich aus der Perspektive des § 243 Abs. 1, Abs. 4 AktG behandelt wurde vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG (2002), S. 237 ff.
[50] Siehe dazu Brand/Vogt wistra 2007, 408 ff.; Eisele ZStW 116 (2004), 15 ff.; ders. JZ 2008, 524 ff.; Kindhäuser ZStW 103 (1991), 398, 420 ff.; Krüger wistra 2003, 297, 298; Krack JR 2003, 384 ff.; Rengier, in: FS Roxin (2011), S. 811, 823 ff.; Tiedemann, in: FS Klug, Band II (1983), S. 405, 413 ff.
[51] BGH, NStZ 2005, 261 f. = HRRS 2005 Nr. 9; 2002, 597, 598; BGHSt 36, 231, 234 f.; Frister (o. Fn. 38 ), Rn. 25/21.
[52] BGHZ 132, 30, 35; 109, 327, 332; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten (2001), S. 609 ff.
[53] Hart MedR 2007, 383, 386 ff. Dies ist insbesondere bei fachübergreifender Kooperation der Fall, vgl. etwa BGH, NJW 1984, 140 ff.
[54] Vgl. BGH HRRS 2011 Nr. 978 Rn. 8.
[55] Kudlich NJW 2011, 2856, 2958.
[56] Vgl. Dann MedR 2007, 638, 639; Prütting, in: FS Laufs (2006), S. 1009, 1022; Spindler, in: BeckOK-BGB (Stand: 01.03.2011), § 823 Rn. 633; Taupitz NJW 1992, 713 ff.; siehe auch BGH, NJW 1984, 661, 662 m. Anm. Taupitz NJW 1984, 662 f.; krit. aber Terbille/Schmitz-Herscheidt NJW 2000, 1749 ff., die den Hinweis auf eigenes Fehlverhalten als Bestandteil der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht ansehen, ebenso Terbille, in: ders. (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 1. Aufl. (2009), § 1 Rn. 667.
[57] Der am 16. Januar 2012 vorgestellte Referentenentwurf eines Patientenrechtegesetzes (abrufbar auf den Internetseiten des BMJ, http://www.bmj.de) sieht nunmehr in § 630c Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB n.F. eine Pflicht des behandelnden Arztes vor, auf Nachfrage des Patienten sowie bei Gefahr für dessen Gesundheit über erkennbare Behandlungsfehler zu informieren. Damit würde eine Pflicht zur Offenbarung eigenen (erkennbaren) Fehlverhaltens konstituiert, die ebenfalls im Rahmen eines risikozentrierten Compliance-Regelwerkes zu berücksichtigen wäre. Um der Selbstbelastungsfreiheit im Strafverfahren Rechnung zu tragen, sieht der Entwurf in § 630c Abs. 2 Satz 4 BGB n.F. ein Beweisverwendungsverbot vor, das bei Zustimmung des Arztes allerdings überwunden werden kann. Folglich regelt § 630c Abs. 2 BGB n.F. allein den Informationsaustausch zwischen Patient und Arzt; nicht erfasst ist hingegen der hier interessierende Aspekt eines Austausches unter den Angehörigen des medizinischen Personals.
[58] Pampel/Glage, in: Hauschka (o. Fn. 42 ), § 5 Rn. 9; Pauthner-Seidel/Stephan, ebd., § 27 Rn. 32.
[59] Siehe dazu Krieger, in: ders./Schneider (o. Fn. 47 ), § 3 Rn. 9 ff.; Weber-Rey AG 2008, 345. Die in Bezug genommenen Risiken sind freilich betrieblicher Natur, vgl. Müller-Michaels, in: Hölters (Hrsg.), AktG, 1. Aufl. (2011) § 91 Rn. 6.
[60] Vgl. Sieg/Zeidler, in: Hauschka (o. Fn. 42 ), § 3 Rn. 4 ff.; Krieger, in: ders./Schneider (o. Fn. 47 ) § 3 Rn. 13 ff.
[61] Auch die §§ 130, 30 OWiG als Anlassgründe für die Compliance-Organisation (dazu Pelz, in: Hauschka[o. Fn. 42 ], § 6 Rn. 1 ff.; Bock ZIS 2009, 69, 70 ff.) sind nicht auf das Gesundheitswesen zugeschnitten.
[62] Vgl. BT-Drs. 14/1245, S. 86 zu § 136 Abs. 2 SGB V a.F.; Joussen, in: BeckOK-SGB V (Stand: 01.12.2011), § 135a.
[63] Vgl. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Psychotherapeuten und medizinischen Versorgungszentren v. 18.10.2005, BAnz. Nr. 248, S. 17 329 v. 31.12.2005 abzurufen unter http://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/18.
[64] Exemplarisch für den Versuch, die Vorgaben der QM-RL des Gemeinsamen Bundesausschusses umzusetzen, ist etwa der sog. PDCA-Zyklus der KV Nordrhein, der in Arztpraxen zum Einsatz kommt (PDCA = "Plan, Do, Check, Act"), vgl. http://www.kvno.de/10praxis/50qualitaet/40qualmanage/index.html (zuletzt abgerufen am 29.02.2012). Zu diesem und weiteren Modellen vgl. etwa Ibel/Knon, Qualitätsmanagement in der Arztpraxis (2005), S. 13 ff., 21 ff.; ausführliche Darlegung des Qualitätsmanagements in der ambulanten Praxis bei Nüllen/Noppeney, Lehrbuch Qualitätsmanagement in der Arztpraxis, 3. Aufl. (2007), S. 32 ff.; speziell zu den Anforderungen in der HNO-Praxis s. Beimert HNO 54 (2006), 347 ff.
[65] Vgl. Becker, in: ders./Kingreen, SGB V, 2. Aufl. (2010), § 135a Rn. 8 ff.; Vießmann, in: Spickhoff (o. Fn. 3 ), § 135a SGB V Rn. 2 ff., insb. Rn. 11; zum Qualitätsbegriff s. Roters, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 71. EL 2011 (Stand: Juli 2010), Vor §§ 135 – 139 SGB V Rn. 3; vgl. auch ders., aaO. Rn. 10: neben Prozess- und Ergebnisqualität ist auch die (sachlich-personelle) Strukturqualität erfasst; so auch Schneider NZS 1997, 267. Offenbar gehen auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung (vgl. Zöller MedR 2011, 236, 239) und der Referentenentwurf zum Patientenrechtegesetz (abrufbar auf den Seiten des BMJ, http://www . bmj.de, dortige S. 17) von diesem Verständnis aus.
[66] Vgl. Dieners/Lembeck, in: Dieners (o. Fn. 48 ), Kapitel 7 Rn. 3 ff.; Hart MedR 2007, 383 ff. zur Patientensicherheit als "Funktion der Qualität von medizinischen Behandlungen" und ders., aaO. S. 390 zum "Haftungsrecht als Vorgabe des Risikomanagements"; ders. MedR 2012, 1, 4. Zur Maßgeblichkeit des "(Miss-)Erfolgs" für die Korruptionsprävention vgl. Hauschka/Greeve BB 2007, 165, 166.
[67] Vgl. dazu aus der Perspektive des Haftungsrechts Bergmann/Müller MedR 2005, 650 ff.; zu Risk-Management im Rahmen der Patientenaufklärung s. Weidinger MedR 2006, 571, 579.
[68] Vgl. zum Effizienzgedanken Krieger, in: ders./Schneider (o. Fn. 47 ), § 3 Rn. 13 ff.; siehe auch Rotsch, (o. Fn. 47), 1. Teil 4. Kapitel Rn. 45.
[69] BGH, Urteil vom 20.10.2011 – 4 StR 71/11 –, Juris Rn. 13 ff. = HRRS 2012 Nr. 74 ; ausführlich zur Garantenstellung des Betriebsinhabers Dannecker/Dannecker JZ 2010, 981, 982 ff.
[70] BGHSt 54, 44, 50 f. =HRRS 2009 Nr. 718.
[71] Vgl. etwa die Einbecker-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR) e.V., MedR 2006, 127 ff.; Hart MedR 2007, 383, 385 ff., insb. 387 mit Hinweis auf die Bedeutung systemischer Fehler in der Behandlungsorganisation.
[72] Vgl. Kudlich/Schulte-Sasse NStZ 2011, 241 ff.
[73] Zur Aufgabenverteilung in der postoperativen Phase vgl. etwa BGH NJW 1980, 650 f.; NJW 1984, 1400 ff.; OLG Düsseldorf NJOZ 2001, 963, 966; ferner Rieger DMW 1980, 850 ff.; Weißauer MedR 1983, 92 ff.
[74] Vgl. dazu Hart MedR 2012, 1, 4 f.
[75] Zur Risikoträchtigkeit der ärztlichen Tätigkeit vgl. etwa BGH NJW 1973, 556, 557; NJW 1994, 3008, 3010; NStZ 1996, 34 f.; NStZ-RR 2007, 340 f. = HRRS 2007 Nr. 727.
[76] Vgl. auch die Darstellung bei Dieners/Lembeck, in: Dieners (o. Fn. 48 ), Kapitel 7 Rn. 7 f.; ferner Hart MedR 2012, 1, 3: "Patientensicherheit ist ein System- und Organisationsproblem".
[77] Die freilich nicht im Einzelnen als "Compliance" bezeichnet werden muss; entscheidend ist der materielle Gehalt einer Organisationsstruktur.
[78] Dass auch die zuletzt politisch forcierte Aufweichung der Sektorgrenzen neue Haftungsrisiken an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Versorgungsbereich generiert, wird von Gaidzik/Weimer, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht (2010), § 13 Rn. 2, 47 ff. zutreffend hervorgehoben.
[79] BGHSt 43, 306, 309; NStZ-RR 2007, 340, 341 = HRRS 2007 Nr. 727; Frister/Lindemann/Peters, (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 82 ff.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht, 4. Aufl. (2008), § 1 Rn. 18.
[80] BGHSt 43, 306, 311; Geiß/Greiner (o. Fn. 44 ), Kapitel B Rn. 2; Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 85; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. (2010), § 139 Rn. 31.
[81] Spickhoff/Seibel MedR 2008, 463, 467; zum sog. "3-Stufen-Prozess der Leitlinienentwicklung" vgl. Frister/Lindemann/ Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 87.
[82] Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl. (2009), Kapitel X Rn. 9 f.; Kreße MedR 2007, 393, 395; Hasskarl/Ostertag PharmR 2006, 311, 317; s. ferner Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. (2010), § 15 Rn. 219; diff. Hart MedR 1998, 8, 11 f.
[83] OLG Hamm VersR 2002, 857; Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 86.
[84] Boemke NJW 2010, 1562, 1563; Giesen JZ 1984, 331 ff.; aus der Arzthaftungsrechtsprechung vgl. BGHZ 88, 248 ff.; BGH NJW 1988, 2298 ff.; OLG Bremen MedR 2007, 660, 661. Allerdings ist nicht die formelle, sondern die materielle Qualifikation des Arztes maßgeblich, vgl. BGH NJW 1992, 1560 m. Anm. Opderbecke/Weißauer MedR 1993, 2 ff.; Steffen MedR 1995, 360; Andreas, ArztR 2008, 144, 147.
[85] BGH NJW-RR 2007, 310, 311; Terbille (o. Fn. 56 ), § 1 Rn. 460 ff.; ausführlich dazu Kern NJW 1996, 1561, 1563 f.
[86] Vgl. BGH NJW 2007, 1682 ff.; OLG Hamm MedR 2006, 215, 216; OLG Oldenburg VersR 2003, 1544, 1545 f.; weitere Beispiele bei Hart MedR 2012, 1, 6. Im Fall BGH NJW 1991, 1533 schließt der Senat ausdrücklich aus dem Einsatz einer Reinraumkabine auf den Willen des Krankenhausträgers, eine Infektion mit Darmbakterien zu vermeiden. Blutkonserven sind hingegen nicht selbstständig zu überprüfen, soweit die Zuverlässigkeit des Lieferanten gewährleistet ist, vgl. BGH NJW 1992, 743; LG Düsseldorf NJW 1990, 2325.
[87] Vgl. BGH NJW 1992, 754, 755; NJW 1989, 2321 (Anwendung nicht oder gerade noch dem Standard entsprechender Apparatur zur Bestrahlung); BGH NJW 1994, 1594 (Verwendung auszusondernder Wärmflaschen im Inkubator); siehe ferner Kern, in: Laufs/ders. (o. Fn. 80 ), § 53 Rn. 1 f.
[88] Zum Einsatz von Checklisten s. Hart MedR 2012, 1, 5 und 7.
[89] Ausführlich Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ) Kapitel 1 Rn. 113 ff. Speziell zu Organisationsverschulden in Bezug auf das Verfassen von Arztberichten vgl. Kreße/Dinser MedR 2010, 396, 399.
[90] Vgl. Schlund, in: Laufs/Kern (o. Fn. 80 ), § 115 Rn. 2. Zur Praxisgemeinschaft vgl. Kern, ebd., § 39 Rn. 5; zur Gemeinschaftspraxis vgl. dens., a.a.O. Rn. 6. Die Unterscheidung dieser beiden Konstruktionen kann strafrechtlich relevant werden, vgl. H. Wostry, (o. Fn. 41), S. 59 ff.
[91] BGH NJW-RR 2007, 310, 311; dies gilt insbesondere auch für interdisziplinäre Kooperationsformen, vgl. die Einbecker-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR) e.V. MedR 2006, 127, 128.
[92] Vgl. dazu ausführlich Möllmann Der Anaesthesist 60 (2011), 986, 988 f.
[93] Wagner, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2009), § 823 Rn. 762; Kern, in: Laufs/ders. (o. Fn. 80 ), § 54a Rn. 2.
[94] Kern NJW 1996, 1561, 1564. So können sich auch in Krankenhäusern tätige Chefärzte bei der Durchführung ambulanter diagnostischer Maßnahmen nicht durchgängig auf das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berufen, sondern sind selbst ggf. Haftungsschuldner, vgl. BGH NJW 1987, 2289, 2290 f.; NJW 1993, 784, 785 f.; NJW 1994, 788, 789 ff.; NJW 2003, 2309, 2311; OLG München BeckRS 2005, 12282.
[95] In dieser Richtung wohl auch Möllmann Der Anaesthesist 60 (2011), 986, 987; Kern NJW 1996, 1561, 1563: "Der Arzt hat auch dafür Sorge zu tragen, daß dem Patienten eine regelgerechte und gegebenenfalls eine Notfallversorgung zuteil werden kann. Mit dem Patienten ist zu besprechen, welcher Arzt sich zu welchem Zeitpunkt mit der Nachsorge befassen wird, und an welche Stelle er sich im Notfall wenden soll".
[96] Dazu ausführlich Kern NJW 1996, 1561, 1563 f.
[97] Zu Anweisungen der Chefärzte "in Textform" im Rahmen des Bereitschaftsdienstes vgl. Boemke NJW 2010, 1562, 1565.
[98] Steinhilper in: Laufs/Kern (o. Fn. 80 ), § 31 Rn. 35; Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, § 16 Rn. 59. Zu den verschiedenen Organisationsformen vgl. Ratzel, in: Spickhoff (o. Fn. 3 ), § 705 BGB Rn. 24 ff.
[99] Krauskopf, in: ders., Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 74. EL 2011 (Stand: April 2005), § 95 Rn. 38; Quaas/Zuck (o. Fn. 98 ), § 16 Rn. 6. Vgl. auch § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für die Notwendigkeit ärztlicher Leitung im Krankenhaus, dazu s. Becker, (o. Fn. 73), § 103 Rn. 7; Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren, 2005, Kapitel 3 Rn. 34.
[100] Dahm/Möller/Ratzel, (o. Fn. 99 ), Kapitel 3 Rn. 35; Möller MedR 2007, 263, 265; Quaas/Zuck (o. Fn. 98 ), § 16 Rn. 6; Wigge MedR 2004, 123, 126.
[101] Vgl. dazu ausführlich Möller MedR 2007, 263, 264 ff.; ferner Fiedler/Weber NZS 2004, 358 f.; Quaas/Zuck, (o. Fn. 98 ), § 16 Rn. 9.
[102] Vgl. Lindenau, Das medizinische Versorgungszentrum, 2008, S. 67; Möller MedR 2007, 263, 265; Steinhilper, in: Laufs/Kern, (o. Fn. 80 ), § 31 Rn. 28.
[103] Vgl. Neumann, in: BeckOK-SGB V (Stand: 01.12.2012), § 95 Rn. 20 f.
[104] Zur Pflicht des Krankenhausträgers, die personelle Gewährleistung des Facharztstandards durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, vgl. Spindler, in: BeckOK-BGB (Stand: 01.03.2011), § 823 Rn. 700 m.w.N.
[105] Ausführlich Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ) Kapitel 1 Rn. 96 ff.
[106] Die strukturelle Ähnlichkeit dieser Interessenabwägung mit derjenigen, welche der Bestimmung des erlaubten Risikos zugrunde liegt (dazu Frister [o. Fn. 38 ], Rn. 10/6 ff.), ist nicht zufällig.
[107] Siehe dazu Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 97 ff.; Steffen MedR 1995, 360 ff.; des Weiteren Baur MedR 1995, 192; Andreas ArztR 2008, 144, 147; ausführlich Mehringer, Die Anfängeroperation, Diss. iur. (2007), S. 59 ff.
[108] Bei Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist etwa die Betrauung sog. Medizinischer Assistenten für Anästhesie (MAfAs) mit der eigenverantwortlichen Narkoseüberwachung nicht mehr grundsätzlich als ausgeschlossen anzusehen; wegen der Bedeutung sofortigen fachkundigen Eingreifens im Komplikationsfall ist jedoch jederzeitiger Blick- oder wenigstens Rufkontakt zwischen Fachanästhesist und Delegationsadressat sicherzustellen; vgl. BGH NJW 1983, 1374, 1376; NJW 1993, 289, 2991; zusammenfassend Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 101; Schroth, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts, 4. Auflage (2010), S. 708, 710.
[109] Vgl. Frister/Lindemann/Peters (o. Fn. 1 ), Kapitel 1 Rn. 107. Zu Recht ablehnend auch LG Augsburg ArztR 2005, 2053; Boemke NJW 2010, 1562, 1564; Schulte-Sasse/Bruns ArztR 2006, 116, 125; Ulsenheimer (o. Fn. 79 ), § 1 Rn. 170a. Anders z.T. die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit der Erwägung, eine "bessere fachärztliche Versorgung" könnten die Patienten während der Nachtzeiten nicht verlangen, da diese unwirtschaftlich sei, vgl. VG Hannover, Urt. v. 22.1.1990, KRS I 1992, 90.043, 1-11.
[110] Für eine ausführliche Darstellung des Risikomanagements im Krankenhaus vgl. die Beiträge in Ennker/Pietrowski/ Kleine, Risikomanagement in der operativen Medizin, 2007; s. aus haftungsrechtlicher Perspektive auch noch Bergmann/Kienzle (o. Fn. 6 ), S. 233 ff. und S. 359 ff. mit Praxisbeispielen; zum strukturierten klinischen Risikomanagement in einer Akutklinik Koppenberg/Moecke Notfall & Rettungsmedizin 15 (2012), 16 ff.
[111] Einführend Rohe et al. Notfall & Rettungsmedizin 15 (2012), 25 ff.; Thomescek/Ollenschläger Rechtsmedizin 16 (2006), 355 ff.; ausführlich Zink, Medizinische Fehlermeldesysteme, Diss. iur. (2010), S. 53 ff.
[112] Dazu Pietrowski/Ennker/Kleine, in: Ennker/Pietrowski/ Kleine (o. Fn. 110 ), S. 99, 107 f.
[113] So ergab die Befragung der Geschäftsführer und Verwaltungsdirektoren von 600 zufällig ausgewählten deutschen Krankenhäusern durch Berens et al. Gesundheitswesen 73 (2011), e51 ff. einen im Vergleich zu Maßnahmen in anderen Controllingbereichen geringen Verbreitungsgrad von Instrumenten des Risiko-Controllings wie CIRS oder FMEA. Bohnet-Joschko et al. Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie 149 (2011), 301 ff. konstatieren eine zunehmende Verbreitung von CIRS und anderen Meldesystemen, jedoch Nachholbedarf im Hinblick auf die systematische Analyse von Risiken, deren Bewertung und Steuerung.
[114] So soll u.a. der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) durch eine entsprechende Modifikation des § 137 SGB V zur Ergänzung der Richtlinien zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement durch wesentliche Maßnahmen zur Patientensicherheit und Fehlervermeidung sowie zur Festlegung von Mindeststandards für das medizinische Risiko- und Fehlermanagement verpflichtet werden; darüber hinaus sollen die Vertragsparteien künftig Vergütungszuschläge für Krankenhäuser vereinbaren, die sich an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen beteiligen; vgl. S. 17 des auf den Seiten des BMJ (http://www.bmj.de) abrufbaren Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz).
[115] Exemplarisch BGHZ 95, 63; OLG Hamm NJW 1993, 2387; OLG Stuttgart NJW 1993, 2384; s. auch Bergmann et al. in: Bergmann/Kienzle (o. Fn. 6 ), S. 171 ff.; Deutsch NJW 2000, 1745 ff.; Spindler , in: BeckOK-BGB (Stand: 01.03.2011), § 823 Rn. 700, 702 ff. Im Schrifttum wird die zivilrechtliche Haftungskonzentration beim Krankenhausträger z.T. als Schritt zu einer verschuldensunabhängigen Haftung bzw. – da bei Auswahl ungeeigneter Hilfspersonen regelmäßig Beweiserleichterungen angenommen werden (vgl. Deutsch a.a.O. 1748 f.) – zur Gefährdungshaftung kritisiert; vgl. Zwiehoff MedR 2004, 364, 365.
[116] Dezidiert kritisch Bruns ArztR 2003, 60 ff .; Kudlich/Schulte-Sasse NStZ 2011, 241 ff.; Schulte-Sasse ArztR 2010, 200 ff.; siehe auch Beck MedR 2011, 471, 472.
[117] Siehe oben bei Fn. 6 .
[118] Vgl. Kudlich/Schulte-Sasse NStZ 2011, 241, 245 f. unter Hinweis auf die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth NJW 2006, 1824, in der die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Speditionsunternehmers für einen durch konsequente Überschreitung der zulässigen Lenkzeiten verursachten Verkehrsunfall auf den Gesichtspunkt der "Schaffung und Unterhaltung eines hochgefährlichen Systems" gestützt wurde. Entgegen Beck MedR 2011, 471, 474 ff. wird man in der Inanspruchnahme der Leitungsorgane keine bedenkliche "Haftungsvervielfachung" zu sehen haben; vielmehr handelt es sich – wie Kudlich/Schulte-Sasse a.a.O. zutreffend hervorheben – schlicht um eine Konsequenz "der Fahrlässigkeitsdogmatik, die Nebentäter verschiedener Organisationsstufen zwanglos zulässt" (246).
[119] Zum "Bösgläubigmachen" des Krankenhaus-Geschäfts-führers durch den ärztlichen Direktor vgl. Bruns ArztR 2003, 60, 65 f.