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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2012
13. Jahrgang
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1. Ob es sich bei von einem Täter in Zukunft zu erwartenden Taten um schwere Gewalttaten im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht (HRRS 2011 Nr. 488) gesetzten Maßstäbe handelt, ist nicht alleine anhand der gesetzgeberischen Abstufung der Anlassdelikte der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, etwa nach den Kata-
logen in § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 3 Satz 1 und § 66a Abs. 2 Nr. 1 StGB nF; diese bietet allenfalls eine erste Orientierung.
2. Vorsätzliche Tötungsdelikte und Vorsatzdelikte mit qualifizierender Todesfolge sind grundsätzlich als schwere Gewaltstraftaten anzusehen.
3. Dies gilt dies für Raubdelikte ungeachtet der in den Fällen der §§ 249, 250, 255 StGB hohen Strafdrohungen und der für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen nicht ohne Weiteres. Sie können vielmehr nur in Abhängigkeit von ihren – auf der Grundlage konkreter Umstände in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen – vorhersehbaren individuellen Umständen als schwere Gewalttaten gewertet werden. Dabei spielt vor allem das Ausmaß der eingesetzten oder angedrohten Gewalt bei den zu prognostizierenden Straftaten eine mitbestimmende Rolle.
4. Die „strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung“ im Sinne von BVerfG HRRS 2011 Nr. 488 verlangt, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit (Erheblichkeit weiterer Straftaten und Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung) ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab angelegt wird.
1. Besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB dürfen nicht deshalb verneint werden, weil die Angeklagte nicht geständig war. Im Einzelfall kann in entsprechenden Ausführungen aber lediglich ein Hinweis auf das Fehlen eines Geständnisses liegen.
2. Hypothetische Überlegungen dazu, wie es sich auswirken könnte, wenn etwas, was nicht vorliegt, doch vorläge oder umgekehrt, sind in einem Urteil überflüssig. Sie können die Klarheit von Feststellungen oder Wertungen beeinträchtigen, zu Missdeutungen Anlass geben, letztlich sogar den Bestand eines Urteils gefährden und sollten unterbleiben.
Tritt ein Referendar seinen Vorbereitungsdienst in Kenntnis des gegen ihn wegen bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln geführten Strafverfahrens an, braucht das Tatgericht in einem Wegfall der Anwärterbezüge oder der in dieser Zeit erworbenen (allenfalls sehr geringen) Versorgungsanwartschaften keinen bestimmenden und daher erörterungsbedürftigen Strafzumessungsgrund zu sehen.
1. Bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht ist die Gesamtstrafe auch im zweiten Durchgang nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung vorzunehmen.
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen mehrerer Maßregeln der Besserung und Sicherung vor, so ist gem. § 72 Abs. 1 StGB die mildere anzuordnen, sofern der Zweck der Maßregeln durch sie allein erreicht werden kann. Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßnahme führen zur kumulativen Anordnung der Maßregeln.
1. Dass in den Strafzumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen.
2. Den Versuch eines Angeklagten, Tatspuren zu beseitigen, darf der Tatrichter nicht zu seinen Lasten werten.
Ob eine paranoide Persönlichkeitsstörung als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB qualifiziert werden kann, hängt davon ab, ob es im Alltag des Täters zu Einschränkungen des beruflichen oder sozialen Handlungsvermögens gekommen ist und die Persönlichkeitsstörung sein Leben vergleichbar nachhaltig und mit ähnlichen Folgen belastet oder einengt wie eine krankhafte seelische Störung.
Soweit das Tatgericht die Anordnung der Maßregel gemäß § 64 Satz 2 StGB wegen einer mangelnden hinreichend konkreten Erfolgsaussicht verneinen will, weil „Erfahrungen in der Vergangenheit“ gegen diese sprechen, muss das Tatgericht dazu konkrete tatsächliche Feststellungen treffen, die das Revisionsgericht in die Lage versetzen, die Maßregelentscheidung beurteilen zu können.
1. Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen.
2. Ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint.