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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2011
12. Jahrgang
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1. Der Senat legt dem Großen Senat für Strafsachen die Frage zur Entscheidung vor, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB handelt.
2. Hilfsweise für den Fall der Verneinung von Frage 1 legt der Senat dem Großen Senat für Strafsachen die Frage zur Entscheidung vor, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V) im Sinne des § 299 StGB als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen handelt.
3. Ein Landgericht, das einen Antrag auf selbständige Anordnung des Verfalls (§ 76a StGB) für zulässig erachtet, kann nach § 441 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO eine mündliche Verhandlung anordnen. Nach deren Durchführung ist es auch dann nicht gehindert, durch Urteil zu entscheiden, wenn sich aus seiner Sicht die Unzulässigkeit des Antrags herausgestellt hat. Statthaftes Rechtsmittel gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof.
4. Die Einziehung und der Verfall können nach § 76a Abs. 1 StGB dann selbstständig angeordnet werden, wenn wegen einer Straftat aus tatsächlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Dabei kommen grundsätzlich nur solche Hinderungsgründe in Betracht, welche die materielle Strafbarkeit der Tat als solche ebenso wie auch ihre verfahrensrechtliche Verfolgbarkeit unberührt lassen und lediglich ihre faktische Sanktionierung unmöglich machen. Die selbstständige Anordnung kommt dagegen grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Verfolgung einer Person rechtliche Gründe entgegenstehen.
5. Handelt der Täter schuldlos, so steht seiner Verurteilung zwar kein tatsächliches, sondern ein rechtliches Hindernis entgegen. Gleichwohl kommt die Anordnung des Verfalls im selbstständigen Verfahren auch hier in Betracht, da auch der Verfall nach § 73 Abs. 1 StGB schon bei einer rechtswidrig begangenen Anknüpfungstat angeordnet werden kann. Die Anordnung des Verfalls im selbstständigen Verfahren kommt daher etwa dann in Betracht, wenn der Täter bei Begehung der Tat schuldunfähig ist oder einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterliegt.
6. Kassenärzte werden bei Erfüllung ihrer Verpflichtung zur vertragsärztlichen Versorgung der Patienten (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) als Amtsträger im Sinne der § 333 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB tätig, denn sie sind insoweit dazu bestellt, im Auftrag einer sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Die Zulassung als Kassenarzt führt nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V dazu, dass sie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet werden. Im Rahmen dieses Systems üben sie mit der Behandlung der Versicherten eine ihnen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung übertragene öffentliche Aufgabe aus und sind in einer für die Begründung einer Amtsträgerstellung ausreichenden Weise in die öffentlichrechtliche Organisation der Krankenkassen eingegliedert.
7. Die gesetzlichen Krankenkassen sind sonstige Stellen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
8. Das Kriterium für die Einordnung einer Stelle als „sonstige Stelle“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist, ob sie bei einer Gesamtbetrachtung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheint, ist auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Organisationsformen des öffentlichen Rechts nicht übertragbar. Diesem Abgrenzungskriterium kommt allein für den Bereich der Tätigkeit privatrechtlich organisierter Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand Bedeutung zu, weil es hier eines aussagekräftigen Unterscheidungsmerkmals von staatlichem und privatem Handeln bedarf.
9. Die Einordnung als Beauftragter im Sinne des § 299 StGB erfordert nicht, dass die Befugnis, auf die Entscheidung des Betriebes Einfluss zu nehmen, auf einem Rechtsgeschäft beruht; selbst außenstehende Personen können somit Beauftragte sein, wenn sie in der Lage sind, Entscheidungen für den Betrieb zu beeinflussen.
10. Der Tatbestand des § 299 StGB erfordert nicht, dass der Beauftragte ein ihm von dem Geschäftsherrn entgegen gebrachtes Vertrauen missbraucht.
1. Der Senat legt dem Großen Senat für Strafsachen nach § 132 Abs. 4 GVG die Frage zur Entscheidung vor, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V; hier: Verordnung von Arzneimitteln) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB handelt.
2. Hilfsweise für den Fall der Verneinung der Frage 1 legt der Senat dem Großen Senat für Strafsachen die Frage zur Entscheidung vor, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V; hier: Verordnung von Arzneimitteln) im Sinne des § 299 StGB als Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs im geschäftlichen Verkehr handelt.
1. Eigenmächtigkeit des Entfernens im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO kann vorliegen, wenn der Angeklagte aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode einen Suizidversuch unternimmt, der zu seiner Verhandlungsunfähigkeit führt. (BGHSt)
2. Zur Wirksamkeit von Selbstanzeigen mit geringfügigen Abweichungen von dem in § 371 Abs. 1 AO für Selbstanzeigen vorgeschriebenen Inhalt. (BGHSt)
3. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der eine Selbstanzeige auch dann zur vollständigen Strafaufhebung führt, wenn die Abweichungen in der Berichtigung oder Nacherklärung vom geforderten Inhalt der Selbstanzeige nur geringfügig sind gilt prinzipiell fort. Bagatellabweichungen führen weiterhin nicht zur Unwirksamkeit der strafbefreienden Selbstanzeige als solcher. Der Senat ist der Ansicht, dass nach der neuen
Gesetzesfassung des § 371 Abs. 1 AO, die für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige eine Berichtigung bzw. Nacherklärung „in vollem Umfang“ verlangt, jedenfalls eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als fünf Prozent vom Verkürzungsbetrag im Sinne des § 370 Abs. 4 AO nicht mehr geringfügig ist. Allerdings führt nicht jede Abweichung unterhalb dieser (relativen) Grenze stets zur Annahme einer unschädlichen „geringfügigen Differenz“. Vielmehr ist in diesen Fällen eine Bewertung vorzunehmen, ob die inhaltlichen Abweichungen vom gesetzlich vorausgesetzten Inhalt einer vollständigen Selbstanzeige noch als „geringfügig“ einzustufen sind. Diese wertende Betrachtung kann auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Umstände bei Abgabe der Selbstanzeige auch unterhalb der Abweichungsgrenze von fünf Prozent die Versagung der Strafbefreiung rechtfertigen. (Bearbeiter)
4. Bei dieser Bewertung spielen neben der relativen Größe der Abweichungen im Hinblick auf den Verkürzungsumfang insbesondere auch die Umstände eine Rolle, die zu den Abweichungen geführt haben. Namentlich ist in die Würdigung mit einzubeziehen, ob es sich um bewusste Abweichungen handelt oder ob – etwa bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen – in der Selbstanzeige trotz der vorhandenen Abweichungen noch die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit gesehen werden kann, denn gerade diese soll durch die Strafaufhebung gemäß § 371 AO honoriert werden (vgl. BGHSt 55, 180, 181, Rn. 7 mwN). Bewusst vorgenommene Abweichungen dürften schon deshalb, weil sie nicht vom Willen zur vollständigen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit getragen sind, in der Regel nicht als „geringfügig“ anzusehen sein. (Bearbeiter)
5. Der Senat ist der Auffassung, dass diese Maßstäbe auch für die Frage der Wirksamkeit von Selbstanzeigen gelten, die vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes abgegeben worden sind, denn auch nach der bisherigen Rechtslage setzte die (vollständige) Straffreiheit eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit voraus. (Bearbeiter)
6. Selbstanzeigen i.S.v. § 371 Abs. 1 AO müssen nicht als solche bezeichnet werden. Für ihre Vollständigkeit ist allein von Bedeutung, ob sie den nach § 371 AO erforderlichen Inhalt haben. Wird eine Umsatzsteuerjahreserklärung verspätet abgegeben, kann sie Selbstanzeige für die Unterlassungstat sein, die mit der nicht rechtzeitigen Einreichung der Jahreserklärung begangen wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Umsatzsteuerjahreserklärung – selbst wenn sie verspätet abgegeben wird – auch eine strafbefreiende Selbstanzeige für unrichtige oder pflichtwidrig nicht abgegebene – Umsatzsteuervoranmeldungen sein (vgl. BGH wistra 1999, 27). (Bearbeiter)
7. Welche Anforderungen an die Vollständigkeit einer Selbstanzeige zu stellen sind, hängt im Hinblick auf die Änderung des § 371 AO durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung“ (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 676) sowohl vom Tatzeitpunkt als auch vom Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige ab. Der zur Tatzeit anwendbare § 371 AO ist hinsichtlich der Teilselbstanzeige nach Maßgabe des Art. 97 § 24 EGAO als milderes Gesetz gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden. Auch nach der Vorschrift des Art. 97 § 24 EGAO der Täter einer Steuerhinterziehung allerdings in dem Umfang strafbar, in dem eine Berichtigung oder Nacherklärung nicht erfolgt ist. (Bearbeiter)
8. Die Urteilsgründe müssen so gefasst werden, dass die Vollständigkeit und Wirksamkeit der Selbstanzeige für jede Tat im materiellen Sinn gesondert geprüft werden kann. (Bearbeiter)
9. Da für die Schenkungsteuer mangels kontinuierlichem abschnittsbezogenem Veranlagungsverfahren kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann, ist für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wann die Veranlagung der Schenkungsteuer dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige der Schenkung frühestens bekanntgegeben worden wäre. (Bearbeiter)
10. Eigenmächtigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Angeklagte wissentlich und ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund der weiteren Hauptverhandlung fernbleibt (BGHSt 37, 249). Dem Ausbleiben i.S.v. § 231 Abs. 2 StPO steht es gleich, wenn sich der Angeklagte nach der Vernehmung zur Sache – vorher gilt § 231a StPO – eigenmächtig in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat (BGHSt 16, 178, 183). (Bearbeiter)
11. Der Angeklagte muss seine Verhandlungsunfähigkeit selbst herbeigeführt haben und dies muss ihm zuzurechnen sein. Dabei muss er vorsätzlich handeln und in Kenntnis des Umstandes, dass hierdurch die ordnungsmäßige Durchführung der Hauptverhandlung verhindert wird. Die Verhinderung der Hauptverhandlung muss allerdings nicht das Ziel des Angeklagten sein. Es genügt, wenn er dies als notwendige Folge seines Verhaltens erkennt und damit will; eine Boykottabsicht ist demnach nicht erforderlich. (Bearbeiter)
12. Zu diesen Kriterien muss hinzukommen, dass der Angeklagte „schuldhaft“ handelt. Das in § 231a Abs. 1 Satz 1 StPO genannte Merkmal „schuldhaft“ gilt nach dem Vorstehenden in gleicher Weise für das Verständnis des ungeschriebenen Merkmals „Eigenmächtigkeit“ in § 231 StPO. Für Fälle der vorliegenden Art erscheint dem Senat eine Konturierung des Merkmals „schuldhaft“ anhand der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB besser geeignet. Nach Ansicht des Senats gilt: Nicht „schuldhaft“ bzw. nicht eigenmächtig kann ein Suizidversuch vor allem dann sein, wenn der ihn auslösende Zustand von dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB (krankhafte seelische Störung) bestimmt wurde. Beruht der Suizidversuch entscheidend auf einer „Schuldunfähigkeit“ im Sinne des ersten Eingangsmerkmals, dann wird eine Eigenmächtigkeit regelmäßig zu verneinen sein. Das zweite und dritte Eingangsmerkmal dürfte insoweit kaum praktisch relevant sein. Soweit das vierte Eingangsmerkmal (schwere andere seelische Abartigkeit) Ursache des Suizidversuchs sein sollte, kommt es auf den Schweregrad an. Dieser muss, um überhaupt relevant zu sein, dem Schweregrad der anderen Eingangsmerkmale entsprechen (vgl. BGHSt 49, 45; BGH NStZ-RR 2006, 235). (Bearbeiter)
1. Zur Schadensfeststellung bei betrügerischer Kapitalerhöhung. (BGHR)
2. Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGHSt 30, 388 f.; 53, 199, 201). (Bearbeiter)
3. Bei der Konstellation eines Betruges durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 10). Ein Schaden liegt demnach vor, wenn die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten (BGHSt 30, 388, 390). Zu berücksichtigen ist beim Eingehen von Risikogeschäften dabei auch eine täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr, die über die vertraglich zugrunde gelegte hinausgeht. Ein darin liegender Minderwert des im Synallagma Erlangten ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bewerten (vgl. BGHSt 53, 198, 202 f.). (Bearbeiter)
4. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss des 2. Senats – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220) ist dieser Minderwert konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Risikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen. (Bearbeiter)
5. Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird. (Bearbeiter)
6. Entspricht der Wert erworbener Aktien dem Gegenwert des Kaufpreises, liegt kein Schaden vor. Ein Schaden in Höhe der jeweiligen Anlagesumme besteht nur dann, wenn die Aktie zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt wertlos war. (Bearbeiter)
7. Die durch Täuschung veranlasste Zeichnung von Aktien zur Anfangszeit eines Unternehmens, zu der noch keine Geschäftstätigkeit aufgenommen war, könnte mit den Fällen sog. Schneeball-Systeme vergleichbar sein, bei denen Neu-Anlagen zumindest auch verwendet werden, um früheren Anlegern angebliche Gewinne oder Zinsen auszuzahlen. Hier nimmt die Rechtsprechung ohne weitere Differenzierung auch für die Erstanleger einen Schaden in Höhe des gesamten eingezahlten Kapitals an, da ihre Chance sich allein auf die Begehung weiterer Straftaten stütze und ihre Gewinnerwartung daher von vornherein wertlos sei (vgl. BGHSt 53, 199, 204 f.). (Bearbeiter)
8. Die Bewertung von Unternehmen bzw. Aktien erfordert zwar komplexe wirtschaftliche Analysen, insbesondere dann, wenn das Unternehmen nicht börsennotiert ist und es sich um ein junges Unternehmen handelt. Dies beruht insbesondere darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens auch in die Zukunft reichende Entwicklungen, unter Berücksichtigung von Prospektangaben, erfasst. Die Einschätzung von Risiken bei der Bewertung im Wirtschaftsleben ist jedoch kaufmännischer Alltag (vgl. im Zusammenhang mit der Bewertung von Forderungen BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.; zu Anlagen auch BGHSt 53, 199, 203, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Tatgericht muss sich deshalb sachverständiger Hilfe bedienen, um unter Beachtung der gängigen betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien den Aktienwert festzustellen. (Bearbeiter)
9. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Deliktsserie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGH NStZ 2010, 103). Erbringt der Täter dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff.). (Bearbeiter)
1. Dem mit einem Zwangsverwaltungsverfahren befassten Rechtspfleger obliegt eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber Gläubigern und Schuldner. (BGHR)
2. Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne der Untreue ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflicht zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (zum Ganzen: BGHSt 55, 288, 297 f. mwN). (Bearbeiter)
3. Das Verbot, in eigener Sache tätig zu werden, schließt ein gleichwohl bestehendes Treueverhältnis nicht aus (so bereits RGSt 72, 347, 348). (Bearbeiter)
4. Bei einer rechtmäßigen und in der Sache gebotenen Anweisung steht eine solche ohne jeglichen Anhaltspunkt in den Raum gestellte, lediglich denkbare Annahme ihrer Verweigerung der Bejahung des erforderlichen Zusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigem Tun und dem Erfolg nicht entgegen (vgl. BGH NJW 2010, 1087, 1091). (Bearbeiter)
5. Soweit für eine Verurteilung wegen Untreue gefordert wird (dies in Frage stellend: BGH NJW 2011, 1747, 1751), dass der Vermögensnachteil unmittelbar durch die Pflichtverletzung ausgelöst worden sein muss, steht dieses Unmittelbarkeitserfordernis zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil weder in Fällen der mittelbaren Täterschaft noch in einem Fall der Mittäterschaft in Frage, wenn jedenfalls die zurechenbar Mitwirkenden den Nachteil unmittelbar bewirken. (Bearbeiter)
7. Nach der Neufassung der §§ 331, 333 StGB sind auch die Fälle erfasst, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft bzw. „allgemeine Klimapflege“ betrieben wird, wobei allerdings zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung ein „Gegenseitigkeitsverhältnis“ in dem Sinne bestehen muss, dass der Vorteil nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat, also Ziel der Vorteilszuwendung ist, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren (BGHSt 53, 6, 15 f. mwN). (Bearbeiter)
1. Allein das Fordern eines bestimmten, überhöhten Preises enthält für sich genommen noch keine Täuschung, insbesondere beinhaltet es grundsätzlich – vom hier nicht vorliegenden Fall tax- oder listenmäßig festgelegter Preise abgesehen – nicht die Behauptung der Angemessenheit oder Üblichkeit des geforderten Preises. Vereinbarungen über den Austausch von Gütern und Leistungen unterliegen der Vertragsfreiheit. Grundsätzlich darf jeder Teilnehmer am Geschäftsverkehr seine bessere Information oder überlegene Sachkenntnis zu seinem Vorteil ausnutzen.
2. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Vermögensschaden entstanden ist, bestimmt sich auch in Fällen sogenannten Anlagebetrugs grundsätzlich anhand der Differenz zwischen dem vereinbarten oder dem gezahlten Preis und dem nach allgemeinen Kriterien zu bestimmenden (Markt-)Wert des Anlageobjekts (vgl. BGH NStZ 1983, 313). Bei der gebotenen Gesamtsaldierung ist jedoch auch der subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten zu berücksichtigen. Ist nach dem Urteil eines sachlichen Beurteilers eine (möglicherweise sogar objektiv gleichwertige) Gegenleistung des Täuschenden bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung aufgewandten (sog. persönlicher Schadenseinschlag, st. Rspr. BGHSt 16, 321; BGH wistra 2010, 407).
3. Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Tatopfers dann anzusehen sein, wenn ein Anleger über Eigenart und Risiko des Geschäftes derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte („aliud“), die empfangene Gegenleistung für ihn mithin in vollem Umfang unbrauchbar ist (BGHSt 32, 22). So verhält es sich, wenn verfahrensgegenständliche Farbdiamanten von so geringer Qualität waren, dass sie entgegen den Angaben der Angeklagten nicht zur Kapital-, Wert- oder Geldanlage geeignet waren. Wenn Anleger – wie den Angeklagten bekannt war und was diese bewusst für ihre Täuschungshandlung ausnutzten – ausschließlich aus Gründen der möglichst gewinnbringenden Kapitalanlage Diamanten erwerben
wollten, besteht aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch keine andere Verwendung, die den Kaufpreis aufwiegen könnte.
4. Zur Bestimmung der für die Strafzumessung bestimmenden Höhe des dem Geschädigten tatsächlich verbleibenden Schadens als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) ist auch in Fällen eines subjektiven Schadenseinschlags der in dem Erlangten verkörperte Gegenwert zu berücksichtigen, den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz realisieren kann. Normative Gesichtspunkte können zwar bei der Feststellung eines Schadens eine Rolle spielen, sie dürfen aber, soll der Charakter des § 263 StGB als Vermögens- und Erfolgsdelikt gewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. § 263 StGB schützt das Vermögen, nicht die Dispositionsfreiheit.
5. Ein Sachverständiger kann gemäß § 74 Abs. 1 StPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. So kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er durch mündliche oder schriftliche Äußerungen den Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen hat. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Es entscheidet – ohne eigene Ermittlungen – als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat.
6. Ein Ablehnungsantrag kann zwar weder auf die von der Verteidigung behaupteten Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen noch auf den Umstand, dass der Sachverständige eine wissenschaftliche Meinung vertritt, die sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken könnte, gestützt werden. Ein Sachverständiger muss jedoch tendenziöser Hinweise zur Person des Verteidigers im Rahmen seiner Begutachtung enthalten.
7. Selbständig gemäß §§ 30 Abs. 2, 12, 263 Abs. 5 StGB mit Strafe bedrohte Vorbereitungshandlungen begründen einen inländischen Tatort, auch wenn die Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB als gegenüber der Ausführung der verabredeten Tat subsidiär zurücktritt (vgl. BGH NJW 1993, 1405). Einer Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB steht nicht entgegen, dass Zeit, Ort und Modalitäten der geplanten Straftaten im Einzelnen noch offen blieben, denn die Verabredung eines Verbrechens setzt nur voraus, dass sie – wie hier – in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert ist (BGH NStZ 2007, 697).
8. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (BGH NStZ 2007, 33).
9. Die Regelungen über das Selbstleseverfahren sind auf die Verlesung des Anklagesatzes nicht übertragbar (BGH NStZ 2011, 297). Es kann ausschließen sein, dass das Urteil auf einem Verstoß hiergegen beruht.
10. § 257c StPO ist schon dann nicht verletzt, wenn eine Verständigung nicht zustande gekommen ist. Es liegt auf der Hand, dass sich nach umfangreicher Beweiserhebung in einer langen Hauptverhandlung ein zunächst gewonnener Eindruck von Tat und Täter im Einzelfall entscheidend zum Vor- oder zum Nachteil des Angeklagten verändern kann und demzufolge einem für den Fall eines Geständnisses vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung in den Raum gestellten Strafrahmen für die Strafzumessung nach langer streitiger Hauptverhandlung in der Regel keine Bedeutung mehr zukommt (vgl. BGH wistra 2011, 139). Bindende (§ 257c StPO) oder sonst Vertrauen begründende Zusagen können nur Bestand haben, wenn die daran geknüpften Voraussetzungen auch tatsächlich eintreten. Es ist fernliegend, dass sich aus einem „nicht angenommenen Angebot“ gleichwohl Ansprüche auf bestimmte Rechtsfolgen ableiten lassen sollten (BGH wistra 2011, 28).
11. Es bleibt offen, ob im Lichte des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates der Europäischen Union vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (ABl. 2001 L 82 S. 1) und nach der zum 1. September 2004 in Kraft getretenen Neufassung der Vorschriften über das Adhäsionsverfahren durch das Opferrechtsreformgesetz (BGBl. I 2004, S. 1354), mit der der Gesetzgeber die Durchführung des Adhäsionsverfahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erklärt hat (vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1670, 1671 mwN), uneingeschränkt daran festzuhalten ist, dass einem Adhäsionsantrag die Eignung zur Erledigung im Strafverfahren fehlt, wenn zur Überprüfung der geltend gemachten Ansprüche komplizierte Rechtsfragen des internationalen Privatrechts zu entscheiden sind (vgl. BGH wistra 2003, 151; OLG Hamburg wistra 2006, 37).
1. Den Arbeitgeber trifft eine Meldepflicht, wonach er die für die Bemessung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags maßgeblichen – im Gesetz im Einzelnen aufgeführten – Anknüpfungstatsachen hinsichtlich aller bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der Einzugsstelle mitzuteilen hat. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung, indem er bewusst unwahre oder unvollständige Angaben macht, die zu einem geringeren Gesamtsozialversicherungsbeitrag führen, kann dies eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB darstellen.
2. Eine Täuschung kann in solchen Fällen aber nur angenommen werden, wenn durch das Unterlassen der (zutreffenden) Meldung der Arbeitnehmer gegenüber einem Mitarbeiter einer Einzugsstelle zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht wird, dass keine oder lediglich die gemeldeten Arbeitnehmer und diese in dem gemeldeten Umfang bei dem fraglichen Arbeitgeber beschäftigt sind. Täuschungen und korrespondierende Irrtümer von Mitarbeitern einer Einzugsstelle durch unrichtige Meldungen über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Arbeitnehmern kommen außerdem nur in Betracht, wenn und soweit hinsichtlich der beschäftigten Arbeitnehmer Meldungen an diese Einzugsstelle hätten
erfolgen müssen. Darauf beschränkt sich der Erklärungswert der Meldungen und die Mitarbeiter der Einzugsstelle machen sich nur insoweit Gedanken über die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen.
3. Falls gegenüber den für die beschäftigten Arbeitnehmer zuständigen Einzugsstellen keine Erklärungen über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erfolgen, kann bei den Mitarbeitern der zuständigen Einzugsstellen ein Irrtum daher nur vorliegen, wenn der Arbeitgeber dort unabhängig davon erfasst ist (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 1 StR 111/10).
1. Verbrauchsteuern i.S. des § 374 Abs. 1 AO sind nur inländische Steuern. Der Begriff der Einfuhrabgaben setzt in § 374 Abs. 1 AO gleichermaßen wie in § 373 Abs. 1 AO einen Einfuhrvorgang voraus. Einfuhr ist dabei nur das unmittelbare Verbringen von Ware aus einem Drittland in das Gebiet der Europäischen Union, nicht jedoch das Verbringen von Ware (außerhalb eines gemeinschaftlichen Zollverfahrens) von einem Mitgliedstaat in einen anderen (vgl. BGH wistra 2011, 191). Deshalb können Verbrauchsteuern wie die in Polen zu entrichtende Akzise überhaupt nur dann zu den Einfuhrabgaben i.S.d. § 374 Abs. 1 AO zählen, wenn sie bei der unmittelbaren Einfuhr aus einem Drittland in das Gebiet der Europäischen Union entstehen. Hierzu bedarf es in Fällen des Zigarettenschmuggels entsprechender Feststellungen.
2. Soweit das Tatgericht die Strafverfolgung nicht beschränkt, muss es bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten dem Umstand Rechnung tragen, dass in den durch die Vortaten verkürzten Abgaben sowohl deutsche Tabaksteuer als auch polnische Akzise enthalten waren, mithin in den tatbestandlichen Schuldumfang für dieselben Waren die zweifache Verkürzung von Verbrauchsteuern einfloss. Insoweit muss das Tatgericht in den Blick nehmen, dass das unionsrechtliche Verbrauchsteuersystem – jedenfalls für den Fall normgemäßen Verhaltens – davon ausgeht, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren im Ergebnis grundsätzlich nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer Mitgliedstaaten belastet sein sollen. Das Unionsrecht sieht deshalb grundsätzlich die Möglichkeit der Erstattung von in anderen Mitgliedstaaten entstandenen und auch erhobenen Verbrauchsteuern vor (vgl. Art. 7 Abs. 6 und Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [ABl. EG Nr. L 76/1 – „Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie“] sowie Art. 33 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie die dortigen Erwägungsgründe Nr. 12, 30 und 31; ABl. EU 2009 Nr. L 9/12).
3. Das Tatgericht kann ohne Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen, dass der von diesem begangenen Steuerhehlerei mehrere Vortaten zugrunde lagen. Dies gilt auch für die Hinterziehung deutscher Tabaksteuer, sondern auch die Hinterziehung von Einfuhrabgaben in Polen (BGH wistra 2010, 226). Das Tatunrecht der nach § 374 AO strafbaren Steuerhehlerei besteht in der Aufrechterhaltung des von einem oder mehreren Vortätern geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustandes (vgl. BGH wistra 2008, 105).
4. Die in Polen verkürzten Abgaben entfallen nicht nachträglich durch das Verbringen der Zigaretten nach Deutschland. Gleichwohl könnte es sich empfehlen in Fällen der vorliegenden Art die Strafverfolgung hinsichtlich der verkürzten Abgaben gemäß §§ 154, 154a StPO auf den bei der Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat hinterzogenen Zoll und (oder gar nur) auf die bei dem Verbringen in das deutsche Verbrauchsteuergebiet hinterzogene deutsche Tabaksteuer zu beschränken. Es bedarf dann auch nicht der sonst erforderlichen Feststellung und Anwendung der tabaksteuerrechtlichen Vorschriften anderer Mitgliedstaaten sowie der zuweilen schwierigen Berechnung und Darstellung der in anderen Mitgliedstaaten hinterzogenen Tabaksteuer.
1. Die Anforderungen an die Darstellung einer Steuerhinterziehung sind auch dann zu beachten, wenn dem Urteil eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde liegt.
2. Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiellrechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH NJW 2009, 2546 mwN).
3. Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters. Eine Berechnungsdarstellung kann zwar dann entbehrlich sein, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis ablegt (vgl. BGH NStZ 2001, 200 mwN).
4. Allein durch die Bezugnahme auf das Ergebnis rechtskräftig gewordener Steuerbescheide kann eine Strafkammer den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben nicht entsprechen.
1. Auch bei der Steuerhinterziehung kommt die Begehung in Form eines „uneigentlichen Organisationsdelikts“ in Betracht.
2. Stehen für die Berechnung der in den einzelnen Tatmonaten hinterzogenen Lohnsteuer mangels ausreichender Buchführung keine hinreichenden Feststellungsgrundlagen zur Verfügung, steht dem Tatgericht bei der Entscheidung, welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird, ein Beurteilungsspielraum zu. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich hier darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist (BGH wistra 2010, 148).
3. Ist eine Schadensberechnung auf Grundlage des einheitlichen Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI nicht möglich, darf das Tatgericht auf Grundlage der noch vorhandenen Aufzeichnungen über Schwarzlohnzahlungen in einigen der Tatmonate den auf die Teilschwarzlohnzahlungen anfallenden Anteil der aus dem Gesamtbruttogehalt berechneten Lohnsteuer ermitteln. Der sich daraus ergebenden Durchschnittsprozentsatz darf – vermindert um einen Sicherheitsabschlag – der Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer zu Grunde gelegt werden.
4. Zur Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge sind die Teilschwarzlohnzahlungen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoentgelt hochzurechnen. Auch in Fällen teilweiser Schwarzlohnzahlungen findet § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Anwendung (BGH wistra 2010, 29). Der Senat teilt die einfach- und verfassungsrechtlichen Bedenken, die seitens der Revision hiergegen erhoben werden, nicht. Namentlich steht der Bestimmtheitsgrundsatz i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen. Der Wortlaut der Vorschrift deckt deren Anwendung auch in Fällen von Teilschwarzlohnzahlungen. Angesichts des mit Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks, ist dessen Anwendung auch in Fällen der vorliegenden Art geboten (BGH aaO).
1. Der hypothetische Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt einen Steuerbescheid erlassen hätte, wenn der Täter fristgemäß eine Steuererklärung abgegeben hätte, ist für die Frage der für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Tatbeendigung ohne Bedeutung. Auch der – ohnehin für Rechtsfragen nicht anzuwendende – Zweifelssatz gebietet nicht die Annahme, der Angeklagte wäre als erster veranlagt worden (vgl. BGHSt 47, 138 ff.).
2. Die Annahme der Voraussetzungen der Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB kommt bei Steuerdelikten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs ist, nicht in Betracht (BGH NStZ 2001, 200).
Die für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Tatbeendigung (§ 78a StGB) trittt bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Unterlassen erst mit dem Ablauf, dh mit dem vollständigen Verstreichen, der Einreichungsfrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung und nicht schon im Laufe des letzten Tages der Erklärungsfrist ein (vgl. BGH wistra 2009, 189, 190; BGHR StGB § 78a Satz 1 Umsatzsteuerhinterziehung 2).
Verschiedene Mittelabrufe, die sich jeweils in erster Linie auf die Gesamtsumme des bewilligten Subventionsbetrages bezogen haben, stellen bei einem Subventionsbetrug unselbständige Teile einer Bewertungseinheit dar (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 467/06 – BGHR StGB § 264 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Die Tatsache, dass das Landgericht nicht festgestellt hat, auch die Herbeiführung der Subventionsbewilligung sei vorsätzlich im Sinne des § 264 Abs. 1 StGB erfolgt, steht dem nicht entgegen.
1. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein Tätigkeits- und kein Erfolgsdelikt. Für die Frage, ob der Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 7 Abs. 1 StPO i.V.m. § 9 Abs. 1 StGB begründet ist, ist deshalb allein auf den
Handlungsort abzustellen (BGH NStZ 2003, 269). Die Bestimmung des Handlungsorts beurteilt sich dabei nach der Tatsachengrundlage, wie sie sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens darstellt.
2. Das Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber von Betäubungsmitteln stellt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als Mittäterschaft, sondern jeweils als selbständige Täterschaft dar, weil sich beide als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegensätzliche Interessen verfolgen, so dass ihr gemeinsames Tätigwerden allein durch die Art der Deliktsverwirklichung vorgegeben ist (BGHSt 42, 255, 259). Aus dem gleichen Grund führt das Zusammenwirken zwischen Veräußerer und Erwerber auch nicht zu einer Beteiligung des einen an der jeweiligen Tat des andern (vgl. BGH NStZ 2009, 221).
3. Die in der Annahme eines Lieferangebots liegende Tathandlung des vollendeten Handeltreibens schließt den Zugang der Erklärung bei dem Adressaten mit ein mit der Folge, dass ein Handlungsort im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB auch an dem Ort gegeben ist, an dem die Annahmeerklärung den Adressaten erreicht.
1. Eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln scheidet aus, wenn der Täter nicht auf den Umsatz des „Stoffes“ abzielt, sondern die Ware der Polizei in die Hände spielen und damit erreichen wolle, dass sie aus dem Verkehr gezogen wird. Er kann dann nach ständiger Rechtsprechung weder Täter noch Teilnehmer des Handeltreibens sein (BGH StV 1988, 432; BGH NStZ 1996, 338 mwN).
2. Dafür ist jedoch Voraussetzung, dass der Angeklagte die notwendigen Bemühungen entfaltet, um die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangen zu lassen. Der Angeklagte darf die Herrschaft über den Geschehensablauf nicht aus der Hand geben und – auch aus seiner Sicht – der Polizei den Zugriff auf den weiteren Verlauf verwehren. Nur geringfügige Risiken müssen beim Einsatz von Privatpersonen in Kauf genommen werden.
1. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG wird in Fällen, in denen eine Handlung gleichzeitig eine Straftat und eine Ordnungswidrigkeit darstellt, Straftat und Ordnungswidrigkeit mithin zueinander in Tateinheit stehen, nur das Strafgesetz angewendet. Dies greift ein, wenn zwischen dem Besitz erworbener Betäubungsmittel und der Fahrt, die der Angeklagte nach dem Kokainkonsum durchgeführt hat, eine unlösbare innere Verknüpfung bestand, die über die bloße Gleichzeitigkeit der Ausführung der Tathandlungen hinausging. So liegt es, wenn die „Drogenfahrt“ dazu diente, die vom Angeklagten erworbenen Betäubungsmittel zu seinem Wohnort zu transportieren.
2. Das gegen den Angeklagten verhängte Fahrverbot kann jedoch bestehen bleiben (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 OWiG).
Fördert der Täter des Einschleusens von Ausländern (§ 92 Abs. 2 Nr. 2, § 92a Abs. 1 und 2 Nr. 1 AuslG aF) rechtlich selbständige Haupttaten mehrerer Ausländer durch eine Beihilfehandlung, so liegt nur eine Beihilfe und damit für ihn nur eine Tat vor.
Wird aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, so wird gemäß § 5 Abs. 3 JGG von Jugendstrafe abgesehen, wenn die Maßregelanordnung eine solche Ahndung entbehrlich macht. Diese spezifisch jugendstrafrechtliche Vorschrift ermöglicht es, dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung zu tragen (vgl. BGHSt 39, 92, 95 m.w.N.). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung muss einem Urteil zu entnehmen sein, wenn sowohl Jugendstrafe als auch eine Maßregelanordnung erfolgen soll.