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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2011
12. Jahrgang
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Von Rechtsanwalt Jürgen Klengel und Rechtsanwältin Stefanie Dymek*
Die Bewertung von Korruptionsstraftaten im britischen Rechtskreis erfährt mit dem im voraussichtlich April 2011 in Kraft tretenden UK Bribery Act einen umfassenden Wandel.[1] Die bisher geltenden Regelungen beruhen teilweise noch auf Gesetzen aus dem 19. Jahrhundert und sind im Hinblick auf die Bekämpfung von Korruption mit Unzulänglichkeiten behaftet. Diese werden nun durch ein Gesetz reformiert, das aufgrund seines umfassenden Anwendungsbereiches über das Vereinigte Königreich hinaus für einigen Handlungsbedarf im Rahmen der Korruptionsprävention sorgen wird. Das neue Antikorruptionsgesetz betrifft hierbei nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen und Personengesellschaften, weshalb es für international agierende Unternehmen unerlässlich werden wird, sich Klarheit über die Reichweite des Bribery Act zu verschaffen. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen sollte die verbleibende Zeit genutzt werden, um vorhandene Compliance-Strukturen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Der UK Bribery Act 2010 regelt hinsichtlich der Straftatbestände in einem ersten Abschnitt die aktive und passive Bestechung,[2] in einem zweiten die Bestechung ausländischer Amtsträger[3] sowie in einem dritten Abschnitt die Strafbarkeit von Unternehmen für das Unterlassen der Verhinderung von Bestechungshandlungen durch ihre Mitarbeiter und anderer mit dem Unternehmen verbundener Personen.[4]
Insgesamt beinhaltet das Gesetz einen weiten persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich. Denn eine Strafbarkeit kann nicht nur dem Täter und den Beteiligten im klassischen Sinne drohen, sondern in bestimmten Konstellationen auch dem Unternehmen selbst und seiner Unternehmensleitung. Bestraft wird zudem nicht nur die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, sondern auch die Bestechung von Amtsträgern und mit Amtsträgern vergleichbaren Personen.
Den Tatbeständen sind teilweise bestimmte Merkmale gemein. So findet man in mehreren Kategorien das Merkmal des "finanziellen oder anderen Vorteils".[5] Hierdurch werden im Rahmen der Unrechtsvereinbarung, vergleichbar mit den deutschen Korruptionsvorschriften, alle materiellen und immateriellen Vorteile abgedeckt.
Des Weiteren beinhalten die meisten Tatvarianten die Voraussetzung der "pflichtwidrigen Ausübung einer Funktion oder Aktivität". Dieses Merkmal ist regelmäßig als Form der Gegenleistung des Vorteilsempfängers im Rahmen der Unrechtsvereinbarung anzusehen. Hinzukommen muss der Vorsatz, den Vorteilsempfänger durch den Vorteil zu einer unangemessenen Ausübung einer Funktion oder Handlung zu bestimmen oder ihn für eine solche belohnen zu wollen. Die Auslegung, was als pflichtwidrig anzusehen ist, richtet sich nach objektiven Kriterien, nämlich nach der Erwartungshaltung einer vernünftigen Person an die Ausübung der betreffenden Funktion oder Handlung.[6]
Im Folgenden sollen in einem kurzen Überblick die maßgeblichen Handlungsge- und -verbote des Gesetzes im Einzelnen skizziert werden:
Die erste Variante lässt sich am Besten mit dem deutschen Begriff der Bestechung umschreiben, wobei hiervon sowohl Taten im privaten als auch im öffentlichen Bereich umfasst sind. Die Tatbestandsmerkmale beinhalten bei natürlichen Personen jede Form des Anbietens, Versprechens oder Gewährens eines Vorteils. Dabei ist unbeachtlich, ob der Vorteilsempfänger selbst oder ein Dritter derjenige ist, der letztendlich die Gegenleistung für den Vorteil erbringt, denn auch die Unrechtsvereinbarung im Dreiecksverhältnis wird in Section 1 (4), (5) ausdrücklich unter Strafe gestellt.
Quasi spiegelbildlich zur oben genannten Bestechung wird auch die Annahme eines Vorteils für die Ausübung oder Unterlassung einer pflichtwidrigen Handlung unter Strafe gestellt, wobei im Gegensatz zum deutschen Recht die Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr nicht das Vorliegen einer Wettbewerbssituation voraussetzt.[7] Dies erfolgt unabhängig davon, ob der Vorteilsempfänger selbst, oder ein anderer diese Handlung vornimmt und ob der Vorteil durch ihn selbst oder durch einen Dritten gewährt wird.
Besonders hervorzuheben ist, dass in vielen der im Gesetz exemplarisch aufgeführten Konstellationen der passiven Bestechung für die pflichtwidrig vorgenommene Handlung seitens des Täters kein Vorsatz erforderlich ist. Es ist gemäß Section 2 (7) nämlich unerheblich, ob der Täter weiß oder glaubt, die von ihm vorgenommene Handlung oder Unterlassung sei pflichtwidrig.
Bereits hieran wird deutlich, wie wichtig eine auf den Bribery Act angepasste Compliance-Struktur in den jeweiligen Unternehmen werden wird und dass diese stringent und nachweislich an die Mitarbeiter zu kommunizieren ist.
Hier besteht ein enger Bezug zu anderen einschlägigen Vorschriften, namentlich der "OECD Anti-Bribery-Convention" und dem "Foreign Corrupt Practices Act" der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Strafbarkeit beschränkt sich dabei auf die Formen des Anbietens, Versprechens oder Gewährens eines Vorteils. Die Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit selbst ist nicht strafbar. Der Täter muss jedoch beabsichtigen, durch den gewährten Vorteil den ausländischen Amtsträger in seiner Funktion als solchen zu seinem geschäftlichen Nutzen zu beeinflussen. Eine Strafbarkeit soll nur dann entfallen, wenn dem ausländischen Amtsträger die Ausführung seiner Funktion unter Annahme von Vorteilen in seinem Heimatland erlaubt ist.
Die Definition des ausländischen Amtsträgers ist dabei weit gefasst. Parallel zu den deutschen Vorschriften der §§ 331 ff. StGB und der OECD-Richtlinien erfasst die Bezeichnung "Amtsträger" dabei nicht nur die Träger eines legislativen, administrativen oder judikativen Am-
tes, sondern als Amtsträger sind auch solche Personen zu behandeln, die überhaupt in einer öffentlichen Funktion tätig sind.
Auch ein Unternehmen selbst kann sich strafbar machen, wenn die Korruptionstat im Zusammenhang mit Geschäften für das Unternehmen begangen wird und das Unternehmen es versäumt hat, die Straftat durch adäquate Vorkehrungen zur Bekämpfung von Korruption zu verhindern.[8] Die Strafbarkeit des Unternehmens wird bereits dann begründet, wenn eine mit dem Unternehmen "verbundene Person"[9] eine andere Person (Privatperson oder Amtsträger) im Unternehmensinteresse besticht. Als mit dem Unternehmen "verbundene Personen" kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen in Betracht. Der Begriff ist in Section 8 legal definiert. Darunter fallen somit auch Vertreter, Agenten und Beauftragte.
Eine Strafbarkeit kann nur dann vermieden werden, wenn das Unternehmen nachweislich adäquate Vorkehrungen zur Vorbeugung von Korruption geschaffen hat. Unternehmen haben demzufolge grundsätzlich die Aufgabe, Bestechungshandlungen ihrer Mitarbeiter und anderer mit dem Unternehmen verbundener Personen zu verhindern.
Die gesetzlich normierte "commercial organisation" umfasst jede Gesellschaft oder Partnerschaft. Für die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Bribery Act reicht es aus, dass zumindest Teile des Geschäfts im Vereinigten Königreich vollzogen werden. Eine Kollision mit dem Bribery Act kommt für ausländische Gesellschaften danach schon dann in Betracht, wenn sie Geschäfte mit Auslandsberührung zum Vereinigten Königreich tätigen.[10]
Zusätzlich zum Unternehmen können Geschäftsführer, Vorstände und Personen in Führungspositionen strafrechtlich gesondert zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Bestechung mit ihrer Kenntnis oder ihrem Einverständnis erfolgte.[11] Mit dem Tatbestand der Strafbarkeit des Unternehmens bei Nichtvermeidung von Korruption geht jedoch noch keine gleichzeitige strafrechtliche Geschäftsführerhaftung einher. Die senior management liability erstreckt sich nur auf Führungskräfte, die eine britische Staatsbürgerschaft oder ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Vereinigten Königreich haben.
Der Begriff der adäquaten Vorkehrungen zur Verhinderung von Korruption wird vom Gesetz selbst nicht näher umschrieben. Dem Secretary of State wurde jedoch in Section 9 (1) aufgegeben, noch vor Inkrafttreten des Gesetzes geeignete Richtlinien zu erlassen, die den Unternehmen helfen sollen, die Anforderungen des Bribery Act zu erfüllen.
Solche Richtlinien wurden am 14.09.2010 im Entwurf veröffentlicht.[12] Die endgültigen Leitlinien sollen noch Anfang 2011 erscheinen, um den Unternehmen eine Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Bribery Act zu gewähren.
Der aktuelle Entwurf enthält keine vorformulierten "to do"-Aufzählungen, die von den Unternehmen schlicht übernommen werden könnten, sondern es handelt sich ausweislich des Vorwortes des Secretary of State[13] um allgemeine, nicht abschließende Gedankenhilfen bei der Installierung und Verbesserung der auf das jeweilige Unternehmen bezogenen Antikorruptions-Maßnahmen.
Durch die Nichtaufnahme von explizit definierten Vorschlägen soll offensichtlich sichergestellt werden, dass betroffene Unternehmen sich intensiv mit der Thematik befassen und ihre Maßnahmen auch unternehmensbezogen umsetzen, um sich eine Exkulpationsmöglichkeit zu schaffen. Denn die Compliance-Organisation innerhalb eines Unternehmens wird maßgeblich von der Unternehmensgröße, der Branche und dem Marktsektor beeinflusst.
Der Anwendungsbereich des Bribery Act hat extraterritoriale Wirkung, da die Normen über das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs hinaus Anwendung finden. Die Korruptionshandlung muss damit also nicht zwingend im britischen Inland erfolgen.[14] Der Anwendungsbereich ergibt sich aus der weiten Unternehmensdefinition innerhalb der im Gesetz geregelten Unternehmensstrafbarkeit. Hiervon werden alle juristischen Personen umfasst, die Geschäfte oder auch nur Teile des Geschäfts auf dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs tätigen.[15]
Der exakte Anwendungsbereich der Vorschrift bestimmt sich daher nach der Auslegung des Begriffes "Teile des Geschäfts – part of a business". Zu beachten ist, dass die neue Regelung auch Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten bzw. Zweigstellen von Unternehmen im Vereinigten Königreich treffen kann. Selbst ein einzelnes Büro im Anwendungsbereich des Gesetzes kann dazu führen, dass die britische Zuständigkeit eröffnet und bei einem ent-
sprechenden Anfangsverdacht die Ermittlungen aufgenommen werden. Somit können auch ausländische Personen und Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden, gleich wo die strafbare Handlung begangen wurde. Auch die durch die Bestechung gewollte, hervorgerufene Handlung muss nicht zwingend im Vereinigten Königreich erfolgen. Vielmehr ist ausreichend, dass sich der Sitz des Unternehmens, der Tochtergesellschaft beziehungsweise der Betriebsstätte oder die Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich befinden.
Bei einem Verstoß einer natürlichen Person gegen den Bribery Act kann eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren und/oder eine Geldstrafe in unbegrenzter Höhe verhängt werden. Wird ein Verstoß gegen Section 7 hinsichtlich des Unternehmens selbst festgestellt, kann dieses ebenfalls mit einer unbegrenzten Geldstrafe sanktioniert und/oder bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.[16]
Um den Anforderungen, die der Bribery Act an deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen ins Vereinigte Königreich stellt, wirksam entgegentreten zu können, müssen Unternehmen schnellstmöglich die entsprechenden Vorkehrungen treffen, um sich im Falle eines Korruptionsvorwurfes im Sinne von Section 7 (2) exkulpieren zu können.
In Anlehnung an die derzeit im Entwurfsstadium veröffentlichten Leitlinien sollte der Fokus hinsichtlich der Implementierung und Verbesserung der unternehmensspezifischen Compliance-Strukturen auf die folgenden Punkte gerichtet werden:
Der extraterritorial und extensiv auszulegende Anwendungsbereich des Gesetzes birgt für international agierende Unternehmen ein fast unüberschaubares Risiko strafrechtlich in die Verantwortung genommen zu werden. Es kann jedem potentiell betroffenen Unternehmen nur eindringlich angeraten werden, sich hinsichtlich der vorgesehenen gesetzlichen Exkulpationsmöglichkeit umfassend vorzubereiten und bis zum voraussichtlichen Inkrafttreten des Bribery Act im April 2011 die vorhandenen Strukturen zu überprüfen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen.
* Die Autoren sind Rechtsanwälte im wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich der internationalen Sozietät White & Case LLP, den der Autor Klengel im Frankfurter Büro leitet.
[1] Der Gesetzestext ist abrufbar unter: http://www.justice.gov.uk/publications/bribery-bill.htm.
[2] "General bribery offences", wobei Section 1 die aktive und Section 2 die passive Bestechung regelt.
[3] "Bribery of foreign public officials" , Section 6.
[4] "Failure of commercial organisations to prevent bribery", Section 7 ff.
[5] Section 1, 2 und 6: "financial or other advantage."
[6] Section 5, Expectation test: "For the purpose (…), the test of what is expected is a test of what a reasonable person in the UK would expect (…)."
[8] Section 7 (2), "But it is a defence for C to prove that C had in place adequate procedures designed to prevent persons associated with C from undertaking such conduct."
[9] Vgl. Section 8, Meaning of associated person.
[10] Vgl. Section 12, Offences under this Act: terroritial application.
[11] Vgl. Section 14.
[12] Ministry of Justice – Consultation on guidance about commercial organisations preventing bribery (section 9 of the Bribery Act 2010), abrufbar unter: "http://www.justice.gov.uk/consultations/docs/bribery-act-guidance-consultation1.pdf”.
[13] Ministry of Justice – Consultation on guidance about commercial organisations preventing bribery (Section 9 of the Bribery Act 2010), S. 11: "This guidance, which is based on six broad management principles, is provided by the Government to help relevant commercial organisations decide what bribery prevention procedures they can put in place."
[14] Section 12, Offences under this Act: territorial application.
[15] Section 7 (5), "(…) carries on a business or part of a business (…)".
[16] Section 11, Penalties.
[17] Zur Korruptionsgefährdetheit der einzelnen Länder siehe unter www.transparency.org.