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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2010
11. Jahrgang
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1. Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB in Fällen der Nicht-Zahlung ordnungsgemäß angemeldeter Sozialversicherungsbeiträge. (BGHR)
2. Für die genannten Fälle ist typisch, dass der Arbeitgeber die Beitragsnachweise für die ordnungsgemäß gemeldeten Arbeitnehmer bei der zuständigen Krankenkasse einreicht und lediglich in der Folge die auf der Grundlage der Beitragsnachweise geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlt. Tathandlung ist insoweit – anders in Fällen illegaler Beschäftigung, bei denen der Arbeitgeber die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht oder nicht in richtigem Umfang meldet – die schlichte Nicht-Zahlung der geschuldeten Beiträge; weitere Unrechtselemente enthält das Tatbestandsmerkmal des Vorenthaltens in diesen Fällen nicht. (Bearbeiter)
3. Für Fälle dieser Art besteht – soweit die Taten nach dem 1. April 2003 datieren – nach Auffassung des Senats entgegen früherer Rechtsprechung grundsätzlich kein Anlass, im Urteil umfangreiche Feststellungen über die Anzahl der Beschäftigten, deren Beschäftigungszeiten, das zu zahlende Arbeitsentgelt und zur Höhe des Beitragssatzes der zuständigen Krankenkasse zu treffen. Vielmehr bedarf es in solchen Fällen – anders als in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse – neben den Feststellungen, aus denen sich die Arbeitgeberstellung des Täters und – daraus folgend – die diesem obliegenden Meldepflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern ergeben, in der Regel lediglich der Feststellung der Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile, der durch das Vorenthalten geschädigten Krankenkasse sowie der Beitragsmonate, in denen die Arbeitnehmeranteile vorenthalten wurden. (Bearbeiter)
4. In Fällen der vorliegenden Art kann sich aufgrund der vorgenannten Umstände regelmäßig auch die Beweiswürdigung darauf beschränken, darzulegen, dass seitens des Arbeitgebers Beitragsnachweise eingereicht wurden, in denen die Sozialversicherungsbeiträge in der festgestellten Höhe ausgewiesen sind. Lediglich dann, wenn aufgrund der Einlassung des Angeklagten oder anderweitiger besonderer Umstände Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Beitragsnachweis ausgewiesenen Sozialversicherungsbeiträge nicht den tatsächlich geschuldeten entsprechen, wird das Tatgericht gehalten sein, die getroffenen Feststellungen eingehender, z.B. unter Berücksichtigung der kaufmännischen Erfahrung des Arbeitgebers oder der Ergebnisse durchgeführter Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 SGB IV, zu belegen. Denn weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2010, 310 mwN). (Bearbeiter)
1. Nach § 101 Abs. 6 HG NRW 2000 (entspricht dem geltenden § 71 Abs. 6 HG NRW) stehen finanzielle Erträge der Hochschule aus (drittmittelfinanzierten) Forschungsvorhaben, die in der Hochschule durchgeführt werden, insbesondere aus Einnahmen, die der Hochschule als Entgelt für die Inanspruchnahme von Personal, Sachmitteln und Einrichtungen zufließen, der Hochschule für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung. Finanzielle Erträge oder auch „freie“ Drittmittelreste fließen weder dem Drittmittelgeber noch dem Drittmittelforscher zu, sondern verbleiben haushaltsrechtlich der Hochschule. Ein Vermögensschaden kann daher auch darin liegen, dass noch nahezu vollständig vorhandene und damit „freie“ Drittmittel nicht dem Haushalt der Universität nach Abschluss der Projekte zugeführt wurden.
2. Ein Lehrstuhlinhaber ist gemäß § 101 Abs. 6 HG NRW verpflichtet, der Hochschule gegenüber die nach Abschluss der jeweiligen Projekte noch verbleibenden Drittmittel zu offenbaren. Durch das Nichtoffenbaren unbekannt vorhandener Drittmittel entsteht der Hoch-
schule auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ein Vermögensnachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB, weil sie auf ihr gemäß § 101 Abs. 6 HG NRW 2000 zustehende Vermögenswerte keinen Zugriff nehmen konnte. Die eventuelle Rückführung der entzogenen Mittel ist allenfalls eine Schadenswiedergutmachung (vgl. BGHSt 52, 323, 336 ff.).
3. Zur Kausalität des Irrtums für die getroffene Vermögensverfügung bei mehraktigen Verfügungen (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29).
4. Liegt ein zweckwidriger Einsatz öffentlicher Mittel vor, so kann darin bereits ein Schaden liegen, weil die zweckgebundenen Mittel verringert wurden, ohne dass der Zweck erreicht wurde (BGHSt 43, 293, 297 f.; BGH NStZ 2001, 248, 251). Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt, zu dem die Gelder beim Zuwendungsempfänger eingegangen sind (vgl. BGHSt 40, 287, 298; BGH NStZ 2001, 248, 251).
Das auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer selbständiger, eigene Interessen verfolgender Geschäftspartner begründet beim Betäubungsmittelhandel auch dann noch keine Bande im Sinne dieser Vorschriften, wenn es auf Grund entsprechender, über das einzelne Geschäft hinaus reichender Abreden zu einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem und damit letztlich zu einer organisatorischen Struktur führt (BGHSt 42, 255, 259).