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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2010
11. Jahrgang
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1. Mit einer Durchsuchung wird schwerwiegend in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) eingegriffen. Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für eine solche Zwangsmaßnahme im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353, 381 f.; 59, 95, 97 f.).
2. Ob und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts einer Durchsuchung herangezogen werden dürfen, betrifft die Vorauswirkung von Verwertungsver-
boten und gehört in den größeren Zusammenhang der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Insoweit ist anerkannt, dass Verfahrensfehlern, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren zukommt (vgl. auch BVerfGK 7, 61, 63).
3. Von Verfassungs wegen besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre (vgl. BVerfGK 9, 174, 196). Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Strafgerichte in gefestigter Rechtsprechung davon ausgehen, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Da das Rechtsstaatsprinzip die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege gestattet und verlangt (BVerfGE 33, 367, 383; 122, 248, 272 f.), bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist.
4. Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind, geboten (vgl. BVerfGE 113, 29, 61). Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfGE 34, 238, 245 f.; 109, 279, 320).
5. Ob ein Sachverhalt zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung oder zu jenem Bereich des privaten Lebens, der unter bestimmten Voraussetzungen dem staatlichen Zugriff offen steht, zuzuordnen ist, lässt sich nicht abstrakt beschreiben, sondern kann befriedigend nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falls beantwortet werden (vgl. BVerfGE 34, 238, 248; 80, 367, 374). Daten über geschäftliche Kontakte mit Kreditinstituten sind nicht Teil des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
6. Die Vorschriften der Strafprozessordnung zur Beweiserhebung und -verwertung richten sich nach Systematik, Wortlaut und Zweck ausschließlich an die staatlichen Strafverfolgungsorgane. Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, sind – selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte – grundsätzlich verwertbar.
7. Das Trennungsgebot besagt, dass Geheimdienste keine polizeilichen Zwangsbefugnisse besitzen dürfen, also etwa keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen oder anderen Zwang ausüben dürfen. Sie dürfen mithin nicht zur gezielten Erlangung von Zufallsfunden für nicht-nachrichtendienstliche Zwecke eingesetzt werden. Die bloße Entgegennahme von Daten durch den Bundesnachrichtendienst im Rahmen der Liechtensteiner Steueraffäre verletzt das Trennungsgebot nicht.
8. Soweit die fachgerichtlichen Entscheidungen nach Abwägung der verschiedenen Interessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Daten aus Liechtenstein verwendet werden dürfen, um den Anfangsverdacht für die Durchsuchung zu begründen, ist dies nachvollziehbar und lässt eine verfassungsrechtlich relevante Fehlgewichtung nicht erkennen.
9. Steht die Umgehung und der Verstoß gegen ein völkerrechtlichen Übereinkommen bei der Erhebung strafprozessualer Beweise in Rede, kann sich das Bundesverfassungsgerichts auf eine Willkürkontrolle beschränken.
1. Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden darf (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG). Neben einer gesetzlichen Grundlage fordert die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG und der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens ein Mindestmaß an zuverlässiger Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250, 275). Diese Voraussetzungen sind nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208, 222) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297, 307).
2. Für den Fall des Bewährungswiderrufs nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB verlangt das Gebot bestmöglicher Sachverhaltsaufklärung, dass der Richter sich für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls wie der Verurteilte gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat, um eine möglichst breite Tatsachenbasis bemüht und die Entscheidung auf einen umfassend ermittelten Sachverhalt stützt.
Die fachgerichtliche Rechtsprechung betont zu Recht, dass der Verdacht, hinter der Berichtigung verberge sich
in Wahrheit die sachliche Änderung eines inhaltlich anders beschlossenen Urteils, in jedem Fall ausgeschlossen sein muss. Diese Einschränkung trägt dem mit verfassungsrechtlichem Gewicht ausgestatteten Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 2, 380, 403 ff.; 47, 146, 161) Rechnung und verhindert zugleich eine Umgehung der gerade auch den Interessen des Beschuldigten dienenden strengen strafprozessualen Vorschriften über die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung oder im Wiederaufnahmeverfahren. Danach wird eine Urteilsberichtigung im Hinblick auf die Personalien des Verurteilten nur in sehr eindeutigen Fällen in Betracht kommen, zumal unter Umständen auch den Interessen der weiteren Person Rechnung zu tragen ist, auf deren Personalien das Urteil nach Berichtigung lauten würde.