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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2010
11. Jahrgang
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1. Die Garantenstellung der Mutter für ihr neugeborenes Kind beginnt mit dem Einsetzen der Geburtswehen. Sie hat die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um das Leben des Kindes zu erhalten.
2. Verläuft eine Schwangerschaft problemlos, muss eine Mutter nicht mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko für das Kind während der Geburt rechnen. Eine Hausgeburt ist dann nicht von vornherein pflichtwidrig. Pflichtwidrig handelt eine Mutter allerdings, wenn sie sich dazu entschließt, ein Kind heimlich und ohne fremde Hilfe im Badezimmer zur Welt zu bringen, obwohl bereits ein unter derartigen Umständen geborenes Kind zu Tode gekommen war.
3. Es kann dahinstehen, ob, wie das Landgericht meint, eine werdende Mutter stets verpflichtet ist, sich für die Geburt fremder Hilfe zu vergewissern. Eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Hilfe bei der Geburt wird aber immer dann anzunehmen sein, wenn es für die Schwangere im Hinblick auf bekannte Vorerkrankungen oder sonstige Risiken absehbar ist, dass bei der Geburt Gefahren für Leib oder Leben des Kindes entstehen können. Die Schwangere trifft die Pflicht, einen für das Kind möglichst sicheren Geburtsverlauf und die erforderliche Erstversorgung des Neugeborenen sicherzustellen.
4. Ein aktives Tun unterbricht dann nicht in relevanter Weise den durch ein sorgfaltswidriges Handeln begründeten Kausalzusammenhang, wenn das aktive Tun nicht mit Tötungsvorsatz geschah, sondern lediglich aus Unachtsamkeit erfolgte. Eine fahrlässige Fehlreaktion im unmittelbaren Anschluss an die Geburt liegt noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren.
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten hat. Hierbei fließen normative Geschichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (std. Rspr., vgl. BGHSt 49, 45, 53).
1. In der Abnötigung eines Schuldscheins für eine nicht bestehende Verbindlichkeit liegt kein Vermögensnachteil und damit keine vollendete (schwere) räuberische Erpressung, wenn mit einer Verwendung dieser Urkunde zur rechtlichen Durchsetzung der angeblichen Forderung nicht ernstlich zu rechnen war.
2. Will der Angeklagte den Schuldschein nicht einsetzen und rechnet er auch nicht mit einer zukünftigen Zahlung, liegt auch kein Versuch der schweren räuberischen Erpressung vor.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Straftatbestand der Rechtsbeugung den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe stellen. Da die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand die Schwere des Unwerturteils indiziert und eine Verurteilung kraft Gesetzes (§ 24 Abs. 1 DRiG) zur Beendigung des Richterverhältnisses führt, ist es mit dieser gesetzlichen Zweckbestimmung nicht zu vereinbaren, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler in den Schutzbereich dieser Norm einzubeziehen. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewusst und in schwer wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Das Tatbestandsmerkmal der „Beugung“ enthält insoweit ein normatives Element, wonach nur elementare Rechtsverstöße und offensichtliche Willkürakte erfasst werden sollen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 38, 381, 383; 40, 272, 283; 47, 105, 108 f.). Auf den Maßstab (bloßer) Unvertretbarkeit darf dabei schon im Interesse der Rechtssicherheit nicht abgestellt werden (BGHSt 47, 105, 109).
2. Was ein Angeklagter nach § 258 Abs. 1 StPO erklärt, gehört zum Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO und darf folglich bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden (BGHSt 11, 74, 75).
1. Sinn und Zweck der Straftatbestände des § 261 Abs. 2 StGB ist es, den Vortäter dadurch gegenüber der Umwelt zu isolieren, dass der aus einer der in Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift genannten Straftaten herrührende Gegenstand „praktisch verkehrsunfähig“ gemacht werden soll. Wird dem Vortäter ein solcher Gegenstand (gewaltsam) weggenommen, fehlt es am inneren Zusammenhang mit der Ächtung des Tatobjekts und dem Isolierungszweck des § 261 Abs. 2 StGB. Demgemäß ist der Raub eines solchen Gegenstandes kein Sichverschaffen im Sinne der Nr. 1 dieser Vorschrift (BVerfG NJW 2004, 1305, 1306). Für das Verwahren und Verwenden eines dem Vortäter geraubten Gegenstandes kann nichts anderes gelten.
2. Die Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (vgl. BGHSt 25, 72, 75; BGH NStZ 1999, 415; 2008, 471, 472). Wird sie missachtet, stellt dies einen sachlichrechtlichen Mangel des Urteils dar (vgl. BGH NStZ 1983, 174, 175).
3. Es bleibt offen, ob bei der Sachbeschädigung neben dem Eigentümer auch derjenige der Verletzter ist, der, wie der Mieter, ein unmittelbares obligatorisches Recht an der beschädigten Sache hat.