HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2009
10. Jahrgang
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Schrifttum

Bastian Mehle : Zeitpunkt und Umfang notwendiger Verteidigung im Ermittlungsverfahren, Duncker & Humblot, 460 Seiten, 98,- €, Berlin 2006.

I. Die rechtswissenschaftliche Diskussion über die Frage der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren ist durch einige neuere Entscheidungen des BGH wiederbelebt worden. Die im Schrifttum seit Langem erhobene Forderung nach einer möglichst frühzeitigen Bestellung wurde vor allem durch BGHSt 46, 93 (dazu: Fezer JZ 2001, 359; Gleß NJW 2001, 3606; Neuhaus JuS 2002, 18; Sowada NStZ 2005, 5) bekräftigt, wonach dem unverteidigten Beschuldigten vor der zum Zwecke der Beweissicherung durchgeführten ermittlungsrichterlichen Vernehmung des zentralen Belastungszeugen ein Verteidiger bestellt werden muss, wenn abzusehen ist, dass die Mitwirkung eines Verteidigers im gerichtlichen Verfahren notwendig sein wird und der Beschuldigte von der Abwesenheit bei dieser Vernehmung ausgeschlossen ist. So erfreulich diese Entscheidung in ihrer die Position des Beschuldigten stärkenden Tendenz war, so wurde überwiegend bedauert, dass das Gericht trotz des festgestellten Verstoßes gegen ein Beweiserhebungsverbot nicht zu einem Beweisverwertungsverbot gelangte. Die Vorbehalte erwiesen sich schnell als begründet. Das gerade erst keimende zarte Pflänzchen, u. a. durch die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots ohnehin ohne starke Wurzel, wurde durch nachfolgende Entscheidungen weiter arg gerupft (BGHSt 47, 172; 47, 233). Diese und andere Judikate nimmt Bastian Mehle in seiner Münchener Dissertation zum Anlass, "Zeitpunkt und Umfang notwendiger Verteidigung im Ermittlungsverfahren" grundlegend zu untersuchen.

II. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Grundnorm der Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren, also § 141 Abs. 3 StPO.

1. Mehle beginnt seine Analyse nach Klärung begrifflicher Fragen mit einer Darlegung zum Bedeutungswandel des Ermittlungsverfahrens (S. 38 ff.): Der historische Gesetzgeber sei noch davon ausgegangen, dass dem Ermittlungsverfahren nur vorbereitender Charakter zukomme.

Es sei die Hauptverhandlung, die das Kernstück des Strafverfahrens bilde. Deshalb sei selbst in den Fällen, in denen die Verteidigung "notwendig" ist, die Mitwirkung eines Verteidigers schon im Ermittlungsverfahren nicht obligatorisch. Zwar wurde auch damals schon erkannt, dass sich bestimmte Beweiserhebungsakte in der Hauptverhandlung nicht wiederholen ließen. Man verband dieses Bedenken gegen die Anwesenheit der Verteidigung im Ermittlungsverfahren aber mit eher exotischen Problemen, etwa der keinen Aufschub duldenden Untersuchung von Leichen (Hahn, Die gesammten Materialien zur StPO und dem Einführungsgesetz derselben, 2. Abt., Berlin 1881, S. 1864). Mehle zeichnet im Einzelnen nach, warum die historische Vorstellung des Ermittlungsverfahrens als "pflichtverteidigungslose Zone" heute verfehlt ist. Er verweist auf die seit 1877 eingetretenen Änderungen, etwa die Vernehmung von Verhörspersonen als Zeugen vom Hörensagen (S. 54 ff.) einschl. der neuen Möglichkeiten der Zeugen, die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung zu beeinflussen (BGHSt 45, 203; 46, 1), oder den Beweistransfer nach §§ 255a, 58a, 168e S. 4 StPO (S. 62 ff.).

2. Besonders lesenswert sind die Ausführungen zu den sozialpsychologischen Zusammenhängen (S. 44 ff.), die sich allzu oft zu Lasten des Beschuldigten auswirken dürften. So sollte das durch die empirische Forschung verifizierte Phänomen der kognitiven Dissonanz jedem mit Straf- bzw. Strafprozessrecht Befassten geläufig sein: Diese Theorie besagt, dass der Mensch verschiedene Kognitionen, die zueinander in Beziehung stehen, dadurch in Einklang bringen möchte, dass er konsonante Beziehungen zwischen seinen Kognitionen zu erreichen versucht. So können neue konsonante Kognitionen addiert, dissonante Kognitionen subtrahiert oder erfolgte Kognitionen substituiert werden. Das Streben nach kognitiver Balance ist dabei von der Dissonanzstärke abhängig (zur Übertragung dieser Theorie auf den Strafprozess vgl. etwa Schünemann GA 1978, S. 161 ff.; ders., KR 1999, 146, 148 ff.; Barton StraFo 1993, 11, 13 ff.). So erklärt sich die gelegentlich anzutreffende Praxis, in der Hauptverhandlung allein den Akteninhalt "nachzubeten" und entlastende neue Beweisergebnisse als "unecht" oder "irrelevant" einzustufen. Auch mit Begriffen wie "Redundanz"-, "Reaktanz"- oder "Inertia"-Effekt (vgl. aus jüngster Zeit Barton, Einführung in die Strafverteidigung, 2007, S. 321 ff., 389 ff.) sollte man etwas anzufangen wissen.

3. Des Weiteren spricht Mehle die Verpolizeilichung des Ermittlungsverfahrens (S. 72 ff.) an und, geradezu selbstverständlich, die Untersuchungen von Karl Peters zu den Fehlerquellen im Strafprozess. Danach steht die weichenstellende Funktion des Ermittlungsverfahrens für den gesamten folgenden Prozess heute außer Frage; denn: "Immer wieder stießen wir auf die Erkenntnis, das weitgehend im Ermittlungsverfahren die Weichen auf das richtige oder falsche Urteil hin gestellt wurden (Bd. II, 1972, S. 299) und "Fehler und Mängel des Ermittlungsverfahrens sind i. d. R. in der Hauptverhandlung nicht mehr zu beseitigen." (a.a.O., S. 195).

Es folgt eine ausführliche Darlegung der materiellen Voraussetzungen notwendiger Verteidigung innerhalb (S. 109 ff.) und außerhalb der StPO (S. 153 ff.). Ein Kapitel über die "Gründe für eine Pflichtverteidigung", d. h. die Zwecke notwendiger Verteidigung, schließt sich an (S. 177 ff.). Mehle lehnt in diesem Zusammenhang das Welp'sche Autonomieprinzip (ZStW Bd. 90[1978], S. 101 ff.) ab (S. 183 f.).

4. Das Herzstück der Arbeit bilden die insgesamt ca. 150 Seiten umfassenden Kapitel 5 ("Die Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren"; S. 204 ff.) und Kapitel 6 ("Prozessuale Absicherung der Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren"; S. 292 ff.). Zunächst werden hier die neueren Entscheidungen des BGH vorgestellt und die in ihnen entwickelten Thesen, namentlich:

Der Staatsanwaltschaft stehe bei der Prognose, ob im Hauptverfahren die Verteidigung notwendig sein werde, ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser beziehe sich auf tatsächliche wie rechtliche Gesichtspunkte, und er könne sich im Einzelfall auf Null reduzieren; selbst wenn die Pflicht zur Bestellung eines Verteidigers im Ermittlungsverfahren verletzt worden sei, führe dies nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, sondern lediglich zu besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung.

a.) Dann macht sich Mehle an die Überprüfung dieser Thesen, indem er die Regeln in § 140 Abs. 3 S. 1 und 2 StPO auslegt (S. 225 ff.). Er arbeitet handwerklich einwandfrei mit grammatikalischer, systematischer und historischer Auslegung. Einzig bei der Auslegung nach objektiv teleologischen Kriterien hätte man sich etwas mehr kritische Distanz gewünscht: Zwar genießt die teleologische Auslegung allgemeine Anerkennung, doch sollte nicht übersehen werden, dass dieses Auslegungskriterium zirkelschlüssig ist (oder doch schnell zirkelschlüssig werden kann). Denn was das Gesetz mit einer Regelung bezweckt, steht in der Regel erst am Ende der Auslegung fest und kann daher grds. nicht schon bei der Auslegung selbst Berücksichtigung finden (vgl. etwa Herzberg JuS 2005, 1 ff.). Die konsequente Arbeit am und mit dem Gesetz führt Mehle zu folgenden uneingeschränkt richtig erscheinenden Zwischenergebnissen:

Eine Pflicht zur Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft sei schon bei prognostizierter notwendiger Verteidigung in der Hauptverhandlung anzunehmen. § 141 Abs. 3 S. 2 StPO erwähne kein situatives Hilfsbedürfnis, sondern lediglich eine Prognose. Eine Pflicht zur Verteidigerbestellung durch den Vorsitzenden allein bei prognostizierter notwendiger Verteidigung in der Hauptverhandlung sei hingegen abzulehnen.

b.) Konsequent sucht Mehle nun nach Möglichkeiten, den Beurteilungsspielraum bei der Prognose notwendiger Verteidigung in der Hauptverhandlung zu konturieren; eine besonders verdienstvolle Arbeit, dient sie doch der Rechtssicherheit. Zunächst wendet er sich gegen die These vom Beurteilungsspielraum in "tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht" (BGHSt 47, 172, 176). Zwar sei der StA im Rahmen der Definition des Tatverdachts in seiner reinen Sachverhaltskomponente ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Hingegen, so Mehle überzeugend, unterliege die rechtliche Würdigung eines solchen Sachverhalts grds. den allgemeinen Auslegungskriterien (S. 272 f.).

Nach dieser Abschichtung untersucht er den Katalog des § 140 Abs. 1 StPO und die Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO in Bezug auf eventuell verbleibende Beurteilungsspielräume und gelangt zu folgenden Ergebnissen:

Da die Zuständigkeit der Gerichte eindeutig bestimmt sei, entfalle im Fall des § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO auch ein Beurteilungsspielraum der Staatsanwaltschaft. Dies gelte auch dann, wenn die StA die besondere Bedeutung des Falles gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG ablehne und letztlich Anklage zum Amtsgericht erhebe. Denn auch der Begriff der "besonderen Bedeutung des Falles" unterliege nach der Rechtsprechung des BVerfG keinem Beurteilungsspielraum; die Entscheidung der StA sei vollständig überprüfbar (BVerfGE 9, 223, 229). Auch im Falle des § 140 Abs. 1 Nr. 2 sei keine Prognose anzustellen, weil der Begriff des Verbrechens gesetzlich definiert ist. Im Falle des § 140 Abs. 1 Nr. 3 billigt Mehle der Staatsanwaltschaft richtigerweise einen Beurteilungsspielraum zu. Mehle weist im Zusammenhang mit § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO zutreffend darauf hin, dass die Vorschrift lediglich einen zeitlichen Beurteilungsspielraum gewähre, nicht jedoch einen rechtlichen. Insofern sei ein Beurteilungsspielraum also abzulehnen. Im Übrigen wird es Aufgabe der Verteidigung sein, auch vergebliche informelle Versuche zur Beendigung der Haftsituation aktenkundig zu machen. In den Fällen der § 140 Abs. 1 Nr. 6 und 8 StPO entfalle ein Beurteilungsspielraum von vornherein, während in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen sei.

Besonders verdienstvoll sind die Ausführungen zu den Fällen notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO mit Blick auf die notwendige Mitwirkung eines Verteidigers schon im Ermittlungsverfahren (S. 253 ff.). Neben der durch BGHSt 46, 93 anerkannten Fallgruppe der Vernehmung eines zentralen Belastungszeugen entwickelt Mehle hier weitere, etwa die notwendige Bestellung eines Verteidigers vor Identifizierungsgegenüberstellungen oder vor einer beabsichtigten Tatrekonstruktion. Wegen der i. d. R. bedeutsamen Entscheidung über die Auswahl des Sachverständigen muss nach Auffassung von Mehle ebenfalls zuvor ein Verteidiger bestellt werden. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen neuerer Forschung, wonach die Entscheidung, welcher Sachverständige zu bestellen sei, nicht ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs getroffen werden dürfe. Denn anderenfalls könne von einer wirksamen Verteidigungsteilhabe im Sinne von Art. 6 EMRK hinsichtlich des Sachverständigenbeweises nicht gesprochen werden (Gaede, Fairness als Teilhabe - Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gem. Art. 6 EMRK, 2007, S. 658; vgl. dazu Neuhaus HRRS 2007, 373).

c.) Im Anschluss analysiert Mehle auf der Basis der von ihm gefundenen Ergebnisse die vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle in Bezug auf die Antragspflicht der Staatsanwaltschaft (S. 285 ff.). Während er BGHSt 46, 93 insoweit zustimmt, beanstandet er die Judikate BGHSt 47, 172 sowie 47, 233. Auch in diesen Fällen hätte, wie Mehle nachweist, ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen.

d.) Mehle wendet sich dann dem Problem der prozessualen Absicherung der Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren zu. Zunächst entwickelt er aus dem Gesetz ein eigenes Antragsrecht des Beschuldigten (und eine entsprechende Pflicht zur Belehrung des Beschuldigten [S. 304 ff., 412]; in diese Richtung auch BGH NStZ 2006, 236 und NStZ-RR 2006, 181 jeweils mit Anm. Beulke/Barisch StV 2006, 569. Der BGH knüpft aber an einen Verstoß keine Folgen). Die weitere Frage nach den Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Bestellung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren beantwortet Mehle überzeugend mit einem Beweisverwertungsverbot (S. 321 ff.). Denn nicht nur, die Rechtskreistheorie verlange ein Beweisverwertungsverbot, sondern auch die Schutzzwecklehre (S. 338 f.). Hinsichtlich der Abwägungslehre sei zu bedenken, dass sie bei Verstößen gegen § 141 Abs. 3 S. 1 oder S. 2 StPO nicht anwendbar sein könne. Erstens sei Fällen der notwendigen Verteidigung eine besondere Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten immanent, denn das Institut der notwendigen Verteidigung existiere gerade zu dem Zweck, Verteidigungsdefizite auszugleichen. Zweitens gehe es gerade um die Verletzung einer Vorschrift, die erst bei schwer wiegenden Vorwürfen eingreife. Das überzeugt, denn beides wird man schwerlich bestreiten können, wenn man unter schwer wiegenden Verstößen nach systematischer Auslegung auch solche versteht, die im Einzelfall aufgrund der besonderen prozessualen Situation schwer wiegen. Die von Amelung entwickelte Theorie der Informationsbeherrschungsrechte ("Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozess", 1990; zusammenfassend Amelung, in: FS Grünwald[1999], S. 531 sowie in: FS Hanack[1999], S. 293 und gegen Kritik verteidigend in: FS Roxin[2001], S. 1259 und in: GS Schlüchter[2002], S. 417) erwähnt Mehle in diesem Zusammenhang zwar nicht, doch relativiert diese Säumnis die Schlüssigkeit des gefundenen Ergebnisses (Beweisverwertungsverbot) in keiner Weise. Denn auch nach dieser Theorie gelangt man zwanglos zu einem Beweisverwertungsverbot als Folge des Verstoßes gegen § 140 Abs. 3 StPO.

Der Lösung Mehles ist zuzustimmen. Nicht nur, dass sie methodisch sauber entwickelt wird; auch die Schwächen der Beweiswürdigungslösung, die Mehle zutreffend in der Gefahr der Verwendung bloßer Worthülsen sieht ("Dabei war sich das Gericht des nur eingeschränkten Beweiswertes bewusst. Gleichwohl ist es von der Schuld des Angeklagten überzeugt, denn ..."), werden durch die Annahme eines Beweisverwertungsverbots vermieden - vom Vorzug klarer Handlungsanweisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft und der (allerdings streitigen) Disziplinierungsfunktion eines Beweisverwertungsverbots einmal abgesehen.

5. Kapitel zur Pflichtverteidigerbestellung de lege ferenda (S. 348 ff.) und zur Vergütung des Pflichtverteidigers (S. 391 ff.) schließen die Untersuchung ab.

III. Fischer schrieb unlängst in der Festschrift für Rainer Hamm: "Die Praxis, namentlich des BGH, dient den Strafrechtslehrern gerne als Objekt des Humors, insbesondere zur Verbreitung intellektuellen Frohsinns in Vorlesungen

und Vorträgen. Beispielhaft zu erwähnende Schulen bilden etwa Hochschullehrer, die es sich zur Aufgabe gemacht haben zu enthüllen, dass praktisch alle wichtigeren Entscheidungen des BGH traurige Elaborate dogmatischer Kenntnislosigkeit seien - man könnte dies, zur Unterscheidung, vielleicht als "Bonner Theorie" bezeichnen - oder solche Strafrechtslehrer, die zwar literarisch die Qualität der BGH-Entscheidungen loben und allenfalls "geringfügige" systematische Ergänzungen anregen, in Vorlesungen aber anhand derselben Entscheidungen um so lebhafter die notorische Niveaulosigkeit der Rechtsprechung vorführen - diese Diskussionsform könnte man probehalber als "Münchener Theorie" bezeichnen." (a.a.O., S. 63, 67). Der eine oder andere aus der strafverfolgenden oder strafenden Justiz könnte deshalb argwöhnen, die Ergebnisse von Mehles Arbeit seien sozusagen "aus Prinzip" contra BGH und daher mit gewisser Vorsicht zu genießen. Der Rezensent vermag nicht zu beurteilen, ob die zitierte Kritik u. a. an der "Münchener Schule" zurecht erhoben wird oder nicht. Ohnehin wäre zwischen Form und Inhalt der Kritik zu unterscheiden. Erstere mag im Einzelfall unglücklich sein; über die sachliche Berechtigung sagt die Form allein jedoch noch nichts. Wie auch immer: Gegenüber Mehle läge ein solcher Vorbehalt neben der Sache. Denn seine Arbeit gewinnt ihre Überzeugung nicht aus - je nach Profession - begrüßten oder abgelehnten Ergebnissen, sondern aus ihrer methodischen Sauberkeit und der Ausgewogenheit ihrer Argumente. Man kann nur wünschen, dass sich mehr mutige Richter finden, wie der, der dem BGH die Gefolgschaft verweigerte und bei rechtswidriger Nicht-Bestellung eines Verteidigers im Ermittlungsverfahren ein Beweisverwertungsverbot für die in Abwesenheit des Beschuldigten gewonnenen Vernehmungsinhalte annahm (AG Hamburg StV 2004, 11). Die schöne Arbeit von Mehle würde ihnen dafür starke Argumente liefern.

Dr. Ralf Neuhaus, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht, Dortmund

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