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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2009
10. Jahrgang
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1. Der Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht aus § 168c Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 StPO führt nicht zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich eines Mitbeschuldigten. (BGHSt)
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in den Fällen, in denen diese Benachrichtigungspflicht verletzt worden ist, zugunsten des vernommenen Beschuldigten ein Verwertungsverbot angenommen worden ist, wenn er der Verwertung seiner Vernehmung widersprochen hat (vgl. BGH NStZ 1989, 282, 283; NStZ 2003, 671). Der Senat hegt Zweifel, ob in Fällen der vorliegenden Art die unterbliebene Benachrichtigung des Verteidigers stets einen so schwer wiegenden Verfahrensverstoß darstellt, dass er die Annahme eines Beweisverwertungsverbots zur Folge haben muss. (Bearbeiter)
3. Mitbeschuldigte oder deren Verteidiger haben nach § 168c StPO kein (analoges) Anwesenheitsrecht (BGHSt 42, 391, 393). (Bearbeiter)
1. Zwar sind die von einem Verdeckten Ermittler gewonnenen Erkenntnisse im Grundsatz verwertbar, wenn die Voraussetzungen für seinen Einsatz und die hierfür erforderliche richterliche Zustimmung (§§ 110 a Abs. 1 Satz 4, 110 b Abs. 2 Nr. 2 StPO) vorlagen (vgl. BGHSt 52, 11, 14 f.). Ein Verdeckter Ermittler darf aber einen Beschuldigten, der sich auf sein Schweigerecht berufen hat, nicht unter Ausnutzung eines geschaffenen Vertrauensverhältnisses beharrlich zu einer Aussage drängen und ihm in einer vernehmungsähnlichen Befragung Äußerungen zum Tatgeschehen entlocken. Eine solche Beweisgewinnung verstößt gegen den Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, und hat regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot zur Folge (BGHSt 52, 11 f. [L. S.], 17 ff.; vgl. EGMR StV 2003, 257, 259 [m. Anm. Gaede]).
2. Ein Verdeckter Ermittler nutzt nicht lediglich ein zwischen ihm und der Angeklagten bestehendes Vertrauensverhältnis aus, um Informationen aufzunehmen, die ihm die Angeklagte von sich aus gegeben hat, wenn er das Vertrauensverhältnis von sich aus aufbaut und er in Kombination mit weiteren, druckerhöhenden offenen Ermittlungsmaßnahmen auf die Angeklagte mit dem Ziel einwirkt, sie zu solchen Angaben zu veranlassen.
3. Das Beruhen kann aber zu verneinen sein, wenn die Angeklagte in späteren (ordnungsgemäßen) polizeilichen Vernehmungen und in einer Vernehmung durch den Haftrichter ihre Angaben wiederholt und diese der Verurteilung zugrunde liegen.
1. Die Einstellung eines Strafverfahrens darf nicht von der Zahlung einer Geldauflage an die Staatskasse abhängig gemacht werden, wenn der Angeschuldigte durch die Erfüllung der Auflage seine Gläubiger benachteiligt. (BGHR)
2. Entrichtet der Angeschuldigte einen Geldbetrag an die Staatskasse, um eine Auflage zu erfüllen, von der die Einstellung eines Strafverfahrens gegen ihn abhängt, erbringt er keine unentgeltliche Leistung, wenn die erteilte Auflage in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem Verurteilungsrisiko und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs steht. (BGHR)
3. Die vom Schuldner an die Staatskasse geleisteten Zahlungen können vom Insolvenzverwalter zurückverlangt werden, wenn der Schuldner die hierdurch bewirkte Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, um durch Erfüllung einer entsprechenden
Auflage die Einstellung eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens zu erreichen, während die Staatsanwaltschaft wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zumindest drohte und die geleisteten Zahlungen seine Gläubiger benachteiligten. (BGHR)
4. Der Benachteiligungswille der Vorsatzanfechtung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es dem Schuldner allein darauf angekommen sein mag, mit Erfüllung der Einstellungsauflage einer Bestrafung zu entgehen. In der eröffneten Hauptverhandlung ergibt sich für den Schuldner bei der Erfüllung einer Einstellungsauflage insoweit nichts anderes. Der Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 InsO setzt auch kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus oder irgendeine Art von Treu- oder Sittenwidrigkeit. (Bearbeiter)
Ein qualifiziertes Antragsrecht hat lediglich die Minderheit von (mindestens) einem Viertel der Ausschussmitglieder. Nur bei deren Beweisanträgen muss die Mehrheit des Ausschusses zustimmen, sofern nicht einer der im Gesetz aufgeführten Ablehnungsgründe vorliegt. In Fällen, in denen der Beweisantrag nicht von (mindestens) einem Viertel der Ausschussmitglieder gestellt wurde, bedarf es zwar der Ablehnung durch die Mehrheit des Ausschusses, ohne dass dabei jedoch eine Bindung an die in § 17 Abs. 2 PUAG genannten Ablehnungsgründe besteht. Vielmehr darf ein solcher Antrag aus jedem (nicht willkürlichen) Grund abgelehnt werden, also beispielsweise auch wegen – aus Sicht der Ausschussmehrheit – fehlenden Aufklärungsbedürfnisses. Auch § 244 Abs. 3 bis 5 StPO findet in diesen Fällen – trotz Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG – keine (entsprechende) Anwendung.
Es ist nicht geboten, in den Gründen eines freisprechenden Urteils das komplette Aussageverhalten eines Belastungszeugen im Ermittlungsverfahren geschlossen darzustellen, sofern schon die vom Tatrichter dargestellten Widersprüche im Aussageverhalten den tatrichterlichen Schluss auf die nicht ausreichende Glaubhaftigkeit der Bekundungen tragen. Eine gesteigerte Darlegungspflicht kann allenfalls im umgekehrten Fall der Überführung des Angeklagten ungeachtet der Beweissituation Aussage gegen Aussage bestehen.
1. Zwar kann in der gerichtlichen Anordnung, ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit und einer eventuellen Unterbringung einzuholen, ein nach § 265 Abs. 1 und 2 StPO erforderlicher Hinweis liegen (vgl. BGH NStZ 1992, 249). Der Hinweis muss aber, wenn er seine Funktion erfüllen soll, dem Angeklagten in einer solchen Form erteilt werden, dass dieser eindeutig sehen kann, auf welche Maßregel das Gericht zu erkennen gedenkt (vgl. BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6).
2. Diesem Erfordernis genügt eine allgemein gehaltene Aufzählung sämtlicher freiheitsentziehender Maßregeln im Eröffnungsbeschluss nicht. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung stellt mit ihrer in das Leben eines Angeklagten tief eingreifenden Wirkung einen besonders gravierenden Eingriff dar. Deshalb dürfen an die Hinweispflicht des Gerichts in einem solchen Fall keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGHR aaO; BGH NStZ-RR 2004, 297 f.).
Ist nicht zu erkennen, worauf ein Widerspruch zwischen Tenor und Urteilsgründen hinsichtlich der Höhe der erkannten Strafe beruht, so ist das Urteil wegen Verletzung sachlichen Rechts grundsätzlich im Strafausspruch aufzuheben. Das Revisionsgericht kann jedoch auf die niedrigere von beiden Strafen erkennen, sofern auszuschließen ist, dass das Tatgericht auf eine noch niedrigere Strafe erkannt hätte.
Die Wahrunterstellung einer Beweistatsache zwingt nicht zugleich zu einer vom Beweisantragsteller erstrebten, auf der als wahr unterstellten Beweistatsache möglicherweise aufbauenden weiteren Schlussfolgerung.
1. Der Ausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld hat keinen Bestand, wenn es an einem wirksam gestellten Adhäsionsantrag fehlt. Der Adhäsionsantrag des Verletzten ist Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung über die Entschädigung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH StV 2008, 127).
2. Die Bestellung eines Betreuers für den sorgeberechtigten Elternteil hat keine Auswirkungen auf die elterliche Sorge und beinhaltet nicht die Vertretung des minderjährigen Kindes.