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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2008
9. Jahrgang
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1. Wirkt sich die Tat ohne Verwechslung des Angriffsobjekts an einem anderen Menschen aus (aberratio ictus, Fehlgehen des Angriffs), kann dem Täter, soweit die Wirkung des Angriffs auf das nicht in Aussicht genommene Opfer in Frage steht, der Vorwurf der vorsätzlichen Tatbestandserfüllung nur dann gemacht werden, wenn er weiß, dass ein solcher Erfolg eintreten kann, und er diese Möglichkeit billigend in Kauf nimmt (h.M.; BGHSt 34, 53, 55 ).
2. Auch für das Willenselement stellt die Lebensbedrohlichkeit gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Beweisanzeichen dar, jedoch ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.N.). In diese Prüfung sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).
3. Einzelfall einer Tötung der Ehefrau durch eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, die primär einem „Ehebrecher“ galt.
1. Noch oberflächliche und geringe Schnittverletzungen am Brustbein und am linken Rippenbogen sind als Grundlage einer Schlussfolgerung auf eine Billigung tödlicher Verletzungen aus äußerst gefährlichen Gewalthandlungen offensichtlich ungeeignet.
2. Die Annahme, der Angeklagte habe einen Messerangriffe auf besonders gefährdete Körperregionen gerichtet, die er problemlos habe auswählen können, darf nicht im Widerspruch zu festgestellten wesentliche Umständen der bestehenden Kampfeslage stehen.
1. Maßgeblich für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts ist allein, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont, vgl. BGHSt - GS - 39, 221, 227 f.). Ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch ist demgemäß auch in den Fällen möglich, in denen der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat (vgl. BGHSt aaO S. 230 f.; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 24). Der freiwillige Verzicht auf eine ohne weitere Zäsur als noch möglich erkannte Tatbestandsverwirklichung reicht zum strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten - dann nicht etwa fehlgeschlagenen - Versuch aus (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 259; 2002, 168, jew. m.w.N.).
2. Ein zulässiges Verteidigungsverhalten darf bei der Prognoseentscheidung gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden (vgl. BGH NStZ 1993, 37).
3. Die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nur gegeben, wenn die bestimmte Wahrscheinlichkeit (vgl. BGHSt 25, 59, 61) besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 105).
1. Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz als Ganzes und nicht nur dessen milderer Strafrahmen anzuwenden.
2. Nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB neben einer Freiheitsstrafe gesondert verhängte Geldstrafen aus einer früheren Verurteilung sind solange einbeziehungsfähig, wie diese Verurteilung noch nicht insgesamt im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB erledigt ist.
3. Bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe tritt eine Erledigung der einbezogenen Strafen nur ein, wenn die in der Gesamtstrafenentscheidung verhängten Strafen vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen sind. Mit der Rechtskraft der nachträglichen Gesamtstrafenbildung scheidet eine gesonderte Vollstreckung der einbezogenen Strafen aus.
1. Die Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach Vollendung einer Raubtat setzt zur Verwirklichung der Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB Beutesicherungsabsicht voraus. (BGHSt)
2. In den Fällen des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB muss die Waffe in einem Handlungsausschnitt mitgeführt werden, der wenigstens zu einer Intensivierung der tatbestandstypischen Rechtsgutsverletzung bzw. zur Sicherung des Erlangten dient. (Bearbeiter)
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind „Werkzeug oder Mittel“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB zwar grundsätzlich alle Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind. Sie müssen aber, sofern sie als Drohmittel eingesetzt werden (sollen), unter den konkreten Umständen ihrer geplanten Verwendung aus Sicht des Täters ohne Weiteres geeignet sein, bei dem Opfer den Eindruck hervorzurufen, sie können zur Gewaltanwendung verwendet werden und deshalb gefährlich sein. Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Gegenstand schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken. Dann steht die Täuschung und nicht – wie erforderlich – die Drohung im Vordergrund (BGH NStZ 2007, 332, 333).
2. Diese Begriffsbestimmung gilt auch für § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB.
1. Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat jedoch
zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370).
2. Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sind nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden Taten (vgl. BGH NStZ 1997, 277; NStZ 1998, 352 f.; BGH, Urteil vom 8. August 2001 - 3 StR 162/01). Handelt es sich bei den weiteren Straftaten aber um solche, die der leichten Kriminalität zuzurechnen wären, so sind diese regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz).
3. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 16, 18).
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (st. Rspr., vgl. u. a. BGH NStZ 2006, 503, 504 m.w.N.). Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit ist es erforderlich, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 – 1 StR 145/04; BGH NStZ 2003, 535; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2, 9).
2. Das Ausnutzungsbewusstsein bedarf zwar in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter auch bei Taten aus rascher Eingebung keiner näheren Darlegung. Anders kann es jedoch gerade bei „Augenblickstaten“, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein. Dann kann je nach den Umständen eine nähere Darlegung geboten sein, warum der spontan agierende Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Aspekte in sein Bewusstsein aufgenommen hat (BGH NStZ-RR 2005, 264 – 266).
3. Grundsätzlich können Arg- und Wehrlosigkeit auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber gleichwohl nicht mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234, 235; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13, 21).
1. Die Drohung mit einer ungeladenen Schusswaffe erfüllt die an das Verwenden einer Waffe im Sinne des schweren Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu stellenden Voraussetzungen auch dann nicht, wenn der Täter sie in wenigen Sekunden mit zwei oder drei schnellen Handgriffen hätte laden können.
2. Wird eine geladene Waffe nach der Vollendung eines Raubs, aber noch vor dessen Beendigung zur Beutesicherung eingesetzt, so genügt dies für ein Verwenden „bei der Tat“ im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
3. Die Angabe mittäterschaftlicher Begehung („gemeinschaftlich“) ist bei der Fassung der Urteilsformel entbehrlich und hat aus Gründen der Übersichtlichkeit zu unterbleiben.
Für eine schwere Körperverletzung in der Alternative der dauernden Entstellung in erheblicher Weise (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist erforderlich, dass die Gesamterscheinung des Verletzten in einem Maße verunstaltet ist, dass die Beeinträchtigung in ihrem Gewicht den übrigen in § 226 StGB genannten Folgen in etwa nahe kommt.
1. Infolge seines speziellen Rechtsguts kann § 231 StGB (Beteiligung an einer Schlägerei) mit Tötungs- und Körperverletzungsdelikten in Tateinheit stehen.
2. Auf die Revision der Nebenklage ist das angefochtene Urteil nur auf die rechtsfehlerfreie Anwendung der zur Nebenklage berechtigenden Strafvorschriften zu prüfen, nicht dagegen darauf, ob es der Tatrichter fälschlich unterlassen hat, in den Schuldspruch ein tateinheitlich in Betracht kommendes, nicht zur Nebenklage berechtigendes Delikt aufzunehmen.
1. Voraussetzung für ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 StGB ist, dass ein Verhältnis besteht, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Minderjährigen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (vgl. BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1 und 2). Ob ein solches Obhutsverhältnis, das auch bei einer Tätigkeit als Trainer bestehen kann (BGHSt 17, 191, 192/193 – Fußballtrainer; BGH NStZ 2003, 661 – Tennistrainer), vorliegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (BGHSt 19, 163; 33, 340, 344; 41, 137, 139).
2. Die Strafzumessung ist Aufgabe des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die tatrichterliche Strafzumessung kann nur eingegriffen werden, wenn diese Rechtsfehler aufweist, etwa weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist. Dabei ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349), auch die Darlegung sämtlicher Erwägungen ist insoweit weder möglich noch nötig (BGH, Urteil vom 25. Mai 1994 – 3 StR 209/94).
3. Ob besondere Umstände iS des § 56 Abs. 2 StGB in der Tat und in der Täterpersönlichkeit vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden. Diese Würdigung obliegt – ebenso wie die Strafzumessung – dem Tatrichter. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kommt in Betracht, wenn sie trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, nicht als unangebracht erscheint und den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderläuft (vgl. BGHSt 29, 370, 371; st. Rspr., z. B. BGH, wistra 1997, 22). Die „besonderen Umstände“ müssen dabei umso gewichtiger sein, je näher die Strafe an der Zweijahresgrenze liegt (BGH wistra 1985, 147, 148). Dabei lässt sich der Begriff der „besonderen Umstände“ nicht so scharf abgrenzen, dass in allen denkbaren Fällen nur eine allein richtige Entscheidung möglich wäre. Das Revisionsgericht hat in Grenzfällen die Wertung des Tatrichters hinzunehmen.
1. Für eine Beteiligung im Sinne des § 125 Abs. 1 StGB genügt nicht, bloßer Teil der „Menschenmenge“ gewesen zu sein, aus der heraus die Gewalttätigkeiten begangen wurden. Ob sich jemand an diesen „als Täter oder Teilnehmer beteiligt“ hat und damit Täter des Landfriedensbruchs ist, bestimmt sich vielmehr nach den allgemeinen Teilnahmegrundsätzen der §§ 25 ff. StGB.
2. Das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren stellt weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar (vgl. BGH NStZ 1984, 549; OLG Naumburg NJW 2001, 2034)