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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2008
9. Jahrgang
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1. Entwickeln Angeklagte gemeinsam einen Tatentschluss, liegt darin keine Anstiftung der jeweils anderen Angeklagten. Dies gilt auch für einen Angeklagten, der im Vorbereitungsstadium die höchste Planungskompetenz aufweist.
2. Mittäterschaft liegt nicht vor, wenn Mitangeklagte Vorbereitungshandlungen eines Mitwirkenden für eine Tat ausnutzen, die nach den Vorstellungen des Mitwirkenden und nach dem vereinbarten Tatplan als andere Tat zu bewerten ist. Auch Beihilfe scheidet dann aus. Anders liegt es in Fällen, in denen ein „Hintermann“ die Planung einer Tat (mit-)beherrscht, diese aber anschließend aus den Händen gibt und dabei das genaue Vorgehen bei der Tatausführung und den hierfür geeigneten Zeitpunkt dem Ermessen seines Mittäters überlässt (vgl. BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2004, 40, 41). Ebenfalls sind Fälle anders zu behandeln, in denen ein Mittäter im Vorbereitungsstadium von der Tatausführung Abstand nimmt, er allerdings - etwa wegen fehlgeschlagener Umstimmungsversuche - weiß oder zumindest damit rechnet, dass andere Mittäter (gegebenenfalls) seinen Tatbeitrag ersetzen und die Tat gleichwohl ohne ihn ausführen (vgl. BGHSt 28, 346; BGH NStZ 1994, 29; 1999, 449).
1. Sind mehrere selbständige Straftaten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens, so erstreckt sich die verjährungsunterbrechende Wirkung von Untersuchungshandlungen grundsätzlich auf alle diese Taten, sofern nicht der Verfolgungswille des tätig werdenden Strafverfolgungsorgans erkennbar auf eine oder mehrere der Taten beschränkt ist.
2. Für die Bestimmung des Umfangs des Verfolgungswillens ist maßgeblich, was nach dem Wortlaut der Maßnahme, nach dem sonstigen Akteninhalt sowie dem Sach- und Verfahrenszusammenhang mit der jeweiligen Untersuchungshandlung bezweckt wird. Dabei genügt es, wenn die vom Verfolgungswillen erkennbar erfassten Taten derart individualisiert sind, dass sie von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen unterscheidbar sind.
3. Verbleiben Zweifel, ob eine Tat von einer Unterbrechung umfasst ist, so ist zu Gunsten des Angeklagten zu entscheiden.
4. Sämtliche die Verjährung unterbrechenden Maßnahmen des § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB – neben den dort ausdrücklich genannten Maßnahmen etwa auch die Gewährung einer Akteneinsicht oder die Mitteilung des Eingangs weiterer Strafanzeigen – bilden eine Einheit. Sie sind lediglich zu einer einmaligenUnterbrechung der
Verjährung geeignet und stehen hierfür nur alternativ zur Verfügung. Sobald eine der dort genannten Unterbrechungshandlungen durchgeführt worden ist, kann die Verjährung daher durch eine andere der in Nr. 1 aufgezählten Maßnahmen nicht erneut unterbrochen werden.
5. Durch die Erhebung einer Anklage, die den Voraussetzungen des § 200 StPO nicht entspricht und deshalb unwirksam ist, kann die Verjährung nicht gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB unterbrochen werden.
6. Die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung sind als materiellrechtliche Ausnahmeregelungen einer Analogie nicht zugänglich.
Der Rücktritt vom unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB durch freiwilliges Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat ist ausgeschlossen, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. BGHSt 39, 221, 228 m. w. N.). Ein fehlgeschlagener Versuch liegt jedoch dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln ohne zeitliche Zäsur noch vollenden kann (st. Rspr.; BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228).
Eine Prüfung der Schuldunfähigkeit darf sich nicht nur auf eine mögliche Eingangsvariante des § 20 StGB wie zum Beispiel den Schwachsinn beziehen, sondern muss in einer Gesamtwürdigung auch Anhaltspunkte für eine schwere andere seelischen Abartigkeit in Form einer gravierenden Persönlichkeitsstörung einbeziehen. Hierbei ist auch eine besondere Affinität des Angeklagten zu Brandstiftungen zu berücksichtigen, selbst wenn es „Pyromanie als eigenständige Persönlichkeitsstörung“ nicht geben sollte.
1. Für die Frage, wer den Gewahrsam an einer Sache innehat, kommt es nach ständiger Rechtsprechung entscheidend auf die Anschauungen des täglichen Lebens an. Der Gewahrsamsbegriff wird wesentlich durch die Verkehrsauffassung bestimmt. Deshalb hängt das Bestehen tatsächlicher Sachherrschaft nicht in erster Linie, jedenfalls nicht allein von der körperlichen Nähe zur Sache und nicht von der physischen Kraft ab, mit der die Beziehung zur Sache aufrechterhalten wird oder aufrechterhalten werden kann (vgl. BGHSt 16, 271, 273). Gewahrsam kann auch in Form des übergeordneten Mitgewahrsams eines „Bandenkopfes“ vorliegen.
2. Die Anwendung des Zweifelssatzes setzt eine vorherige umfassende Würdigung der relevanten Indizien voraus (vgl. BGH NStZ 2001, 609; BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Eine solche Gesamtbetrachtung muss sich den schriftlichen Urteilsgründen entnehmen lassen.
Weder die Entstehungsgeschichte des § 244a StGB noch sein Normzweck lassen eine Intention des Gesetzgebers erkennen, nicht dem Bereich der Organisierten Kriminalität zuzurechnende Banden aus dem Anwendungsbereich des § 244a StGB herauszunehmen. § 244a StGB findet auf alle Diebesbanden Anwendung (vgl. zur Jugendbande auch BGH, Urteil vom 22. März 2006 - 5 StR 38/06 = NStZ 2006, 574). Es kommt mithin nicht darauf an, ob es sich um eine Jugendbande, eine im örtlich begrenzten Bereich tätige oder auf bestimmte Objekte spezialisierte Bande handelt.
Gewerbsmäßigkeit liegt nur dann vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (vgl. BGHSt 1, 383; BGH NStZ 1998, 305, 306; 2000, 657, 660). Liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist zwar schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten (vgl. BGH NStZ 1998, 305, 306 m.N.). Hierfür genügt es bei § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB nicht, wenn der Angeklagte das zur Tatzeit noch nicht 21 Jahre alte Opfer zur Fortsetzung der Prostitution bringt „weil er sich aus den Prostitutionseinkünften der Nebenklägerin eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen wollte“.
1. Der Senat hält daran fest, dass die Voraussetzungen der besonders schweren Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auch dann gegeben sind, wenn die Brandlegung zum Zwecke eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird; die Begehung der weiteren Tat muss nicht durch die spezifischen Auswirkungen der Brandlegung begünstigt werden.
2. Eine Erstreckung der Revision auf Mitangeklagte gemäß § 357 StPO ist nicht veranlasst, wenn der Rechtsfehler des Tatrichters eine rechtliche Beurteilung betrifft, die für jeden Angeklagten individuell vorzunehmen ist und der Entscheidung keine fehlerhafte Rechtsansicht als solche zugrunde liegt.
Eine sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 i.V.m. § 184 f Nr. 1 StGB liegt immer dann vor, wenn die Handlung objektiv, also nach ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist; ist das der Fall, kommt es auf die Motivation des Täters nicht an, auch eine sexuelle Absicht muss nicht vorliegen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07 m.w.N.). Jedoch ist auf der subjektiven Seite erforderlich, dass der Täter sich jedenfalls des sexuellen Charakters seines Tuns bewusst ist.
Bei der Geiselnahme muss zwischen der Entführung oder dem Sich-Bemächtigen einerseits und der beabsichtigten Nötigung andererseits ein funktionaler Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter dem Opfer noch während der Dauer der Entführung oder Bemächtigung eine Handlung, Duldung oder Unterlassung abpressen will. Die Einschüchterung des Tatopfers verbunden mit dem Verlangen, in Zukunft nach Beendigung der Einschüchterung bestimmte Handlungen zu unterlassen, erfüllt den Tatbestand daher nicht.