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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2008
9. Jahrgang
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1. Zur Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB. (BGHSt)
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB ist gerechtfertigt, wenn der Täter vor Begehung der neuen Tat die Warnfunktion eines Strafurteils zweimal missachtet hat (vgl. zur Warnfunktion BGHSt 35, 6, 12; BGH NStZ 1992, 328). (Bearbeiter)
1. Nicht jeder Verstoß gegen § 145a StGB vermag aber die Annahme zukünftiger Gefährlichkeit zu begründen, welche für die außerordentlich beschwerende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Voraussetzung ist. Auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) wird etwa die Nichterfüllung der Weisung, sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle oder einem Bewährungshelfer zu melden (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB), grundsätzlich nicht geeignet sein, eine zukünftige Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu prognostizieren.
2. Das Gericht muss für die Überprüfung der Gefährlichkeitsprognose nach § 63 StGB darstellen, dass es sich bei Verstößen gegen § 145a StGB nicht nur um lediglich formale Gehorsamsverstöße gehandelt hat, wenn es seine Prognose auf diese Verstöße stützt.
1. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf nicht deshalb abgesehen werden, weil eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist, denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht der dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme nach § 35 BtMG vor.
2. Ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist es bereits, dass der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Dies kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit oder Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern auch bei so genannter Beschaffungskriminalität.
3. Für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der Tat und einem Hang im Sinne des § 64 StGB ist ausreichend, dass der Hang - gegebenenfalls neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat. Dies ist typischerweise bei der so genannten Beschaffungskriminalität von Rauschgiftsüchtigen der Fall, wenn also die Straftat unmittelbar oder – wenn sie etwa der Tilgung von suchtbedingten Schulden dienen soll – mittelbar der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient
1. Auch bei einer nicht pathologisch bedingten schweren Persönlichkeitsstörung ist das Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB gegeben, wenn die Persönlichkeitsstörung in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen.
2. Zur Beurteilung des Schweregrades einer Persönlichkeitsstörung bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten und deren Entwicklung, der Tatvorgeschichte, des unmittelbaren Anlasses und der Ausführung der Tat sowie des Verhaltens nach der Tat.
3. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) kann neben der Anordnung von Sicherungsverwahrung oder der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommen. Liegen die Voraussetzungen sowohl des § 63 StGB als auch des § 66 StGB vor, kann die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Anordnung von Sicherungsverwahrung entbehrlich machen (§ 72 Abs. 1 StGB).