Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2007
8. Jahrgang
PDF-Download
In dieser Ausgabe erweitern wir die Prozessdokumentation durch die Aufnahme folgender Entscheidungen, die zum Fragenkreis der "Online-Durchsuchung" von Bedeutung sind:
1. Der heimliche, elektronische Zugriff auf gespeicherte Mailbox-Daten ist zulässig. Er darf aber nur unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte (Art. 10, 13 GG), der Zweckbestimmung der berührten Strafprozessorschriften und einer Abgrenzung des Begriffs des Fernmeldeverkehrs im Sinne der §§ 100a, 100b StPO gewonnen werden.
2. Die Vorschriften über die Durchsuchung sind für den heimlichen, elektronischen Zugriff auf eine Mailbox nicht anwendbar, weil es nicht um die Sicherstellung körperlicher Gegenstände oder um ein körperliches Eindringen in Wohnungen oder andere Räume geht.
3. Der Zugriff auf in Mailboxen gespeicherten Daten darf nur jeweils einmal erfolgen.
1. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Durchsuchung (§ 102 StPO) kommt für den heimlichen Zugriff auf einen Computer zum Zwecke der Strafverfolgung nicht in Betracht.
2. Der heimliche Zugriff auf ein Computersystem stellt keine Telekommunikationsüberwachung i.S.d. § 100a StPO dar.
3. Zwar ist technischen Neuerungen durch entsprechende Anpassung der Auslegung auch von strafprozessualen Eingriffsnormen Rechnung zu tragen, ihre Grenze findet die Auslegung aber dann, wenn nur durch eine Analogie ein weitreichender und schwerwiegender Eingriff gerechtfertigt werden könnte.
1. Die "Durchsuchung" im Sinne der §§ 102ff. StPO umfasst auch das Suchen nach elektronisch gespeicherten Daten. Nicht die Art des Mediums, sondern sein Inhalt, namentlich die Eignung der dargestellten Daten (im weitesten Sinne) als Beweismittel für ein bestimmtes Ermittlungsverfahren ist das entscheidende Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob das Suchen eines staatlichen Organs in einer Wohnung, einem anderen Raum oder einer Sache als Durchsuchung i.S.d. §§ 102 ff StPO zu qualifizieren ist.
2. Dass Ermittlungsbeamte körperlich am Durchsuchungsort anwesend sind, ist nicht notwendiger Inhalt des Begriffes der Durchsuchung.
3. Die Durchsuchung ist keine Maßnahme, die nach ihrer Rechtsnatur, nach ihrer Zweckbestimmung oder wegen der Intensität des Eingriffs in Grundrechtspositionen des Betroffenen stets und ausnahmslos offen durchgeführt werden müsste.
4. Im Hinblick auf den technischen Fortschritt in modernen Informationsgesellschaften dürfen keine überhöhten Anforderungen an die Bestimmtheit von strafprozessualen Befugnisnormen gestellt werden. Gesetzliche Formulierungen sind grundsätzlich offen für die Einbeziehung kriminaltechnischer Neuerungen, die der historische Gesetzgeber in ihren Möglichkeiten noch nicht abschätzen konnte. Entsprechend auslegungsfähig sind auch die §§ 102ff. StPO gestaltet.
5. Weder den materiellen noch den formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 103, 104, 105 Abs. 1 StPO) sind Einschränkungen dahingehend zu entnehmen, dass diese Maßnahme stets nur offen möglich sein soll.
6. Die verdeckte, elektronische Durchsuchung eines Computers greift nicht in das Grundrecht aus Art. 13 GG ein. Sie tangiert auch nicht das das Fernmeldegeheimnis, denn es werden ausschließlich Daten gesichert, die im Herrschaftsbereich des Betroffenen gespeichert sind.
7. Zwar ist auf Grund der den §§ 102 ff. StPO zu Grunde liegenden Schutzgedanken nur einen einmaligen Eingriff in die Sphäre des Betroffenen erlaubt. Die verdeckte Online-Durchsuchung ist aber erst beendet, wenn der komplette, auf dem PC des Beschuldigten vorhandene Datenbestand gesichert ist. Dazu können auch aus zwingenden technischen Gründen mehrere Teil-Abrufvorgänge erfolgen.
Zur Rubrik "Online-Verfahrensdokumentationen"
Sie bleiben eingeladen, durch die Einsendung von Dokumentationsvorschlägen zum weiteren Ausbau der Dokumentationsrubrik beizutragen.